Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.04.2006, Az.: 1 Ws 177/06

Beschwerde eines gerichtlichen Sachverständigen gegen seine Einstufung in eine Vergütungsgruppe; Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Wachstumszeit einer Cannabispflanze

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.04.2006
Aktenzeichen
1 Ws 177/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 12915
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:0405.1WS177.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 22.02.2006 - 124 Js 26605/03

Fundstellen

  • BauR 2006, 1357 (amtl. Leitsatz)
  • DS 2006, 394
  • GuG 2007, 185-186 (Volltext mit amtl. LS)
  • GuG aktuell 2007, 15
  • JurBüro 2006, 652-653 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

unerlaubter Anbau von Betäubungsmitteln

hier: Beschwerde der Sachverständigen Dipl.-Ing. agr. T.-C.

Amtlicher Leitsatz

Wird eine sachverständige Leistung in einem Gebiet erbracht, das in der Anlage zu § 9 Abs. 1 JVEG nicht enthalten ist, kommt nicht in Betracht, die erbrachte Leistung einem inhaltlich vergleichbaren oder ähnlichen Sachgebiet entsprechend zuzuordnen. Die Vergütung bemisst sich dann vielmehr an § 9 Abs. 2 Satz 2 JVEG.

In der Strafsache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf das als Beschwerde zu behandelnde Schreiben der Sachverständigen vom 2. März 2006
gegen den Beschluss des Landgerichts Stade vom 22. Februar 2006
nach Anhörung der Landeskasse
am 5. April 2006
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Stade vom 22. Februar 2006 wird aufgehoben.

Die Vergütung der Sachverständigen wird auf 1.789,50 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Notwendige Auslagen und Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

1.

Die als Dipl-Ing. agr. im Bereich Gartenbau tätige Sachverständige wendet sich mit ihrer als Beschwerde im Sinne von § 4 Abs. 3 JVEG zu behandelnden Eingabe vom 2. März 2006 gegen einen Beschluss der 12. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Stade vom 22. Februar 2006, mit welchem auf Antrag der Sachverständigen ihre Vergütung gerichtlich auf 60,- EUR pro Stunde mit der Begründung festgesetzt wurde, die Sachverständige habe ihre Leistung (Angaben über die Wachstumszeit von Cannabispflanzen) auf dem Gebiet der Garten- und Landschaftsgestaltung/des Garten- und Landschaftsbaus im Sinne der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) erbracht. Hiernach richte sich ihre Vergütung nach der Honorargruppe 3 im Sinne von § 9 Abs. 1 JVEG. Die Sachverständige trägt hierzu vor, das von ihr bearbeitete Fachgebiet des Gartenbaus habe mit dem benannten Sachgebiet nichts zu tun. Überdies sei ihr im Verfahren vor dem Schöffengericht ein Stundensatz in Höhe von 70,- EUR zugesagt worden. Dieser Stundensatz sei der Kostenfestsetzung zugrunde zu legen.

2

2.

Das Rechtsmittel der Sachverständigen ist als Beschwerde zulässig nach § 4 Abs. 3 JVEG. Der hierfür erforderliche Beschwerdewert folgt aus der Differenz der festgesetzten zu der beantragten Vergütung (brutto) und ist mit einem Betrag in Höhe von 217,50 EUR erreicht.

3

3.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

4

Die Vergütung von Sachverständigen bestimmt sich nach § 9 JVEG in Verbindung mit dessen Anlage 1 unabhängig von der individuellen Qualifikation des Sachverständigen oder des Schwierigkeitsgrads des zu erstattenden Gutachtens im Grundsatz allein nach dem in Frage kommenden Sachgebiet und der jeweiligen Honorargruppe (OLG des Landes Sachsen-Anhalt vom 18.8.2005, 12 W 67/05; Hartmann Kostengesetze, 34. Aufl. § 9 JVEG Rn. 6 ff). Das Landgericht hat die vorliegend erbrachte Leistung dem Sachgebiet der Garten- und Landschaftsgestaltung/des Garten- und Landschaftsbaus zugeordnet und hieran die Vergütung ausgerichtet. Diese Festsetzung kann keinen Bestand haben.

5

Die Sachverständige hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das benannte Sachgebiet mit der Fachrichtung Gartenbau nicht identisch ist. Während der Bereich des Garten- und Landschaftsbaus das Anlegen von Gärten, Teichen, Wegen und dergl. betrifft, hat die Fachrichtung Gartenbau die gewerbliche Produktion von Zierpflanzen, Gemüse und Obstbau in Gewächshäusern und im Freiland zum Gegenstand. Die von der Sachverständigen im Rahmen ihres Gutachtens zu behandelnde Fragestellung (Angaben über die Wachstumszeit von Cannabispflanzen, zumal in einer Wohnungszucht) hat mit der Anlage von Gärten indessen nichts gemein. Diese Fragestellung unterfällt - wenn überhaupt - dem Bereich Gartenbau. Eine Festsetzung der Vergütung nach dem Sachgebiet der Garten- und Landschaftsgestaltung/des Garten- und Landschaftsbaus kam daher nicht in Betracht. Der Bereich Gartenbau ist in der Anlage zu 9 Abs. 1 JVEG nicht vorgesehen.

6

Wird eine sachverständige Leistung auf einem Sachgebiet erbracht, das in keiner Honorargruppe genannt wird, ist sie nach § 9 Abs. 2 Satz 2 JVEG unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen. Nach dieser insoweit eindeutigen Regelung kommt nicht in Betracht, die erbrachte Leistung einem inhaltlich vergleichbaren oder ähnlichen Sachgebiet entsprechend zuzuordnen (vgl. auch Hartmann a.a.O., Rn. 14). Die Vergütung orientiert sich vielmehr an den außergerichtlich bzw. außerbehördlich üblicherweise vereinbarten Stundensätzen und ist sodann der Höhe nach einer der Honorargruppen zuzuordnen (Meyer/Höver/Bach, Kommentar zum JVEG, 23. Aufl., § 9 Rn. 9.4). Die Sachverständige hat im Rahmen ihres als Antrag nach § 4 JVEG behandelten Schreibens vom 30. Januar 2006 dargelegt, bei außergerichtlichen Aufträgen rechne sie einen Stundensatz in Höhe von 75,- EUR ab. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln, und hat somit von weiteren Ermittlungen hierzu abgesehen. Hiernach wäre die Vergütung entsprechend der Honorargruppe 6 festzusetzen. Die Sachverständige beantragt indessen eine Vergütung in Höhe von 70,- EUR pro Stunde, so dass die Vergütung entsprechend festzusetzen war (ne ultra petita). Der Festsetzung im Übrigen ist die Landeskasse nicht entgegen getreten.

7

4.

Die Vergütung war hiernach wie folgt festzusetzen:

Arbeitszeit:
18,75 Stunden à 70,00 EUR1.312,50 EUR
Fahrtkosten:
2 Fahrten nach Stade 750 km à 0,30 EUR225,00 EUR
Sonstiges (Telefon, Porto)5,00 EUR
Summe:1.542,50 EUR
zzgl. Umsatzsteuer 16 %264,80 EUR
Gesamt:1.789,50 EUR
8

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 9 Abs. 8 Satz 1 JVEG. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht eröffnet.