Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.08.2013, Az.: 1 UF 84/08
Versorgungsausgleich : Übergangsrecht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 30.08.2013
- Aktenzeichen
- 1 UF 84/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 44299
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2013:0830.1UF84.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 09.07.2008
Rechtsgrundlage
- VersAusglG § 48 Abs. 2
Fundstellen
- FPR 2013, 5
- FamRZ 2014, 948
Amtlicher Leitsatz
Ist eine vor dem 1. September 2009 ergangene Endentscheidung über den Versorgungsausgleich in zulässiger Weise nur teilweise angefochten worden, so ist in einem vom Oberlandesgericht ausgesetzten und nach dem 31. August 2009 aufgenommenen Beschwerdeverfahren das ab dem 1. September 2009 geltende neue Recht anzuwenden (gegen OLG Celle, NdsRpfl. 2013, 108).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wird die im Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 9. Juli 2008 getroffene Entscheidung über den Versorgungsausgleich abgeändert, soweit sie die Anrechte in der Zusatzversorgung betrifft (Ziffer II. Absatz 2 des Urteilstenors).
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Vers.Nr. ...6) zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 34,22 Versorgungspunkten, bezogen auf den 31.01.2008, nach Maßgabe des § 32a der VBL-Satzung in der Fassung der 17. Satzungsänderung übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der evangelischen Zusatzversorgungskasse Darmstadt (Vers.Nr.: ...1) zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 19,65 Versorgungspunkten, bezogen auf den 31.01.2008, nach Maßgabe des § 44 der Satzung der Evangelischen Zusatzversorgungskasse Darmstadt übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin hatten am 14.06.1985 die Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 25.02.2008 zugestellt worden.
Durch das Urteil vom 09.07.2008 hat das Amtsgericht Braunschweig die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei ist in Höhe des Wertunterschiedes zwischen den beiderseitigen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung der Ausgleich durch Splitting gem. § 1587b Abs. 1 BGB in Höhe von 140,41 Euro monatlich erfolgt, während in Höhe des Wertunterschieds zwischen den beiderseitigen, nach der BarwertVO dynamisierten Anwartschaften in der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgung der Ausgleich durch analoges Quasisplitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG vorgenommen worden ist.
Gegen den Ausgleich der bei ihr bestehenden Anwartschaft hat die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Beschwerde eingelegt, auf deren Begründung Bezug genommen wird. Durch Beschluss vom 18.09.2008 hat der Senat das Beschwerdeverfahren entsprechend § 148 ZPO bis zur Neuregelung der VBL-Satzung ausgesetzt.
Nach Wiederaufnahme des Verfahrens haben die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und die Evangelische Zusatzversorgungskasse Darmstadt Auskünfte über die bei ihnen bestehenden Anrechte der beteiligten geschiedenen Eheleute nach dem seit 01.09.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht erteilt.
Auf die Auskünfte vom 06.11.2012 (Bl. 60 ff d.A.) und vom 29.04.2013 (Bl. 74 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde führt zur Neuregelung des Ausgleichs der Anrechte des Antragstellers und der Antragsgegnerin bei den beteiligten Zusatzversorgungen nach dem seit 01.09.2009 geltenden Recht.
1.
Die Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder betrifft allein den Ausgleich der beiderseitigen Anrechte bei den Zusatzversorgungen. Denn der Ausgleich der am Ende der Ehezeit von den Eheleuten erworbenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung ist unabhängig davon durch Splitting erfolgt. Dieser Ausgleich wird weder dem Grunde noch der Höhe nach durch den daneben erfolgten Ausgleich der Anrechte aus den Zusatzversorgungen berührt. Hingegen sind die beiderseitigen Anrechte aus den Zusatzversorgungen zur Ermittlung des Ausgleichsbetrages nach § 1 Abs. 3 VAHRG miteinander verrechnet worden, so dass ihr Ausgleich in einem untrennbaren Zusammenhang steht. Infolge dessen ist auf die Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder neu über den Ausgleich der beiderseitigen Anrechte bei der VBL und bei der Evangelischen Zusatzversorgungskasse zu entscheiden.
2.
Nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist auf den jetzt anstehenden Teilausgleich das seit 01.09.2009 geltende Versorgungsausgleichsrecht anzuwenden. Denn aufgrund des Senatsbeschlusses vom 18.09.2008 war das Verfahren am 01.09.2009 ausgesetzt. Es entspricht der ständigen Handhabung durch den Senat, in Beschwerdeverfahren, die wegen der Unwirksamkeit von Satzungsvorschriften der Zusatzversorgungen ausgesetzt und nach dem 01.09.2009 wieder aufgenommen worden sind, nach der Wiederaufnahme das seit 01.09.2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden.
Allerdings hat das OLG Celle (NdsRpfl 2013, 108f.) für die vorliegende Fallkonstellation die Auffassung vertreten, dass noch das bis zum 31.08.2009 geltende Versorgungsausgleichsrecht anzuwenden sei. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen.
Entgegen den Ausführungen in Rdnr. 5 der zitierten Entscheidung steht die Auffassung des OLG Celle, es sei noch das bis zum 31.08.2009 geltende Recht anzuwenden, nicht ohne weiteres in Einklang mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14.03.2012 (FamRZ 2012, 856). Denn in dem dort zu Grunde liegenden Verfahren war gerade keine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens über den 01.09.2009 hinaus bzw. nach dem 01.09.2009 erfolgt. Hierauf hat der Bundesgerichtshof unter Rd. 26 a.E. auch ausdrücklich hingewiesen.
Weiterhin besteht nach der Meinung des Senats kein Grundsatz, dass der Versorgungsausgleich insgesamt auf der Grundlage eines einheitlichen materiellen Rechts durchgeführt werden muss. Denn von dem Prinzip des Gesamtausgleichs hat, wie das OLG Celle aaO. auch zum Ausdruck bringt, das ab dem 01.09.2009 geltende Versorgungsausgleichsrecht Abstand genommen. Dass dieses Prinzip dem früheren Recht zugrunde lag, spricht nicht dagegen, nunmehr in Anwendung des seit 01.09.2009 geltenden Rechts einen Einzelausgleich nur derjenigen Anrechte vorzunehmen, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind.
Ferner sieht der Senat auch keine Probleme mit etwaigen Abänderungsverfahren. Sollte eine Abänderung des nach altem Recht entschiedenen, nicht der Beschwerde unterliegenden Teils der Versorgungsausgleichsentscheidung in Betracht kommen, so kann gem. §§ 51, 52 VersAusglG ohne weiteres eine Neuregelung nur dieses Teilbereichs des Versorgungsausgleichs vorgenommen werden. Hingegen liegt dem Abänderungsverfahren nach § 225, 226 FamFG ohnehin das Prinzip des Einzelausgleichs jedes Anrechts zugrunde, welches durch das seit 01.09.2009 geltende Versorgungsausgleichsrecht eingeführt worden ist.
Gegen die Anwendung des bis zum 31.08.2009 geltenden Rechts spricht nach Auffassung des Senats weiterhin entscheidend, dass durch die Umrechnung nach der Barwertverordnung, die gem. § 1587a Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 BGB a.F. bei vielen Anrechten - so auch hier - erforderlich würde, Wertverzerrungen der betroffenen Anrechte in erheblichem Umfang eintreten würden, denen nur durch ein entsprechendes Abänderungsverfahren begegnet werden könnte. Da derartige Abänderungsverfahren nicht erforderlich sind, wenn man die betroffenen Anrechte nach dem seit 01.09.2009 geltenden Recht ausgleicht, spricht der Grundsatz der Verfahrensökonomie für die Anwendung neuen Rechts.
Überdies kommt in zahlreichen Fällen - anders als im vorliegenden Fall - nur ein teilweiser Wertausgleich nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG a.F. in Betracht, während der Ausgleichsberechtigte wegen des verbleibenden nicht ausgeglichenen Wertes des Anrechts auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen würde. Auch eine solche für den Ausgleichsberechtigten nachteiligen Rechtsfolge, wie sie nach dem 31.08.2009 geltenden Recht häufig auftrat, wird durch die dem Wortlaut und dem Sinn des § 48 Abs. 2 VersAusglG entsprechende Anwendung des seit 01.09.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrechts vermieden.
3.
Nach den im Beschwerdeverfahren erteilten Auskünften hat der Antragsteller bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ein Anrecht VBL klassik mit einem Ehezeitanteil von 73,29 Versorgungspunkten erworben. Der Ausgleichswert beträgt nach Abzug der hälftigen Teilungskosten für die ausgleichsberechtigte Antragsgegnerin 34,22 Versorgungspunkte, der korrespondierende Kapitalwert beläuft sich auf 13.309,94 Euro. Der Ausgleich ist durch interne Teilung nach §§ 10 ff. VersAusglG vorzunehmen. Rechtsgrundlage ist § 32a der VBL-Satzung in der Fassung der 17. Satzungsänderung.
Die Antragsgegnerin hat ihrerseits, wie sich aus der Auskunft der Evangelischen Zusatzversorgungskasse ergibt, dort ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 50,76 Versorgungspunkten erworben. Der Ausgleichswert beträgt unter Berücksichtigung der Teilungskosten 19,65 Versorgungspunkte, der korrespondierende Kapitalwert beläuft sich auf 9.660,44 Euro.
Dieses Anrecht ist ebenfalls durch interne Teilung nach §§ 10ff. VersAusglG auszugleichen. Rechtsgrundlage ist § 44 der Satzung der Evangelischen Zusatzversorgungskasse.
Dementsprechend ist der Ausgleich dieser beiden Anrechte nunmehr anzuordnen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 und 5 FamFG.
Der Verfahrenswert ergibt sich aus § 50 Abs. 1 FamGKG.
Weil der Senat von der Entscheidung des OLG Celle abweicht, lässt er die Rechtsbeschwerde zu, auch wenn sich Rechtsfragen des Übergangsrechts künftig wohl nicht mehr allzu häufig stellen werden.