Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 23.08.2010, Az.: 13 UF 46/10
Rechtsfolgen einer Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist von § 137 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG); Anforderungen an eine einschränkende Auslegung des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 23.08.2010
- Aktenzeichen
- 13 UF 46/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 22595
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:0823.13UF46.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Nordhorn - 07.05.2010 - AZ: 11 F 79/10 S
- nachfolgend
- BGH - 21.03.2012 - AZ: XII ZB 447/10
Rechtsgrundlagen
- § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG
- § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG
- § 217 ZPO
Fundstellen
- FF 2011, 44
- FPR 2011, 53-55
- FamFR 2010, 444
- FamRZ 2010, 2015-2017
- NJW-Spezial 2010, 677
Redaktioneller Leitsatz
»§ 137 Abs. 2 S. 1 FamFG ist wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens einschränkend auszulegen. Die Einbeziehung von Folgesachen in den Verbund scheitert nur dann an der Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist, wenn die Ladung zum Termin mehr als vier Wochen vor dem Termin erfolgt ist. Die Einhaltung der Mindestladungsfrist von einer Woche gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 217 ZPO ist nicht ausreichend.«
Tenor:
1. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordhorn vom 07.05.2010 in der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 25.05.2010 wird mit dem dazugehörigen Verfahren aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Scheidung seiner Ehe, weil das Familiengericht die von ihm eingereichten Anträge zum nachehelichen Unterhalt und zum Zugewinnausgleich unter Hinweis auf die Frist des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht als Verbundsachen behandelt hat.
Der 1950 geborene Antragsgegner und die 1957 geborene Antragsstellerin schlossen 1985 die Ehe. Die Ehefrau beantragte am 19.01.2010 die Scheidung der Ehe. Auch der Antragsgegner beantragte mit der Erwiderung, die am 28.01.2010 bei Gericht einging, die Scheidung. Er bezieht Arbeitslosengeld. Seine Ehefrau betreibt als selbständige Apothekerin zwei Apotheken.
Das Familiengericht holte zunächst Auskünfte der Versorgungsträger ein. Nach Eingang der letzten Auskunft am 21.04.2010 beraumte es mit Verfügung vom 22.04.2010 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 04.05.2010 an. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ging die Ladung am 26.04.2010 zu.
Am 28.04.2010 gingen Anträge des Antragsgegners zum nachehelichen Unterhalt und zum Zugewinn bei Gericht ein. Hinsichtlich des Zugewinns begehrte er zunächst Auskunft. Ein Leistungsantrag im Wege der Stufenklage ging erst am 20.05.2010 bei Gericht ein.
In der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2010 wurden die Beteiligten zu den Scheidungsvoraussetzungen und zum Versorgungsausgleich angehört.
Durch den angefochtenen Beschluss, der am 07.05.2010 zur Geschäftsstelle gelangte, hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Die "weiteren Folgesachen" nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich seien wegen Versäumung der Frist des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG nicht in den Verbund gelangt und als selbstständige Verfahren zu führen. Der Antragsgegner hätte sofort bei Bedarf entsprechende Folgesacheanträge anhängig machen müssen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der unter Aufhebung des Scheidungsausspruchs eine Wiederherstellung des Verbundes bezüglich des nachehelichen Unterhalts und des Zugewinns erstrebt. Er meint, angesichts der lediglich einwöchigen Ladungsfrist habe er die Frist des § 137 Abs. 2 FamFG nicht einhalten können. Die Ladungsfrist müsse so bemessen sein, dass die Einhaltung der Zweiwochenfrist möglich sei.
Er beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerin hat keinen Antrag gestellt.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Obwohl die Antragsstellerin und Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, ist durch einseitig kontradiktorischen Beschluss zu entscheiden. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken der §§ 130 Abs. 2, § 113 Abs. 4 Nr. 5 FamFG. Der Ausschluss der Geständniswirkung gemäß § 113 Abs. 4 Nr. 5 FamFG überlagert insoweit die in § 117 Abs. 2 FamFG enthaltene Verweisung auf § 539 ZPO. Zwar verweist § 117 Abs. 2 FamFG insgesamt auf § 539 ZPO, ohne § 539 Abs. 2 ZPO auszunehmen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die insoweit zum alten Recht überwiegend vertretene Meinung zur Säumnis im Rechtsmittelverfahren ändern wollte (so Bassenge/Roth/Walter, FamFG/RpflG, 12. Aufl. 2009, § 130 FamFG Rz. 7, der von einem Redaktionsversehen ausgeht. zum alten Recht s. Zöller/Philippi, 27. Aufl. 2009, § 612 Rz. 9 m.w.N.).
2. Der angefochtene Beschluss und das Verfahren ist gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Nordhorn zurückzuverweisen. Denn das Familiengericht hat in der Sache ein unzulässiges Teilurteil erlassen, weil es die Anträge zum Zugewinn und nachehelichen Unterhalt zu Unrecht nicht als Verbundsachen angesehen und die gebotene Entscheidung über die Folgesachen aus diesem Grunde unterlassen hat. Ein entsprechender Antrag ist gestellt, gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i.V.m. § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO aber ohnehin entbehrlich.
3. Das Vorgehen des Familiengerichts war verfahrensfehlerhaft. § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG ist wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens einschränkend auszulegen. Die Einbeziehung von Folgesachen in den Verbund scheitert wegen Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist dann nicht, wenn - wie hier - die Ladung weniger als vier Wochen vor dem Termin erfolgt ist:
a) Bei einer eng am Wortlaut orientierten Auslegung sind die Verfahrensvorschriften eingehalten worden. Die Ladungsfrist gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 217 ZPO beträgt mindestens eine Woche und ist hier gewahrt. Gleichzeitig bestimmt § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG, dass die dort aufgeführten Anträge als Folgesachen im Verbund zu behandeln sind, die spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache von einem Ehegatten anhängig gemacht werden. Versteht man § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG mit dem Familiengericht dahingehend, dass die dort genannte Frist selbst dann eingreift, wenn die Ladung weniger als zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, wären hier die gestellten Anträge nicht zur Folgesache geworden mit der Konsequenz, dass die Ehe geschieden werden konnte. Umstritten ist dann im Einzelnen, wie der verspätete Antrag verfahrensrechtlich zu behandeln ist (für Abweisung als unzulässig: Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 137 Rz. 32. Musielak Borth, FamFG, § 137 Rz. 28. für Behandlung als selbstständiges Verfahren ohne Abtrennung: Bassenge/Roth/Walter aaO., § 137 FamFG Rz. 10. Keidel/Weber, FamFG, § 137 Rz. 20. für Abtrennung analog § 145 ZPO und Aussetzung Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 137 Rz. 20 a.E.. unklar Münchener Kommentar/Heiter, § 137 FamFG Rz. 45: keine Folgesache, ggfs. nach § 145 ZPO abtrennen).
b) Die zweiwöchige Frist des § 137 Abs. 1 S. 2 FamFG ist erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag des Bundesrates eingefügt worden. In der Begründung heißt es dazu:
´Scheidungsfolgesachen sollen künftig nicht mehr auch noch in der mündlichen Verhandlung des ersten Rechtszugs anhängig gemacht werden können. In der bisherigen Praxis wird diese Möglichkeit häufig dazu genutzt, Folgesachen zum spätestmöglichen Zeitpunkt (z. B. durch Übergabe eines Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung) anhängig zu machen, um dadurch "Verhandlungsmasse" zu schaffen und taktische Vorteile zu sichern. Da eine Vorbereitung auf die neuen Streitpunkte zumindest für das Gericht nicht mehr möglich ist, müssen Termine kurzfristig verlegt, aufgehoben oder die Verhandlung vertagt werden. Es ist daher eine Regelung einzuführen, nach der die Möglichkeit zur Anhängigmachung von Verbundsachen bereits vor dem Termin endet. Eine Frist von spätestens zwei Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint dabei angemessen, um der missbräuchlichen Anhängigmachung von Scheidungsfolgesachen entgegenzuwirken.´ (BTDrucks. 16/6308 S. 374).
Hauptgrund war also das Anliegen, missbräuchlichem Verhalten vorzubeugen. Im Grundsatz hat der Gesetzgeber aber gleichzeitig betont, das Verbundverfahren solle beibehalten werden. Dessen Ziele hat er unvermindert als sinnvoll betrachtet. Grundlegende Ziele des Verbundverfahrens sind der Schutz des schwächeren Ehepartners und das Ziel, übereilten Scheidungsentschlüssen vorzubeugen (BTDrucks. 16/6308 S. 229). Allgemein war Konsens schon vor der Reform, dass dem Verbund eine Warn und Schutzfunktion zukommt (SchulteBunert/Weinreich/Schröder, FamFG, § 137 Rz. 1 m.w.N.).
Zu der mangelnden Abstimmung der Frist mit der Mindestfrist des § 217 ZPO äußert sich die Gesetzesbegründung nicht. Möglicherweise hat der Gesetzgeber die aus der allgemeinen Verweisung auf die ZPO in § 113 Abs. 1 S. 2 ZPO resultierenden Ungereimtheiten übersehen.
c) Bei dieser eng am Wortlaut orientierten Auslegung ohne weitere Einschränkung genügt § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG indes verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil weder das rechtliche Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, noch das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren gewahrt werden, das aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip folgt. Sollen nämlich alle Scheidungsfolgen vor Ausspruch der Scheidung nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung im Verbund entschieden werden, so werden die Rechte desjenigen Ehegatten, der wirtschaftliche Ansprüche aufgrund der Scheidung zu haben glaubt, durch eine Ladungsfrist, die die zweiwöchige Frist sogar noch unterschreitet, unzulässig beschnitten (so auch Bassenge/Roth/Walter aaO., § 137 FamFG Rz. 10. Fölsch, Das neue FamFG in Familiensachen, § 3 Rz. 58. Finger, MDR 2010, 544 (546 f.). RaketeDombek, FPR 2009, 16, 19: mindestens vier Wochen, allerdings unter Hinweis auf den - hier gar nicht anwendbaren - § 32 Abs. 2 FamFG. Prütting/Helms, FamFG, § 137 Rz. 48. Löhnig, FamRZ 2009, 737 (738): Ladungsfristen künftig ´großzügig´ zu bemessen. offen gelassen von Götz, NJW 2010, 897, 900: ´unklar´).
Wegen ihrer einschneidenden Wirkung ist die Regelung des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG mit den zivilprozessualen Präklusionsvorschriften (insbesondere §§ 282, 296, 530 ZPO) vergleichbar. Sie ist deshalb an den insoweit aufgestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen. Zwar beinhaltet die Vorschrift des § 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG keine Präklusionsvorschrift im eigentlichen Sinne, weil sie nur die Einbeziehung in den Verbund verhindert, aber nicht dazu führt, dass Parteivorbringen endgültig unberücksichtigt bleibt. Im Wesentlichen beschränkt § 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG das rechtliche Gehör aber in vergleichbar einschneidender Weise. Die Vorschrift hat wie die Präklusionsvorschriften Sanktionscharakter, weil die Frist von zwei Wochen allgemein gilt und damit nicht auf eine absolute Verzögerung des Verfahrens abstellt. Wird, wie hier, der nacheheliche Unterhalt eine Woche vor dem Termin anhängig gemacht, scheitert eine Einbeziehung in den Verbund, obwohl auf der Hand liegt, dass auch die fristgerechte Einreichung nicht zu einer Erledigung geführt hätte (für einschränkende Auslegung auch in dieser Hinsicht daher Finger, MDR 2010, 5444, 548 a.E.). Mit dem erklärten Ziel des Verbundverfahrens, übereilten Scheidungen vorzubeugen, erscheint dies schwerlich vereinbar. Weil eine Verschuldensvoraussetzung bzw. eine Entschuldigungsmöglichkeit fehlt, kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Zudem ist die Regelungstechnik höchst ungewöhnlich, weil der Lauf der Frist nicht, wie sonst allgemein üblich, durch eine Zustellung des Gerichts in Gang gesetzt wird, sondern von dem angesetzten Termin zurückgerechnet wird. Erst wenn der Termin bestimmt worden ist, kann deshalb festgestellt werden, ob die Frist eingehalten wurde und die Sache Folgesache wird oder nicht. Geht eine Folgesache bei Gericht ein und wird sogleich Termin unter Einhaltung der Wochenfrist anberaumt, wäre die vierzehntägige Frist nicht gewahrt, obwohl die Partei die Frist gar nicht einhalten konnte. Dass ein solches Verfahren rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügen kann, liegt auf der Hand.
Die Folgen der fehlenden Einbeziehung in den Verbund für den Beteiligten sind auch dann gravierend, wenn das Verfahren außerhalb des Verbundes fortgeführt wird. Wird nämlich wie in dem hier zu entscheidenden Fall unter anderem der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nicht in den Verbund einbezogen, endet mit dem Scheidungsausspruch der Anspruch auf Trennungsunterhalt, ohne dass der nacheheliche Unterhalt tituliert ist. Dem Unterhaltsberechtigten droht eine Versorgungslücke, der nicht allein durch einstweilige Anordnungen begegnet werden kann (Finger, MDR 2010, 544, 548). Die Schutzfunktion des Verbundverfahrens, das eine Klärung der wirtschaftlichen Scheidungsfolgen insbesondere bei einer - wie hier - langjährigen Ehe vor Ausspruch der Scheidung bezweckt, würde unterlaufen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zu den zivilprozessualen Präklusionsvorschriften stets herausgestellt, dass eine Zurückweisung von Vorbringen ohne vorwerfbares Verhalten der präkludierten Partei mit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs unvereinbar ist. Der Ausschluss verspäteten Vorbringens - so das Gericht - setzt als folgenschwere Einschränkung des rechtlichen Gehörs voraus, dass die betroffene Partei hinreichend Gelegenheit hatte, sich in allen für sie wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, diese Gelegenheit aber schuldhaft ungenutzt verstreichen ließ (vgl. BVerfGE 36, 92 (98) [BVerfG 10.10.1973 - 2 BvR 574/71][BVerfG 10.10.1973 - 2 BvR 574/71]. 54, 117 (124). 55, 72 (94). 62, 249 (254). 67, 39 (42). 69, 126 (137). 75, 183 (191). Das Verfahrensrecht soll keinen Selbstzweck erfüllen, sondern nur der sachgerechten Entscheidungsfindung dienen. Wenn ohne jeden Aufwand erkennbar ist, dass eine Überbeschleunigung des Rechtsstreits bewirkt wird, ist die Zurückweisung von Vorbringen rechtsmissbräuchlich (BVerfG, BVerfGE 75, 302 [BVerfG 05.05.1987 - 1 BvR 903/85] (316 f.)). Gerade bei der Überprüfung der Anwendung von Verspätungsvorschriften hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt darauf hingewiesen, dass insbesondere die Verfahrensgestaltung rechtsstaatlichen Maßstäben entsprechen muss (BVerfG, BVerfGE 55, 72 (93 f.). 69, 126 (140). 75, 183 (190)).
Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass es nach Zugang der Ladung für den Beteiligten noch möglich sein muss, Folgesachen anhängig zu machen. Erst von diesem Zeitpunkt an wissen die Beteiligten sicher, dass sie handeln müssen, wenn sie Ansprüche noch in den Verbund einbeziehen wollen. Es entspricht der spruchrichterlichen Erfahrung, dass die Parteien nach Erhalt der Ladung zum Termin Aktivitäten entfalten, die sie vor Zugang der Ladung noch nicht für nötig hielten. Zudem kann es viele gute Gründe dafür geben, Folgesachen erst nach der Ladung zum Termin anhängig zu machen, ohne dass damit ein Missbrauch verbunden wäre, dessen Bekämpfung Ziel der Regelung ist. Das Zuwarten kann durchaus im Interesse beider Ehegatten liegen. Folgesachen sind im Regelfall für beide Beteiligten kostenaufwändig. Eine gütliche Einigung kann beabsichtigt sein. Der Ausgang eines Trennungsunterhaltsverfahrens, von dem präjudizielle Aussagen erhofft werden, kann abgewartet werden, insbesondere dann, wenn, wie in dem hier zu entscheidenden Fall, das Einkommen eines selbstständigen Ehegatten zu ermitteln ist. Es können Verhandlungen mit Gläubigern abzuwarten sein, von denen die Auseinandersetzung von Wohneigentum abhängt.
Nach Zugang der Ladung bedarf es noch einer angemessenen Vorbereitungszeit, um die Anträge sachgerecht einreichen zu können. Darum ist es auch nicht ausreichend, für den Lauf der zweiwöchigen Frist auf die gerichtliche Terminsbestimmung als solche abzustellen (so aber wohl Finger, MDR 2010, 544, 548). Insgesamt sind aus Sicht des Senats mindestens vier Wochen zu veranschlagen, um dem verfassungsrechtlichen Gebot des fairen Verfahrens und der Wahrung rechtlichen Gehörs gerecht zu werden. Werden nämlich Gericht und Gegner zwei Wochen zur Vorbereitung zugebilligt, muss diese Zeit auch für den Antragssteller als angemessen angesehen werden (so Bassenge/Roth/Walter aaO., § 137 FamFG Rz. 10. RaketeDombek, FPR 2009, 16, 19. ähnlich Prütting/Helms, FamFG, § 137 Rz. 48: mindestens 2 Wochen auf die einwöchige Ladungsfrist aufzuschlagen. dagegen allerdings Münchener Kommentar/Heiter, FamFG, 3. Aufl. § 137 Rz. 51). Gerade weil die Frist nur durch Rückrechnung ermittelt wird, muss der Familienrichter die verfassungsrechtlichen Vorgaben durch seine Verfahrensgestaltung beachten.
d) Damit werden die Grenzen zulässiger Auslegung nicht überschritten. Schließlich handelt es sich bei § 217 ZPO nur um eine Mindestfrist. Der Wortlaut des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG ist einer einschränkenden Auslegung deshalb zugänglich, weil er sich nicht zu den Ladungsvoraussetzungen verhält. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu den Absichten des Gesetzgebers, der lediglich missbräuchliche Verfahrensverzögerungen verhindern wollte.
e) Das Familiengericht wird die Sache daher unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu verhandeln und die Folgesachen im Verbund zu entscheiden haben. Dabei kann auch der Anspruch auf Zugewinnausgleich noch geltend gemacht werden, obwohl vor der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nur ein Auskunftsantrag gestellt worden ist, der nicht Folgesache sein kann. Wird nämlich aufgehoben und zurückverwiesen, beginnt in erster Instanz das Verfahren neu und die Frist des § 137 Abs. 2 FamFG kann dann durch den inzwischen gestellten Leistungsantrag gewahrt werden.
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde, § 70 Abs. 2 FamFG, liegen vor. Die Rechtssache hat wegen der höchst umstrittenen Anwendung des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG und die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG.