2.1
Feststellung des Entschädigungsfalles
2.1.1 Die amtliche Feststellung über das Vorliegen eines Entschädigungsfalles nach § 15 TierGesG obliegt der Amtstierärztin oder dem Amtstierarzt des Landkreises oder der kreisfreien Stadt, in deren oder dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich sich das Tier zum Zeitpunkt des Todes oder der Tötungsanordnung befand oder befindet. Die Amtstierärztin oder der Amtstierarzt hat bei der Feststellung des Schadensfalles die für die Bekämpfung von Tierseuchen erlassenen Einzelvorschriften und die dazu erlassenen Durchführungserlasse zu beachten.
2.1.2 Nummer 2.1.1 Satz 1 gilt nicht für Tiere, die zum Zweck der weitergehenden Untersuchung oder der amtlich angeordneten Tötung an ein in einem anderen Zuständigkeitsbereich gelegenes Untersuchungsamt, eine private Untersuchungseinrichtung, eine Schlachtstätte oder Tierkörperbeseitigungsanstalt verbracht werden. In solchen Fällen bleibt die Amtstierärztin oder der Amtstierarzt zuständig, in deren oder dessen Amtsbezirk der Herkunftsort des Tieres gelegen ist.
2.1.3 Das Vorliegen eines Entschädigungsfalles kann im Fall von Rauschbrand auch allein aufgrund des Zerlegungsbefundes und epidemiologischer Zusammenhänge mit bereits festgestellten Seuchenausbrüchen anerkannt werden.
2.1.4 Hat die Feststellung der Krankheit in Abwesenheit der Besitzerin oder des Besitzers stattgefunden, so ist diese oder dieser von dem Ergebnis der Untersuchung unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Die Amtstierärztin oder der Amtstierarzt hat zu veranlassen, dass, soweit notwendig und möglich, die für die Feststellung der Krankheit erforderlichen Teile aufbewahrt werden.
2.1.5 Ergeben sich bei der fachlichen Prüfung eines Entschädigungsantrags durch die Niedersächsische Tierseuchenkasse (Tierseuchenkasse) erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Amtstierärztin oder dem Amtstierarzt festgestellten Schadensursache, so holt die Tierseuchenkasse ein Obergutachten von dem Dezernat Tierseuchenbekämpfung des LAVES ein.
2.1.6 Das Ergebnis des Obergutachtens ist den Beteiligten mitzuteilen. Die Frage der Entschädigung ist aufgrund des Obergutachtens zu beurteilen.
2.2
Ermittlung des gemeinen Wertes von Tieren
2.2.1 Die Ermittlung des gemeinen Wertes von Tieren, der der Entschädigung zugrunde zu legen ist, hat unter Berücksichtigung des § 16 TierGesG und des § 12 Abs. 2 AGTierGesG zu erfolgen.
2.2.2 Der Wert des Tieres oder von Teilen des Tieres ist von der Amtstierärztin oder dem Amtstierarzt, die oder der den Entschädigungsfall feststellt, zu schätzen. Die Schätzung verendeter sowie ohne behördliche Anordnung getöteter Tiere hat möglichst gleichzeitig mit der Feststellung der Krankheit zu erfolgen. Im Fall der Tötung von Tieren auf behördliche Anordnung ist die Schätzung vor der Tötung durchzuführen. Ist dies aus zwingenden Gründen nicht möglich, sind die für eine Wertermittlung wesentlichen Daten vor der Tötung der Tiere schriftlich festzuhalten.
2.2.3 Bei der Schätzung von Rindern, Pferden, Schweinen, Schafen und Ziegen, Geflügel und Bienen sind die durch entsprechende RdErl. des ML vorgegebenen "Richtlinien für die Ermittlung des gemeinen Wertes von ..." in der jeweils zum Zeitpunkt des Schadensereignisses (Tötung, Notschlachtung, Verendung) gültigen Fassung anzuwenden.
2.2.4 Bei der Schätzung von Fischen sind die zum Zeitpunkt des Schadensfalles ortsüblichen Preise, ggf. unter Einschaltung der jeweiligen Fischereiverbände, zu ermitteln und der Wertfeststellung zugrunde zu legen. Soweit allgemeine veröffentlichte Preisnotierungen vorliegen, sind diese zu berücksichtigen.
2.2.5 Erfolgt eine ggf. auch nur teilweise Verwertung getöteter oder notgeschlachteter Tiere, so zahlt die verwertende Stelle den Erlös im Regelfall unmittelbar an die Tierbesitzerin oder den Tierbesitzer aus. Eine Ausfertigung der Verwertungsabrechnung, aus der die im Rahmen der Verwertung entstandenen Erlöse und Kosten ersichtlich sein müssen, ist dem Antrag auf Entschädigung beizufügen.
2.2.6 Über die Schätzung ist eine von den an der Schätzung Beteiligten bestätigte Niederschrift zu fertigen. Diese muss den Schätzungsbetrag jeder und jedes Beteiligten und Angaben über die bei der Schätzung berücksichtigten Marktnotierungen enthalten. Die Niederschrift ist unverzüglich nach der Schätzung der Tiere anzufertigen.
2.2.7 Liegt der tatsächliche gemeine Wert über oder unter dem nach den in Nummer 2.2.3 genannten Schätzrichtlinien ermittelten Wert oder den allgemeinen ortsüblichen Preisen (Nummer 2.2.4), so ist dies in der Niederschrift über die Schätzung anzugeben und ausführlich, z. B. mit entsprechenden Angaben über Abstammung, Leistung und Gewicht der Tiere, zu begründen. Es bleibt der Tierseuchenkasse vorbehalten zu entscheiden, ob die Begründung als stichhaltig angesehen und dieser Wert als gemeiner Wert der Entschädigung zugrunde gelegt werden kann.
2.2.8 Können der Schätzung des gemeinen Wertes keine Marktnotierungen zugrunde gelegt werden, weil der Handel mit Tieren aufgrund von EU-Bestimmungen in der betreffenden Region untersagt worden ist, ist der gemeine Wert der Tiere auf der Basis der Preisnotierungen vor Beginn der Sperre unter angemessener Berücksichtigung der danach eingetretenen Wertsteigerung oder Wertminderung zu errechnen. Bei Durchführung von Marktentlastungsmaßnahmen können in Absprache mit der Tierseuchenkasse auch die dafür festgesetzten Preise verwendet werden.
2.3
Hinzuziehung von Schätzerinnen oder Schätzern und sachverständigen Personen
2.3.1 Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AGTierGesG sind auf Verlangen der Tierbesitzerin oder des Tierbesitzers von der zuständigen Behörde zwei Schätzerinnen oder Schätzer an der Ermittlung des gemeinen Wertes zu beteiligen. Hat die Tierseuchenkasse Bedenken gegen die Schätzung, kann sie gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 AGTierGesG das Gutachten einer sachverständigen Person einholen. Schätzerin oder Schätzer sowie die sachverständige Person werden von der LWK benannt.
2.3.2 Unter Berücksichtigung der vorhandenen Tierzahlen sind die Schätzerinnen und Schätzer von der LWK für die Dauer von drei Jahren zu bestellen. Es wird für das gesamte Gebiet des Landes Niedersachsen eine Anzahl von 32 Schätzerinnen und Schätzern für erforderlich gehalten. Die Standorte der Schätzerinnen und Schätzer sind möglichst über die gesamte Fläche Niedersachsens zu verteilen. Die Schätzerinnen und Schätzer sind mit der Bestellung auf die gewissenhafte Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu verpflichten und dabei auf die Pflicht zur Anwendung bestehender Schätzrichtlinien (Nummer 2.2.3) und die Beachtung der sonstigen Vorschriften für die Schätzung hinzuweisen.
2.3.3 Die Namen und Anschriften der bestellten Schätzerinnen und Schätzer sind der Tierseuchenkasse und dem LAVES, Task-Force Veterinärwesen, mitzuteilen.
2.3.4 Von der Teilnahme an einer Schätzung ist eine Schätzerin oder ein Schätzer ausgeschlossen
bei Schadensfällen innerhalb ihrer oder seiner Wohngemeinde oder
wenn die Schätzung sie oder ihn selbst, ihren oder seinen Ehegatten, ihre oder seine Verwandten bis zum dritten oder Verschwägerten bis zum zweiten Grad, eine der Schätzerin oder dem Schätzer durch Adoption verbundene oder von ihr oder ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretene Person oder ihre oder seine Beschäftigungsgeberin oder ihren oder seinen Beschäftigungsgeber betrifft.
2.3.5 Die zuständige Behörde hat unter Beachtung des § 12 Abs. 3 Satz 3 AGTierGesG auf Verlangen der Tierbesitzerin oder des Tierbesitzers zwei Schätzerinnen oder Schätzer hinzuzuziehen.
2.3.6 Für die den Schätzerinnen oder Schätzern nach § 12 Abs. 3 AGTierGesG zustehende Entschädigung und den Ersatz der Auslagen haben die Schätzerinnen oder Schätzer einen Forderungsnachweis zu erstellen. Dieser ist der Schätzungsniederschrift beizufügen. Die zuständige Behörde hat die sachliche Richtigkeit zu bestätigen.
2.3.7 Die Benennung der sachverständigen Person gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 AGTierGesG erfolgt im Einzelfall je nach Bedarf. Die LWK darf nur Personen benennen, die über mehrjährige berufliche Erfahrung auf dem Gebiet der Tierhaltung und/oder Verwertung von Tieren verfügen. Nummer 2.3.4 zweiter Spiegelstrich gilt sinngemäß.
2.3.8 Für die Erstellung des Gutachtens können die sachverständigen Personen eine Entschädigung nach den Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 17 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2154), berechnen. Nummer 2.3.6 gilt sinngemäß.
2.4
Entschädigungsanträge
2.4.1 Liegt ein Entschädigungsfall vor, so bestätigt die Amtstierärztin oder der Amtstierarzt, dass
a)
die Voraussetzungen für die Gewährung einer Entschädigung gegeben sind (§ 15 TierGesG, § 12 Abs. 1 AGTierGesG) und
b)
keiner der Fälle vorliegt, in denen eine Entschädigung nicht gewährt wird (§ 17 TierGesG) oder ein Entschädigungsanspruch nicht besteht (§ 18 Abs. 1 und 2 TierGesG)
und übersendet den Entschädigungsantrag unmittelbar der Tierseuchenkasse. In den Fällen des § 15 Nr. 1 TierGesG muss der Antrag innerhalb von 30 Tagen nach der Tötung der Tiere der Tierseuchenkasse vorliegen. Bei Feststellung einer Seuche ist von der Amtstierärztin oder dem Amtstierarzt stets zu ermitteln, ob die betreffenden Tiere aus anderen Mitgliedsstaaten verbracht oder aus Drittländern eingeführt worden sind und die Entschädigung deshalb zu versagen ist.
2.4.2 Bei Entschädigungsanträgen für präventiv getötete Tiere ist der Seuchenfall anzugeben, aufgrund dessen die Tötung erfolgt ist.
2.4.3 Dem Entschädigungsantrag sind folgende Unterlagen beizufügen:
Niederschrift über die Zerlegung des betroffenen Tieres,
soweit vorhanden ergänzende Untersuchungsbefunde,
die Tötungsanordnung,
die Rechnung für die Tötung der Tiere,
eine Aufstellung der Kosten der Abholung und Verarbeitung des Verarbeitungsbetriebes
Tierischer Nebenprodukte (VTN-Betrieb),
Niederschrift über die Schätzung des Tieres entsprechend Nummer 2.2.6; ggf. sind die Forderungsnachweise der Schätzerinnen, Schätzer und sachverständigen Personen sowie die Verwertungsabrechnungen der Niederschrift beizufügen,
eine Erklärung der oder des Entschädigungsberechtigten darüber, ob, gegenüber wem und in welcher Höhe ihr oder ihm ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zusteht.
2.4.4 Die fachliche Prüfung der Entschädigungsanträge erfolgt durch die Geschäftsführung der Tierseuchenkasse oder einer oder einem anderen von ihr bestimmten Tierärztin oder Tierarzt der Tierseuchenkasse.
2.4.5 Die Bearbeitung der Entschädigungsfälle und der Entschädigungsanträge hat unverzüglich zu erfolgen. Für die Erstellung des Entschädigungsantrags einschließlich der Niederschrift über die Schätzung sind die von der Tierseuchenkasse zur Verfügung gestellten Formblätter zu verwenden.
2.5
Beihilfen
2.5.1 Über die Zahlung von Beihilfen entscheidet der Vorstand der Tierseuchenkasse gemäß den dazu ergangenen Satzungen.
2.5.2 Anträge auf die Gewährung von Beihilfen sind über das örtlich zuständige Veterinäramt unter Verwendung der von der Tierseuchenkasse zur Verfügung gestellten Formblätter an die Tierseuchenkasse zu richten. Abweichend von Satz 1 sind Beihilfen für Probenahmen und Untersuchungen über den Untersuchungsauftrag aus der Meldedatenbank Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HI-Tier) zu beantragen. Die für die Abrechnung der Beihilfen für die Probenahme und Untersuchung relevanten Daten werden von den beauftragten Untersuchungsinstituten elektronisch erfasst und der Tierseuchenkasse elektronisch zur Verfügung gestellt.
2.5.3 Die Nummern 2.1 bis 2.4 gelten entsprechend.
2.6
Vorbeugende Seuchenbekämpfungsmaßnahmen (zu § 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AGTierGesG)
Werden für die Durchführung vorbeugender Seuchenbekämpfungsmaßnahmen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AGTierGesG Diagnostika, Impfstoffe, Tierkennzeichnungsmedien oder sonstige Materialien (Mittel) benötigt, deren Kosten die Tierseuchenkasse ganz oder teilweise übernimmt, sind diese von der Tierseuchenkasse zentral zu beschaffen. Die Beschaffung der Diagnostika ist mit den beauftragten Untersuchungsinstituten abzustimmen.