Amtsgericht Aurich
Beschl. v. 17.03.2017, Az.: 9 IN 143/07
Bibliographie
- Gericht
- AG Aurich
- Datum
- 17.03.2017
- Aktenzeichen
- 9 IN 143/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 53792
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die sofortige Erinnerung der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit O. vom 1. 11. 2016 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten und Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Mit Beschluß des Gerichts vom 25. 1. 2014 wurde Rechtsanwalt Prof. Dr. R.-D. M. zum Sonderinsolvenzverwalter bestellt und beauftragt, mögliche Ansprüche der Masse gegen Rechtsanwalt K. im Zusammengang mit seiner Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter zu prüfen. Mit weiterem Beschluß vom 19. 8. 2014 wurde der Wirkungskreis des Sonderinsolvenzverwalters um die Geltendmachung von Ansprüchen der Masse gegen Rechtsanwalt K. im Zusammenhang mit seiner Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter erweitert.
Nach Zustimmung des in diesem Verfahren gebildeten Gläubigerausschusses hat am 3. 9. 2015 der Sonderinsolvenzverwalter Prof. Dr. M. mit dem Insolvenzverwalter K. einen Vergleich über mögliche Ansprüche der Masse gegen Rechtsanwalt K. im Zusammengang mit seiner Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter geschlossen.
Mit Schreiben vom 21. 7. 2016 teilte der Insolvenzverwalter K. dem Gericht mit, daß eine weitere Abschlagsverteilung von 6.000.000,- € erfolgen solle, der der Gläubigerausschuß gem. § 187 Abs. 3 InsO seine Zustimmung erteilt habe.
Das Gericht ordnete eine entsprechende Veröffentlichung an; versehentlich wurde jedoch am 28. 7. 2016 veröffentlicht, es solle die „Schlussverteilung“ erfolgen.
Mit Schriftsatz vom 4. 8. 2016 legte für die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit O. die Erste Fachkraft für Insolvenzgeld-Refinanzierung H.-J. J. sofortige Beschwerde ein und vertrat die Auffassung, eine Schlussverteilung könne noch nicht erfolgen. „Aufgrund der Bedeutung“ des zwischen dem Sonderinsolvenzverwalter und dem Insolvenzverwalter geschlossenen Vergleiches, dessen Inhalt ihm unbekannt sei, bedürfe dieser „zwingend“ der Zustimmung der Gläubigerversammlung, die nach § 74 InsO „wegen der Bedeutung“ von Amts wegen einzuberufen sei. Hilfsweise beantrage er die „entsprechende Einberufung nach § 75 InsO“. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf den bei den Akten befindlichen Schriftsatz Bezug genommen.
Am 4. 8. 2016 veröffentlichte das Insolvenzgericht folgende Verfügung: Es soll
„eine Abschlagsverteilung erfolgen.
Die Verteilungsmasse beträgt 6.000.000,00 EUR.
Insolvenzforderungen sind in Höhe von 118.919.172,67 EUR zu berücksichtigen.
…….
Die Veröffentlichung vom 28. 7. 2016 ist fehlerhaft.
Es soll eine Abschlagsverteilung und keine Schlussverteilung stattfinden“.
Das Insolvenzgericht äußerte mit Schreiben vom 9. 8. 2016 an die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit O. die Erwartung, die Beschwerde dürfte mit dieser Klarstellung hinfällig sein und bat um Bestätigung. Zugleich teilte es mit, über die Rückzahlung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters habe der Sonderinsolvenzverwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses einen Vergleich geschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindliche Abschrift des Schreibens verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 31. 8. 2016 teilte die Erste Fachkraft für Insolvenzgeld-Refinanzierung J. für die Bundesagentur für Arbeit mit, mit der Klarstellung durch das Gericht habe sich das gegen die Anordnung der Schlussverteilung eingelegte Rechtsmittel erledigt, nicht aber die Einberufung einer Gläubigerversammlung von Amts wegen nach 74 Abs. 1 InsO. Es werde deshalb beantragt:
„Von Amts wegen nach § 74 Abs. 1 InsO unverzüglich eine Gläubigerversammlung zur Entscheidung über die Frage der Verfolgung der Ansprüche der Insolvenzmasse gegen den Insolvenzverwalter K. sowie die Mitglieder des Gläubigerausschusses einzuberufen“.
Der Verfasser vertritt auf Seite 2 des vorgenannten Schriftsatzes die Auffassung, seit Eintritt der Rechtskraft der Vergütungsneufestsetzungen durch das Landgericht Aurich stehe „die Erfüllung dieser Ansprüche“ – gemeint sind wohl Rückzahlungsansprüche – den Gläubigern als Teil der Insolvenzmasse zu und der Insolvenzverwalter sei nach § 717 Abs. 2 ZPO analog zur Rückzahlung verpflichtet, wie der BGH in ähnlichen Fällen mehrfach entschieden habe.
Da auch das Insolvenzgericht Aurich bei der Wahrnehmung seiner Aufsichtsfunktion an das derzeit geltende Recht und Gesetz gebunden sei, binde die vorgenannte höchstrichterliche Rechtsprechung auch die für das Gericht Handelnden.
Aufrechnungen gegen einen solchen Rückzahlungsanspruch mit Gegenforderungen oder mit Masseansprüchen z.B. aufgrund weitergehender Vergütungsansprüche seien unzulässig; es fehle an einer unverzichtbaren Festsetzung einer derartigen Forderung durch das Insolvenzgericht.
Da der Rückzahlungsanspruch erst nach dem Berichtstermin entstanden sei, bedürfe es der Einberufung einer weiteren Gläubigerversammlung nach § 157 Satz 3 InsO. Es handele sich um ein der Autonomie der Gläubigergesamtheit unterliegendes „Grundlagengeschäft, das aufgrund seiner Singularität weder delegierbar noch ersetzbar“ sei. Dieses unterliege schon nach der gesetzlichen Regelung in § 159 InsO nicht der Beschlussfassung des Gläubigerausschusses.
Vergütungen im Insolvenzverfahren seien nicht vergleichsfähig; entgegenstehende Vergleiche entfalteten keine Rechtswirkungen.
Mit einem lediglich behaupteten Individualanspruch (gemeint ist wohl der Vergütungsanspruch des <endgültigen> Insolvenzverwalters) könne nicht gegen einen „rechtskräftig festgestellten Anspruch der Insolvenzmasse“ aufgerechnet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Erinnerungsführerin wird auf den Schriftsatz vom 31. 8. 2016 verwiesen.
Das Insolvenzgericht übersandte den Schriftsatz zur Stellungnahme an den Sonderinsolvenzverwalter, den Insolvenzverwalter und den Gläubigerausschuss.
Der Sonderinsolvenzverwalter vertritt in seinem Schriftsatz vom 20. 9. 2016 die Auffassung, die „originellen, teilweise auch kreativen Ausführungen“ der Bundesagentur fänden ihre Stütze weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung und auch nicht in Anordnungen des Insolvenzgerichts. Die Ansprüche der Insolvenzmasse seien durch den Vergleich rechtsverbindlich geregelt worden und die sich aus diesem ergebenden Zahlungsansprüche habe der Insolvenzverwalter unverzüglich erfüllt. Am Ende seines Schriftsatzes führt der Sonderinsolvenzverwalter wörtlich aus:
„Übersehen wird auch, dass die am Verfahren beteiligten Gläubiger nunmehr (nahezu) so stehen, wie sie stehen würden, wenn es die inkriminierte Vergütungsentscheidung und die hierauf beruhende Entnahme nie gegeben hätte. Und zwar in einem Insolvenzverfahren, das überaus erfolgreich durchgeführt wurde, bei Erhalt aller Arbeitsplätze der Schuldnerin, nahezu vollständiger Befriedigung von Sonderrechtsgläubigern und einer voraussichtlichen Quote von etwa 20 % für die nachrangigen Gläubiger! Gründe, die dazu führen sollten, die langjährigen Konflikte zu beenden und zum normalen Geschäftsgang zurückzukehren“.
Der Insolvenzverwalter nahm unter dem 20. 9. 2016 zum Antrag der Agentur für Arbeit Stellung; wegen der Einzelheiten wird auf den bei den Akten befindlichen Schriftsatz Bezug genommen.
Der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts hat mit Beschluß vom 17. 10. 2016 den Antrag der Bundesagentur für Arbeit auf Einberufung einer Gläubigerversammlung zurückgewiesen.
§ 74 InsO regele, daß eine Gläubigerversammlung vom Insolvenzgericht einzuberufen sei. Eine Einberufungspflicht ergebe sich aus gesetzlich in der Insolvenzordnung (z.B. §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 160 Abs. 1 Satz 2, 163 Abs. 1, 197 Abs. 1, 235 Abs. 1, 241 Abs. 1 InsO) festgelegten Einzelfällen, die hier aber nicht vorlägen.
Der (hilfsweise gestellte) Antrag nach § 75 InsO sei unzulässig, da die antragstellende Gläubigerin die erforderlichen Quoten nicht erbringe.
Der Beschluß wurde der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit O. am 20.10.2016 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 1. 11. 2016 legte diese beim Amtsgericht und beim Landgericht Aurich – beim Amtsgericht Aurich eingehend per Fax am 1. 11. 2016 – fristwahrend sofortige Beschwerde ein, die sie mit Schriftsatz vom 8. 11. 2016 begründete.
Das Insolvenzgericht habe verkannt, daß sich das ihm hinsichtlich der Entscheidung über die Einberufung einer Gläubigerversammlung zustehende Ermessen auf Null reduziert habe, weil die Verfahrensweise des Sonderinsolvenzverwalters “im krassen Gegensatz zum geltenden Recht sowie zur Rechtskraft der von ihm durchzusetzenden Ansprüche der Masse“ stehe.
Die Zustimmung zum Vergleichsabschluss mit dem Insolvenzverwalter durch den Gläubigerausschuss, dessen Mitglieder ebenfalls nach § 717 Abs. 2 ZPO analog zur Rückzahlung ihrer überzahlten Vergütung nebst Zinsen verpflichtet seien, sei ohne Bedeutung. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses hätten einem Vergleich mit dem Insolvenzverwalter zugestimmt, dessen rechtliche Rahmenbedingungen die ebenfalls für sie günstigste Variante darstellten. Eine solche Beschlussfassung in Kenntnis widerstreitender Interessen sei als rechtliches Nullum anzusehen, wenn – wie die Erste Fachkraft für Insolvenzgeld-Refinanzierung unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 22. 1. 1985 <VI ZR 131 / 83> meint - die Mitglieder des Gläubigerausschusses wegen sie betreffender Ansprüche der Insolvenzmasse von vornherein ausgeschlossen seien.
Die Einbeziehung bzw. Verrechnung einer nur global von Gutachtern geschätzten fiktiven Vergütung verstoße „gegen die allein dem Gericht zugewiesene Vergütungsfestsetzung“, negiere die „Regelungen zur Aufrechenbarkeit von Forderungen nach den §§ 398ff. BGB“ und missachte den insoweit eindeutigen Beschluss des BGH vom 17. 10. 2013 <IX ZR 25 / 12>.
Die „seit Jahren erfolgende Nichtbeitreibung der rechtskräftig festgestellten und der Masse geschuldeten Rückforderungs- und Zinsansprüche nach § 717 Abs. 2 ZPO sowie die Herbeiführung unzulässiger Vergleiche mit dem Insolvenzverwalter ebenso wie mit den Mitgliedern des Gläubigerausschusses“ seien insolvenzzweckwidrig gewesen und ohne die „gesetzlich zwingend gebotene Beteiligung der Gläubigerschaft“ zustande gekommen, wobei sich der Schaden der Insolvenzmasse „unstreitig“ in einem zweistelligen Millionenbereich bewege.
Zur Sicherstellung der Beteiligung der Gesamtgläubigerschaft sowie zur Klärung der Frage, wie mit den „unstreitig und rechtskräftig festgestellten Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter“ verfahren werden soll, sei die Einberufung einer Gläubigerversammlung erforderlich; aus den vorgenannten Gründen sei das gerichtliche Ermessen zur Einberufung einer solchen auf Null geschrumpft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf den Schriftsatz der Erinnerungsführerin vom 8. 11. 2016 Bezug genommen.
Der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts hat die sofortige Beschwerde als befristete Erinnerung nach § 11 RPflG angesehen, ihr nicht abgeholfen, sondern diese dem Abteilungsrichter zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1) Die „sofortige Beschwerde“ ist hier nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht statthaft, da die Insolvenzordnung gegen die Ausgangsentscheidung des Insolvenzgerichts vom 17. 10. 2016, nämlich die Zurückweisung des Antrags auf Einberufung einer Gläubigerversammlung von Amts wegen nach § 74 InsO - im Unterschied zur Zurückweisung eines Einberufungsantrages nach § 75 InsO (dort § 75 Abs. 3) - eine sofortige Beschwerde nicht vorsieht.
Die angefochtene Entscheidung ist hier durch den Rechtspfleger getroffen worden; die „sofortige Beschwerde“ der Bundesagentur ist daher als sofortige Erinnerung nach § 11 RPflG anzusehen und als solche statthaft. Sie ist zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben.
2) Die Erinnerung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Abteilungsrichter übt sein - sich aus § 74 InsO ergebendes - Ermessen dahin aus, dass er von Amts wegen keine Gläubigerversammlung einberuft, da der Vergleichsschluss des Sonderinsolvenzverwalters mit dem Insolvenzverwalter für die Insolvenzmasse verbindlich und im Übrigen rechtlich auch nicht zu beanstanden ist.
a) Die besonderen Voraussetzungen für einen Vergleichsschluss aus der InsO hat der Sonderinsolvenzverwalter beachtet, insbesondere die erforderliche Zustimmung des Gläubigerausschusses eingeholt.
aa) Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter (hier: der Sonderin-solvenzverwalter) eine Zustimmung einzuholen, wenn er Rechtshandlungen vorneh-men will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. Es besteht kein Zweifel daran, dass eine solche Zustimmung insbesondere dann erforderlich ist, wenn – wie hier – ein Vergleich zur Vermeidung eines Rechtsstreites mit erheblichem Streitwert geschlossen werden soll (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 InsO), den die Erinnerungs-führerin auf mehr als 14 Millionen € beziffert.
Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 InsO ist diese Zustimmung vom Gläubigerausschuss einzuholen; nach § 160 Abs. 1 Satz 2 InsO von der Gläubigerversammlung nur dann, wenn „ein Gläubigerausschuss nicht bestellt“ ist. Dies ist die eindeutige Regelung des Gesetzes und diese ist von jedermann, dem Insolvenzgericht und jedem Insolvenzgläubiger - auch der Bundesagentur für Arbeit - zu beachten.
bb) Die Einwilligung des Gläubigerausschusses ist hier nicht ohne rechtliche Bedeutung; der Gläubigerausschuss war hier entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin nicht ausnahmsweise von der Entscheidung ausgeschlossen.
Die Bundesagentur leitet dies daraus her, dass der Gläubigerausschuss einem Vergleich zugestimmt habe, dessen rechtliche Rahmenbedingungen (Ansprüche aus den §§ 823 bzw. 812 BGB statt § 717 Abs. 2 ZPO analog) die ebenfalls für sie gün-stigste Variante darstellten. Wörtlich heißt es insoweit:
„Einer Beschlussfassung des so mit eigenen Ansprüchen belasteten und von Mitwirkungshandlungen ausgeschlossenen Ausschusses kann daher auch keinerlei rechtliche Wirkungen zukommen, vielmehr ist eine solche Beschlussfassung in Kenntnis widerstreitender Interesse als ein rechtliches Nullum anzusehen, sofern die Mitglieder insgesamt wegen sie betreffender Ansprüche von der Beschlussfassung von vornherein ausgeschlossen sind“.
Soweit die Erste Fachkraft für Insolvenzgeld–Refinanzierung (EFI) J. der Erinnerungsführerin zur Begründung ihrer Auffassung des Ausschlusses der Mitglieder des Gläubigerausschusses von der Beschlussfassung über den Vergleich auf die Entscheidung des BGH v. 22. 1. 1985 verweist, übersieht sie schon den Leitsatz 4 des Urteils, der da lautet:
„Ein Stimmrecht steht einem Mitglied des Gläubigerausschusses nur dann nicht zu, wenn über ein zwischen der Konkursmasse und ihm bzw. einem von ihm gesetzlich vertretenen Unternehmen zu schließendes Rechtsgeschäft oder einen zu führenden bzw. zu erledigenden Rechtsstreit abzustimmen ist.“
In den Gründen (BGH, Urteil vom 22. Januar 1985 – VI ZR 131 / 83 – juris) heißt es unter der Randnummer 28 nach der Wiederholung des vorgenannten Leitsatzes weiter:
„Das ist zwar nicht ausdrücklich in der Konkursordnung bestimmt, entspricht aber einem allgemeinen Rechtsgedanken, der u.a. in § 34 BGB und § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG (vgl. auch § 43 Abs. 6 GenG) zum Ausdruck gekommen ist (vgl. Jaeger / Weber, Konkursordnung, 8 Aufl., § 90 Rdn. 4; Menzel / Kuhn / Uhlenbruck, Konkursordnung, 9. Aufl., § 91 Rdn. 2; vgl. auch BGH, Urteil vom 30. Oktober 1958 – II ZR 253 / 56 – NJW 1959, 192, 193). Der Umstand allein, daß die Beklagten zu 3) und 4) Lieferanten der V. waren und der Arbeitgeber des Beklagten zu 4) der Versicherer der V. ist, schloß diese nicht von der Abstimmung über den Verkauf des Unternehmens an die V. aus. Sie mögen wegen dieser Beziehungen zur V. in gewisser Weise daran interessiert gewesen sein, daß diese zu günstigen Bedingungen das Unternehmen der Gemeinschuldnerin übernehmen konnte. Dies reicht aber für einen Stimmrechtsausschluß nicht aus. Selbst dann, wenn eigene wirtschaftliche Belange eines Mitgliedes des Gläubigerausschusses indirekt berührt sind (vgl. Jaeger / Weber, aaO), …, führt dies nicht zu einem Ausschluß des Stimmrechts“.
Diesen in der Sache überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofes schließt sich das Insolvenzgericht an. Für den vorliegenden Fall heißt das, dass die Mitglieder des Gläubigerausschusses über den die Ansprüche der Insolvenzmasse gegen den Insolvenzverwalter regelnden Vergleich abstimmen konnten, weil sie persönlich nicht beteiligt waren, selbst wenn hierdurch eigene wirtschaftliche Belange indirekt berührt gewesen sein sollten.
cc) Die Einberufung einer Gläubigerversammlung zum Zwecke der von der Erin-nerungsführerin angestrebten Abstimmung über den Vergleichsschluss ist nicht geboten, da die Gläubigerversammlung – wegen des Bestehens eines Gläubigerausschusses in diesem Verfahren - insoweit nicht zu einer Entscheidung berufen ist. Wenn die Gläubigerversammlung aber gleichwohl eine Entscheidung über den Vergleichsschluss treffen würde, so wäre dieser Beschluss ein Nullum, da der Gegenstand des Beschlusses nicht in den Kompetenzbereich der Gläubigerversammlung fiele, wie das Landgericht Göttingen hinsichtlich der verweigerten Zustimmung zu einer Klageerhebung durch die Gläubigerversammlung überzeugend und zutreffend entschieden hat (vgl. Beschluss vom 15. 5. 2000 – 10 T 42 / 00).
b) Der Vergleich, der zur Vermeidung eines Rechtsstreites mit erheblichem Streitwert geschlossen worden ist (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 InsO), ist inhaltlich nicht zu beanstanden und enthält insbesondere keine unzulässige Aufrechnung.
aa) Die Erinnerungsführerin hält eine Aufrechnung mit Vergütungsansprüchen des Insolvenzverwalters aus dem eröffneten Verfahren gegen die „seit Jahren“ (so Seite 5 der Beschwerdebegründung vom 8. 11. 2016) nicht beigetrieben „rechtskräftig festgestellten und der Masse geschuldeten Rückforderungs- und Zinsansprüche nach § 717 Abs. 2 ZPO“, für unzulässig.
(1) Die Behauptung der Ersten Fachkraft für Insolvenzgeld-Refinanzierung (EFI) J. der Erinnerungsführerin, die Rückzahlungsansprüche der Insolvenzmasse seien rechtskräftig festgestellt, ist schlicht und ergreifend falsch und entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage!
Im Insolvenzverfahren liegt lediglich der Beschluss des Landgerichts Aurich vom 29. 10. 2013 vor, durch den die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters auf 3.019.243,05 € festgesetzt worden ist. Das Landgericht Aurich hat nur über die Höhe der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters - und über nichts anderes - entschieden. Dieser Beschluss ist rechtskräftig, weil die Beschwerdekammer des Landgerichts die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat. Die Rechtskraft kann begriffsnotwendig aber nur das erfassen, worüber das Gericht entschieden hat, also die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, nicht aber eine Rückzahlungspflicht.
Hinsichtlich der nach Grund und Höhe streitigen Rückzahlungsansprüche der Masse gegen den Insolvenzverwalter war daher (erstmals) eine Entscheidung zu treffen, die zwischen dem Sonderinsolvenzverwalter (mit Zustimmung des Gläubigerausschusses) und dem Insolvenzverwalter vergleichsweise getroffen wurde, um einen langen und kostenintensiven Rechtsstreit mit hohem Streitwert zu vermeiden.
(2) Die Erinnerungsführerin übersieht darüber hinaus, dass der Insolvenzverwalter nicht mit seinen Vergütungsansprüchen aus dem eröffneten Verfahren aufgerechnet, sondern diese vielmehr an die Insolvenzmasse abgetreten hat. Diese hat vertreten durch den Sonderinsolvenzverwalter die Abtretung angenommen, wodurch die Insolvenzmasse als Schuldnerin auch Gläubigerin der abgetretenen Ansprüche geworden und diese erloschen sind.
bb) Entgegen der – nicht näher begründeten - Auffassung der Ersten Fachkraft für Insolvenzgeld-Refinanzierung (EFI) J. der Erinnerungsführerin ist das Amtsgericht Aurich nicht an die in anderen Insolvenzverfahren ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gebunden, nach der mit der rechtskräftigen Aufhebung eines Beschlusses über die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO analog anwendbar sei.
Das Gesetz kennt eine Bindung der Gerichte an eine sog. „Höchstrichterliche Rechtsprechung“ nämlich nicht.
Lediglich in zwei gesetzlich geregelten Ausnahmefällen ist ein Gericht an die Auffassung des im Instanzenzug übergeordneten Gerichts gebunden, nämlich wenn das Revisions- bzw. das Rechtsbeschwerdegerichts das Urteil des Berufungsgerichts bzw. die angefochtene Entscheidung aufhebt und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverweist. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, hat in diesen Fällen die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch sei-ner eigenen Entscheidung zugrunde zu legen (§§ 563 Abs. 2, 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor; eine Bindung besteht daher nicht. Das Insolvenzgericht teilt im Übrigen die Auffassung des Gutachters A. und der Vergleichsschließenden, dass § 717 Abs. 2 ZPO hier nicht analog anwendbar ist, sondern die Rückzahlungsansprüche der Insolvenzmasse ihre Rechtsgrundlage ausschließlich im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) haben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 11 Abs. 4 RPflG.
Die Entscheidung ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO unanfechtbar.