Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.05.1986, Az.: 19 OVG L 7/84

Mitbestimmungsrechte des Personalrates bei der Feststellung der Vorverlegung des morgendlichen Unterrichtsbeginns an Schulen; Bestimmung der "Organisation des Unterrichts"

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.05.1986
Aktenzeichen
19 OVG L 7/84
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 20024
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1986:0514.19OVG.L7.84.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig-Holstein - 05.04.1984 - AZ: PL 1/84

Verfahrensgegenstand

Mitbestimmung des Personalrates bei der Festlegung des Beginns des täglichen Unterrichts an einer Schule

In der Personalvertretungssache
hat der 19. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Schleswig-Holstein - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hamann und Ladwig sowie
die ehrenamtlichen Richter Kraut und Lange
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 5. April 1984 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

I.

Im Herbst 1982 stellte der Schulelternbeirat der Holstenschule in N. bei der Schulkonferenz der Beklagten - eines neusprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiums - in N. den Antrag, den täglichen Unterrichtsbeginn von 8.00 Uhr auf 7.50 Uhr vorzuverlegen, und machte geltend, bei der bisherigen Regelung sei der weitaus größte Teil der rund 340 Fahrschüler, die bereits um 7.30 Uhr in der Schule einträfen, verhältnismäßig lange Zeit vor Unterrichtsbeginn ohne Aufsicht. In einer Sitzung vom 15. November 1982 lehnte die Schulkonferenz den Antrag, der auch vom Schulleiter der Beklagten unterstützt wurde, mit Mehrheit ab. Mit Schreiben vom 9. April 1983 beantragte der Schulelternbeirat der Holstenschule beim Kultusminister des Landes ... in dieser Angelegenheit eine Entscheidung zu treffen. Der Schulleiter der Beklagten befürwortete den Antrag in einer Stellungnahme vom 10. Juni 1983, in der er auch darauf hinwies, daß bei der bisherigen Regelung über den Unterrichtsbeginn zahlreiche auswärtige Schüler vorzeitig aus der 6. Unterrichtsstunde entlassen werden müßten, wenn man ihnen nicht zumuten wolle, etwa zwei Stunden auf den nächsten Zug zu warten. In einer Äußerung vom 21. Juli 1983 unterstützte der Kreiselternbeirat der Gymnasien in Neumünster ebenfalls den Antrag. Mit Erlaß vom 11. August 1983 legte der Kultusminister unter Hinweis auf § 89 Abs. 4 Satz 2 und 3 SchulG den Beginn des täglichen Unterrichts an der Beklagten auf 7.50 Uhr fest und empfahl der Beklagten, die Maßnahme nach den Herbstferien 1983 in Kraft zu setzen. Mit einer Dienstanweisung vom 15. Dezember 1983 (Mitteilungsbuch Nr. 226) bestimmte der Schulleiter der Beklagten, daß die Vorverlegung der Unterrichtszeit um 10 Minuten am 9. Januar 1984 in Kraft treten werde. Dem widersprach der Kläger und machte geltend, die Dienstanweisung unterliege seiner Mitbestimmung nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 PersVG; sie sei nicht rechtswirksam, weil er ihr nicht zugestimmt habe. Mit Schreiben vom 9. Januar 1984 beschied der Kultusminister den Kläger dahin, daß ein Mitbestimmungsrecht des Personalrates nicht gegeben sei, weil es sich bei der Vorverlegung des Unterrichtsbeginns nicht um eine Arbeitszeitregelung im Sinne des § 71 Abs. 3 Nr. 1 PersVG handele; die durch den Stundenplan festgelegte Unterrichtstätigkeit umfasse nämlich nur einen Teil der Arbeitszeit des Lehrers, dem es weitgehend selbst überlassen bleibe, wann er seine restliche Arbeitsverpflichtung erfülle.

2

Der Kläger hat am 5. Januar 1984 Klage erhoben und vorgetragen: Die Dienstanweisung der Beklagten vom 15. Dezember 1983 regele den Beginn der täglichen Arbeitszeit. Deshalb sei ein Mitbestimmungsrecht nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 PersVG gegeben.

3

Er hat sinngemäß beantragt

festzustellen, daß die vom Schulleiter der Beklagten erlassene Dienstanweisung vom 15. Dezember 1983 seiner Mitbestimmung unterliege.

4

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 5. April 1984 abgewiesen und unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichtsvom 7. März 1983 - BVerwG 6 P 27.80 - ausgeführt, daß die mit der Dienstanweisung vom 15. Dezember 1983 angeordnete Vorverlegung des Unterrichtsbeginns trotz ihrer Auswirkungen auf die zeitlich gebundene Arbeitskraft der Lehrer nicht als Arbeitszeitregelung im Sinne des § 71 Abs. 3 Nr. 1 PersVG anzusehen sei.

6

Gegen den ihm am 12. April 1984 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. Mai 1984 Berufung eingelegt. Er hält daran fest, daß die Vorverlegung des Beginns der Unterrichtszeit eine den Beginn der täglichen Arbeitszeit der Lehrer betreffende Regelung im Sinne des § 71 Abs. 3 Nr. 1 PersVG darstelle und sich der vom Bundesverwaltungsgericht im Beschluß vom 7. März 1983 entschiedene Fall, in dem es um die Frage der Mitbestimmung bei der versuchsweisen Einführung eines unterrichtsfreien Samstages gegangen sei, mit dem vorliegenden nicht vergleichen lasse.

7

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

8

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Dem Senat haben die zum Erlaß des Kultusministers des Landes Schleswig-Holstein vom 11. August 1983 und zur Dienstanweisung der Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

10

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Klage ist abzuweisen. Dem Kläger steht das von ihm beanspruchte Mitbestimmungsrecht nicht zu.

11

Hierbei kann offenbleiben, ob die vom Kläger beanstandete Regelung eine Maßnahme der Beklagten ist. Der Kläger wendet sich gegen die Vorverlegung des täglichen Unterrichtsbeginns um 10 Minuten. Den Beginn des täglichen Unterrichts aber hat der Kultusminister des Landes ... durch einen Erlaß vom 11. August 1983 auf 7.50 Uhr festgelegt, während der Beklagten lediglich verblieben ist, darüber zu bestimmen, wann diese Verwaltungsvorschrift in Kraft tritt. Im Hinblick darauf, daß der Erlaß des Kultusministers den Kern der Regelung enthält, könnte ein Beteiligungsrecht des Hauptpersonalrates der Lehrer (L) beim Kultusminister (§ 83 Abs. 1 PersVG) in Betracht kommen. Die damit aufzuwerfende Frage, ob der Kläger für das geltend gemachte Feststellungsbegehren aktiv legitimiert ist, kann jedoch auf sich beruhen. Denn in jedem Falle sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines gesetzlichen Mitbestimmungsrechtes nicht erfüllt.

12

Nach § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Personal Vertretungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein - PersVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1982 (GVOBl Schl.-H., S. 41) hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ggf. durch Abschluß von Dienstvereinbarungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen mitzubestimmen. Gegenstand des Mitbestimmungsrechtes nach dieser dem § 67 Abs. 1 a) PersVG (des Bundes) vom 5. August 1955 (BGBl I S. 477) nachgebildeten Regelung ist die Verteilung der von den Beschäftigten abzuleistenden Arbeitszeit auf die Arbeitstage und die Festlegung ihrer zeitlichen Lage am einzelnen Arbeitstag (so für § 67 Abs. 1 a) PersVG (des Bundes): BVerwGE 37, 173 (174 f.) [BVerwG 05.02.1971 - VII P 16/70]; ebenso für die grds. inhaltsgleiche Nachfolgeregelung des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG: BVerwG, Beschl. v. 20.7.1984 - BVerwG 6 P 16.83 -, Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 30). Der ministerielle Erlaß vom 11. August 1983 setzt indessen nicht Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Lehrer an der Beklagten fest. Er trifft in dieser Hinsicht keine unmittelbare Regelung. Ob ein Lehrer in der ersten oder in einer der folgenden, ebenfalls um 10 Minuten vorverlegten Unterrichtsstunden in einer bestimmten Klasse in einem bestimmten Fach Unterricht zu erteilen hat, richtet sich unter Berücksichtigung der Pflichtstundenzahl des Lehrers nach anderen im Rahmen der Schulgestaltung ergehenden Anordnungen. Hiervon abgesehen steht der Annahme eines Mitbestimmungsrechts nach § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PersVG entgegen, daß mit der Vorverlegung des täglichen Unterrichtsbeginns nur ein Teil der Arbeitszeit des Lehrers erfaßt wird. Neben seiner Unterrichtstätigkeit hat der Lehrer einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeitszeit für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie für die Teilnahme an von vornherein nicht festgelegten Schulveranstaltungen wie Konferenzen, Prüfungen, Elternsprechtage und dergleichen aufzuwenden. Aus diesem Grunde ist ein Mitbestimmungsrecht des Personalrates bei der Aufstellung eines Lehrerstundenplanes sowie an einem Erlaßentwurf über die versuchsweise Einführung eines unterrichtsfreien Samstages verneint worden (zum ersteren vgl.: BVerwG, Beschl. v. 23.12.1982 - BVerwG 6 P 36.79 -, Buchholz 238.31 § 79 BaWüPersVG Nr. 2, zum letzteren: BVerwG, Beschl. v. 7.3.1983 - BVerwG 6 P 27.80 -, Buchholz 238.89 § 78 Saarl. PersVG Nr. 1).

13

Darüber hinaus unterliegt die Verwaltungsvorschrift vom 11. August 1983 über die Vorverlegung des täglichen Unterrichtsbeginns unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt nicht der Mitbestimmung des Personalrates. Wäre eine solche Beteiligung der Personalvertretung anzuerkennen, so würde dies dazu führen, daß die Mitbestimmung den ihr zugewiesenen innerdienstlichen Bereich überschritte und auf die der Schule und der Schulaufsicht nach dem Gesetz zukommenden Aufgaben einwirken würde. Die Festlegung des Beginns der täglichen ersten Unterrichtsstunde sowie die Bestimmung der zeitlichen Lage der nachfolgenden Unterrichtsstunden gehört zur Organisation des Unterrichts (§ 109 Abs. 3 Nr. 1 des schleswig-holsteinischen Schulgesetzes - SchulG - vom 2.8.1978, GVOBl Schl.-H. S. 255, insoweit unverändert geblieben) und damit zur Schulgestaltung (§ 109 Abs. 2 SchulG). Entsprechende Maßnahmen sind von der betreffenden Schule (nach Maßgabe des § 89 Abs. 4 SchulG) oder von der Schulaufsicht (§ 109 Abs. 1 bis 3, § 110 Abs. 1 und 4 SchulG) zu ergreifen. Im vorliegenden Fall hat der Kultusminister unter Hinweis auf § 89 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 SchulG eine Entscheidung über die Festlegung der täglichen Unterrichtszeit an der Beklagten getroffen, nachdem die Schulkonferenz der Beklagten und der Schulelternbeirat der Holstenschule sich nicht hatten einigen können. Diese Entscheidung fällt in den Bereich des Unterrichtsauftrages, der von der Schule - ggf. unter Mitwirkung der Schulaufsicht - nach außen gegenüber den Schülern bzw. deren Eltern zu erfüllen ist. Eine solche schulorganisatorische Maßnahme ist der Mitbestimmung des Personalrates jedenfalls dann nicht zugänglich, wenn diese zu einer erheblichen Einflußnahme auf die gesetzlichen Aufgaben der Beklagten führen würde. Eine dahingehende Einschränkung des Beteiligungsrechtes des Personalrates folgt aus der für die Länder geltenden Rahmenvorschrift des § 104 Satz 3 BPersVG, nach der Entscheidungen in organisatorischen Angelegenheiten nicht den der Volksvertretung verantwortlichen Stellen entzogen werden dürfen (so für die vergleichbaren Fälle eines Lehrerstundenplanes: BVerwG, Beschl. v. 23.12.1982, a.a.O.; der Einführung eines unterrichtsfreien Samstages: BVerwG, Beschl. v. 7.3.1983, a.a.O.).

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Hiernach war die Berufung zurückzuweisen.

15

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.

16

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.

Dr. Dembowski
Dr. Hamann
Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben. Dr. Dembowski