Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 14.09.1987, Az.: Ss 403/87

Freispruch vom Vorwurf einer Sachbeschädigung wegen des Fällens von vier Eichen; Verletzung des Bestandsschutzes von Eichen wegen des Charakters eines Naturdenkmales; Voraussetzung für die Beurteilung der Eiche als Gegenstand des öffentlichen Nutzens

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.09.1987
Aktenzeichen
Ss 403/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 21583
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1987:0914.SS403.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 31.03.1987 - AZ: 113 Js 49012/85

Fundstellen

  • MDR 1988, 337-338 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1988, 924 (Volltext mit amtl. LS)

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der I. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 31. März 1987
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
in der Sitzung vom 14. September 1987,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht xxx als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht xxx und
Richter an Oberlandesgericht xxx als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt xxx als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt xxx als Verteidiger,
Justizangestellte xxx als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision wird verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren zu tragen.

Gründe

1

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, sich durch das Fällen von vier Eichen der gemeinschädlichen Sachbeschädigung schuldig gemacht zu haben. Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht verworfen. Hiergegen wendet die Staatsanwaltschaft sich mit der Revision; sie rügt die Verletzung des sachlichen Rechts.

2

Die Revision konnte keinen Erfolg haben. Rechtlich zutreffend hat das Landgericht das Fällen der Eichen nicht als gemeinschädliche Sachbeschädigung nach § 304 StGB angesehen. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft angeführten Gesichtspunkte vermögen nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen.

3

Ohne Bedeutung für die Frage, ob die Eichen zu den durch § 304 StGB geschützten Gegenständen gehören, ist die Tatsache, daß sie in dem landespflegerischen Begleitplan, der im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens aufgestellt worden war, aufgeführt worden sind. Richtig ist zwar, daß ein solcher Plan, wie die Staatsanwaltschaft ausgeführt hat, "Außenwirkung" entfaltet. Denn dieser Begleitplan ist rechtlich nicht selbständig, sondern bildet mit dem Wege- und Gewässerplan des Flurbereinigungsverfahrens eine Einheit; diesem wiederum kommt als Ergebnis eines Planfeststellungsverfahrens eine rechtsgestaltende Wirkung, also auch eine Außenwirkung auf Dritte, zu. Dies wirkt sich jedoch nicht auf die rechtliche Bewertung vorhandener Bäume wie der hier gefällten Eichen aus. Die Planfeststellung wirkt vielmehr nur dahin, daß die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich aller notwendigen Folgemaßnahmen rechtswirksam festgestellt wird und daß alle anderen behördlichen Entscheidungen, namentlich öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, durch den rechtskräftigen Plan ersetzt werden (§ 41 Abs. 5 des Flurbereinigungsgesetzes). Daß der Plan irgendeine öffentlich-rechtliche Regelung hinsichtlich der vier Eichen enthalten hätte, ergeben die Feststellungen nicht; auch fehlt jeder Anhalt dafür, daß eine solche Regelung beabsichtigt worden oder erforderlich gewesen wäre. Die bloße Erwähnung der Eichen im landschaftspflegerischen Begleitplan ist, solange nicht ausdrücklich Maßnahmen irgendwelcher Art vorgesehen werden, ohne Bedeutung; namentlich bewirkt sie keinen Bestandsschutz etwa in dem Sinne, daß die Eichen den Charakter eines Naturdenkmals oder eine ähnliche Einstufung erlangen konnten. Denn in diesem Begleitplan sind der vorhandene Zustand von Natur und Landschaft und die Bewertung des Landschaftspotentials aufzunehmen und darzustellen; darüber hinaus sind die zur Erhaltung und Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts sowie die zur Behebung von Eingriffen in Form von Ausgleich oder Ersatz nötigen Maßnahmen darzustellen (Deixler, N + R 1980, 64); bezüglich der Eichen sind aber erkennbar keine Maßnahmen vorgesehen worden, so daß es bei der bloßen Aufnahme als vorhanden blieb, aus der sich keine rechtlichen Folgen ergeben.

4

Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft können die Eichen auch nicht als Sachen angesehen werden, die im Sinn von § 304 Abs. 1 StGB zum öffentlichen Nutzen dienen. Daß Bäume allgemein durch ihre ökologischen Funktionen und ihren landschaftsprägenden Charakter dem öffentlichen Nutzen dienen und daß dies bei alten Eichen im besonderen Maß der Fall ist, reicht dazu nicht aus.

5

Diesen Wirkungen, die von den Bäumen infolge ihres bloßen Vorhandenseins ausgehen, kommt zwar, wie zunehmend erkannt wird, eine erhebliche Bedeutung zu. Es fehlt indessen an der unmittelbaren Möglichkeit für den einzelnen oder auch für die Gesamtheit der Bewohner, sich die Auswirkungen gerade einzelner Bäume nutzbar zu machen. Die Möglichkeit eines solchen unmittelbaren Nutzens ist aber Voraussetzung für die Beurteilung einer Sache als Gegenstand des öffentlichen Nutzens im Sinn von § 304 StGB (siehe Wolff in LK, 10. Aufl., Rdn. 9; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 22. Aufl., Rdn. 5; Dreher/Tröndle, StGB, 43. Aufl. Rdn. 11, jeweils zu § 304 StGB). Demgemäß sind in der älteren Rechtsprechung Bäume nur dann als Schutzgut des § 304 StGB angesehen worden, wenn sie als Straßenbäume oder als Bestandteil öffentlicher Anlagen über die (damals noch unbeachtet gebliebene) ökologische Funktion hinaus konkreten anderen Zwecken dienten wie etwa als Wegzeichen bei Schneeverwehungen, zum Schutz des Wegeareals oder zur Zierde einer öffentlichen Anlage (RG Rspr 1, 134 und 10, 595; RGSt 5, 318, 320). Dieser Rechtsgedanke liegt auch der Handhabung durch die Verwaltungsbehörden zugrunde, die von der Möglichkeit Gebrauch machen können, einerseits, einzelne, besonders wertvoll erscheinende Bäume als Naturdenkmal (§ 27 Nds. NatSchG) auszuweisen und sie dadurch unter den Schutz einer Bußgelddrohung zu stellen und andererseits (im städtischen Bereich) den vorhandenen Baumbestand durch eine Baumschutzsatzung und im Zusammenhang damit wiederum durch eine Bußgeldandrohung sichern; beides wäre sinnwidrig, wenn Bäume grundsätzlich als Gegenstand des öffentlichen Nutzens unter dem Schutz der Strafandrohung in § 304 StGB stünden.

6

Rechtlich zutreffend hat das Landgericht schließlich die etwa begangenen Ordnungswidrigkeiten des Angeklagten als verjährt angesehen.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StPO.