Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 02.02.1999, Az.: 4 U 14/96

Anspruch auf Restwerklohnforderung aus einem Bauvertrag; Vorliegen eines aufrechenbaren Anspruchs auf Zahlung einer Vertragsstrafe gegenüber einer Restwerklohnforderung; Gesetzesfremder Gehalt einer Vertragsstrafenklausel; Fehlende Begrenzung der Strafhöhe und Verschuldensunabhängigkeit einer Vertragsstrafe

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
02.02.1999
Aktenzeichen
4 U 14/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 19631
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1999:0202.4U14.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 10.01.1996 - AZ: 2 O 163/95

In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 1999
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 10.01.1996 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20.02.1996 (Gesch.-Nr.: 2 O 163/95) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszuges und des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 230.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt 140.773,40 DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat gegen den Beklagten eine Restwerklohnforderung von 140.773,40 DM aus einem am 28.09.1994 von den Parteien unterzeichneten Bauvertrag über die Erbringung von Rohbauarbeiten im Zuge des Neu- und Umbaus des Altenpflegeheimes ... in ...

2

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz lediglich noch darum, ob dem Beklagten, der bei Vertragsabschluß dem Kläger einen vorformulierten für sämtliche am Bauvorhaben beteiligten Bauunternehmen verwendeten Bauvertrag vorgelegt hat, aus dem darin enthaltenen Vertragsstrafenversprechen eine aufrechenbare Gegenforderung in Höhe eines Betrages zusteht, der über der Werklohnforderung liegt, insbesondere, ob die vorformulierte unverändert gebliebene Vertragsstrafenklausel gleichwohl zwischen den Parteien individuell ausgehandelt worden ist.

3

In bezug auf die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Senats vom 03. Dezember 1996 Bezug genommen.

4

Der Senat hat mit diesem Urteil die Berufung des Beklagten ohne Beweisaufnahme als unbegründet zurückgewiesen, weil der Beklagte nicht hinreichend dargetan habe, daß der Beklagte die Vertragsstrafenklausel insgesamt ernsthaft zur Disposition gestellt hat.

5

Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16.07.1998 (Gesch.-Nr. VIII ZR 9/97) das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

6

Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, daß die Vertragsstrafe auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden könne und als solche nicht individuell ausgehandelt zu werden brauche. Eine Vertragsstrafenklausel mit gesetzesfremdem Gehalt sei allerdings nur wirksam, wenn dieser individuell im Sinne der Senatsrechtsprechung ausgehandelt worden sei; das Aushandeln der gesetzesfremden Einzelheiten sei entscheidend und zugleich auch ausreichend. Das habe das Oberlandesgericht in seinem angefochtenen Urteil vom 03.12.1996 jedoch zu Unrecht offengelassen. Sofern sich bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung ergäbe, daß die gesetzesfremden Einzelbestimmungen der Vertragsstrafenklausel nicht ausgehandelt worden seien, sei die Klausel unwirksam.

7

Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Vera Preiss und Jürgen Unger. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12.01.1999 (Bl. 143 bis 146 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

9

Der Beklagte hat gegenüber der Werklohnforderung der Klägerin keinen aufrechenbaren Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe.

10

Der Beklagte hat nicht bewiesen, daß der gesetzesfremde Gehalt der Vertragsstrafenklausel, hier die fehlende angemessene Begrenzung der Strafhöhe und die Regelung der Verschuldensunabhängigkeit zwischen den Parteien individuell ausgehandelt worden ist, also insoweit keine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 1 Abs. 2 AGBG vorliegt. Sofern nämlich Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt sind, also eine Individualvereinbarung vorliegt, ist das AGBG nicht anwendbar.

11

Der Zeuge ... hat ausgesagt, daß er bei der. Verhandlung der Parteien, bei der über einzelne Passagen des damals vom Beklagten vorgelegten Vertragsentwurfes gesprochen worden sei, nicht mehr anwesend gewesen sei.

12

Auch der Aussage der Zeugin ... kann nichts dafür entnommen werden, daß die gesetzesfremden Einzelheiten der Vertragsstrafenklausel ausgehandelt worden sind.

13

Sie hat bekundet, daß über das von der Klägerin zu erbringende Gewerk bei Ihnen zu Hause ein Gespräch stattgefunden habe, bei dem ihr Mann dem Geschäftsführer der Klägerin den Vertragsentwurf, den sie von einem Rechtsanwalt über die verschiedenen Gewerke hätten erstellen lassen und für alle Gewerke als Gerippe genommen hätten, vorgelegt habe. Der Herrn ... bis dahin nicht bekannte Vertragsentwurf sei dann im einzelnen durchgegangen worden und Herr ... habe dann zur Frage der Vertragsstrafe gesagt, das sei für ihn kein Thema. Ihr Mahn habe bei diesem Gespräch Herrn ... gesagt, daß wegen der Nachfolgegewerke und auch wegen der Bank der Terminplan eingehalten werden müßte und auch die Vertragsstrafenklausel notwendig sei. Am Schluß des Gesprächs habe ihr Mann noch zu Herrn L. gesagt: "Herr ... denken Sie an die Vertragsstrafe". Daraufhin habe Herr ... erklärt, daß das für ihn kein Thema sei. Wenn sie gefragt werde, was denn im einzelnen zu der Vertragsstrafenbestimmung, so wie sie schriftlich im Vertrag niedergelegt sei, zwischen ihrem Mann und Herrn ... besprochen worden sei, so könne sie dazu nur schwer aus dem Gedächtnis etwas sagen. Zu einer Verhandlung über die Höhe der Vertragsstrafe oder zu einer zeitlichen Begrenzung sei es aber gar nicht mehr gekommen, da Herr L. gesagt habe, daß die Vertragsstrafe für ihn sowieso nicht in Betracht käme und kein Problem wäre.

14

Nach dieser Aussage ist es zwischen den Parteien nicht zu einer Verhandlung über den Inhalt der Vertragsstrafenklausel gekommen, weil der Geschäftsführer der Klägerin von Anfang an erklärt hatte, daß die Vertragsstrafe für ihn kein Problem sei. Für eine Individualvereinbarung reicht es jedoch nicht aus, daß der andere Teil auf die Bedeutung der vorformulierten Klausel hingewiesen oder darüber belehrt worden ist. Der Verwender muß vielmehr zu Verhandlungen über den Vertragsinhalt bereit sein und seine Verhandlungsbereitschaft dem anderen gegenüber ernsthaft und unzweideutig erklären, also den gesetzesfremden Kerngehalt seiner Klauseln inhaltlich ernsthaft zu Disposition stellen und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen. Nach der Erklärung einer solchen eindeutigen Verhandlungsbereitschaft muß es weiter zu einem wirklichen Aushandeln gekommen sein (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 1 AGBG Nrn. 16 bis 19 m. zahlr. w. N. aus der Rechtsprechung).

15

All dies kann den Bekundungen der Zeugin Vera P. nicht entnommen werden. Im Gegenteil kann den wiedergegebenen Erklärungen des Beklagten, daß und warum die Vertragsstrafe notwendig sei, eher entnommen werden, daß für den Geschäftsführer der Klägerin der Eindruck entstehen mußte, der Beklagte sei gerade nicht bereit, über die Begrenzung der Strafhöhe und die Verschuldensunabhängigkeit der Vertragsstrafe zu sprechen. Gerade im Hinblick auf diese allgemeinen Erklärungen hätte der Beklagte ausdrücklich und eindeutig seine Verhandlungsbereitschaft zu dem gesetzesfremden Gehalt der Vertragsstrafenklausel erklären müssen. Zum einem Gespräch darüber ist es nach den Bekundungen der Zeugin ... jedoch nicht einmal ansatzweise gekommen. Wenn der Verwender einer Vertragsklausel, deren Text unverändert geblieben ist, sich darauf beruft, daß die gesetzesfremden Einzelheiten derselben ausgehandelt worden seien, so trifft ihn insoweit die Beweislast, wobei wegen des Schutzzweckes der AGB-Gesetzes an diesen Beweis strenge Anforderungen zu stellen sind (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 1 AGBG, Rdnr. 20 m.w.N.). Dabei kann im vorliegenden Falle dahinstehen, aus welchen Gründen es zu keiner. Verhandlung über den Inhalt der Vertragsstrafenklausel gekommen ist, sei es, weil der Beklagte die Vertragsstrafe an sich als notwendig und unabdingbar hingestellt hat, sei es, weil der Geschäftsführer der Klägerin dieser Klausel wenig Bedeutung beigemessen hat; weil er davon ausging, die Bauzeit auf jeden Fall einzuhalten.

16

Da der Beklagte somit nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht hat, daß es sich bei dem gesetzesfremden Gehalt der Vertragsstrafenklausel um eine Individualvereinbarung gehandelt hat, findet das AGB-Gesetz auf diese Klausel Anwendung. Wegen seines gesetzesfremden Gehaltes ist dann die gesamte Vertragsstrafenklausel gemäß § 9 ABGB unwirksam. Zur Begründung wird auf die Ausführungen auf Seite 7 im vorletzten Absatz des Urteils des Senats vom 03.12.1996 Bezug genommen. Darüber hinaus hält die Vertragsstrafenklausel auch deshalb der Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG nicht stand, weil entgegen der gesetzlichen Regelung in §§ 339 ff. BGB eine vom Verschulden unabhängige Haftung der Klägerin für Bauverzögerungen festgelegt worden ist. Insoweit wird weiter auch auf den letzten Satz in den Entscheidungsgründen des Revisionsurteils vom 16.07.1998 verwiesen.

17

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 284 Abs. 1, 288 BGB begründet. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf Seite 7 des Urteils Bezug genommen werden.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Da das Rechtsmittel des Beklagten erfolglos geblieben ist, hat er auch die Kosten der Revisionsinstanz zu tragen.

19

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

20

Der Wert der Beschwer war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Streitwertbeschluss:

Der Wert der Beschwer beträgt 140.773,40 DM.