Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 05.05.1988, Az.: 419 B 14046/87

Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache als Hindernis für den Erlass eines auf zu verjähren drohende Zinsen ausgerichteten erneuten Mahnbescheids; Verweis auf Vollstreckungsmaßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
05.05.1988
Aktenzeichen
419 B 14046/87
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 20566
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:1988:0505.419B14046.87.0A

Fundstellen

  • NJW 1988, 3022 (amtl. Leitsatz)
  • NJW-RR 1988, 1343-1344 (Volltext mit red. LS)

In der Mahnsache
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung 419 -
durch
den Präsidenten des Amtsgerichts Dellmanns a
m 5. Mai 1988
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Erinnerung der Antragstellerin gegen den Beschluß des Rechtspflegers des Amtsgerichts Hannover vom 1. März 1988 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Antragstellerin hat am 31. Dezember 1987 beantragt, einen Mahnbescheid wegen folgenden Anspruchs zu erlassen:

2

Zinsanspruch zwecks Verjährungsunterbrechung bezogen auf die Gesch.-Nr.: 19 B 13918/83 // 4 % Zinsen seit dem 16.12.1983 (Erlaß VB) auf 1433,29 DM / berechnet bis 31.12.1987 für die letzten 1454 Tage. Hauptforderung DM 231,55, Kosten dieses Verfahrens DM 25,80, Gesamtbetrag DM 257,35.

3

Nach Anhörung der Antragstellerin hat der Rechtspfleger durch Beschluß vom 1. März 1988 den Antrag zurückgewiesen, weil für den Erlaß eines neuen Mahnbescheids ein Rechtsschutzinteresse fehle es drohe keine Verjährung.

4

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Antragsteller in mit ihrer sofortigen Erinnerung vom 14.03.1988. Sie macht geltend, entgegen der Ansicht des Rechtspflegers drohten die Zinsen, die nach Erteilung des Vollstreckungsbescheids fällig geworden seien, mit Ablauf von vier Jahren zu verjähren; dem solle durch Erlaß von Mahnbescheiden entgegengewirkt werden.

5

Mit ausführlicher Zwischenverfügung vom 25. März 1988 ist die Antragstellerin darauf hingewiesen worden, daß der Mahnbescheidsantrag Teilbeträge enthalte, deren Verjährung noch nicht bevorstehe; insoweit ist sie auf § 691 Abs. 2 ZPO aufmerksam gemacht worden. Im übrigen ist der Antragstellerin dargelegt worden, daß eine Unterbrechung der Verjährung auch durch Vollstreckungsmaßnahmen gem. § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB herbeigeführt werden könnte und diese dem Erlaß neuer Mahn- und Vollstreckungsbescheide vorzugehen hätten. Demgegenüber hat sich die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 18.01.1985 (NJW 1985, 1711 [BGH 18.01.1985 - V ZR 233/83]) auf den Standpunkt gestellt, es müsse ihr freigestellt sein, auf welche Weise sie eine Unterbrechung der Verjährung wegen der Zinsen herbeifuhren wolle. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin wird auf ihre Schriftsätze vom 14. März 1988 und vom 21. April 1988 Bezug genommen.

6

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den beantragten Mahnbescheid zu erlassen.

7

Der Antragsgegner ist nicht gehört worden.

8

Die unter Wahrung der gesetzlichen Formen und Fristen eingelegte sofortige Erinnerung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Rpf lG) ist nicht begründet. Dem Erlaß des begehrten Mahnbescheides steht der von Amts wegen zu beachtende Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen. Dabei mag es dahingestellt bleiben, ob dieser Einwand dogmatisch als mangelndes Rechtsschutzinteresse oder als Wiederholungsverbot anzusehen ist (vgl. zum aktuellen Meinungsstand: BGH vom 18.01.1985, NJW 1985, 1712). Jedenfalls hindert er in diesem Fall den Erlaß eines auf die zu verjähren drohenden Zinsen ausgerichteten neuen Mahnbescheides.

9

Der Antragstellerin ist allerdings zuzugeben, daß die in dem Mahnbescheidsantrag enthaltenen Zinsen, soweit sie lediglich nach Zinssatz und Beginn der Laufzeit ausgewiesen sind, gem. § 218 Abs. 2 BGB in vier Jahren seit Erlaß des Vollstreckungsbescheids verjähren. Es handelt sich nämlich hierbei nicht um rechtskräftig festgestellte Ansprüche, deren Verjährung erst nach dreißig Jahren droht (§ 218 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern um künftig fällig werdende Leistungen, die mit Ablauf von vier Jahren gem. §§ 197, 218 Abs. 2 BGB verjähren (so Münchkomm. zum BGB § 218 Rdnr. 6, RGR-K BGB 12. Aufl. § 218 Rdnr. 7, Staudinger-Dilcher BGB 12. Aufl. § 218 Rdnr. 14, Soergel-Augustin BGB 11. Aufl. § 218 Rdnr. 9). Auch wird man einem Gläubiger das Recht nicht verwehren dürfen, eine Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen, selbst wenn nicht sicher feststeht, ob der Schuldner sich auf Verjährung berufen wird (BGH NJW 1985, 1713).

10

Aber der von der Antragstellerin gewählte Weg, die Verjährung durch Erlaß eines Mahnbescheides zu unterbrechen (vgl. § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB), ist hier nicht gegeben. Es ist nämlich von der Antragstellerin zu verlangen, daß sie durch Vornahme von Vollstreckungshandlungen gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB eine Unterbrechung der Verjährung herbeiführt. Allein darin liegt die bestimmungsgemäße Verwendung des bestehenden Titels, so daß für einen neuen Titel ein schützenswertes Interesse entfallt.

11

Diese Verfahrensweise entspricht auch den Grundsätzen der Prozeßökonomie. Die Prüfung, ob wegen der geltend gemachten Forderungen nicht bereits eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist, die dem gegenwärtigen Antrag hindernd entgegenstehen würde, hätte das Gericht in jedem einzelnen Falle dieser Art von Amts wegen durchzuführen. Der antragstellende Gläubiger müßte alle Einzelheiten zur Rechtfertigung der Zulässigkeit seines Antrags vortragen und beweisen. Ob es denkbar ist, daß in besonderen Ausnahmefällen ein Mahnbescheidsantrag zulässig gestellt werden kann - die öffentliche Zustellung eines Mahnbescheidsantrags gegen einen Schuldner mit unbekanntem Aufenthalt ist nicht zulässig (§ 688 Abs. 2 ZPO) -, kann dahingestellt bleiben. Im hier zu entscheidenden Falle ist jedenfalls der Erlaß eines Mahnbescheides ausgeschlossen: Gegen den Schuldner ist ein Vollstreckungsbescheid ergangen, der Aufenthalt des Schuldners ist nicht unbekannt, Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner konnten in der Vergangenheit durchgeführt werden. Gerade bei einem Vollstreckungsbescheid, der den schnellen Zugriff des Gläubigers auf das Vermögen des Schuldners im Wege der Zwangsvollstreckung ermöglichen soll, fällt die Vorstellung schwer, daß nicht wenigstens einmal eine Zwangsvollstreckung versucht sein sollte. Um derartige Zweifel auszuräumen, wäre es daher notwendig, der Antragstellerin zur Glaubhaftmachung des Interesses am Erlaß des beantragten Mahnbescheides die Vorlage der ihr erteilten vollstreckbaren Ausfertigung des Titels auf zugeben, damit nachgeprüft werden kann, ob Eingangsvermerke bei Gerichtsvollziehern vorhanden sind, die auf Vollstreckungsmaßnahmen hinweisen könnten. Anschließend wäre evtl. noch weitere Aufklärung geboten. Es liegt auf der Hand, daß derartige Prüfungen weitaus aufwendiger sind, als das Ansinnen an die Antragstellerin, im Wege der Zwangsvollstreckung zu versuchen, sich aus dem vorhandenen Titel, wie es seiner Bestimmung entspricht, evtl. auch nur teilweise - zu befriedigen. Solange mithin diese Befriedigungsmöglichkeit mit der Folge der Unterbrechung der Verjährung besteht, muß ein berechtigtes Interesse am Erlaß eines neuen Mahnbescheides verneint werden (so auch Soergel-Augustin 11. Aufl. § 218 Rdnr. 10 und wohl auch LG Berlin v. 10.01.50 JR 1950, 283).

12

Bei dieser Sachlage erübrigen sich auch Ausführungen zu § 691 Abs. 2 ZPO, der unabhängig von dem Vorstehenden die Ablehnung des Mahnbescheidsantrags rechtfertigen würde.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; im übrigen ist das Verfahren gerichtsgebührenfrei (§ 11 Abs. 6 Satz 1 Rpf 1G).