Amtsgericht Peine
Urt. v. 18.05.2011, Az.: 16 C 139/11

Erstattungsfähige Sachverständigenkosten i.R.d. Schadensersatzes nach Verkehrsunfall

Bibliographie

Gericht
AG Peine
Datum
18.05.2011
Aktenzeichen
16 C 139/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 42218
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGPEINE:2011:0518.16C139.11.0A

In dem Rechtsstreit
wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall
hat das Amtsgericht Peine im Verfahren gemäß § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 5. Mai 2011 am 18. Mai 2011 durch die Richterin am Amtsgericht
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 150,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.02.2011 zu zahlen.

  2. 2.)

    Die Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von der Zahlung in Höhe von 277,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.02.2011 gegenüber dem Kfz-Sachverständigenbüro ... aus der Rechnung vom 11.12.2010 freizustellen.

  3. 3.)

    Die Beklagte wird ferner verurteilt, die Klägerin von der Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 53,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 30.03.2011 an Herrn Rechtsanwalt ... freizustellen.

  4. 4.)

    im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  5. 5.)

    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

  6. 6.)

    Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bis auf eine geringe Zinszuvielforderung begründet. Die Beklagte ist als Kfz-Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen ... unstreitig verpflichtet, die Schäden, die der Klägerin anlässlich des Verkehrsunfalles am 09.12.2010 in ... entstanden sind, zu 100% zu erstatten.

1. Der Kfz-Sachverständige ... erstattete aufgrund Auftrages der Klägerin vom 11.12.2010 am 11.12.2010 ein Gutachten über die Schäden am Fahrzeug der Klägerin Mazda, Erstzulassung 16.04.2004, Kilometerleistung 87.936 Kilometer und rechnete hierfür eine Grundgebühr in Höhe von netto 287,00 EUR ab und berechnete darüber hinaus als Fahrtkostenpauschale 25,00 EUR netto, für Digitalfotos 20,00 EUR netto, für Porto, Telefon und Kopien 18,00 EUR netto und für Abrufgebühren 18,00 EUR netto, insgesamt berechnete er brutto 437,92 EUR, worauf die Beklagte vorprozessual 160,50 EUR zahlte.

Den Rostbetrag in Höhe von 277,42 EUR hat die Beklagte ebenfalls zu erstatten.

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Sachverständigenkosten vom Schädiger zu erstatten sind, soweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist (vgl. z. B. BGH, Versicherungsrecht 2005, 380). Hinsichtlich der Höhe der Sachverständigenkosten ist anerkannt, dass diese zu erstatten sind, wenn sie sich aus Sicht eines verständigen, wirtschaftlich Denkenden in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig darstellen (vgl. z. B. BGH, Versicherungsrecht 2007, 560). Der Geschädigte ist dabei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (siehe BGH aaO). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Es ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h., Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten und seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Erst wenn für ihn als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder wenn dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlten Aufwendungen verlangen.

Die Rechnung des Sachverständigen hält sich nach diesen Grundsätzen im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen im Sinne von § 249 BGB.

Der Umstand, dass der Sachverständige ein Grundhonorar ausgehend von der Schadenshöhe berechnet, ist nicht zu beanstanden und wird auch von der Beklagten bei ihrer Vergleichsberechnung angewandt. Die Beklagte legt ihrer Berechnung das Gesprächsergebnis BVSK-HUK Coburg 2009 zugrunde, danach wären bei Nettoreparaturkosten in Höhe von 1.174,44 EUR, ein Grundhonorar inklusive Fotokosten, Schreibkosten, Porto/Telefonkosten und einem Grundanteil Fahrtkosten sowie Mehrwertsteuer 321,00 EUR berechtigt. Der Sachverständige begehrt 437,92 EUR, also 116,92 EUR mehr. Die von der Beklagten behauptete Überhöhung ist nicht derart evident, dass die Klägerin die Sachverständigenkosten gegenüber dem Sachverständigen hätte beanstanden müssen. Weil der Geschädigte vor Beauftragung des Sachverständigen keine Marktforschung betreiben muss, wird er in der Regel nicht wissen, in welcher Höhe Sachverständigengebühren entstehen, schon weil ihm die Höhe des Schadens, auf dessen Höhe die Sachverständigenkosten beruhen, nicht bekannt ist, der Schaden soll ja durch das Gutachten erst ermittelt werden.

Eine Überprüfung der in Rechnung gestellten Nebenkosten ist nicht angezeigt, weil sich diese nach Art im Rahmen des Üblichen halten und die Klägerin nachvollziehbar dargelegt hat, dass der Sachverständige sich der Höhe nach im Rahmen der Tabelle Nebenkosten (HB III) der BVSK-Honorarbefragung 2008/2009 gehalten hat.

In Höhe von 277,42 EUR hat die Klägerin somit einen Freistellungsanspruch (§ 257 BGB) gegenüber der Rechnung des Sachverständigen ... vom 11.12.2010.

2. Die Klägerin hat darüber hinaus Anspruch auf eine merkantile Wertminderung in Höhe von 150,00 EUR.

Ein merkantiler Minderwert eines Fahrzeuges liegt dann vor, wenn trotz völliger Instandsetzung ein Schaden dennoch verbleibt, weil sich das Fahrzeug auf dem Markt wegen des Unfallschadens nur zu einem geringeren Preis veräußern lässt.

Das Fahrzeug der Klägerin war zum Unfallzeitpunkt über 6 1/2 Jahre alt und hatte eine Kilometerleistung von 87.936 Kilometern.

Nach den Methoden Halbgewachs und der Methode von Ruhkopf/Sahm steht der Klägerin eine Wertminderung nicht zu, weil ihr Fahrzeug im Unfallzeitpunkt älter als 5 Jahre war.

Die Annahme, dass Fahrzeuge nur noch einen derart geringen Verkehrswert haben, dass sich ein messbarer Minderwert nicht mehr feststellen lässt, wenn ein Fahrzeug älter als 5 Jahre ist oder eine Laufleistung von über 100.000 Kilometern hat, trifft auf das Fahrzeug der Klägerin nicht zu, denn der Wiederbeschaffungswert wurde mit 8.800,00 EUR festgestellt und auf diesen kann sich ein reparierter Unfallschaden im Falle eines Verkaufes durchaus wertmindernd auswirken. Ein Kaufpreis von 8.800,00 EUR ist nicht unerheblich und ein Käufer, der diesen Betrag für ein gebrauchtes Fahrzeug aufwendet, wird bei Kenntnis, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handelt, wegen des Verdachtes, dass trotz ordnungsgemäßer Reparatur verborgene Schäden verblieben sein könnten, den Kaufpreis mindern. Die vom Sachverständigen ... festgestellte Wertminderung ist somit nachvollziehbar und der Höhe nach nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO).

3. Gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB schuldet die Beklagte auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. Bei einem Gegenstandswert bis zu

2.500.00EUR belaufen sich diese auf:

1,3 Geschäftsgebühr 2300 VVRGV 209,30 EUR

Auslagenpauschale 7002 VVRGV 20,00 EUR

19% Mehrwertssteuer 43,57 EUR

Insgesamt 272,87 EUR

Hierauf zahlte die Beklagte vorprozessual 219,50 EUR, sodass noch 53,37 EUR zu zahlen sind bzw. die Klägerin von der Zahlung freizustellen ist (§ 257 BGB).

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 291, 288 Abs. 1, 247 BGB.

Aufgrund der vorgelegten Mahnung vorn 08.02.2011 befindet sich die Beklagte mit der Zahlung der restlichen Sachverständigengebühren und der Wertminderung seit 19.02.2011 in Verzug.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung gegen das Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Berufungszulassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 511 Abs. 4 7P0).