Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.04.2024, Az.: 13 WF 26/24

Gebührenansprüche des Rechtsanwalts im Rahmen eines Verfahrens wegen der Beantragung auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.04.2024
Aktenzeichen
13 WF 26/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 13932
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2024:0415.13WF26.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lingen - 21.12.2023 - AZ: 19 F 110/22

Fundstellen

  • FamRB 2024, 275-276
  • FamRZ 2024, 1394
  • JurBüro 2024, 292-293
  • MDR 2024, 875-876
  • NZFam 2024, 811

Amtlicher Leitsatz

Dem jeweils beigeordneten Rechtsanwalt erwachsen bis zur Verbindung von bis dahin selbständig geführten Sorgerechtsverfahren nach § 1671 BGB und § 1666 BGB Gebührenansprüche, auch wenn der Gegenstand des Verfahrens jeweils das Sorgerecht ist.

In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für
AA, geb. am TT.MM.2018, Ort1,
Beteiligte:
1. Landkreis Emsland - Jugendamt -, Am Wall Süd 21, 49808 Lingen (Ems),
Antragsteller,
2. BB, Ort2,
Mutter und Antragsgegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
Beschwerdeführer,
3. CC, Ort1,
Vater und Antragsgegner,
4. DD, Ort3,
Verfahrensbeiständin,
hat der 13. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Richter am Oberlandesgericht (...) als Einzelrichter zu Ziffer 1 und durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...) und die Richter am Oberlandesgericht (...) und (...) zu Ziffer II
am 15. April 2024
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Die Sache wird dem Senat in der nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.

  2. II.

    Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Mutter und Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen/Ems vom 21.12.2023 geändert und der Wert für das Verfahren 19 F 110/22 So auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Kindesmutter stellte am 13.1.2022 einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts gemäß § 1671 BGB, woraufhin das Amtsgericht das Verfahren zur Geschäftsnummer 19 F 26/22 einleitete und das Jugendamt um Stellungnahme bat. Mit Schreiben vom 21.2.2022 berichtete das Jugendamt. Dabei teilte es mit, dass die Mutter am 23.1.2022 und 5.2.2022 einen Rückfall erlitten und Heroin konsumiert habe und dass es unabhängig von seiner Mitwirkung im Verfahren 19 F 26/22 die Einschaltung des Familiengerichts nach § 8a Abs. 2 SGB VIII und die Anberaumung eines Erörterungstermin für erforderlich halte. Das Amtsgericht leitete daraufhin das weitere Verfahren 19 F 110/22 ein. Jeweils am 3.3.2022 bestellte es in beiden Verfahren einen Verfahrensbeistand und bestimmte Termin zur Erörterung und Anhörung mit dem Zusatz zur Ladung in 19 F 110/22, dass das (neue) Verfahren auf Antrag des Jugendamts eingeleitet worden sei. Ebenfalls am 3.3.2022 wurde der Mutter Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren 19 F 26/22 bewilligt. Auf Antrag der Mutter wurde ihr mit Beschluss vom 8.3.2022 auch Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren 19 F 110/22 unter Beiordnung von Rechtsanwalt EE bewilligt. Im Termin am 30.3.2022 wurden die Beteiligten in den beiden Sorgerechtsverfahren sowie einem weiteren einstweiligen Anordnungsverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz angehört. Nach der Anhörung beschloss das Amtsgericht die Verbindung der Sorgerechtsverfahren 19 F 26/22 und 19 F 110/22 unter Führung des erstgenannten und teilte die Absicht mit, ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen. Dieses wurde durch Beweisbeschluss vom 26.4.2022 eingeholt. Mit dem verfahrensabschließenden Beschluss vom 15.9.2023 wurde der Mutter das Sorgerecht zur alleinigen Ausübung übertragen. Weiter wurde festgestellt, dass Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB nicht ergriffen würden. Der Verfahrenswert für das verbundene Verfahren wurde in diesem Beschluss in Höhe von 4.000 € festgesetzt.

Mit Beschluss vom 21.12.2023 wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurück, für das Verfahren 19 F 110/22 einen Gegenstandswert festzusetzen. Für eine Wertfestsetzung sei kein Raum. Für das vormals selbständige Verfahren 19 F 110/22 fielen keine gesonderten Gebühren an. Denn sorgerechtliche Fragestellungen, die ein Kind beträfen, bildeten einen einheitlichen Verfahrensgegenstand. Für das Verhältnis von § 1671 BGB und § 1666 BGB werde dies in § 1671 Abs. 4 BGB verdeutlicht. Dies habe kostenrechtlich zur Folge, dass auch insoweit ein einheitlicher Gegenstand vorliege und die Gebühren nach § 15 Abs. 2 RVG auch nur einmal beansprucht werden könnten. Das gelte auch, wenn beide Verfahren zunächst eigenständig geführt worden seien.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgen die Verfahrensbevollmächtigten der Mutter ihren Antrag auf Festsetzung eines Gegenstandswerts von 4.000 € für das Verfahren 19 F 110/22 weiter. Sie vertreten die Ansicht, dass bis zur Verbindung separate Gebühren in jedem einzelnen Verfahren entstanden seien.

II.

1.

Der Einzelrichter überträgt das Verfahren gem. §§ 59 Abs. 1 S. 5, 57 Abs. 5 S. 2 FamGKG wegen der grundsätzlichen Bedeutung auf den Senat in der nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung.

2.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 59 FamGKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig und begründet.

Für die Zeit bis zur Verbindung der beiden Verfahren sind getrennte Werte festzulegen. Dies gilt auch dann, wenn die Verfahren vor der Verbindung einzelne Teile desselben Verfahrensgegenstands betreffen, weil die Verbindung der Verfahren hinsichtlich der Gebühren keine rückwirkende Kraft hat (OLG Hamm, Beschluss vom 4.9.1023, 2 WF 86/13, FamRZ 2014, 690, 691).

Der Umstand, dass das Amtsgericht zunächst zwei Verfahren geführt hat, ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht kostenrechtlich unbedeutend. Das Amtsgericht hat sich insoweit der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vom 12.2.2014 (15 WF 410/13, NZFam 2014, 470) angeschlossen. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Amtsgericht auf den jeweiligen Antrag bzw. Anregung einer Betreuerin und des Jugendamts jeweils gesonderte Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB eingeleitet und diese später verbunden. Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts habe das Gericht bei Kindeswohlgefährdung über erforderliche Maßnahmen von Amts wegen zu entscheiden, wenn es von einem Sachverhalt erfahre, der Maßnahmen nach § 1666 BGB erforderlich machen könnte. Aus dieser einen Angelegenheit würden nicht dadurch mehrere, dass das Familiengericht auf verschiedenen Wegen von einem Sachverhalt erfahre, der eine Prüfung nach § 1666 BGB erfordere. Wäre das bei Eingang des zweiten Antrags erkannt worden, wäre dieser Schriftsatz unmittelbar zur bereits laufenden ersten Akte genommen worden. Aus der späteren Verbindung der Verfahren lasse sich nicht der Rückschluss ziehen, dass es vorher zwei Verfahren im gebührenrechtlichen Sinn gegeben habe. Ein entsprechender Rückschluss sei auch nicht gerechtfertigt, weil das Familiengericht vor der Verbindung Verfahrenskostenhilfe in beiden Verfahren bewilligt und den Verfahrensbevollmächtigten der Mutter beigeordnet habe. Das Gericht müsse bei seiner richterlichen Entscheidung nicht im Auge haben, wie die beteiligten Rechtsanwälte später abrechneten. Werde unter Außerachtlassung der Abrechnungsvorschriften eine "überflüssige" Entscheidung getroffen, so könne dies einen Gebührentatbestand, der eigentlich nicht gegeben sei, nicht begründen.

Dies lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Hierbei kann offen gelassen bleiben, ob es sich bei dem im Verfahren 19 F 28/22 verfolgten Antrag der Mutter auf Übertragung des Sorgerechts nach § 1671 BGB und dem im Verfahren 19 F 100/22 verfolgten Antrag des Jugendamts auf Prüfung, ggf. Ergreifung sorgerechtlicher Maßnahmen nach § 1666 BGB um einen einheitlichen Verfahrensgegenstand handelt, wovon das Amtsgericht Lingen ausgeht. Selbst wenn dem so wäre, bedeutete das nicht, dass nicht in beiden Verfahren Gebühren entstehen können, wenn das Amtsgericht tatsächlich zwei Verfahren durchführt. Ob das Amtsgericht ein einheitliches Verfahren durchführt, in dem über Anträge nach § 1671 BGB und über die Erforderlichkeit von Maßnahmen nach § 1666 BGB entschieden wird, oder ob es zwei getrennte Verfahren führt und darüber entscheidet, ob und ggf. wann diese verbunden werden, ist im Rahmen einer sinnvollen Verfahrensführung pflichtgemäß durch das Familiengericht zu entscheiden. Die Durchführung eines einheitlichen Verfahrens ist dabei keineswegs zwingend und sinnvoll, etwa wenn Kinder von verschiedenen Vätern (oder Müttern) betroffen sind, deren Gefährdung im Haushalt der Mutter (oder des Vaters) zu prüfen ist, bei denen aber nur für einen Teil von ihnen Anträge des jeweils anderen Elternteils nach § 1671 BGB vorliegen. Das Amtsgericht hat sich bei der Einleitung der beiden selbständigen Verfahren auch nicht versehen. Es hat vielmehr ausdrücklich in beiden Sachen terminiert, einen Verfahrensbeistand bestellt und für das jeweilige Verfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Der Senat teilt die Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts nicht, dass es auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht ankommt. Der Anspruch des beigeordneten Anwalts bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter ist ihr ausdrücklich für das Verfahren 19 F 110/22 beigeordnet worden. Für die Wirksamkeit der Beiordnung ist es unerheblich, ob das Gericht sie überhaupt oder in diesem Rahmen anordnen durfte (Hartmann in Hartmann, Kostengesetze online, 4. Lieferung, § 48 RVG Rn. 13). Maßgeblich bleibt insoweit die Bewilligung. Wäre der Mutter in dem zweiten Verfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ein anderer Anwalt beigeordnet worden, wäre dessen Beiordnung nicht deshalb entfallen oder unwirksam, weil bereits im ersten Verfahren Rechtsanwalt EE beigeordnet worden war. Nichts anderes kann gelten, wenn ein und derselbe Anwalt in den beiden selbständig geführten Verfahren beigeordnet wird.

Da somit bis zur Verbindung Gebührenansprüche auch im Verfahren 19 F 110/22 in Betracht kommen, war ein Verfahrenswert festzusetzen. Insoweit ist der Regelwert gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG angemessen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 59 Abs. 3 FamGKG.