Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.06.2018, Az.: 7 B 2198/18

Beschränkung; PKK; PYD; Symbole; Versammlung; YPG; YPJ

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
01.06.2018
Aktenzeichen
7 B 2198/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74179
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Beschränkung einer Versammlung, die sich gegen den türkischen Einmarsch in das syrische Afrin-Gebiet wendet, dahingehend, dass Symbole der (syrischen Partei der Kurden) PYD und ihrer bewaffneten Einheiten (YPG und YPJ), nicht gezeigt werden dürfen, ist voraussichtlich rechtmäßig.

Gründe

Das nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Begehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (7 A 2197/18) gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2018 (Nr. II. 8) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Beschränkung der für den 9. Juni 2018 angemeldeten Versammlung („Freiheit für Afrin“), soweit sie das Zeigen von Symbolen der Organisationen „PYD“, „YPG“ und „YPJ“ betrifft, wiederherzustellen, ist unbegründet.

Insoweit entspricht das hier geltend gemachte Begehren des Antragstellers den im Verfahren 7 B 1045/18 (mit dem dortigen Hauptsacheverfahren 7 A 1044/18) geltend gemachten Rechtsschutzersuchen der dortigen Antragstellerin mit Blick auf die von ihr damals für den 2. März 2018 vorgesehene Demonstration vom Bahnhofsvorplatz um den Innenstadtring in Oldenburg.

Das damalige Begehren hat das Gericht mit Beschluss vom 2. März 2018 abgelehnt und insoweit wörtlich festgehalten:

„Gründe

I.

Die Antragstellerin zeigte am 27. Februar 2018 an, dass am 2. März 2018 von 15 bis 17:30 Uhr, beginnend und endend auf der Südseite des Bahnhofsplatzes in Oldenburg und verlaufend um den Innenstadtring eine Demonstration zu dem Thema „Gegen den Krieg in der Türkei gegen die Stadt Efrin und für die Freiheit von Salih Müslum“ mit etwa 500 Teilnehmern durchgeführt werden soll.

...

Gegen das Verbot, die Symbole der PYD, YPG und YPJ zu zeigen, hat die Antragstellerin noch am selben Tage Klage (7 A 1044/18) erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

...

II.

Das nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Begehren der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die oben angeführte Beschränkung der am 2. März 2018 geplanten Versammlung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. Februar 2018 wiederherzustellen, bleibt ohne Erfolg.

Die Begründung der sofortigen Vollziehung auf Seite 7 des Bescheides der Antragsgegnerin entspricht (noch) den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, insbesondere ist sie hinreichend einzelfallbezogen. Dass die Erwägungen - wie die Antragstellerin insoweit zutreffend vorträgt - inhaltlich nicht vollständig zutreffen, ist dagegen unerheblich und eine Frage des materiellen Rechts (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 11 ME 100/16 – juris, Rn. 8). Dies gilt auch unter besonderer Berücksichtigung des Gewichtes der Versammlungsfreiheit in Art. 8 GG, zumal Demonstrationen üblicherweise kurzfristig durchgeführt werden und Beschränkungen ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung regelmäßig nicht durchgesetzt werden könnten (vgl. VG Köln, Beschluss vom 31. August 2009 - 20 L 1310/09 - juris, Rn. 7).

In der Sache überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse hier das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, weil die streitige Beschränkung der Versammlung am morgigen Tage voraussichtlich rechtmäßig ist.

Nach § 8 Abs. 1 NVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung unter freiem Himmel beschränken, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.

Dabei sind hier die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) sowie des Rechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG) in Rechnung zu stellen. Die Versammlungsfreiheit umfasst auch das Recht über die Modalitäten wie Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung zu entscheiden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 3. November 2017 - 15 B 1371/17 - juris, Rn. 24 ff. m.w.N. insbesondere aus der Rspr. des BVerfG).

Die Verwendung der in Rede stehenden Kennzeichen würde erheblich gegen Rechtsvorschriften und damit gegen die öffentliche Sicherheit verstoßen. Dies ist der Fall, wenn entgegen der Strafvorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG Kennzeichen eines verbotenen Ausländervereins in einer Versammlung verwendet werden (vgl. OVG Münster a.a.O., Rn. 28; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. November 2011 - OVG 1 S 187.11 - juris, Rn. 7).

Unstreitig ist die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) mit ihren Unter- und Teilorganisationen durch das Bundesministerium des Innern verboten worden. Dies gilt zwar nicht für die PYD und ihre bewaffneten Einheiten. Da es sich bei der PYD um die in Syrien ansässige Partei der Kurden handelt, besteht aber eine enge Verbindung zu der in der Türkei beheimateten PKK. Das Bundesministerium des Innern hat deshalb die fachliche Einschätzung, dass mit den Symbolen der PYD und ihrer bewaffneten Einheiten gerade auch Werbung für die PKK selbst gemacht werden soll (vgl. Rundschreiben vom 29. Januar 2018 und 2. März 2017). Es handelt sich mithin um Kennzeichen, die von der PKK für ihre Zwecke verwendet werden, um propagandistisch auf den verbotenen Verein, seine Ziele und die Zusammengehörigkeit seiner Anhänger hinzuweisen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter, BT-Drs. 18/12025).

An dieser Einschätzung ändert sich nichts, weil es bei der Versammlung um den Protest gegen die Militäroffensive der Türkei gegen das auf syrischem Staatsgebiet liegende bisher von der PYD verwaltete Afrin-Gebiet geht und auf den vorübergehend in Prag festgenommenen Co-Vorsitzenden der PYD Salih Muslim aufmerksam gemacht werden soll. Auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs ist damit zu rechnen, dass mit den Symbolen der PYD und deren bewaffneten Einheiten gerade gezielt für die verbotene PKK geworben werden soll. Es ist den Versammlungsteilnehmern zudem möglich, auch ohne die Symbole der PYD und ihrer bewaffneten Einheiten zu verwenden, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.“

Hieran hält die Kammer auch nach erneuter Überprüfung fest und macht sich die Ausführungen auch mit Blick auf die für den 9. Juni 2018 vom Antragsteller angemeldete Versammlung zu Eigen.

In Bezug auf die Begründung des Sofortvollzuges auf Seite 7 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2018 ist nunmehr ausdrücklich auch auf die Verhinderung von möglichen Straftaten (hier nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG) hingewiesen worden, so dass diese (erst recht) den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entspricht.

Auch hier hält das Gericht die in Rede stehende Beschränkung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2018 weiterhin für wahrscheinlich rechtmäßig. Die Hinweise in der Antragsschrift auf die Entscheidungen anderer Gerichte (VG Darmstadt Beschluss vom 2. März 2018 – 3 L 522/18 –; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 19. Februar 2018 – 14 L 337/18 – und Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 16. Februar 2018 – 10 CS 18.405 –) geben dabei keinen durchgreifenden Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Insbesondere besteht der erforderliche Kontext mit Anliegen der PKK. Das Gericht hält es unter Berücksichtigung des starken Einflusses der PKK für überwiegend wahrscheinlich, dass – entsprechend der fachkundigen Einschätzung des Bundesministeriums des Innern – Fahnen und Transparente der PYD, YPG und YPJ bei allen Versammlungen mit spezifischen Anliegen der kurdischen Gemeinschaft auch als Symbole der PKK betrachtet werden. Nach Kenntnis des Gerichts hat die PKK Einfluss auf zahlreiche kurdische Organisationen, welche auf den ersten Blick keinen Bezug zu deren politischen Zielen haben.

Dies wird durch die Stellungnahme der Polizeiinspektion Oldenburg-Stadt/Ammerland an die Antragsgegnerin vom 22. Mai 2018 bestätigt. Danach sei es der Polizei bei der überwiegenden Anzahl der Versammlungen der kurdischen Gemeinde in Oldenburg nicht gelungen, das Rufen verbotener Parolen der PKK und Bekenntnisse zu ihrem Anführer Abdullah Öcalan zu unterbinden. Bei einer Spontanversammlung am 21. März 2018 sei neben Fahnen der YPG auch eine Fahne der PKK-Jugendorganisation gezeigt und es seien Parolen der PKK gerufen worden. Bei einer nicht angemeldeten Demonstration der linksautonomen Szene in Oldenburg am 1. Mai 2018, an der auch der Antragsteller u.a. mit einem Redebeitrag teilgenommen hat, sei neben einer Fahne der YPG/YPJ auch eine Fahne der PKK gezeigt und am Gebäude des Veranstaltungszentrums A. die Fahne der ebenfalls verbotenen mit der PKK verbundenen KCK mit der Aufschrift „PKK-Verbot aufheben“ heruntergelassen worden.

Mithin überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse auch hier das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers, weil die umstrittene Beschränkung der Versammlung am 9. Juni 2018 voraussichtlich rechtmäßig ist.

Außerdem ergibt sich dieses Ergebnis ebenso und daneben selbständig tragend im Rahmen einer reinen Interessenabwägung. Es überwiegt das öffentliche Interesse an der Verhinderung einer möglichen Straftat. Das Nichtzeigen der inkriminierten Symbole bzw. Bezeichnungen stellt dagegen einen nur kleinen, hinnehmbaren und zumutbaren Nachteil dar, weil die Durchführung der Versammlung an sich hierdurch nicht in Frage gestellt wird. Insbesondere ist es auch auf andere Weise möglich, auf das mit der Demonstration verfolgte Anliegen aufmerksam zu machen, so dass sich die Antragsteller in zumutbarer Art und Weise auf die Durchführung etwa einer Fortsetzungsfeststellungsklage im Hauptsacheverfahren verweisen lassen muss (vgl. z.B. Pressemitteilung des VG Frankfurt Nr. 10/2017 v. 29. August 2017, Urt. vom 22. August 2017 - 5 K 4403/16 -, juris).