Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.01.2019, Az.: 3 W 5/18

Voraussetzungen der Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
18.01.2019
Aktenzeichen
3 W 5/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 19005
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 21.09.2018 - AZ: 5 O 2292/16

Fundstellen

  • EWiR 2019, 523
  • MDR 2019, 441-442
  • ZIP 2019, 1911-1916

Amtlicher Leitsatz

1. Eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG kann nur erfolgen, wenn die Zulässigkeit der Klage zuvor vollumfänglich geprüft und bejaht worden ist. Hierzu gehört, wenn eine Partei bei einer (vermeintlichen) juristischen Person die Rüge ordnungsgemäßer Bevollmächtigung ihres Prozessbevollmächtigten nach § 88 Abs. 1 ZPO erhebt, auch die Prüfung, ob die die Vollmacht unterzeichnende Person die entsprechende Vertretungsmacht hat.

2. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung eines ggf. nach § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzenden Verfahrens sind keine geringeren Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen als bei anderen Klagen zu stellen. § 8 Abs. 1 KapMuG räumt dem Gericht insoweit keinen Beurteilungsspielraum ein; eine Aussetzung ist auch nicht etwa nur dann abzulehnen, wenn die Klage "evident unzulässig" ist.

3. Ist die Parteibezeichnung im Laufe des Rechtsstreits geändert worden, ist vor der Aussetzung nach § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG zu prüfen, ob es sich lediglich um eine bloße Rubrumsberichtigung oder eine Parteiänderung handelt. Ist die Parteiänderung nur hilfsweise für den Fall erklärt worden, dass das Gericht Bedenken gegen die Rubrumsberichtigung habe, ist sie als bedingungsfeindliche Prozesserklärung unwirksam.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21. September 2018 im Umfang der Anfechtung aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die insgesamt noch 518 Kläger machen als Kapitalanleger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen angeblich pflichtwidrig unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen in Zusammenhang mit dem sogenannten VW-Dieselskandal geltend. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21. September 2018, mit dem das Verfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5. August 2018 (5 OH 62/16 - Kapitalanleger-Musterverfahren Oberlandesgericht Braunschweig - 3 Kap 1/16) hinsichtlich 440 Kläger gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt worden ist.

1.

Mit Klageschrift vom 16. September 2016 haben die Klägervertreter für die dort genannten 536 Kläger Klage auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 567.000.000,00 € wegen unterlassener Kapitalmarktinformationen eingereicht.

Mit Zustellung der Klage hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass inzwischen ein Vorlagebeschluss nach § 6 KapMuG ergangen sei und daher eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG in Betracht komme (Bd. VI, Bl. 239 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2016 (Bd. VII, Bl. 2 d. A.) haben die Klägervertreter mitgeteilt, dass der beabsichtigten Aussetzung des Verfahrens nicht entgegengetreten werde.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 3. November 2016 (Bd. VII, Bl. 3 ff. d. A.) mitgeteilt, dass sie mit einer Aussetzung grundsätzlich einverstanden sei, jedoch zugleich den Mangel ordnungsgemäßer Bevollmächtigung gerügt, die fehlenden Nachweise bezüglich der Existenz, der Partei- und Prozessfähigkeit sowie der jeweiligen Vertretungsverhältnisse der Kläger gerügt. Vorsorglich hat sie die Existenz der Kläger bestritten, soweit es sich bei ihnen nicht um natürliche Personen handelt. Zur fehlenden Parteifähigkeit hat die Beklagte insbesondere ausgeführt, dass es sich bei den Klägern, die als "Trust" oder "Fund", Renten- oder Pensionssystem oder -kasse organisiert seien, um Zweck- bzw. Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit handele. Hinsichtlich der Prozessfähigkeit hat die Beklagte die Vertretungsmacht sämtlicher Personen bestritten, die als Vertreter der ausländischen Kläger angegeben waren. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG nicht erfolgen dürfe, wenn eine Einzelklage unzulässig sei.

Mit Schriftsatz vom 4. November 2016 ist die Klage hinsichtlich 16 Kläger zurückgenommen und sind hinsichtlich weiterer Kläger Berichtigungen v. a. bei den Angaben zur gesetzlichen Vertretung vorgenommen worden (Bd. VII, Bl. 21 d. A.).

Mit Verfügung vom 8. Dezember 2016 (Bd. VII, Bl. 29 d. A.) hat das Landgericht auf die Erforderlichkeit von Nachweisen zur Existenz, Partei- und Prozessfähigkeit hingewiesen und den Klägervertretern aufgegeben, die Prozessvollmachten im Original vorzulegen, und mit Beschluss vom 26. Januar 2017 (Bd. VII, Bl. 45 d. A.) 24 Klägern die Leistung von Prozesskostensicherheit auferlegt.

Mit einem am 5. Mai 2017 eingegangenen Schriftsatz (Bd. VII, Bl. 66 d. A.; versehentlich datiert auf den 9. März 2017; vgl. Bd. VII, Bl. 81 d. A.) haben die Klägervertreter zahlreiche Anlagenkonvolute eingereicht, die gemäß einer im Schriftsatz enthaltenen Tabelle den einzelnen Klägern zugeordnet sind und überwiegend aus mit Apostillen versehenen Kopien von Vollmachten und Registerauszügen bestehen.

Das Landgericht hat daraufhin mit Verfügung vom 15. Juni 2017 hinsichtlich einzelner Kläger um weitere Erläuterung dazu gebeten, inwiefern sich aus den übersandten Anlagen die Rechts- und Parteifähigkeit bzw. die Vertretungsbefugnis der die Prozessvollmacht unterzeichnenden Personen ergebe. Die Klägervertreter haben hierzu mit Schriftsatz vom 17. Juli 2017 Stellung genommen (Bd. VII, Bl. 86 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2017 haben die Klägervertreter hinsichtlich zweier Kläger die Klage zurückgenommen, hinsichtlich eines weiteren Klägers eine Korrektur vorgenommen und hinsichtlich eines anderen Klägers die Klage erweitert (Bd. VII, Bl. 99 d. A.).

Im Schriftsatz vom 22. September 2017 hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass alle Klagen, die nicht von natürlichen Personen erhoben worden seien, unzulässig seien. Ein ordnungsgemäßer Klägervortrag zu den Prozessvoraussetzungen liege nicht vor. Ausreichende Nachweise zur Existenz, Rechts- sowie Parteifähigkeit seien nicht vorhanden (Bd. VII, Bl. 107 ff. d. A.).

Mit Beschluss vom 14. Februar 2018 hat das Landgericht hinsichtlich sechs Kläger das Verfahren gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt (Bd. VII, Bl. 134 d. A.). Mit Verfügung vom selben Tag ist auf noch fehlenden Vortrag zur Rechts- und Parteifähigkeit einzelner Kläger sowie auf das Fehlen der Parteifähigkeit der übrigen Kläger hingewiesen worden (Bd. VII, Bl. 176 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2018 haben die Klägervertreter umfangreichen neuen Vortrag zu den Prozessvoraussetzungen gehalten und beantragt, die Parteibezeichnungen der weitaus überwiegenden Anzahl der Kläger zu berichtigen (Bd. VIII, Bl. 1 ff., insbes. 17 ff. d. A.). Sollte das Gericht Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berichtigung der Parteibezeichnungen haben, so werde unter gleichzeitiger Klagerücknahme beantragt, die in der im Schriftsatz enthaltenen Tabelle in der Spalte "Zutreffende Parteibezeichnung" bezeichneten juristischen Personen als Kläger im Wege der Parteierweiterung zuzulassen. Wenn die Beklagte der Parteierweiterung nicht zustimme, so sei diese zumindest unter dem Gesichtspunkt der Sachdienlichkeit durch das Gericht zuzulassen (Bd. VIII, Bl. 152 ff. d. A.).

Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2018 haben die Klägervertreter weitere Nachweise eingereicht und weitere Rubrumsberichtigungen, hilfsweise Klagerweiterung unter gleichzeitiger Klagerücknahme beantragt (Bd. VIII, Bl. 159 ff. d. A.).

Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 27. August 2018 auch im Hinblick auf die zwischenzeitlichen erfolgten Berichtigungen der Kläger weiterhin Nachbesserungen zu den Vertretungsverhältnissen verlangt und den Mangel der Vollmacht gerügt (Bd. IX, Bl. 18 f. d. A.).

2.

Mit Beschluss vom 21. September 2018 hat das Landgericht hinsichtlich 440 Kläger das Verfahren gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt (vgl. Bd. IX, Bl. 20/117/134 ff. d. A.).

Zur Begründung hat es zunächst auf den Vorlagebeschluss vom 5. August 2016 zum Aktenzeichen 5 OH 62/16 verwiesen und die Vorgreiflichkeit der im Musterverfahren zu klärenden Feststellungsziele bejaht. Sodann hat es ausgeführt, dass keine vernünftigen Zweifel an der Existenz sowie der Rechts- und Parteifähigkeit der im Tenor genannten Klageparteien bestünden. Die Beklagte trete der Existenz und Parteifähigkeit der im Tenor genannten Parteien nicht entgegen, Vollmachten seien bereits vorher eingereicht worden.

Die Einwände der Beklagten hinsichtlich der Vertretung der Parteien hinderten eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 KapMuG nicht. Zwar fehle die Vorgreiflichkeit wegen Entscheidungsreife dann, wenn die Klage offensichtlich unzulässig sei. Eine Aussetzung könne indes auch dann erfolgen, wenn keine ernsthaften Zweifel an der Zulässigkeit der Klage bestünden. Der Gesetzgeber differenziere nämlich bei der Prüfungs- und Kontrolldichte zwischen der Zulässigkeit eines Musterverfahrensantrages einerseits und der Aussetzungsentscheidung andererseits. Sei das Musterverfahren bereits auf den Weg gebracht, so werde die Hürde bei der Aussetzung vom Gesetzgeber niedriger angelegt, indem zwar die Abhängigkeit im Sinne von "abhängen kann" zu überprüfen sei, nicht aber sämtliche Prozessvoraussetzungen. Die Aussetzungsentscheidung solle von einem sich an dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie orientierenden Beurteilungsspielraum des Prozessgerichtes geprägt sein. Von offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage könne hier nicht ausgegangen werden. Die nachträgliche Heilung eines etwaigen Mangels der Vertretung sei bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung möglich, auch durch Genehmigung der ganzen Prozessführung durch den tatsächlichen gesetzlichen Vertreter. Vor diesem Hintergrund sei der vorliegende Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif.

Ob die Anträge in den Schriftsätzen vom 29. Mai 2018 und 25. Juni 2018 eine bloße Rubrumsberichtigung oder einen Parteiwechsel zur Folge hätten, könne in dieser Lage des Verfahrens dahinstehen. Es möge zwar sein, dass ein Parteiwechsel sowohl kosten- als auch verjährungsrechtliche Folgen hätte. Dies ändere aber nichts daran, dass vor einer Entscheidung darüber der Musterentscheid abzuwarten sei, weil dieser vorgreiflich sei.

3.

Gegen diesen ihr am 24. September 2018 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2018, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag (Bd. IX, Bl. 160 d. A.), sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung hinsichtlich aller im Beschlusstenor genannten Kläger mit Ausnahme der Kläger zu 10), 11) und 14) eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 12. November 2018 (Bd. IX, Bl. 171 ff.) wie folgt begründet:

Die Klagen der ausgesetzten Kläger seien unzulässig und daher abzuweisen. Die Verfahren dieser Kläger hätten deshalb nicht gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ausgesetzt werden dürfen, da die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von den geltend gemachten Feststellungszielen abhänge.

Es bestehe ein absoluter Vorrang der Zulässigkeitsprüfung vor der Begründetheitsprüfung. Dieser Grundsatz gelte auch im Anwendungsbereich des KapMuG. Es sei fehlerhaft, den für die Vorgreiflichkeitsprüfung herangezogenen Maßstab der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" auf Zulässigkeitsfragen zu übertragen. Der Begriff der Abhängigkeit in § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG könne sich nur auf das Abhängen von materiell-rechtlichen Fragen beziehen. Aus dieser Vorschrift ergebe sich eine Arbeitsteilung zwischen Ausgangsgericht (LG) und Prozessgericht (OLG). Letzteres befasse sich im Musterentscheid allein mit den ihm vorgelegten Fragen zur Begründetheit, während das Prozessgericht die Zulässigkeit der Klagen prüfe. Die Zulässigkeitsprüfung habe dabei vorab zu erfolgen. Die Beklagte besitze ein Interesse an einer (klagabweisenden) Entscheidung über die Zulässigkeit, wenn die Klage unzulässig sei oder das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen klägerseits nicht belegt werden könne. Könne ein solcher Kläger nämlich am Musterverfahren teilnehmen, könnte er auch von einem etwaigen Vergleich profitieren, ohne dass nochmals eine detaillierte gerichtliche Überprüfung der allgemeinen Prozessvoraussetzungen stattfinde. Es wäre nicht einmal ausgeschlossen, dass die Musterbeklagte nach Vergleichserfüllung erneut, und zwar vom richtigen Anspruchsinhaber belangt werde. Erst jüngst habe das OLG Stuttgart in einem Beschluss vom 19. Oktober 2018 (Az. 1 W 50/18, n. V., Anlagenband Beklagte), der die hiesige Prozessserie betreffe, den Vorrang der Zulässigkeitsprüfung vor der Begründetheitsprüfung als "juristische Selbstverständlichkeit" bezeichnet (Bd. IX, Bl. 172 ff. d. A.).

Es sei anlässlich von Aussetzungsentscheidungen nach § 8 KapMuG auch kein "abstrakter" oder anderweitig modifizierter Maßstab an die Prüfung der Zulässigkeit anzulegen. Erst recht verbiete es sich, nur offensichtlich unzulässige Klagen abzuweisen und in allen Fällen fehlender ernsthafter Zweifel eine Aussetzung anzuordnen. Diese "Evidenztheorie" finde keine Stütze im Gesetz und verstoße gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Justizgewährleistungsanspruch der beklagten Partei, der nicht zuzumuten sei, dass ein Gericht eine gegen sie erhobene Klage lediglich auf "evidente" Mängel prüfe (Bd. IX, Bl. 179 ff. d. A.).

Auch sei keine Differenzierung des Prüfungsmaßstabes danach vorzunehmen, ob über die Zulässigkeit von Musterverfahrensanträgen oder über eine Aussetzungsentscheidung zu befinden sei. Zwischen den Formulierungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG und § 8 Abs. 1 KapMuG gebe es abgesehen von der Negativformulierung in § 3 KapMuG keinerlei inhaltliche Unterschiede, so dass schon grammatikalisch nicht ersichtlich sei, warum beiden Vorschriften ein unterschiedliches Verständnis beizumessen sein solle (Bd. IX, Bl. 179 ff. d. A.).

Hinsichtlich acht Kläger macht die Beklagte weitere Ausführungen zur fehlenden Rechts- bzw. Parteifähigkeit; es handele sich um unselbstständige Sondervermögen. Dies gelte auch für die übrigen von dem Beschluss betroffenen Ausgangskläger. Insoweit habe eine Aussetzung auch nicht im Hinblick auf die beantragten Rubrumsberichtigungen erfolgen dürfen. Die beantragten Rubrumsberichtigungen seien unzulässig. Im Schriftsatz der Klägerseite vom 17. Juli 2017 sei noch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden, dass die ursprünglich benannten Kläger die "richtigen" seien. Somit ginge eine nunmehrige Abänderung der Parteibezeichnung an dem objektiv erklärten Willen der ursprünglichen Kläger vorbei (Bd. IX, Bl. 184 ff. d. A.).

Auch der hilfsweise erklärte Parteiwechsel könne nicht zur Aussetzung führen. Bislang sei es ohnehin nicht zu Parteiwechseln gekommen, weil die Beklagte diesen widersprochen und das Landgericht im Aussetzungsbeschluss hierüber keine Entscheidung getroffen habe. Im Übrigen seien die beantragten Parteiänderungen unzulässig, da sie unter einer Bedingung erklärt worden seien (Bd. IX, Bl. 187 f. d. A.).

Außerdem verweist die Beklagte darauf, dass sie bereits im Schriftsatz vom 27. August 2018 die fehlenden Angaben und Nachweise zu den Vertretungsverhältnissen der "berichtigten Kläger" und zudem den Mangel der Vollmacht gerügt habe. Soweit das Landgericht die Aussetzung mit der Erwägung rechtfertige, dass die ordnungsgemäße Vertretung erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein müsse, sei dies verfehlt. Zum einen habe das Landgericht damit § 56 ZPO übergangen, wonach das Fehlen von Prozessvoraussetzungen von Amts wegen zu beachten sei. Es sei dem Gericht daher verwehrt, in der Sache fortzufahren, sobald Zweifel am Vorliegen von Prozessvoraussetzungen bestünden. Zum anderen blende das Landgericht aus, dass eine nachträgliche Genehmigung der Prozessführung durch den richtigen gesetzlichen Vertreter keineswegs vorhersehbar sei (Bd. IX, Bl. 189 f. d. A.).

Schließlich sei die Klage jedenfalls hinsichtlich bestimmter Kläger unschlüssig. Obwohl vorgetragen werde, dass alle Kläger Aktionäre der Beklagten seien, würden von einigen Schäden aus Finanzinstrumenten geltend gemacht, die von Dritten begeben worden seien, dies ergebe sich aus der von Klägerseite genannten ISIN, die von den ISIN abweiche, welche für die Stamm- und Vorzugsaktie der Beklagten vergeben worden seien. Daher seien Ansprüche nach § 37b WpHG von vornherein ausgeschlossen (Bd. IX, Bl. 192 ff. d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.

4.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dies im Beschluss vom 19. November 2018 wie folgt begründet:

Die von den Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Stuttgart rechtfertige keine andere Beurteilung hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes zur Partei- und Rechtsfähigkeit. Die vom OLG Stuttgart angestellten Erwägungen bezögen sich in erster Linie auf Fragen der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit, welche nicht ohne Weiteres auf die Beurteilung der Rechts- und Parteifähigkeit juristischer Personen übertragbar seien. Selbiges gelte auch für die Rechtsprechung des BGH zum Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit, welches der Aussetzung entgegenstehe.

Aber selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass eine Aussetzung nur erfolgen könne, wenn die Zulässigkeit der Klage feststehe, so wäre im vorliegenden Fall auszusetzen gewesen: Die Kammer sei von der Existenz, der Rechts- und Parteifähigkeit der Kläger überzeugt. Eine s.p.a. sei nach italienischem Recht, eine S.A. nach französischem Recht, die SICAV nach luxemburgischem Recht, die Limited und die PLC nach dem Recht des Vereinigten Königreichs rechts- und parteifähig. Soweit die Beklagte die Vertretungsverhältnisse bestreite, sei dies unerheblich, denn selbst eine Klageerhebung könne bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durch den tatsächlich zur Vertretung Berechtigten genehmigt werden.

Zum Vortrag der Beklagten, die Klage einiger Kläger sei unschlüssig, da sie Schäden aus anderen Finanzinstrumenten als Aktien der Beklagten geltend machten, hat das Landgericht ausgeführt, die hierzu von der Beklagten angeführte Abweichung der ISIN sei zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen. Durch den Vortrag, Aktionär der Beklagten zu sein, sei schlüssiger Vortrag gehalten. Dass dieser Vortrag infolge der gerügten ISIN-Abweichungen möglicherweise näherer Substantiierung bedürfen könnte, vermöge eine andere Beurteilung im Rahmen der Aussetzungsentscheidung nicht zu rechtfertigen.

5.

Mit Schriftsatz vom 21. September 2018 (nach Faxaufdruck gesendet am 26. September 2018, Bd. IX, Bl. 139 ff. d. A.) haben die Klägervertreter weitere Nachweise eingereicht sowie zu weiteren Parteien, die vom Aussetzungsbeschluss betroffen sind, Rubrumsberichtigung beantragt, hilfsweise Klagerweiterung/Klagerücknahme erklärt. Eine Stellungnahme zur Beschwerde der Beklagten gegen den Aussetzungsbeschluss ist nicht abgegeben worden.

II.

Die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 KapMuG, § 567 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 252 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verfahren kann hinsichtlich der im Tenor des angefochtenen Beschlusses aufgeführten 437 Kläger, auf die sich die Beschwerde bezieht, nicht ausgesetzt werden, da sie bislang nicht Parteien des Rechtsstreits sind und größtenteils die wirksame Bevollmächtigung der Klägervertreter noch nicht hinreichend nachgewiesen ist.

1.

a) Gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG setzt das Prozessgericht nach der Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses im Klageregister von Amts wegen alle bereits anhängigen oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Feststellungsziele im Musterverfahren noch anhängig werdenden Verfahren aus, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. An dieser Abhängigkeit fehlt es jedenfalls dann, wenn ein Rechtsstreit ohne weitere Beweiserhebungen und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 74/15 -, AG 2016, 465, Rn. 14, juris; Beschluss vom 28. Januar 2016 - III ZB 88/15 -, NZG 2016, 355, Rn. 14, juris; Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, NZG 2015, 274, Rn. 13, juris; Kruis, in: KK-KapMuG, 2. Aufl., § 8 Rn. 32).

Entscheidungsreif ist ein Rechtsstreit u. a. dann, wenn die Klage unzulässig ist und trotz Hinweises der Zulässigkeitsmangel nicht behoben worden ist. In einem solchen Fall ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. Althammer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 56 Rn. 11 u. 13; Hübsch, in: BeckOK ZPO, 31. Ed. 1.12.2018, § 56 Rn. 8).

b) Die Zulässigkeitsprüfung hat der Begründetheitsprüfung voranzugehen. Es ist nicht möglich, die Frage der Zulässigkeit einer Klage nicht zu beantworten und diese wegen feststehender Unbegründetheit abzuweisen. Schon wegen der Auswirkungen auf die Rechtskraft ergibt sich insoweit ein absoluter Vorrang der Zulässigkeits- vor der Begründetheitsprüfung (BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98 -, NJW 2000, 3718, Rn. 21, juris; Becker-Eberhard, in: MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., Vor § 253 Rn. 3, 19; Greger, in: Zöller, a. a. O., Vor § 253 Rn. 10; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., Vor § 253 Rn. 152 f., 155).

c) Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass eine Aussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur erfolgen kann, wenn die Zulässigkeit der Klage zuvor vollumfänglich geprüft und bejaht worden ist. Würde das Verfahren ohne diese Prüfung ausgesetzt, würde der Kläger zum Beigeladenen des Musterverfahrens, in dem über Fragen entschieden wird, von denen die Begründetheit seiner Klage abhängt. Damit würde der Vorrang der Zulässigkeitsprüfung ausgehebelt.

Eine Ausnahme kann nur dann gemacht werden, wenn ein Feststellungsziel des Musterverfahrens gerade die streitige Zulässigkeitsfrage betrifft, was insbesondere für Fragen der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in Betracht kommen kann (vgl. etwa Vorlagebeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2017 - 22 AR 2/17 -, veröffentlicht im Bundesanzeiger - Klageregister). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.

Auch soweit Rechtsprechung und Literatur weitere Ausnahmen vom Vorrang der Zulässigkeitsprüfung zulassen (vgl. Tilp, in: Festschrift für Schwintowski, 2017, S. 373), ist nicht ersichtlich, dass hier eine vergleichbare Konstellation vorliegt.

d) Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung eines ggf. nach § 8 Abs. 1 KapMuG auszusetzenden Verfahrens sind keine geringeren Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen als bei anderen Klagen zu stellen. Dem Gesetz kann Derartiges nicht entnommen werden.

Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss unter Berufung auf Reuschle (in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 8 KapMuG Rn. 21. ff.; LG Stuttgart, Beschluss vom 20. Oktober 2017 - 22 O 348/16 -, WM 2018, 667 [BFH 06.02.2018 - IX R 33/17], Rn. 15 ff., juris) davon ausgeht, dass der Gesetzgeber bei der Prüfungs- und Kontrolldichte zwischen der Zulässigkeit eines Musterverfahrensantrags einerseits und der Aussetzungsentscheidung andererseits differenziert, und daraus ableitet, es seien für die Aussetzungsentscheidung nicht sämtliche Prozessvoraussetzungen zu überprüfen, findet dies weder im Gesetzeswortlaut, noch der Systematik, noch in der Gesetzgebungsgeschichte eine hinreichende Grundlage. § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG und § 8 Abs. 1 KapMuG verlangen wortgleich, dass die Entscheidung des betroffenen Rechtsstreits von den Feststellungszielen "abhängt" (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, NZG 2015, 274, Rn. 13, juris). Dass trotz gleichen Wortlautes bei zwei voneinander nur unweit entfernt stehenden, im selben Abschnitt eines Gesetzes enthaltenen Vorschriften eine unterschiedliche Bedeutung anzunehmen ist, ist fernliegend. Die Gesetzesbegründung zum Reformentwurf (BT-Drs. 17/8799) gibt für eine unterschiedliche Interpretation des Begriffs der Abhängigkeit nichts her, sondern spricht vielmehr im Gegenteil dafür, dass der Gesetzgeber von einer identischen Wortbedeutung ausgegangen ist, da die Begründungen zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG und § 8 Abs. 1 KapMuG insoweit nahezu wortgleich sind (vgl. BT-Drs. 17/8799, S. 18, li. Spalte, und S. 20, re. Spalte; a. A. Reuschle, a. a. O., Rn. 24; LG Stuttgart, a. a. O., Rn. 22).

Zwar ist den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmen, dass dem Prozessgericht bei der Aussetzungsentscheidung ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt werden sollte (vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 20). Wenn es dort - wie wortgleich auch in der Begründung zu § 3 Abs. 1 KapMuG (a. a. O., S. 18) - heißt, dass es nicht erforderlich sei, dass die Entscheidung nach Klärung sämtlicher übriger Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfragen nur noch von den Feststellungszielen abhänge, kann dies aber nicht so verstanden werden, dass Zulässigkeitsvoraussetzungen offenbleiben dürften. Der Gebrauch der Worte "übriger Anspruchsvoraussetzungen" lässt eher darauf schließen, dass diese Überlegungen zu einem Beurteilungsspielraum auf der Ebene der Begründetheitsprüfung angestellt worden sind und Zulässigkeitsfragen nicht im Blick gestanden haben. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein grundlegendes Prinzip des Zivilprozesses, nämlich der Vorrang der Zulässigkeitsprüfung, hier quasi nebenbei aufgehoben werden sollte.

Auch soweit im Schrifttum (Tilp, in: Festschrift für Schwintowski, 2017, S. 373, 381) darauf hingewiesen wird, dass der Gesetzgeber in der Begründung zu § 3 KapMuG die allgemeinen Prozessvoraussetzungen als Voraussetzung benennt (vgl. BT-Drs. 17/8799, S. 17), während in der Begründung zu § 8 KapMuG ein solcher Hinweis nicht zu finden ist, spricht dies nicht für einen gesetzgeberischen Willen dahingehend, dass für die Zulässigkeitsprüfung im Rahmen von § 8 KapMuG ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum eingeräumt werden sollte. Die Prüfung der Prozessvoraussetzungen ist eine prozessuale Selbstverständlichkeit, so dass ihre Nichterwähnung in der Gesetzesbegründung zu § 8 KapMuG keine Rückschlüsse auf die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Prüfungsdichte zulässt.

e) Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass der BGH im Rahmen der Aussetzungsprüfung von § 8 Abs. 1 KapMuG eine kursorische Prüfung der Prozessvoraussetzungen genügen lassen und lediglich bei "unzweifelhaft unzulässigen Klagen" davon ausgehen würde, dass sie entscheidungsreif seien und damit nicht ausgesetzt werden dürften (in diesem Sinne aber wohl Tilp, a. a. O., S. 378 f.). Der Bundesgerichtshof hat in den Fällen, in denen er die Aussetzungsentscheidung der Instanzgerichte wegen Entscheidungsreife des Rechtsstreits beanstandet hat (vgl. Nachweise unter a), darauf abgestellt, dass der Rechtsstreit ohne Rückgriff auf die Feststellungziele des jeweils in Rede stehenden Musterverfahrens aus prozessualen oder materiell-rechtlichen Gründen entscheidungsreif gewesen sei. In solchen Fällen, so der BGH, hänge die "Entscheidung unzweifelhaft nicht vom Ausgang des Musterverfahrens ab" (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, a. a. O., Rn. 13, juris). Aus dieser Formulierung lässt sich nach dem Verständnis des Senats nicht ableiten, dass für den BGH die "Evidenz der Entscheidungsreife" von entscheidender Bedeutung für die Aussetzungsfrage ist (so aber Tilp, a. a. O., S. 378); vielmehr geht der BGH davon aus, dass ein entscheidungsreifer Rechtsstreit "evident" nicht vom Ausgang des Musterverfahrens abhängig ist. Auch wenn bei "bei unzweifelhaft gegebener Entscheidungsreife eine Aussetzung unzulässig" ist (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, a. a. O., Rn. 14, juris), bedeutet dies nicht im Umkehrschluss, dass bei nur zweifelhafter Unzulässigkeit der Klage der Rechtsstreit nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ohne weitere Prüfung auszusetzen wäre. Auch den Beschlüssen des BGH vom 28. Januar 2016 - III ZB 88/15 -, a. a. O., und vom 25. Februar 2016 - III ZB 74/15 -, a. a. O., Rn. 14 (juris), lassen sich keine Anknüpfungspunkte für eine "Evidenztheorie" ableiten, nach der bei streitigen Zulässigkeitsfragen eine Aussetzung nur bei "unzweifelhafter Unzulässigkeit" abgelehnt werden dürfe.

Auch die Rechtsprechung des BGH zur möglichen Verfahrensgestaltung von Massenverfahren auf der Grundlage der ZPO (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 -, BGHZ 204, 184-198) spricht nicht für eine großzügigere Zulässigkeitsprüfung im Rahmen der Aussetzungsprüfung von § 8 Abs. 1 KapMuG (so aber Tilp, a. a. O., S. 381 f.). Die angeführte Entscheidung des BGH erging zu einem Entschädigungsverlangen nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG in einem Verfahren aus dem Komplex der "Göttinger Gruppe" und betraf die - vom BGH gebilligte - Führung von "Pilotverfahren" bei unterbliebener Förderung übriger gleichgerichteter Verfahren. Diese Konstellation unterscheidet sich von derjenigen eines Musterverfahrens dadurch, dass bei der Prüfung einer Aussetzungsentscheidung nach § 8 Abs. 1 KapMuG eine Bearbeitung des jeweiligen Ausgangsverfahrens stattfindet, die entweder zu einer Abweisung der Klage wegen fehlender Prozessvoraussetzungen oder einem Zwischenurteil führt oder in eine Aussetzung des Verfahrens mündet, welche dem Kläger des Ausgangsverfahrens die Stellung eines Beigeladenen verschafft. Mit der unterbliebenen Förderung gleichgerichteter Verfahren im Sinne der angeführten Entscheidung des BGH ist dies nicht zu vergleichen.

f) In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass gegen die Schaffung eines Beurteilungsspielraumes bei der Prüfung der Prozessvoraussetzungen im Aussetzungsverfahren nach § 8 KapMuG im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes Bedenken bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, a. a. O., Rn. 14, juris; Beschluss vom 25. Februar 2016 - III ZB 74/15 -, AG 2016, 465, Rn. 14, juris), weshalb diese Möglichkeit jedenfalls auf besondere Ausnahmefälle zu beschränken ist. Die Zulässigkeitsprüfung kann darunter nicht fallen. Hier ist auch das Entscheidungsinteresse des Beklagten zu berücksichtigen, bei einer unzulässigen Klage zeitnah ein klagabweisendes Urteil zu erhalten. Ein Interesse des Klägers, die Entscheidung über eine unzulässige Klage zu verzögern, ist hingegen nicht anzuerkennen, zumal er bei heilbaren Mängeln die Möglichkeit hat, die Heilung herbeizuführen, etwa seine Rechtsfähigkeit nachzuweisen, eine wirksame Prozessvollmacht zu erteilen und die bisherige Prozessführung zu genehmigen. Dass er diese Obliegenheit erst zu erfüllen hätte, wenn das Musterverfahren beendet ist, ist nicht ersichtlich.

g) Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Verfahrenseffizienz als wesentliches Ziel des KapMuG gefährdet ist, wenn die Ausgangskläger das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen darlegen und ggf. nachweisen müssen. Wie auch das vorliegende Musterverfahren zeigt, lässt dessen Dauer den Ausgangsklägern zeitlich hinreichend Möglichkeit, zu den Prozessvoraussetzungen in den gegebenenfalls auszusetzenden Verfahren vorzutragen und Nachweise einzureichen. Es mögen sich im Einzelfall Schwierigkeiten ergeben, wenn ein Beigeladener erst relativ spät zum Musterverfahren hinzutritt (vgl. Tilp, a. a. O., S. 383). Dies rechtfertigt es aber aus Sicht des Senats nicht, vom Vorrang der Zulässigkeitsprüfung abzusehen. Letztlich haben es die Ausgangskläger in der Hand, durch entsprechenden Vortrag und frühzeitiges Beifügen von Beweismitteln ein verspätetes Hinzutreten zum Musterverfahren zu vermeiden. Würde man für die Aussetzungsentscheidung bei der Zulässigkeitsprüfung einen großzügigeren Maßstab anlegen, wäre es möglich, sich durch absichtlich mangelhaften Vortrag zur Zulässigkeit die Stellung als Beigeladener im Musterverfahren zu "erschleichen" und die (Muster-) Beklagte in eine Situation zu bringen, in der sie sich möglicherweise über Jahre Klagen ausgesetzt sieht, die bei umfassender Prüfung schon als unzulässig hätten abgewiesen werden können. Dass solche Prüfungen auch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen können, steht dem nicht entgegen, da das Verfahren bei Aussetzung noch länger dauern würde.

2.

Selbst wenn man der Auffassung folgen würde, dass eine Aussetzung nur bei offensichtlicher Unzulässigkeit abgelehnt werden kann, hätte im vorliegenden Fall das Verfahren nicht im vorgenommenen Umfang ausgesetzt werden dürfen, da die Klage, soweit sie ausgesetzt wurde, zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung offensichtlich unzulässig war. Denn weder ist eine Berichtigung des klägerischen Rubrums entsprechend den nach Klageerhebung von Klägerseite mitgeteilten Parteibezeichnungen möglich, noch liegt ein wirksamer Parteiwechsel auf Klägerseite vor.

a) Die Klägervertreter haben in sämtlichen beschwerdegegenständlichen Einzelklagen die Bezeichnung des Klägers geändert und gehen davon aus, dass es sich dabei lediglich um Berichtigung der Parteibezeichnung (Rubrumsberichtigung), nicht aber um einen Klägerwechsel handelt (Schriftsatz vom 29. Mai 2018, S. 115, Bd. VIII, Bl. 115 d. A.). Allerdings haben sie zugleich "vorsorglich und rein hilfsweise" einen Parteiwechsel (bezeichnet als Klagerücknahme und Parteierweiterung) erklärt, "sollte das Gericht Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berichtigung der Parteibezeichnung gemäß Ziff. II Nr. 1 bezüglich einzelner klagender Parteien haben" (Bd. VIII, Bl. 115 d. A.). Wegen der einzelnen Änderungen wird auf die anliegende Tabelle zu diesem Beschluss verwiesen.

b) Das Landgericht hat die Frage, ob es sich um eine schlichte Rubrumsberichtigung oder um einen Parteiwechsel handelt, ausdrücklich offengelassen (vgl. Aussetzungsbeschluss S. 135, Bd. IX, Bl. 135 d. A.; Nichtabhilfebeschluss S. 88, Bd. X, Bl. 88 d. A.). Sind jedoch die Zulässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen, kann die Frage, wer Kläger ist, nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Die vorgenannten Beschlüsse des Landgerichts können nach Auffassung des Senats auch nicht dahingehend verstanden werden, dass das Landgericht jedenfalls Parteiwechsel auf Klägerseite annehmen und die bei verweigerter Zustimmung der Beklagten dafür erforderliche Sachdienlichkeit bejahen wollte. Für diese Überlegung könnte zwar sprechen, dass das Landgericht die dritte Möglichkeit, nämlich die Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit infolge Unzulässigkeit der Rubrumsberichtigung einerseits und fehlender Zustimmung zum / fehlender Sachdienlichkeit des Parteiwechsels andererseits, nicht erwähnt hat. Dagegen spricht aber, dass es im Aussetzungsbeschluss ausdrücklich heißt, dass vor einer Entscheidung darüber der Musterentscheid abzuwarten sei.

Letztlich kann die Frage der Sachdienlichkeit eines Klägerwechsels gegenwärtig dahingestellt bleiben, da die dazu abgegebenen Erklärungen jedenfalls unwirksam sind (dazu unten d).

c) Eine Berichtigung des Rubrums kommt hier nicht in Betracht, da sie bei ungenauer oder unrichtiger Parteibezeichnung nur möglich ist, wenn die Identität der Partei trotz Berichtigung gewahrt bleibt (vgl. Althammer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., Vor § 50 Rn. 7). Nach dem oben unter I. dargestellten bisherigen Prozessverlauf kann im vorliegenden Fall nicht von einer identitätswahrenden Änderung der Parteibezeichnung gesprochen werden.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 15. Januar 2003 - XII ZR 300/99 -, NJW 2003, 1043, Rn. 13, juris; Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87 -, NW 1988, 1585, Rn. 23, juris; Urteil vom 24. November 1980 - VIII ZR 208/79 -, NJW 1981, 1453 [BGH 24.11.1980 - VII ZR 208/79], Rn. 12, juris) ist die Bezeichnung der Partei allein für die Parteistellung nicht ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Bei unrichtiger äußerer Bezeichnung ist grundsätzlich die Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Bei der hierbei gebotenen Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 144/06 -, NJW-RR 2008, 524 [OLG München 30.10.2007 - 4 UF 105/07], Rn. 7, juris).

Hier haben die Klägervertreter in der Klageschrift als Kläger zahlreiche Fonds angegeben, deren Namen jeweils in Fettdruck aufgeführt sind. Obwohl die Beklagte in der Erwiderung ausgeführt hat, dass zahlreiche Kläger nicht parteifähig seien (Schriftsatz vom 3. November 2016, S. 8, Bd. VII, Bl. 10 ff. d. A.), haben die Klägervertreter im Schriftsatz vom 9. März 2017 (Bd. VII, Bl. 66 ff. d. A.) an den bisherigen Bezeichnungen festgehalten (vgl. die dortige Tabelle). Auch im Schriftsatz vom 17. Juli 2017 sind "die Klageparteien" als parteifähig bezeichnet worden (S. 3, Bd. VII, Bl. 88 d. A.). Die umfassenden Änderungen erfolgten erst zu einem späteren Zeitpunkt. Gerade vor dem Hintergrund dieser Bekräftigungen trotz Kenntnis der von der Gegenseite angesprochenen Problematik ist davon auszugehen, dass hier die in der Klageschrift tatsächlich Genannten Partei sein sollten. Eine unrichtige Bezeichnung kann nicht angenommen werden, vielmehr sollten die Fonds gerade selbst klagen. Eine Rubrumsberichtigung würde daher an dem objektiv erklärten Willen der ursprünglichen Kläger vorbeigehen.

Eine dem zuwiderlaufende Auslegung ist nicht möglich. Zum einen waren der Klage keine Anlagen beigefügt, die hinreichende Rückschlüsse darauf zugelassen hätten, wer in Abweichung zu der Bezeichnung in der Klageschrift tatsächlich jeweiliger Kläger sein sollte. Zum anderen sind die Abweichungen der Parteibezeichnungen in der Klageschrift zu den nachträglich mitgeteilten Parteibezeichnungen ganz überwiegend derart gravierend, dass auch bei großzügiger Auslegung von einer Identität der Parteien nicht gesprochen werden kann (vgl. die als Anlage zu diesem Beschluss beigefügte Tabelle).

d) Auch eine wirksame Klageänderung nach § 263 ZPO durch Parteiwechsel auf der Klägerseite kann bislang nicht angenommen werden. Die Beklagte verweist zutreffend auf das Urteil des BGH vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 209/03 -, BGH NJW-RR 2004, 640. Danach kann eine Parteiänderung, die zu einer subjektiven Klagehäufung führt, wirksam nicht bedingt erfolgen, weder unter der prozessualen Bedingung, dass der Anspruch der in erster Linie angeführten Partei für unbegründet befunden wird, noch unter der Bedingung, dass das Gericht die Zulässigkeit der Klage der ursprünglichen Klägerin als Prozessstandschafterin verneint (juris Rn. 9). Bei einem nur bedingten Parteiwechsel handelt es sich nicht wie bei gewöhnlichen Hilfsanträgen darum, ob demselben Kläger der eine oder der andere Anspruch zuzubilligen sei, sondern um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit einer anderen Partei. Ob ein solches besteht, darf schon um der Rechtsklarheit willen nicht bis zum Ende des Rechtsstreits in der Schwebe bleiben.

Die vorliegende Situation ist mit der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Konstellation einer unwirksamen Prozessstandschaft vergleichbar: Für den Fall, dass eine Rubrumsberichtigung nicht in Betracht kommt und die ursprünglichen Kläger nicht parteifähig sind, wäre die Klage ebenso wie im Fall der unwirksamen Prozessstandschaft als unzulässig abzuweisen. Ein bedingter Parteiwechsel ist hier nicht möglich.

3.

a) Der angefochtene Aussetzungsbeschluss des Landgerichts betrifft nach alldem Kläger, für die ein Prozessrechtsverhältnis noch nicht wirksam begründet ist, und ist damit unwirksam. Eine Aussetzung auf die ursprünglichen Kläger kommt nicht in Betracht, da deren Klagen wegen mittlerweile unstreitiger Prozessunfähigkeit unzulässig sind. Demnach wären diese Klagen abzuweisen, sollten die Bevollmächtigen der Kläger nicht einen unbedingten Parteiwechsel erklären, wozu ihnen Gelegenheit zu geben ist.

b) Sollte die Klägerseite einen unbedingten Parteiwechsel erklären und das Landgericht die Sachdienlichkeit der Klageänderung bejahen, wäre die Parteifähigkeit der (neuen) Kläger zu prüfen. Soweit die Beklagte die fehlende Rechts- und Parteifähigkeit einzelner Kläger in der Beschwerdeschrift rügt (Bd. IX, Bl. 181 d. A.), ist dies insoweit überholt, als die Klägerseite nach dem Aussetzungsbeschluss im Schriftsatz vom 21. September 2018 (Bd. IX, Bl. 141 ff. d. A.) für diese Kläger neue Parteibezeichnungen angegeben hat. Hinsichtlich der übrigen "berichtigten" Kläger geht die Beklagte offenbar nur deshalb von fehlender Parteifähigkeit aus, weil sie den Parteiwechsel für unwirksam hält und daher auf Klägerseite weiterhin nur unselbständige Sondervermögen sieht (Bd. IX, Bl. 143 ff. d. A.). Für den Fall des wirksamen Parteiwechsels hat sie die Parteifähigkeit der "berichtigten" Kläger bislang nicht in Frage gestellt.

c) Ferner ist zu klären, ob die anwaltliche Bevollmächtigung wirksam ist, da die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. November 2016 (Bd. VII, Bl. 3 ff. d. A.) den Mangel der Vollmacht gerügt hat (§ 88 Abs. 1 ZPO). Ist die Klage durch einen vollmachtlosen Vertreter erhoben worden und kommt es nicht zu einer Genehmigung, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. Althammer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 88 Rn. 6).

Der Senat geht nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen für einen Teil der "berichtigten" Kläger davon aus, dass insoweit eine wirksame anwaltliche Vertretung vorliegt. Soweit aus Sicht des Senats eine lückenlose Vollmachtskette zwischen dem Vertreter der jeweiligen juristischen Person und den hiesigen Klägervertretern dagegen noch nicht hergestellt werden kann, sind in der Tabelle Anmerkungen zu den jeweils bestehenden Unklarheiten enthalten; die betroffenen Parteien sind in der Tabelle dadurch kenntlich gemacht worden, dass die letzte Zelle der jeweiligen Zeile grau schattiert ist.

III.

1. Das weitere Verfahren ist dem Landgericht zu überlassen (§ 572 Abs. 3 ZPO), da es über die Zulässigkeit gesondert durch End- oder Zwischenurteil nach § 280 ZPO zu entscheiden haben wird, sollte die weitere Prüfung nicht zu einer von beiden Parteien akzeptierten Klärung der Zulässigkeitsfragen führen (vgl. Kruis, in: KK-KapMuG, a. a. O., § 8 Rn. 33).

2. Der Senat weist darauf hin, dass er es auch für erforderlich hält, die Kläger zu 508), 510), 512), 514)-525), 527)-536), 540)-544) und 546)-550) vor der Aussetzung deren Verfahren zu dem Vortrag der Beklagten zur Unschlüssigkeit deren Klagen (Ziffer IV der Beschwerdebegründung) Stellung nehmen zu lassen. Der Vortrag, mit dem die Kläger als (vermeintliche) Aktionäre der Beklagten einen Anspruch wegen Verstoßes gegen Ad-hoc-Mitteilungspflichten begründen wollen, wäre nicht schlüssig, wenn die zur Darlegung des Aktienerwerbs aufgeführten ISIN der erworbenen Finanzinstrumente nicht den von der Beklagten emittierten Stamm- oder Vorzugsaktien zugeordnet werden könnten. Denn die erforderliche Angabe des Gegenstands der Klage (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) wäre in diesem Fall widersprüchlich und damit nicht hinreichend bestimmt.

3. Den Streitwert bemisst der Senat in Anlehnung an den Beschluss des BGH vom 28. Januar 2016 - III ZB 88/15 -, juris, Rn. 19 (in NZG 2016, S. 355 nicht mit abgedruckt), bei Beschwerden gegen Aussetzungsbeschlüsse nach § 8 Abs. 1 KapMuG gemäß § 3 ZPO auf 1/5 der Klagesumme der von der Aussetzung betroffenen Kläger. Dies wäre hier ein Betrag von (440.000.509,70 € x 1/5 =) 89.600.101,94 €. Da dieser den gesetzlichen Höchstwert von 30.000.000,00 € übersteigt, war der Streitwert auf den Höchstwert festzusetzen (vgl. § 39 Abs. 2 GKG, § 22 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 2 Satz 2 RVG).

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Beklagte hat sich gegen die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 8 KapMuG gewandt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Ausgangsrechtsstreits, welche die in der Sache unterliegende Partei unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens nach §§ 91 ff. ZPO zu tragen hat (BGH, a.a.O.; Beschluss vom 5. November 2015 - III ZB 69/14 -, BGHZ 207, 306 [Rn. 25, zit. n. juris]; Beschluss vom 2. Dezember 2014 - XI ZB 17/13 -, NJW-RR 2015, S. 299 [300 Rn. 20] m.w.N.).

5. Die Rechtsbeschwerde war nicht gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 Satz 1 ZPO zuzulassen. Die Frage, mit welcher Intensität die Prozessvoraussetzungen vor einer Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG zu prüfen sind, ist zwar grundsätzlicher Art. Der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts war aber aus den zu Ziffer II. 2. genannten Gründen wegen offensichtlicher Unzulässigkeit der Klagen aufzuheben, so dass es für die Entscheidung des vorliegenden Falls nicht darauf ankommt, ob ein geringerer Prüfungsmaßstab anzulegen ist (vgl. zur Entscheidungserheblichkeit der in Rede stehenden Rechtsfrage als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde Heßler, in: Zöller, a. a. O., § 574 Rn. 13a).