Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 28.10.2020, Az.: 11 U 149/19

Entschädigung für eine Untersuchungshaft; Kosten für ein durch einen Entschädigungsberechtigten selbst vereinbartes Darlehen zur Kautionsfinanzierung; Annahme eines Erwerbsschadens; Berechnung eines Erwerbsausfallschadens

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.10.2020
Aktenzeichen
11 U 149/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 47231
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2020:1028.11U149.19.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 13.09.2019

Fundstelle

  • GesR 2021, 157-159

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zu den gem. § 2 Abs. 1 StrEG zu entschädigenden Aufwendungen gehören nicht nur die Kosten für ein durch den Entschädigungsberechtigten selbst vereinbartes Darlehen zur Kautionsfinanzierung, sondern auch die Kosten, die aus der Übernahme der Erfüllung einer Verbindlichkeit aus einem zur Kautionsaufbringung geschlossenen Darlehensvertrag zwischen dem Darlehensgeber und einem Dritten durch den Entschädigungsberechtigten resultieren.

  2. 2.

    Wenn dem Entschädigungsberechtigten Barmittel zur Stellung der Kaution fehlen und er aufgrund seiner Inhaftierung auch kein Darlehen von einer Bank oder einem Kreditinstitut erhalten würde, stellt die Beauftragung eines Dritten mit der Aufnahme eines Darlehens bei gleichzeitiger Erfüllungsübernahme eine erforderliche Maßnahme zur Außervollzugsetzung der Untersuchungshaft dar.

  3. 3.

    Für die Annahme eines Erwerbsschadens kommt es nicht darauf an, ob der Entschädigungsberechtigte bereits einen Rechtsanspruch auf den Erwerb hatte; vielmehr genügt eine tatsächliche Erwerbsaussicht, so dass dahinstehen kann, ob nach dem jeweils geltenden Statut bereits ein wirksamer Vertrag oder Vorvertrag geschlossen worden ist.

  4. 4.

    Eine tatsächliche Erwerbsaussicht ist bereits dann anzunehmen, wenn der Entschädigungsberechtigte aufgrund der getroffenen Abreden davon ausgehen durfte, ab einem bestimmten Zeitpunkt über eine Festanstellung zu verfügen.

  5. 5.

    Bei der Berechnung des Erwerbsausfallschadens sind im Wege der Vorteilsausgleichung die auf Grund der Untersuchungshaft ersparten Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Abzug zu bringen.

Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 13.09.2019 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger von seiner Verpflichtung gegenüber seinem Bruder A. O. zur Freistellung desselben von einer Verbindlichkeit in Höhe von 80.000,- EUR als Zinszahlung betreffend das Darlehen des Herrn M. O. vom 01.06.2013 freizustellen.

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.084.515,97 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

Dieses Urteil ist für den Kläger ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Wertstufe bis 1.200.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) im Zusammenhang mit einer gegen ihn verhängten Untersuchungshaft in Anspruch.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 1.207.311,99 EUR zu zahlen.

Das beklagte Land hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Braunschweig hat das beklagte Land mit Urteil vom 13.09.2019 (Bl. 279 ff. d. A.) verurteilt, den Kläger von seiner Verpflichtung gegenüber seinem Bruder A. O. zur Freistellung desselben von einer Verbindlichkeit in Höhe von 80.000,- EUR als Zinszahlung betreffend das Darlehen des Herrn M. O. vom 01.06.2013 freizustellen. Darüber hinaus hat das Landgericht das beklagte Land verurteilt, an den Kläger 1.087.899,19 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht Folgendes ausgeführt:

Die grundsätzliche Verpflichtung des beklagten Landes zur Entschädigungsleistung nach dem StrEG sei durch das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 06.05.2015 - 6 Ks 4/13 - rechtskräftig festgestellt worden. Diese Entscheidung sei gemäß § 8 StrEG im hiesigen Verfahren bindend.

Dem Kläger stehe der Höhe nach ein weiterer Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.167.899,19 EUR zu.

Zunächst könne der Kläger gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 StrEG Erstattung der durch die Aufnahme eines für die Kautionsstellung erforderlichen Kredits verursachten Kosten verlangen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass der Bruder des Klägers ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 500.000,- EUR bei Herrn O. aufgenommen und der Kläger sich wiederum gegenüber seinem Bruder verpflichtet habe, die diesbezügliche Zinsforderung in Höhe von 80.000,- EUR auszugleichen.

Bei dem geltend gemachten Zinsschaden handele es sich nicht um Kosten eines Drittgeschädigten. Zwar habe sich der Bruder des Klägers gegenüber dem Darlehensgeber zur Rückzahlung der Darlehensvaluta und der Zinsen verpflichtet. Entscheidend sei jedoch, dass neben diesem Darlehensverhältnis auch eine Verpflichtung des Klägers gegenüber seinem Bruder zur Freistellung gegenüber dem Darlehensgeber bestanden habe. Eine diesbezügliche Überzeugung bestehe auf Seiten der Kammer. Sie ergebe sich einerseits aus den konkreten Vertragsunterlagen und weiter durch die Vernehmung des Bruders des Klägers als Zeugen. Einer solchen Vereinbarung stehe nicht entgegen, dass es keine direkten Absprachen betreffend das Darlehen zwischen dem Zeugen A. O. und dem Kläger gegeben habe. Dabei könne dahinstehen, ob die Ehefrau des Klägers, die diesen besucht und zugleich den Kontakt zu dessen Bruder gehalten habe, im Hinblick auf die vertraglichen Absprachen als Botin oder als Vertreterin des Klägers gedient habe.

Auch habe die Darlehensgewährung durch den Geldgeber in Zusammenhang mit der Kautionsstellung durch den Kläger gestanden. Wenngleich das diesbezügliche Bestreiten des beklagten Landes angesichts des im Laufe des Rechtsstreits konkretisierten Klagvortrages zu den Zahlungszeitpunkten bereits nicht mehr als hinreichend substantiiert angesehen werden könne, stehe dies jedenfalls aufgrund der Angaben des Zeugen A. O. zur Überzeugung der Kammer fest.

Der Zinsschaden sei der Höhe nach mit 80.000,- EUR zu bemessen. Dieser Zins entspreche demjenigen, was der Kläger als erforderlich habe ansehen dürfen. Das beklagte Land habe nicht hinreichend substantiiert darlegen können, dass der Kläger auch ein günstigeres Darlehen beispielsweise bei einer deutschen Bank erhalten hätte. Letzteres sei aus Sicht des Landgerichts auch nicht wahrscheinlich, denn der Kläger sei zum damaligen Zeitpunkt ohne Arbeit gewesen, habe sich in Untersuchungshaft befunden und aus Sicht der Staatsanwaltschaft bzw. der Medien habe die Aussicht auf eine langjährige Haftstrafe bestanden. Vor diesem Hintergrund wäre eine Kreditaufnahme im Umfang von 500.000,- EUR - wenn überhaupt möglich - auch im hiesigen Bereich mit einem mindestens in Höhe des geltend gemachten Zinsschadens zu bemessenden Risikozuschlag einhergegangen. Auf die Möglichkeit einer günstigeren Kreditaufnahme durch eine dem Kläger nahestehende Person, zum Beispiel seine Ehefrau, müsse sich der Kläger nicht verweisen lassen.

Auch stehe der Erforderlichkeit der Zinsaufwendungen nicht entgegen, dass diese auf den Gesamtbetrag von 500.000,- EUR entfielen, von dem wiederum ein Teilbetrag in Höhe von 200.000,- EUR auf die Ablösung von zuvor durch Verwandte kostenfrei zur Verfügung gestellten Teilbeträgen verwendet worden sei. Insoweit sei unstreitig geblieben, dass diese 200.000,- EUR nur kurzfristig gewährt worden seien und hätten abgelöst werden müssen.

Auch stehe § 13 Abs. 2 StrEG der Geltendmachung des Zinsschadens nicht entgegen, denn dieser regele lediglich, dass der Entschädigungsanspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung nicht übertragbar sei. Vorliegend sei aber der Kläger eine eigene Verpflichtung zur Freistellung von Darlehenszinsen eingegangen; eine Übertragung seines Entschädigungsanspruchs habe nicht stattgefunden.

Der geltend gemachte Zinsschaden sei auch nicht lediglich ein sogenannter Reflexschaden, denn der Kläger sei die eigene vermögensrechtliche Verpflichtung zur Freistellung von Zinsen unmittelbar zum Zweck der Kautionsbeschaffung eingegangen.

Jedoch sei hinsichtlich des Zinsschadens als Minus zum geltend gemachten Zahlungsbegehren lediglich ein Anspruch auf Freistellung zuzusprechen gewesen, da dem Kläger mangels eigener Zahlung der Zinsen bislang noch kein Schaden entstanden sei und dies auch im nachgeordneten Verhältnis des Bruders des Klägers zum Darlehensgeber entsprechend gelte.

Daneben könne der Kläger die Erstattung eines Verdienstausfalls in Höhe von 1.079.656,18 EUR verlangen. Zur Überzeugung des Landgerichts stehe aufgrund der Angaben des Zeugen Dr. J. fest, dass der Kläger Anfang 2013 eine Anstellung als Viszeralchirurg mit einem monatlichen Festgehalt von 50.000,- USD an der Klinik A. erhalten hätte und dass ausschließlich die Untersuchungshaft ursächlich dafür gewesen sei, dass der Kläger dieses Gehalt nicht habe vereinnahmen können.

Der Ersatz eines Verdienstausfallschadens sei überdies nicht auf den Zeitraum der tatsächlichen Inhaftierung beschränkt, denn der Kläger sei auch nach der Außervollzugsetzung des Haftbefehls aufgrund der ihm auferlegten strengen Meldepflichten und wegen seines bis in den April 2015 hinein eingezogenen Reisepasses an einer frühzeitigeren Arbeitsaufnahme in Jordanien gehindert gewesen.

Auch habe der Kläger im Hinblick auf den Verdienstausfallschaden nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Es könne dahinstehen, ob bereits das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Korruptionsverdachts einen beachtlichen Anlass zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der X-Klinik geboten habe, denn die Vertragsaufhebung sei jedenfalls nicht kausal geworden für den geltend gemachten Verdienstausfall im streitgegenständlichen Zeitraum. In der Zeit seiner Inhaftierung hätte der Kläger seine Arbeitsleistung nicht anbieten und deshalb ohnehin keinen Anspruch auf Arbeitslohn gehabt. Auch könne dem Kläger nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass er nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls keine Einnahmen erzielt habe. Zwar bestehe grundsätzlich die Verpflichtung, den eintretenden Schaden so gering wie möglich zu halten, dies jedoch nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren. Das beklagte Land habe nicht darlegen können, dass der Kläger eine Anstellung erhalten hätte. Dies erscheine auch nicht wahrscheinlich, weil der Kläger wegen der Einbehaltung des Reisepasses und der Außervollzugssetzungsauflage lediglich im Landkreis G. eine Anstellung habe suchen können. Insoweit erscheine die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme bereits ausgeschlossen, da der Kläger aufgrund des laufenden Strafverfahrens gebrandmarkt gewesen sei und wohl jede Klinik zur Erhaltung ihres Renommees auf eine Anstellung des Klägers verzichtet hätte. Hinzu komme, dass die Arbeitsstätte aufgrund der Wahrnehmung von stetigen Gerichtsterminen im Umkreis von G. hätte sein müssen bzw. der Kläger seine Arbeitszeit nicht vollumfänglich hätte anbieten können, zumal jederzeit die Gefahr einer erneuten vorläufigen oder nach entsprechender Verurteilung endgültigen Inhaftierung bestanden habe.

Von dem Verdienstausfallschaden seien auch nicht die ersparten Steuerzahlungen im Wege eines Vorteilsausgleichs abzuziehen. Auch der titulierte Betrag unterliege grundsätzlich der Besteuerung. Aufgrund dessen, dass der Berechtigte keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe, werde das beklagte Land zu prüfen haben, ob es den auf die Entschädigung entfallenden, von der zuständigen Finanzbehörde vorher festzusetzenden Steuerbetrag einbehalte oder unmittelbar an das Finanzamt abführe.

Schließlich komme auch ein Abzug wegen etwaiger ersparter Aufwendungen für Unterbringungs- und Verpflegungskosten mangels entsprechenden Vortrags des beklagten Landes nicht in Betracht.

Darüber hinaus habe der Kläger gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen. Diese Kosten seien indes nur in Höhe von 8.243,01 EUR erstattungsfähig, nämlich nur nach einem der Wertstufe bis 1,2 Mio. EUR entsprechenden Gegenstandswert, nicht indes aus einem Gegenstandswert von 2 Mio. EUR.

Der Kläger habe dagegen keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Erstattung der Kosten für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde, da es sich hierbei nicht um erstattungsfähige Kosten handele, denn diese seien weder zweckdienlich noch geboten gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Urteil des Landgerichts Braunschweig ist dem Prozessbevollmächtigten des beklagten Landes am 16.09.2019 zugestellt worden.

Gegen das Urteil hat das beklagte Land am 30.09.2019 Berufung eingelegt und sie nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 09.12.2019 begründet.

Zur Begründung seiner Berufung trägt das beklagte Land vor, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen für einen Freistellungsanspruch des Klägers betreffend eine gegenüber seinem Bruder A. O. bestehende Verpflichtung, diesen von einer Zinsforderung in Höhe von 80.000,- EUR aus dem Darlehensvertrag vom 01.06.2013 gegenüber dem Herrn M. O. freizustellen, angenommen habe.

Soweit das landgerichtliche Urteil auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.11.1993 (Az.: IX ZR 51/93 -) Bezug nehme, sei der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem hiesigen Fall nicht vergleichbar, weil im dortigen Fall eine Personenidentität zwischen Anspruchsinhaber und Geschädigtem vorgelegen habe. Demgegenüber sei vorliegend zwischen zwei Schuldverhältnissen zu differenzieren, nämlich zwischen dem zwischen Herrn A. O. und Herrn M. O. geschlossenen Darlehensvertrag auf der einen Seite und einem zwischen dem Kläger und seinem Bruder eingegangen Schuldverhältnis auf der anderen Seite. Der erstinstanzliche Vortrag des Klägers lasse substantiierte Angaben dazu missen, wann, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Maßgaben dieser Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und seinem Bruder abgeschlossen worden sei. Der Vortrag sei mithin unschlüssig, so dass eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen A. O. nicht habe durchgeführt werden dürfen. Letztlich habe auch die Vernehmung des Zeugen O. keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen mit seinem Bruder, dem Kläger, geschlossenen Darlehensvertrag ergeben.

Das Landgericht habe fehlerhaft nicht wie rechtskonstruktiv geboten zwischen den beiden Schuldverhältnissen differenziert, sondern sei auf Grundlage einer unzulässigen Interpolation zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger einen Anspruch darauf habe, von "(irgendwie gearteten) rechtlichen und tatsächlichen Belastungen" freigestellt zu werden. Es habe im Ergebnis zwar eine "Verpflichtung" des Klägers gegenüber seinem Bruder bejaht, dabei aber offengelassen, welcher Art das Schuldverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Bruder sei.

Soweit das Landgericht seine Überzeugung, wonach eine "Verpflichtung" des Klägers seinem Bruder gegenüber bestehe, auf dessen zeugenschaftliche Angaben stütze, lasse es außer Acht, dass der Zeuge ebenfalls bekundet habe, zur fraglichen Zeit keinen direkten Kontakt mit dem in Untersuchungshaft befindlichen Kläger gehabt zu haben. Bereits auf Grund dieser Angaben verlange die Annahme eines zwischen dem Zeugen und dem Kläger in dieser Zeit begründeten Darlehensvertrages aber tragfähige Angaben dazu, unter welchen konkreten Umständen über die Ehefrau des Klägers eine vertragliche Abrede zustande gekommen sein soll. Bei zutreffender Würdigung der Angaben des Zeugen O. wäre zwangsläufig der Schluss zu ziehen gewesen, dass der Kläger mit seinem Bruder keine wirksame Vereinbarung getroffen habe, dass eine solche jedenfalls nicht bewiesen sei. Dies gelte ebenso, sofern man - wie vom Landgericht offenbar favorisiert - nicht einen Darlehensvertrag, sondern ein zwischen dem Kläger und seinem Bruder zustande gekommenes Auftragsverhältnis annehme. Auch die Begründung eines Auftragsverhältnisses setze einen konkreten Kontakt zwischen dem Kläger und seinem Bruder voraus, der sich weder dem Klagvortrag noch den Angaben des Zeugen O. entnehmen lasse.

Die Feststellung des Landgerichts zu einer zwischen dem Kläger und seinem Bruder getroffenen Vereinbarung sei überdies verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Mangels substantiierten und schlüssigen Tatsachenvortrags des insoweit darlegungsbelasteten Klägers zu einer seinem Bruder, dem Zeugen A. O., gegenüber begründeten Verbindlichkeit, sei das Zeugenbeweisangebot "ins Blaue hinein" erfolgt. Die Voraussetzungen für eine Beweisaufnahme hätten damit nicht vorgelegen, so dass der Zeuge A. O. nicht habe vernommen werden dürfen; seine gleichwohl erfolgte Vernehmung stelle einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.

Im Übrigen sei auch die Würdigung der Angaben des Zeugen A. O. zu beanstanden. So sei bezeichnend, dass der Zeuge in seiner in arabischer Sprache verfassten und ins Deutsche übersetzten schriftlichen Äußerung vom 24.07.2018 den Begriff einer mit seinem Bruder vereinbarten "Freistellung" verwende. Ungeachtet dessen, dass bereits der Kläger selbst zu einer solchen Freistellungsvereinbarung in der Klageschrift nichts Weiteres vorgetragen habe, entstamme der Begriff der "Freistellung" offenkundig dem deutschen Rechtsverständnis. Dies lasse die Angaben als unglaubhaft erscheinen, zumal in der gerichtlichen Aussage des Zeugen vom 09.08.2019 keine Rede mehr gewesen sei.

Auch habe die Beweisaufnahme ergeben, dass zur Erweiterung der Darlehensaufnahme Vereinbarungen zwischen der Ehefrau des Klägers und dem Zeugen A. O. getroffen worden seien. Dass diese auf den Kläger zurückwirken könnten oder sollten, habe der Kläger in I. Instanz nicht vorgetragen.

Soweit das Landgericht zu der Überzeugung gelangt sei, dass der Kläger ein ihm zugesagtes monatliches Gehalt von 50.000,- USD wegen des ab dem 11.01.2013 begonnen Haftvollzugs nicht habe erzielen können, seien die hierfür angeführten Gründe nicht überzeugend. Die Kammer habe im Rahmen ihrer Feststellung, dass entweder ein mündlicher Arbeitsvertrag oder ein verpflichtender mündlicher Vorvertrag zwischen dem Kläger und dem Y.-Hospital geschlossen worden sei, nicht kritisch in den Blick genommen, dass der Kläger im Haftprüfungs- und Beschwerdeverfahren - im Hinblick auf seine persönliche Freiheit - das nun vom beklagten Land vertretene Verständnis vom Inhalt des Schreibens des Y.-Hospitals vom 08.02.2013 gehabt habe. Erst mit der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs sei der Kläger zu abweichenden Sachaussagen gelangt. Diesen Wertungswiderspruch habe das Landgericht nicht gewürdigt. Die Feststellung des Landgerichts zu einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Y.-Hospital sei nicht überzeugend. So seien Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Dr. J. sowie an seiner Glaubwürdigkeit auf Grund des Umstandes geboten gewesen, dass nach seinen Bekundungen sämtliche Abreden zwischen dem Kläger und den Verantwortlichen des Y.-Hospitals nur mündlich getroffen worden seien. Es sei angesichts des nicht unerheblichen monatlichen Verdienstes des leitenden Arztes nebst zusätzlicher Personal- und Sachkosten für die einzurichtende Fachabteilung keineswegs glaubhaft, dass die Errichtung eines "sicherlich kostenträchtigen Transplantationszentrums" nur auf Grund mündlicher Absprachen und ohne jedwede schriftliche Vereinbarung bzw. Korrespondenz geplant worden sei. Dies habe das Landgericht nicht berücksichtigt.

Auch habe es in diesem Zusammenhang fehlerhaft die vom Kläger unstreitig in einem Telefonat am 10.01.2013 getätigte Äußerung nicht in seine Würdigung eingestellt, wonach ein Umzug nach Jordanien erst für den siebten Monat angedacht sei. Diese Äußerung habe Veranlassung zu Zweifeln an der Annahme geboten, dass der Kläger ohne die Verhaftung "zu Anfang des Jahres 2013" die behauptete Vollzeittätigkeit in A. aufgenommen hätte. Anlass zu weiteren Zweifeln an dieser Annahme biete der Umstand, dass der Kläger noch im Haftprüfungs- und Haftbeschwerdeverfahren Gegenteiliges vorgetragen habe. Auch dies habe die Kammer nicht gewürdigt. Auch habe sie sich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass das Transplantationszentrum im Hospital in A. bis heute nicht eingerichtet worden sei und betrieben werde. Es sei wenig nachvollziehbar, dass die nach den Bekundungen des Zeugen Dr. J. zunächst energisch verfolgten ehrgeizigen Pläne "mir nichts dir nichts" wieder fallen gelassen worden seien, nachdem der Kläger wegen des Strafverfahrens nicht (mehr) verfügbar gewesen sei. Vielmehr arbeite der Kläger seit 2017 als bloßer Belegarzt im Y.-Hospital in A.. All dies hätte die Kammer zu Zweifeln an der Richtigkeit der Behauptung des Klägers und der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Dr. J. veranlassen müssen; tatsächlich seien diese Umstände aber fehlerhaft gar nicht gewürdigt worden.

Soweit das Landgericht eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Klägers durch den Abschluss des mit der X-Klinik am 20.01.2012 geschlossenen Aufhebungsvertrages mit der Begründung abgelehnt habe, dass dieser Aufhebungsvertrag kein kausal beachtliches Ereignis sei, das einem Entschädigungsanspruch entgegenstehe, da der Kläger während der Untersuchungshaft ohnehin keinen Anspruch auf Arbeitslohn gehabt hätte und die Inhaftierung bei lebensnaher Betrachtung überdies zu einer (notfalls kündigungsbedingten) Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätte, sei die Unterstellung einer hypothetischen kündigungsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig und mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 22.10.2014 - 2 AZR 381/14 -; Urteil vom 24.03.2011 - 2 AZR 790/09 -; Urteil vom 23.05.2013 - 2 AZR 120/12 -; LAG Hessen, Urteil vom 21.11.2017 - 8 SA 146/17 -) nicht in Einklang zu bringen, denn eine arbeitgeberseitige Kündigung bei Untersuchungshaft wäre gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt gewesen. Eine haftbedingte Arbeitsverhinderung sei - unbeschadet einer abschließenden Interessenabwägung - erst dann Grund für eine ordentliche Kündigung, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt noch eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen habe und eine vorherige Entlassung nicht sicher zu erwarten stehe.

Überdies habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die in Folge des Aufhebungsvertrages überhaupt erst veranlasste Kontaktaufnahme zum Y.-Hospital maßgeblicher Grund für die damalige Annahme einer Fluchtgefahr und mithin für die Inhaftierung des Klägers gewesen sei; bei Hinwegdenken des Aufhebungsvertrages wäre es nicht zum Erlass des Haftbefehls und mithin auch nicht zu dem vom Kläger behaupteten Verdienstausfall gekommen.

Den Kläger treffe durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages ein erhebliches Mitverschulden, das sich anspruchsausschließend, jedenfalls aber anspruchsmindernd auswirke.

Der in Höhe von 1.087.899,19 EUR zugesprochene Zahlungsanspruch sei rechnerisch nicht nachvollziehbar.

Soweit es den hierin enthaltenen Teilbetrag von 1.079.656,18 EUR betreffe, sei bereits in I. Instanz von Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 26.11.2018 dessen Zusammensetzung als unschlüssig beanstandet worden. Auch habe das Landgericht mit Hinweis vom 07.03.2019 die Schlüssigkeit der Berechnung in Frage gestellt, weshalb das Landgericht im angefochtenen Urteil fehlerhaft von einem "unstrittigen Gesamtbetrag" ausgehe. Die Klägerseite habe ihrer vom Landgericht übernommenen Berechnung des Verdienstausfalls für die Monate Februar und März 2013 jeweils einen falschen Wechselkurs zwischen US-Dollar und Euro zu Grunde gelegt, wodurch für diese Monate jeweils ein höherer Euro-Betrag als tatsächlich geboten veranschlagt worden sei.

Überdies habe das Landgericht seine Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO verletzt, indem es, soweit es die Höhe des entgangenen Verdienstes und die Umrechnung von Dollar in Euro anbelange, keine weiteren Hinweise gegeben und den Eindruck der Unklarheit der Berechnung aufrechterhalten habe. Insbesondere habe es unbeanstandet gelassen, dass der Vortrag des Klägers zur Berechnung des Verdienstausfallschadens zwar deutschem Recht entsprechend von einer Fälligkeit des Dienstlohns jeweils zum Monatsende ausgehe und deshalb auf den jeweiligen Wechselkurs zum Monatsende abstelle, sich indes nicht zu der Frage verhalte, ob die Vergütung auch nach - insoweit maßgeblichem - jordanischem Recht jeweils am Monatsende geschuldet gewesen wäre. Die Entscheidung des Landgerichts unter Zugrundelegung der klägerischen Berechnung als "unstrittig" habe sich aus Sicht des beklagten Landes daher als überraschend dargestellt. Im Fall eines gebotenen Hinweises hätte das beklagte Land zur Berechnung des Verdienstausfalls, wie nun mit der Berufungsbegründung, vorgetragen.

Überdies habe sich die Kammer nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welcher korrekte Tages-Wechselkurs dem Rechenwerk zu Grunde zu legen sei. Das Klagvorbringen sei insoweit unschlüssig als es sich nicht zu einer tatsächlichen vertraglichen Vereinbarung einer Fälligkeit des Vergütungsanspruchs jeweils zum Monatsende verhalte.

Aus der als Anlage BB 1 überreichten Übersicht über die exakten Wechselkurse ergebe sich, dass sich der Verdienstausfall auf insgesamt 1.077.085,50 EUR belaufe. Die klägerische Berechnung sei wegen Verwendung unrichtiger Wechselkurse hingegen fehlerhaft.

Schließlich habe das Landgericht rechtsfehlerhaft übersehen, dass ein etwaiger Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls gemäß Abschnitt B. Unterabschnitt II. 2. b) der Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen um die in Folge der Haft ersparten Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung zu kürzen sei. Für Unterbringung und Verpflegung des Klägers seien während der vollstreckten Untersuchungshaft monatliche Kosten von 367,40 EUR (Einzelunterbringung 148,40 EUR, Verpflegung für Frühstück 47,- EUR, Verpflegung für Mittagessen 86,- EUR, Verpflegung für Abendessen 86,- EUR) entstanden, so dass sich für den Zeitraum vom 11.01.2013 bis 16.12.2013 ein Aufwand von 4.100,65 EUR ergebe, um den ein etwaiger Anspruch des Klägers zu kürzen sei. Hilfsweise hat das beklagte Land insoweit mit weiterem Schriftsatz vom 29.01.2020 die Aufrechnung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung verwiesen. Mit weiterem Schriftsatz vom 29.01.2020 hat das beklagte Land seine Berufungsangriffe aufrechterhalten und hierzu weiter ausgeführt.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 13.09.2019 - 7 O 3677/18 *083* - aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Insbesondere habe der Kläger seiner Darlegungslast hinsichtlich des zwischen ihm und seinem Bruder begründeten Schuldverhältnisses genügt; so sei bereits erstinstanzlich vorgetragen worden, dass die Ehefrau des Klägers Kontakt mit dessen Bruder hinsichtlich der Darlehensbeschaffung aufgenommen habe.

Darüber hinaus gebe es keinen Widerspruch zwischen dem klägerischen Vorbringen im hiesigen Rechtsstreit und den vom vormaligen Strafverteidiger Prof. S. mit Schriftsatz vom 18.02.2013 abgegebenen Erklärungen, denn das Y.-Hospital habe sich in Folge der am 11.01.2013 erfolgten Inhaftierung bereits am 08.02.2013 und mithin vor der Verteidigererklärung im Haftprüfungsverfahren von der vereinbarten Zusammenarbeit losgesagt.

Ferner macht der Kläger geltend, dass das beklagte Land, soweit es sich den Verdienstausfall betreffend auf eine überholende Kausalität im Sinne des § 7 Abs. 4 StrEG berufe, darlegungs- und beweisbelastet sei.

Soweit es das in der Berufungsbegründung in Bezug genommene Telefonat vom 10.01.2013 und die hieraus zu ziehenden Schlüsse betreffe, habe sich der für den siebenten Monat anvisierte Umzug auf den Nachzug der Familie des Klägers bezogen, nicht indes auf seinen Dienstantritt in Jordanien.

Im Hinblick auf den mit der X-Klinik geschlossenen Aufhebungsvertrag beruft sich der Kläger darauf, dass dieser lediglich zur Abwendung einer ihm andernfalls in Aussicht gestellten fristlosen Verdachtskündigung und zur Erhaltung seiner Gehaltsansprüche für einen Zeitraum von neun Monaten erfolgt sei. Die Annahme einer hierdurch verursachten Schaffung eines Haftgrundes sei abwegig; hiergegen spreche auch der Zeitablauf von etwa einem Jahr zwischen Aufhebungsvertrag und Inhaftierung.

Schließlich macht der Kläger geltend, dass das beklagte Land mit der in Höhe von 4.100,65 EUR erklärten Aufrechnung präkludiert sei.

II.

Die zulässige Berufung ist des beklagten Landes ist überwiegend unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Freistellung von seiner gegenüber seinem Bruder eingegangenen Verpflichtung gemäß §§ 7, 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StrEG i. V. m. § 257 BGB.

a) Das Landgericht hat dem Kläger insofern nicht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO etwas Anderes zugesprochen als von diesem beantragt worden ist.

Gemäß § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Der Kläger allein legt den Streitgegenstand fest, den prozessualen Anspruch also, über welchen das Gericht zu entscheiden hat. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2016 - IX ZR 142/14 -, juris Rn. 17). Der Freistellungsanspruch ist jedoch als Minus (Weniger) im Anspruch auf Zahlung enthalten und nicht etwa ein Aliud (etwas qualitativ Anderes) (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 28.08.2014 - 5 U 4/14 -, juris Rn. 48).

Das Landgericht hat daher dem Kläger nur ein Weniger als die von ihm beantragte Zahlung, aber nicht etwas Anderes zugesprochen, indem es das beklagte Land verurteilt hat, den Kläger von seiner Verpflichtung gegenüber seinem Bruder A. O. freizustellen.

Soweit die Berufung rügt, der in diesem Zusammenhang vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 25.11.1993 - IX ZR 51/93 -) läge ein mit der hiesigen Konstellation nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde, greift dieser Einwand nicht durch. Die zitierte höchstrichterliche Entscheidung diente - insoweit völlig tragfähig - ersichtlich dem Beleg (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.1993 - IX ZR 51/93 -, juris Rn. 18) einer in der angefochtenen Entscheidung erfolgten Einordnung des Freistellungsanspruchs als Minus zum Zahlungsanspruch und damit als vom klägerischen Antrag gemäß § 308 ZPO umfasstes Begehren.

Der Bundesgerichtshof hat insofern ausgeführt, dass der Freistellungs- wie der Zahlungsanspruch nur unterschiedliche Ausprägungen ein und desselben Anspruchs sind. Auch der erste beruht auf einer Verpflichtung des Schuldners zum Schadensersatz. Der Schädiger schuldet Ausgleich wegen der von ihm zu verantwortenden Belastung des Vermögens. Diese Schuld kann je nachdem ob diese Belastung aus einer Verbindlichkeit oder sonstigen Vermögensnachteilen besteht, auf Schuldbefreiung oder Zahlung gerichtet sein. Dementsprechend hat die Rechtsprechung den Übergang von einem Zahlungs- auf ein Freistellungsbegehren als bloße Beschränkung des Klageantrags gem. § 264 Nr. 2 ZPO gewertet (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.1993 - IX ZR 51/93 -, juris Rn. 18).

b) Die Voraussetzungen für einen solchen Freistellungsanspruch sind hier erfüllt, weil der Kläger bislang nur mit einer Verbindlichkeit gegenüber seinem Bruder belastet, aber von diesem noch nicht auf Zahlung in Anspruch genommen worden ist.

aa) Gemäß § 2 Abs. 1 StrEG wird aus der Staatskasse entschädigt, wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme einen Schaden erlitten hat, soweit er freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder soweit das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn ablehnt. Andere Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne dieser Vorschrift sind unter anderem Maßnahmen des Richters, der den Vollzug des Haftbefehls aussetzt (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 StrEG). Hierzu zählen unter anderem Anweisungen und Auflagen, die ihrerseits Aufwendungen erfordern, wie etwa Fahrtkosten zur Erfüllung der Meldeauflage, oder Zinsverluste nach sich ziehen, etwa durch die Stellung einer Sicherheit (vgl. Kunz, in: MüKo StPO, 1. Aufl. (2018), StrEG, § 2 Rn. 50).

Soweit das Landgericht Göttingen mit Beschluss vom 16.12.2013 die Außervollzugsetzung des Haftbefehls von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,- EUR abhängig gemacht hat, stellt dies mithin eine grundsätzlich eine Entschädigungspflicht auslösende Maßnahme gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 StrEG dar. Auch hat das Landgericht Göttingen mit Urteil vom 06.05.2015 (Az.: 6 Ks 4/13) gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG die Verpflichtung der Staatskasse festgestellt, den Kläger sowohl für die erlittene Untersuchungshaft als auch für die mit der Aussetzung des Haftbefehls verbundenen Auflagen zu entschädigen. Diese Entscheidung ist rechtskräftig, so dass eine Verpflichtung des beklagten Landes zur Erbringung von Entschädigungsleistungen dem Grunde nach - und für den Senat bindend - feststeht.

Zu den auf Grund einer feststehenden Entschädigungspflicht ersatzfähigen Einbußen gehören die Kosten und Zinsen für einen zur Aufbringung der Sicherheitsleistung aufgenommenen Kredit (vgl. Meyer, StrEG, 11. Aufl. (2020), § 7 Rn. 27 "Kaution"; Kunz, a. a. O., § 7 Rn. 58). Erstattungsfähig sind indes nur solche Schäden, die dem Entschädigungsberechtigten selbst, nicht Dritten entstanden sind (vgl. Meyer, a. a. O.; Kunz, a. a. O., § 7 Rn. 58).

bb) Zur Stellung der vom Landgericht Göttingen zur Auflage für die Außervollzugsetzung des Untersuchungshaftbefehls gemachten Sicherheit in Höhe von 500.000,- EUR hat sich der Kläger gegenüber seinem Bruder A. O. verpflichtet, diesen von einer Zinsforderung gegenüber dem Darlehensgeber in Höhe von 80.000,- EUR aus einem zur Aufbringung der Sicherheitsleistung geschlossenen Darlehensvertrag freizustellen.

Die vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen sind nicht zu beanstanden.

(1) Soweit es zunächst die Rüge des beklagten Landes betrifft, die Feststellungen des Landgerichts seien verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, beruhten nämlich auf einer prozessrechtswidrigen Erhebung des Zeugenbeweises, bleibt diese Rüge ohne Erfolg.

Die Vernehmung des Zeugen A. O. durch das Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2019 stellte keine unzulässige Erhebung eines Ausforschungsbeweises dar.

Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 28.05.2019 - VI ZR 328/18 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 25.04.2019 - I ZR 170/18 -, juris Rn. 9; Urteil vom 04.10.2018 - III ZR 213/17 -, juris Rn. 26; Beschluss vom 25.09.2018 - VI ZR 234/17 -, juris Rn. 8; Beschluss vom 14.03.2017 - VI ZR 225/16 -, juris Rn. 7). Im Interesse der Wahrung des Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG darf das Gericht keine überspannten Anforderungen an die Darlegung stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 25.04.2019, a. a. O.; Beschluss vom 07.06.2018 - III ZR 210/17 -, juris Rn. 4).

Trägt eine Partei Tatsachen vor, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen, ohne nähere Einzelheiten anzugeben, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind, so kann darin weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2020 - VI ZR 97/19 -, juris Rn. 8; Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 31/94 -, juris Rn. 17; Urteil vom 13.07.1988 - IVa ZR 67/87 -, juris Rn. 7).

Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Anerkanntermaßen ist jedoch bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte rechtfertigen können (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2020, a. a. O.; Urteil vom 15.10.2019 - VI ZR 377/18 -, juris Rn. 10; Urteil vom 07.02.2019 - III ZR 498/16 - juris Rn. 37; Urteil vom 04.10.2018, a. a. O.; Urteil vom 08.05.2012 - XI ZR 262/10 -, juris Rn. 40; Urteil vom 25.04.1995 - VI ZR 178/94 -, juris Rn. 13).

Gemessen an diesem Maßstab ist die in I. Instanz erfolgte Vernehmung des Zeugen A. O. nicht zu beanstanden. Die vom Kläger aufgestellte Behauptung, er habe seinem Bruder gegenüber eine "Freistellungsverpflichtung" erklärt bezüglich dessen Verbindlichkeit gegenüber dem Darlehensgeber M. O. zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 80.000,- EUR, genügt den Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag. Das vorgetragene tatsächliche Geschehen, nämlich eine gegenüber dem Bruder abgegebene Erklärung, die im Außenverhältnis geschuldeten Zinsen tragen zu werden (vgl. Bl. 10 d. A.), ist geeignet, das Recht des Zeugen A. O., eine entsprechende Freistellung vom Kläger zu fordern (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB), mithin eine entsprechende Verpflichtung des Klägers als begründet erscheinen zu lassen.

Entgegen der Auffassung des beklagten Landes war der Kläger nicht gehalten, Einzelheiten zur dieser, seinem Bruder gegenüber abgegebenen Erklärung vorzutragen.

Der Bundesgerichtshof hat insoweit klargestellt, dass die Angabe von Einzelheiten zum dem Zeitpunkt und dem Ablauf bestimmter Ereignisse nicht erforderlich ist, wenn diese für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind (vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2008 - V ZR 223/07 -, juris Rn. 7; Urteil vom 04.07.2000 - VI ZR 236/99 -, juris Rn. 8; Urteil vom 21.01.1999 - VII ZR 398/97 -, juris Rn. 7; Urteil vom 12.07.1984 - VII ZR 123/83 -, juris Rn. 12). Insbesondere muss, wenn das Zustandekommen bestimmter Abreden behauptet wird, nicht unbedingt zu Einzelheiten der Umstände dieser Abreden vorgetragen werden (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2000, a. a. O.). Misst das Gericht diesen Einzelheiten für die Zuverlässigkeit oder die Wahrscheinlichkeit der Behauptung Bedeutung zu, sind sie durch entsprechende Nachfrage bei der Beweisaufnahme zu klären (vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2008, a. a. O.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Bestreiten des Sachverhalts durch die Gegenseite. Eine Partei ist nämlich auch nicht deshalb gezwungen, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben, weil der Gegner ihn bestreitet. Dem Grundsatz, dass der Umfang der Darlegungslast sich nach der Einlassung des Gegners richtet, liegt nicht etwa der Gedanke zugrunde, eine Partei sei zur Förderung der Wahrheitsermittlung und zur Prozessbeschleunigung verpflichtet, den Gegner in die Lage zu versetzen, sich möglichst eingehend auf ihre Behauptungen einzulassen. Der Grundsatz besagt nur, dass dann, wenn infolge der Einlassung des Gegners der Tatsachenvortrag unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt, er der Ergänzung bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2008, a. a. O., Rn. 8; Urteil vom 01.06.2005 - XII ZR 275/02 -, juris Rn. 7; Urteil vom 12.07.1984 - VII ZR 123/83 -, juris Rn. 13; Urteil vom 16.05.1962 - VIII ZR 79/61 -, juris).

Nach alldem bedurfte es entgegen der Auffassung des beklagten Landes auch in Ansehung des Bestreitens einer vom Kläger seinem Bruder gegenüber abgegebenen Erklärung, die aus dem Darlehensvertrag zwischen diesem und dem Herrn M. O. resultierende Zinsforderung im Innenverhältnis als eigene Schuld tragen, mithin den Bruder von dieser Verbindlichkeit freistellen zu wollen, keines dezidierteren Vortrags dazu, "wann und unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Maßgaben" (vgl. Berufungsbegründung, dort S. 6, Bl. 340 d. A.) dieses Schuldverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Bruder begründet worden ist.

Bei Vorliegen eines schlüssigen Sachvortrags und gleichzeitigem Fehlen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Behauptung "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" - die im Übrigen auch vom beklagten Land mit der Berufungsbegründung nicht vorgetragen werden - ist ein unzulässiges prozessuales Vorgehen des Klägers nicht ersichtlich.

Die von Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen A. O. war nicht verfahrensfehlerhaft.

(2) Auch soweit die Berufung die Beweiswürdigung betreffend die Vernehmung des Zeugen A. O. und die hierauf gegründete Feststellung einer diesem gegenüber begründeten Freistellungsverpflichtung des Klägers beanstandet, vermag diese Rüge nicht durchzugreifen.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2004 - V ZR 257/03 -, juris Rn. 8 f.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 05.04.2018 - 11 U 37/17 -, juris Rn. 11). Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (vgl. BGH, a. a. O.). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, a. a. O.). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt unter anderem dann vor, wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können, oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (vgl. BGH, a. a. O., OLG Braunschweig, Beschluss vom 05.04.2018 - 11 U 37/17 -, juris Rn. 11).

Hier liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Zeuge nicht nur in Absprache mit dem Kläger bzw. dessen Ehefrau ein Darlehen in Höhe von 500.000,- EUR bei einem befreundeten Geschäftsmann aufgenommen hat, sondern dass überdies zwischen dem Zeugen und dem Kläger die Absprache bestand, dass der Kläger die aus dem vorgenannten Darlehensvertrag resultierende Zinsverpflichtung tragen solle.

Der Zeuge hat bekundet, dass er zwar nicht direkt mit seinem in Untersuchungshaft befundenen Bruder, aber mit dessen Ehefrau vereinbart habe, dass sein Bruder ihm die für das Darlehen anfallenden Zinsen "geben müsse", damit er sie sodann an den Darlehensgeber zurückzahlen könne.

Das Landgericht hat diese Angaben des Zeugen als nachvollziehbar und plausibel und damit glaubhaft gewürdigt. Dabei hat es in seine Würdigung eingestellt, dass der Zeuge Widersprüche, die sich für die Kammer zwischen dem schriftlich fixierten Inhalt des als Anlage K 3 vorgelegten Darlehensvertrages und dem Vortrag des Klägers ergeben hatten, mit einem für ihn zunächst unvorhergesehen langen Einbehalt der aus der Darlehensvaluta gestellten Sicherheitsleistung habe aufklären können. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen, wonach es der Kläger gewesen sei, der aus dem Darlehensvertrag habe wirtschaftlich verpflichtet werden und den mithin auch die Zinszahlungspflicht letztlich habe treffen sollen, hat das Landgericht ins Feld geführt, dass es auch der Kläger gewesen sei, der alleiniger Nutznießer des aufgenommenen Darlehens gewesen sei. Dies stehe auch in Einklang mit dem ebenfalls vom Zeugen bestätigten Umstand, dass die Zinszahlung gegenüber dem ihm gut bekannten Gläubiger bislang nicht habe erbracht werden müssen, weil dieser bereit sei, mit der Geltendmachung des Zinsanspruchs zuzuwarten, bis der Kläger nach Abschluss dieses Rechtsstreits über Mittel zur Rückzahlung verfüge. Für eine wirtschaftliche Einstandspflicht des Klägers für die aus dem Darlehensvertrag resultierenden rechtlichen Verpflichtungen spreche letztlich auch der unstreitige Umstand, dass der Kläger das Darlehen unmittelbar nach Auskehrung der Kaution an den Darlehensgeber direkt zurückgezahlt habe.

Diese vom Landgericht vorgenommene Würdigung der Angaben des Zeugen A. O. ist nachvollziehbar und überzeugend. Sie ist weder in sich widersprüchlich noch verstößt sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

Auch bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an einer Vollständigkeit der insoweit getroffenen Feststellung des Landgerichts begründen.

Für Zweifel an der Vollständigkeit der Beweiswürdigung genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird, weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2004, a. a. O., Rn. 11). Es genügen also schlüssige Gegenargumente, die die erhebliche Tatsachenfeststellung in Frage stellen (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. (2020), § 529 Rn. 3).

Die vom beklagten Land mit der Berufung vorgebrachte Einwendung gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen A. O. ist nicht geeignet, die Überzeugungskraft dieses Zeugenbeweises als das tragende Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung zu schmälern. Soweit nämlich die Berufung darauf abstellt, dass der Zeuge in der im Vorfeld seiner gerichtlichen Vernehmung abgegebenen schriftlichen Erklärung vom 24.07.2018 den Rechtsbegriff der "Freistellung" verwendet habe, lässt sich dieser Begriff in der als Anlage K 4 zu den Akten gelangten schriftlichen Erklärung des Zeugen bereits nicht auffinden.

Ungeachtet dessen verfängt aber auch das vom beklagten Land aus dieser Begrifflichkeit abgeleitete Argument nicht, wonach die Verwendung dieses Begriffs den Verdacht begründe, der Zeuge habe keine eigene Wissenserklärung abgegeben, sondern ihm aus prozesstaktischen Gründen "von dritter Seite vermitteltes Fremdwissen" wiedergegeben. Selbst wenn sich nämlich der Begriff der "Freistellung" in der deutschen Übersetzung des von der Berufung in Bezug genommenen Schriftstückes finden würde, so wäre es eine bloße, nicht durch objektive Anhaltspunkte belegte Mutmaßung, dass dieser Begriff gerade nur in der deutschen Rechtsterminologie gebräuchlich ist und dem Zeugen O. nicht - gegebenenfalls aus anderen Kontexten - geläufig sein könnte. Dies gilt umso mehr, als die Argumentation der Beklagtenseite insoweit völlig außer Acht lässt, dass die Verwendung einer bestimmten Begrifflichkeit letztlich auch (nur) der notwendig gewordenen Übersetzung des Schriftstückes aus dem Arabischen in die deutsche Sprache geschuldet sein könnte.

Letztlich ist daher der Inhalt der Anlage K 4 keineswegs geeignet, die aus dem Zeugenbeweis gewonnene Überzeugungskraft zu schmälern oder gar zu erschüttern, weder im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen A. O. noch - als Folge einer mit der Berufung unterstellten wahrheitswidrigen schriftlichen Bekundung - hinsichtlich der vom Landgericht ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise angenommenen Glaubwürdigkeit des Zeugen. Vielmehr ist im Gegenteil zu konstatieren, dass der Inhalt der schriftlichen Erklärung des Zeugen vom 24.07.2018 dessen mündliche Angaben insoweit stützt, als auch in der schriftlichen Erklärung die Rede davon ist, dass er das "Darlehen auf Bitte [s]eines Bruders A. O. aufgenommen" habe. Auch diese Äußerung macht letztlich deutlich, dass die Darlehensaufnahme auf eine Initiative des Klägers zurückging, was seine wirtschaftliche Einstandspflicht für die aus dem Darlehensvertrag erwachsenden Verbindlichkeiten nachvollziehbar und plausibel macht.

Schließlich leidet die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich seiner Feststellung, der Kläger habe gegenüber seinem Bruder erklärt, diesen von Zinszahlungsverbindlichkeiten freizustellen, auch keinen Mangel insoweit als - wie vom beklagten Land eingewandt - die Beweisaufnahme letztlich gar nicht die Behauptung des Klägers bestätigt habe.

Soweit die Berufung mit diesem Einwand darauf abhebt, dass der Zeuge A. O. bekundet habe, dass es keinen direkten Kontakt zwischen ihm und dem Kläger gegeben habe, sondern der Erweiterung der Darlehensaufnahme lediglich Absprachen zwischen dem Zeugen und der Ehefrau des Klägers vorausgegangen seien, vermag dieses Argument bereits aus Rechtsgründen nicht zu verfangen. Denn ein tatsächlicher Hergang, wie vom Zeugen A. O. geschildert, nämlich ein Erklärungsaustausch über die Ehefrau des Klägers, die diesen anders als der Zeuge in der Untersuchungshaft habe besuchen können, steht der Annahme der Begründung einer eigenen schuldrechtlichen Verbindlichkeit des Klägers keineswegs entgegen. Denn es ist - wie das Landgericht zutreffend herausgestellt hat - nach den Angaben des Zeugen davon auszugehen, dass die Ehefrau als Botin oder Stellvertreterin des Klägers Erklärungen gegenüber dem Zeugen abgegeben hat, durch die der Kläger selbst und nicht etwa seine Ehefrau verpflichtet worden ist. Dies gilt umso mehr als auch kein plausibler Grund ersichtlich ist, dass und weshalb sich die Ehefrau des Klägers selbst gegenüber dem Zeugen hätte verpflichten sollen, also Erklärungen für eigene Rechnung und im eigenen Namen hätte abgeben sollen. So ist auch der Zeuge O. davon ausgegangen, dass er das Darlehen auf Bitte seines Bruders aufgenommen hat, und der Kläger hat sich, wie die Rückzahlung zeigt, aus den getroffenen Vereinbarungen auch selbst als verpflichtet angesehen.

Gegen eine "Scheinvereinbarung" spricht hier insofern, dass Bruder und Kläger übereinstimmend einen Ablauf schildern, wie er nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei engen Verwandten nicht unüblich ist, nämlich die Hilfeleistung für einen in Not geratenen Angehörigen auf eine mündliche Absprache hin gegen Übernahme der damit verbundenen Kosten. Hätten der Kläger und sein Bruder eine solche Vereinbarung nur zum Schein zum Nachteil des beklagten Landes treffen wollen, hätte es nahegelegen, dem Gericht einen Vertrag unter Festlegung aller wechselseitigen Verpflichtungen in Schriftform zu präsentieren. Dagegen spricht die Schilderung des Geschehens durch den Kläger und seinen Bruder für eine Vereinbarung, die von wechselseitigem Vertrauen geprägt ist, wie es enge Verwandte üblicherweise füreinander aufbringen.

(3) Schließlich greift auch der Einwand nicht durch, das Landgericht habe nicht, wie geboten, zwischen dem zwischen dem Darlehensgeber und dem Zeugen A. O. geschlossenen Darlehensvertrag auf der einen Seite und dem zwischen dem Zeugen und dem Kläger begründeten Schuldverhältnis auf der anderen Seite unterschieden, sondern insoweit eine unzulässige Interpolation beider Schuldverhältnisse vorgenommen, und deshalb rechtsfehlerhaft einen eigenen Vermögensschaden des Klägers und mithin die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen in seiner Person begründeten Freistellungsanspruch bejaht.

Das Landgericht differenziert in der angefochtenen Entscheidung entgegen der Rüge der Berufung durchaus zwischen beiden Schuldverhältnissen, und zwar sowohl auf der Ebene der Tatsachenfeststellungen (vgl. Urteil des Landgerichts S. 9: "Der Bruder des Klägers bestätigte, dass er [...] ein Gesamtdarlehen [...] bei einem befreundeten Geschäftsmann [...] aufgenommen hat." und "Hinsichtlich der diesbezüglichen Zinsverpflichtung bestand die Absprache dahin, dass der Kläger diese tragen sollte.", Bl. 287 d. A.) als auch im Rahmen der rechtlichen Bewertung dieser Tatsachen. So führt das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung aus, dass zwar der Zeuge A. O. auf Grund des zwischen ihm und dem Darlehensgeber geschlossenen Darlehensvertrages eine eigene Verbindlichkeit zur Rückzahlung des Darlehens und der vertraglich vereinbarten Zinsen eingegangen sei, dass dies aber einem eigenen Entschädigungsanspruch des Klägers nicht entgegenstehe, da "neben diesem Darlehensverhältnis auch eine Verpflichtung des Klägers gegenüber seinem Bruder zur Freistellung seines Bruders gegenüber dem Geldgeber bestand" (vgl. Urteil des Landgerichts S. 10, Bl. 288 d. A.).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass zwischen dem Kläger und seinem Bruder eine Vereinbarung auf Übernahme der aus dem Darlehensvertrag resultierenden Pflichten getroffen worden ist, wobei dahinstehen kann, wie dieser Vertrag rechtlich einzuordnen ist.

Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass eine solche Vereinbarung nach deutschem Recht zu beurteilen ist, wie die Ausführungen des beklagten Landes auf Seite 5 der Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung zeigen. Hiergegen wurden auch im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung auf entsprechenden Hinweis seitens der Vorsitzenden vor dem Senat keine Einwände erhoben.

Ungeachtet der Einordnung des Vertrages als Auftrag oder als Darlehen ist jedoch eine Zahlungsverpflichtung des Klägers begründet. Denn bei einem Auftrag i. S. v. § 662 BGB ist der Auftraggeber ebenso zum Ersatz der Aufwendungen des Auftragnehmers verpflichtet wie bei einem Darlehen i. S. v. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB der Darlehensnehmer zur Zahlung der Zinsen.

cc) Die vom Kläger eingegangene Freistellungsverpflichtung ist auch adäquat kausal auf eine Strafverfolgungsmaßnahme im Sinne des § 2 StrEG, hier auf die gegen den Kläger vollstreckte Untersuchungshaft zurückzuführen.

Der Begriff des Vermögensschadens im Sinne des § 7 StrEG ist dem bürgerlichen Recht entnommen; daher finden grundsätzlich die §§ 249 bis 252 BGB Anwendung, soweit sich aus dem StrEG keine Abweichungen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1990 - III ZR 246/89 -, juris Rn. 11; Urteil vom 26.01.1989 - III ZR 192/87 -, juris Rn. 16; Urteil vom 18.09.1975 - III ZR 139/73 -, juris Rn. 18). Nach den allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts stellen auch die durch das schädigende Ereignis adäquat verursachten Auslagen einen Vermögensschaden dar (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1975, a. a. O., Rn. 28). § 7 StrEG hat die Erstattungsfähigkeit des Vermögensschadens weder ausdrücklich noch sinngemäß auf bestimmte Schadensarten beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1975, a. a. O.). Insbesondere hat es notwendige Auslagen, die durch eine der in § 2 StrEG bezeichneten Strafverfolgungsmaßnahmen bedingt sind und der Aufhebung (Abwendung) einer solchen Maßnahme dienen, nicht von der Entschädigung ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1975, a. a. O.). Die Frage nach der Notwendigkeit von Auslagen ist allerdings nach einem objektiven Maßstab zu beantworten (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1975, a. a. O., Rn. 33). Erstattungsfähig sind nur die Auslagen, die für eine zweckentsprechende Wahrnehmung der Interessen erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1975, a. a. O.). Zweckentsprechend ist eine Maßnahme, die vom Standpunkt eines verständigen Verfahrensbeteiligten aus zum Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich angesehen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.1975, a. a. O.).

Hier ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger nicht über die Barmittel verfügte, um die Kaution aufbringen zu können, und aufgrund seiner Inhaftierung auch kein Darlehen von einer Bank oder einem Kreditinstitut erhalten hätte. Die Beauftragung seines Bruders mit der Aufnahme eines Darlehens bei gleichzeitiger Erfüllungsübernahme ist daher als erforderliche Maßnahme zur Außervollzugsetzung der Untersuchungshaft zu sehen. Es wird insofern auf die nicht näher angegriffenen Feststellungen des Landgerichts Braunschweig verwiesen.

2. Der Kläger hat auch Anspruch auf entgangenen Gewinn in Höhe von 1.079.656,18 EUR gem. §§ 7 Abs. 1, Abs. 2, 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StrEG i. V. m. §§ 249, 252 BGB abzüglich eines Betrages in Höhe von 3.383,22 EUR.

Der Entschädigungsanspruch nach § 7 Abs. 1 StrEG umfasst grundsätzlich auch diejenigen Vermögensschäden, die der Geschädigte dadurch erlitten hat, dass er infolge der Inhaftierung seinen Arbeitsplatz verloren hat oder an einer Erwerbstätigkeit gehindert worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.1990 - III ZR 150/89 -, juris Rn. 2). Für den Nachweis dieses Schadens kommen dem Betroffenen die Beweiserleichterungen nach § 252 Satz 2 BGB und § 287 ZPO zugute (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.1990, a. a. O.). Die Ersatzfähigkeit eines Erwerbsschadens setzt dabei nicht voraus, dass der Geschädigte auf den Erwerb einen Rechtsanspruch gehabt hätte, vielmehr genügt gem. § 252 Satz 2 BGB eine tatsächliche Erwerbsaussicht (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.1986 - VI ZR 151/84 -, juris Rn. 18; Urteil vom 30.11.1979 - V ZR 214/77 -, juris Rn. 18). Für die Schadensfeststellung gilt nach § 252 Satz 2 1. Alt. BGB derjenige Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Zweck der Bestimmung ist es, dem Geschädigten den Beweis zu erleichtern (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2005 - X ZR 134/04 -, juris Rn. 13; Urteil vom 24.04.1979 - VI ZR 204/76 -, juris Rn. 14; Urteil vom 05.02.1987 - IX ZR 161/85 -, juris Rn. 41). Ist ersichtlich, dass der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, dann wird vermutet, dass er gemacht worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2005, a. a. O.). Volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 26.07.2005, a. a. O.; Urteil vom 05.02.1987, a. a. O.).

a) Das Landgericht Braunschweig hat insofern festgestellt, dass der Kläger Anfang 2013 eine Anstellung als Viszeralchirurg mit einem monatlichen Festgehalt von 50.000,- USD an der Klinik A. erhalten hätte und ausschließlich die Untersuchungshaft die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Kläger dieses Gehalt nicht vereinnahmen konnte.

Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen würden, bestehen nicht.

Das Landgericht hat seine Feststellungen auf die Aussage des Zeugen Dr. J. gestützt, der bekundet hat, dass Ende 2012 zwischen der Klinikleitung und dem Kläger mündlich vereinbart worden sei, dass der Kläger ab Januar 2013 für 50.000,- USD monatlich als angestellter Transplantationschirurg beschäftigt werden würde.

Das Landgericht hat diese Aussage für glaubhaft und den Zeugen für glaubwürdig angesehen, weil der Zeuge seine eigene Sicht der Dinge unabhängig vom konkreten klägerischen Vortrag bestätigt und keine Probleme gehabt habe, Gehaltsdifferenzen zu erläutern.

Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.

Der Zeuge Dr. J. hat ausweislich des Sitzungsprotokolls detailliert beschrieben, wie und aus welchen Gründen es zu den Verhandlungen mit dem Kläger gekommen ist, wer daran beteiligt war und welche Absprachen getroffen worden sind.

Der Zeuge hat das persönliche Verhältnis zu dem Kläger freimütig offengelegt, was dafür spricht, dass er gegenüber dem Gericht vollumfänglich wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat, und konnte auf Nachfrage sowohl die Gründe für die Vereinbarung eines Gehalts in US-Währung ("Alle ausländischen Mitarbeiter bekommen von uns US-Dollar.") als auch die Höhe ("Das [...] kommt auf die ärztliche Erfahrung an.") erläutern.

Der Zeuge Dr. J. hat nach eigenem Bekunden unmittelbar an sämtlichen Terminen zur Verhandlung über ein mit dem Kläger zu begründendes Beschäftigungsverhältnis teilgenommen und insoweit jederzeit die Möglichkeit gehabt, die von ihm bekundeten Gesprächsinhalte wahrzunehmen.

Der Glaubhaftigkeit seiner Angaben zur Vereinbarung eines monatlichen Einkommens von 50.000,- USD für den Kläger steht auch nicht entgegen, dass es sich hierbei um einen verhältnismäßig hohes Monatseinkommen handelt, das etwa auch das eigene Einkommen des Zeugen betragsmäßig weit überschreitet, denn der Zeuge hat den verhältnismäßig hohen Betrag plausibel damit begründen können, dass die Vergütung von Ärzten in Jordanien üblicherweise eng an der spezifischen Expertise und Erfahrung orientiert sei. In diesem Zusammenhang hat er sehr deutlich gemacht, dass von Seiten der Klinik in A. die Expertise des Klägers als Transplantationschirurg in besonderem Maße geschätzt worden sei. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass der Zeuge zugleich bekundet hat, dass der nun anstelle des Klägers engagierte Chefarzt bei Weitem nicht über eine vergleichbare Expertise verfüge. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge auf die offene Frage nach dem Gehaltsgefüge für Ärzte in Jordanien von sich aus bekundet hat, dass gar Einkommen im Bereich des Doppelten des hier Vereinbarten durchaus nicht unüblich seien. Vor diesem Hintergrund begründet der verhältnismäßig hohe monatliche Verdienst keine durchgreifenden Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen.

Schließlich muss in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt werden, dass die Klinik in A. nach den Angaben des Zeugen nicht zuletzt aufgrund der als mangelhaft erkannten Versorgungslage in Jordanien im Bereich der Organtransplantation nach einem mehrjährigen Planungsvorlauf bestrebt war, ein Transplantationszentrum mit überregionalem Wirkungskreis für mehrere arabische Länder aufzubauen. Angesichts dieser sehr ambitionierten Planungen erscheint es ebenfalls nicht unwahrscheinlich, dass dem Kläger als einem unstreitig ausgewiesenen Transplantationsexperten ein sehr attraktives Einkommensangebot unterbreitet worden ist.

Die Angaben des Zeugen werden weiter gestützt durch die als Anlage K 5 eingereichte Erklärung des Y.-Hospitals vom 12.02.2018. Zwar lässt diese auf Antrag des Klägers abgegebene Erklärung einen persönlichen Verfasser nicht erkennen, jedoch ist ein offizieller Erklärungsgehalt der in diesem Schreiben enthaltenen Inhalte durch das auf dem (im Original in arabischer Sprache verfassten) Dokument enthaltene Dienstsiegel der Klinik sowie eine Unterschrift belegt. In diesem Schreiben wird - insoweit in Einklang mit den Angaben des Zeugen Dr. J. - bestätigt, dass auf Vorschlag des Hospitals mit dem Kläger eine zunächst mündliche Vereinbarung getroffen worden sei über eine Anfang des Jahres 2013 beginnende Vollzeitbeschäftigung des Klägers zu einem monatlichen Gehalt in Höhe von insgesamt 50.000,- USD im ersten Arbeitsjahr.

Die aus diesen Gesamtumständen gewonnene Überzeugung wird nicht erschüttert durch den auch mit der Berufung gerügten Umstand, dass sämtliche Vertragsabreden mit dem Kläger nur mündlich getroffen worden sind.

Für die Annahme eines Erwerbsschadens kommt es nach dem vorgenannten Maßstab nicht darauf an, ob der Kläger bereits einen Rechtsanspruch auf den Erwerb hatte; vielmehr genügt eine tatsächliche Erwerbsaussicht, so dass auch dahinstehen kann, ob hier nach jordanischem Recht bereits ein wirksamer Vertrag oder Vorvertrag geschlossen worden ist.

Von einer solchen tatsächlichen Erwerbsaussicht ist hier aber auszugehen, weil der Kläger aufgrund der getroffenen Abreden davon ausgehen konnte, dass er ab Januar 2013 im Y.-Hospital eine Festanstellung haben würde. Der Zeuge Dr. J. hat in diesem Zusammenhang angegeben, dass es in Jordanien durchaus nicht unüblich sei, derartige Beschäftigungsverträge zunächst mündlich verbindlich zu schließen und erst bei Dienstantritt schriftlich zu fixieren. Bestehen bereits aufgrund der auch im Übrigen konsistenten Angaben des Zeugen Dr. J. keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit gerade dieses Aspektes seiner Aussage, so erscheint das Mündlichkeitsprinzip gerade im konkreten Fall auch deshalb plausibel, weil - wie vom Zeugen angegeben - dem Vertragsschluss eine 10-jährige vertrauensvolle Zusammenarbeit vorausgegangen war, die am Ende sogar freundschaftlichen Charakter gehabt habe. Die Beziehung jedenfalls zwischen ihm und dem Kläger sei deutlich von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass man einander vertraut und auch die Planung eines sehr umfangreichen, ambitionierten Projektes ohne schriftliche Dokumentation vorgenommen hat.

Entgegen der dahingehenden Rüge der Berufung vermag auch der Inhalt eines im Rahmen der Strafverfolgungsmaßnahmen erfassten Telefonates des Klägers vom 10.01.2013 die auf Grund der vorstehenden Erwägungen gewonnene Überzeugung nicht zu erschüttern.

In dem Telefonat, auszugsweise wiedergegeben in dem als Anlage K 1 vorgelegten Schreiben des damaligen Strafverteidigers des Klägers vom 22.02.2018, hat der Kläger auf die Frage des Gesprächspartners, ob er schon nach Jordanien umgezogen sei, geäußert: "Ehrlich gesagt, noch nicht, ... im siebten Monat, so Gott will, werden wir endgültig dort sein". Soweit die Berufung dieser Äußerung den Bedeutungsgehalt zumisst, dass der Kläger entgegen seinem Vorbringen im hiesigen Rechtsstreit gar nicht vorgehabt habe, Anfang des Jahres 2013 die behauptete Vollzeittätigkeit in A. aufzunehmen, verfängt diese Argumentation nicht.

So ist zu berücksichtigen, dass der Kläger insoweit nicht von "sich", sondern von "wir" gesprochen hat, was den Schluss darauf zulässt, dass er die Erklärung nicht in Bezug auf seine eigene Person, sondern mit Blick auf seine Familie abgegeben hat. So haben die strafrechtlichen Ermittlungen zum damaligen Zeitpunkt - insoweit wird Bezug genommen auf S. 15 des vorgenannten Schreibens des Verteidigers (vgl Anlage K 1) - gerade ergeben, dass der Kläger in Vorbereitung auf eine berufliche Veränderung in den Herbstferien 2012 in Begleitung seiner Ehefrau und aller vier Kinder nach Jordanien geflogen ist, um der Familie einen Eindruck von den dortigen Lebensverhältnissen zu verschaffen und die Voraussetzungen für eine Beschulung der Kinder vor Ort abzuklären. Vor diesem Hintergrund ist es plausibel, wie vom Kläger mit der Berufungserwiderung vorgetragen, dass sich diese Äußerung gegenüber seinem Gesprächspartner im Telefonat vom 10.01.2013 auf einen Nachzug seiner Familie nach Jordanien bezogen hat, die idealerweise nicht unterjährig, sondern zum Schuljahreswechsel habe erfolgen sollen. Ein Argument gegen eine tatsächlich für ihn persönlich zu einem früheren Zeitpunkt geplante Aufnahme seiner neuen beruflichen Tätigkeit folgt hieraus nicht.

Auch soweit die Berufung rügt, dass sich das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt habe, dass der Kläger noch im Haftprüfungs- und Haftbeschwerdeverfahren zur Widerlegung einer Flucht- und Entziehungsgefahr betont habe, keine konkreten Bestrebungen zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit in Jordanien zu verfolgen, liegt hierin kein Wertungswiderspruch, der geeignet wäre, die aufgrund der übrigen Umstände gewonnene Überzeugung von der verbindlichen Vereinbarung eines Beschäftigungsverhältnisses zu erschüttern.

Dass das Ansinnen des Klägers und somit auch der Inhalt von Verteidigererklärungen während des andauernden Haftvollzuges vordergründig von der Bestrebung um eine möglichst baldige Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit geprägt gewesen sein dürfte, ist plausibel.

Darüber hinaus bietet auch das Schreiben des Y.-Hospitals vom 08.02.2013 keinen Anhalt dafür, dass eine Anstellung des Klägers nicht tatsächlich beabsichtigt war. Das Schreiben ist im hiesigen Verfahren, integriert in ein Schreiben des Strafverteidigers vom 18.02.2013, als Anlage B 1 vorgelegt worden.

In diesem Schreiben wird in englischer Sprache bestätigt, dass ein Arbeitsvertrag zwischen dem Y.-Hospital und dem Kläger gegenwärtig nicht besteht und dass eine Einstellung während des laufenden Strafverfahrens in Deutschland nicht in Betracht kommt ("[...] This letter is to confirm that Professor Med Dr. A. O. does not currently have a work contract with our hospital and we can not hire him during the proceedings of the current case in Germany [...]", vgl. Anlage B 1).

Bereits dem Wortlaut nach bestätigt dieses im Jahr 2013 ausgestellte Schreiben lediglich, dass zum damaligen Zeitpunkt ("currently") kein laufendes Vertragsverhältnis zwischen der Klinik und dem Kläger bestand. Dies schließt bereits nicht aus, dass ein solches zu einem früheren Zeitpunkt bestanden hat. Dieses Verständnis wird belegt, durch das Schreiben des Y.-Hospitals vom 12.02.2018 (vgl. Anlage K 5), aus dem sich ergibt, dass eine zunächst mit dem Kläger getroffene vertragliche Vereinbarung in Folge der Inhaftierung seitens des Krankenhauses aufgehoben worden war.

Soweit die Berufung schließlich rügt, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung auch der Umstand in den Blick zu nehmen sei, dass ein Transplantationszentrum im Hospital in A. bis heute nicht eingerichtet und betrieben worden sei, vermag auch dies die gewonnene Überzeugung von tatsächlich bestandenen Erwerbsaussicht nicht zu erschüttern.

Entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt, dass die zunächst sehr energisch verfolgten und ehrgeizigen Pläne zur Errichtung eines Transplantationszentrums im Hospital in A. "mir nichts dir nichts" fallen gelassen worden seien, nachdem der Kläger wegen des Strafverfahrens nicht mehr verfügbar gewesen sei.

Der Zeuge Dr. J. hat in diesem Zusammenhang angegeben, dass, nachdem er Kenntnis von der Inhaftierung erlangt habe, die Pläne zunächst über einen Zeitraum von vier bis fünf Monaten aufrechterhalten worden seien, bevor man sich entschlossen habe, zur Durchführung derartiger Operationen ein anderes Team aus Ägypten zu beschäftigen, das zur Durchführung einzelner Operationen nach Jordanien geflogen werde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger fast ein Jahr in Untersuchungshaft war und es einem Arbeitgeber bereits aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist, über einen derart langen Zeitraum eine Stelle frei zu halten.

Diese Angaben erscheinen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ebenfalls glaubhaft. So ist in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass den Verhandlungen mit dem Kläger im Jahr 2012 auch bereits eine mehrjährige Planungsphase vorausgegangen war. Dies belegt letztlich, dass der Aufbau eines solchen Zentrums maßgeblich von einzelnen Charakteren abhängt, sodass der Umstand, dass man, nachdem der Kläger verhindert war, von einer Weiterverfolgung der Pläne abgesehen hat, jedenfalls nicht zwingend den Rückschluss darauf zulässt, dass der Aufbau eines solchen Transplantationszentrums tatsächlich nie geplant gewesen sein sollte. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge Dr. J. überdies angegeben hat, dass man gegenwärtig nicht mehr über hinreichend viele Patienten verfüge, für deren Versorgung es eines Transplantationszentrums bedürfe.

Nach alledem hat der Kläger seine Behauptung bewiesen, wonach er aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen ihm und dem Y.-Hospital in A. ab Anfang 2013 als angestellter Viszeralchirurg für die Klinik tätig sein und hierfür ein monatliches Festgehalt von 50.000,- USD zu fordern berechtigt sein sollte.

Dem weiteren Beweisangebot des Klägers auf Vernehmung des in der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2019 in I. Instanz krankheitsbedingt nicht erschienenen Zeugen A. K. ist vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen.

b) Ein Verstoß gegen eine dem Kläger obliegende Schadensminderungspflicht durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages kann nicht festgestellt werden.

aa) Die Grundsätze des mitwirkenden Verschuldens und der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) gelten auch bei der Entschädigungsberechnung nach § 7 StrEG uneingeschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.1988 - III ZR 143/87 -, juris Rn. 19; Urteil vom 31.10.1974 - III ZR 87/73 -, juris Rn. 15; Meyer, a. a. O., § 7 Rn. 51; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. (2020), Art. 7 StrEG Rn. 2). Der nach den Vorschriften des StrEG zur Entschädigung Berechtigte hat alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um die Entstehung und die Ausweitung des Schadens abzuwenden oder zu mindern (vgl. Meyer, a. a. O.). Die Annahme eines Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Geschädigte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor einem Schaden zu bewahren. Maßgeblich ist die vernünftige und allgemein übliche Verkehrsanschauung, mag diese in concreto auch nur mit Schwierigkeiten zu ermitteln sein. Darüberhinausgehende Sicherungsmaßnahmen werden vom Geschädigten selbst dann nicht erwartet, wenn diese den Schaden vermieden oder geringer gehalten hätten (vgl. Oetker, in: MüKo BGB, 8. Aufl. (2019), § 254 Rn. 30). Dabei obliegt es - trotz von der Justizverwaltungsbehörde zu tragender Beweislast - dem Geschädigten, darzulegen, welche geeigneten Schritte zur Schadensminderung er unternommen hat; bei Verlust des Arbeitsplatzes gehört hierzu die Darlegung von Bemühungen um Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit (vgl. Meyer, a.a.O., Rn. 56).

Gemessen hieran ist der Mitverschuldenseinwand unbegründet.

bb) Dabei kann ungeachtet des Umstandes, ob die X-Klinik als vormaliger Arbeitgeber des Klägers, wie vom Landgericht angenommen, die gegen ihn vollstreckte Untersuchungshaft berechtigterweise zum Anlass für eine fristlose Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses hätte nehmen dürften, nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger durch geeignete Maßnahmen bei Anwendung der im Verkehr erforderlich Sorgfalt den ihm entstandenen Verdienstausfallschaden hätte abwenden können. Denn zum Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckung des Haftbefehls am 11.01.2013 war der Beschäftigungsvertrag durch am 20.01.2012 geschlossenen Aufhebungsvertrag bereits beendet. Der Kläger musste aber im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht mit einer Inhaftierung rechnen und daher auch keine Maßnahmen zur Verhinderung eines nicht absehbaren Schadens ergreifen. Das beklagte Land hat keine Umstände vorgetragen, aufgrund derer für den Kläger eine Inhaftierung zu erwarten gewesen wäre.

cc) Soweit es das Bemühen um die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit nach Entlassung aus der Untersuchungshaft anbelangt, hat der Kläger seinen Darlegungserfordernissen genügt und vorgetragen, weshalb ihm die Erzielung anderweitiger Erwerbseinkünfte objektiv nicht möglich gewesen ist. Eine konkrete Möglichkeit zur Schadensminderung hat auch das insoweit beweisbelastete beklagte Land nicht dargelegt.

c) Soweit das beklagte Land sich schließlich mit der Berufung gegen die Höhe des in der angefochtenen Entscheidung ausgeurteilten Entschädigungsanspruchs wendet, bleibt auch dies weitgehend ohne Erfolg.

aa) Soweit mit der Berufung gerügt wird, das Landgericht habe seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft die vom Kläger vorgelegte Berechnung zum Verdienstausfall als unstreitig zu Grunde gelegt, geht dieser Einwand bereits deshalb fehl, weil sich das Bestreiten des beklagten Landes in Bezug auf den Verdienstausfall lediglich auf die Behauptung des Klägers bezog, in Jordanien steuerpflichtig gewesen zu sein (vgl. Bl. 58 f. d. A.). Hierauf erstreckte sich auch der mit Verfügung des Vorsitzenden vom 07.03.2019 erteilte Hinweis an den Kläger (vgl. Bl. 144 d. A.), auf den dieser zur Frage der Besteuerung substantiiert ergänzend vorgetragen hat.

Ersparte Steuerzahlungen werden regelmäßig nicht als Vorteilsausgleich angerechnet, weil die infolge eines Verdienstausfalls ersparten Steuerbeträge in der Regel dem Betrag entsprechen, den der Berechtigte für die Entschädigungsleistung als Einkommensteuer zu zahlen hat. Hat der Berechtigte keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, behält die Justizbehörde den auf die Entschädigung entfallenden, von der zuständigen Finanzbehörde vorher festzusetzenden, Steuerbetrag ein und führt ihn unmittelbar an das Finanzamt ab (vgl. Kunz, in: MüKo StPO, 1. Aufl. (2018), StrEG § 7 Rn. 95).

Soweit das Landgericht einen Vorteilsausgleich für ersparte Steuerzahlungen unter Anwendung der obigen Maßgaben abgelehnt hat, ist dies in keiner Weise zu beanstanden und wird von der Berufung im Übrigen auch nicht mehr gesondert angegriffen.

bb) Soweit mit der Berufung nun die Berechnung des Verdienstausfalls auch unter dem Gesichtspunkt falscher Wechselkursangaben angegriffen wird, ist das beklagte Land mit diesem neuen Verteidigungsvorbringen gem. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

Das beklagte Land hat die von der Klägerseite bereits erstinstanzlich dargelegte Umrechnung nicht bestritten ("Das vom Kläger zuletzt aufgestellte Zahlenwerk wäre inhaltlich nicht zu beanstanden, wenn es dem Kläger gelänge, die unseres Erachtens anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen.", Bl. 197 d. A.). Auf eine Unbestrittenheit der Berechnung des Verdienstausfalls in I. Instanz hat im Übrigen auch bereits das Landgericht in seinem auf den Tatbestandsberichtigungsantrag vom 26.09.2019 ergangenen Beschluss vom 04.10.2019 (Bl. 306 ff. d. A.) hingewiesen.

cc) Auch ist in I. Instanz ein - wie von der Berufung für geboten erachteter - Hinweis gemäß § 139 ZPO auf eine Unschlüssigkeit der Verdienstausfallberechnung nicht verfahrensfehlerhaft unterblieben.

Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Soweit die Berufung ihre Rüge eines in I. Instanz verfahrensfehlerhaft unterbliebenen Hinweises darauf stützt, dass der klägerische Vortrag zur Berechnung des Verdienstausfallschadens zwar deutschem Recht entsprechend von einer Fälligkeit des Dienstlohns jeweils zum Monatsende ausgehe und deshalb auf den jeweiligen Wechselkurs zum Monatsende abstelle, sich indes nicht zu der Frage verhalte, ob die Vergütung auch nach jordanischen Recht jeweils am Monatsende geschuldet gewesen wäre, begründet dies bereits keine Hinweispflicht gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO, weil das Landgericht in seiner Entscheidung von der Berechnung des Verdienstausfalls, wie vom Kläger vorgetragen, gar nicht abgewichen ist, mithin den jeweiligen monatlichen Fälligkeitszeitpunkt gar nicht anders beurteilt und hierauf seine Entscheidung gestützt hat.

Ungeachtet dessen stellte sich die vom Kläger vorgelegte Berechnung unter Zugrundelegung der von ihm angenommenen Fälligkeitszeitpunkte als schlüssig dar, so dass weitere Hinweise des Landgerichts nicht veranlasst waren.

dd) Bei der Schadensberechnung sind im Wege der Vorteilsausgleichung jedoch Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 3.383,22 EUR zu berücksichtigen.

Nach dem unbestrittenen Vorbringen des beklagten Landes hat der Kläger im Zeitraum vom 11.01. bis 16.12.2013 in der Untersuchungshaft eine Einzelunterkunft und Verpflegung in Form von Frühstück, Mittagessen und Abendessen in Anspruch genommen und insoweit auch eigene Aufwendungen erspart (vgl. Bl. 348 d. A.).

Gemäß Abschnitt B. II. 2. b) aa) der Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (Nds. Rpfl. 12/2011, S. 399 f.) werden bei der Geltendmachung von kongruenten Vermögensschäden gemäß § 7 Abs. 1 StrEG Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung, die die berechtigte Person in Folge einer Haft erspart hat, derart angerechnet, dass je Tag ein Betrag in Höhe von ¾ aus der Summe des Haftkostenersatzes für Einzelunterbringung und des Haftkostenersatzes für Verpflegung (Frühstück, Mittagessen und Abendessen) angerechnet wird. Dabei werden gemäß Abschnitt B. II. 2. b) cc) der Ausführungsvorschriften der Aufnahme- und der Entlassungstag als ein Tag gerechnet. Unter Berücksichtigung der vorliegend maßgeblichen Haftkostenbeiträge gemäß der Bekanntmachung der Festsetzung des Haftkostenbeitrages im Kalenderjahr 2013 vom 29.11.2012 (4523 - 303.10, Nds. Rpfl. 1/2013, S. 20) beläuft sich der anzurechnende Vorteil auf 3.383,22 EUR ((180,20 EUR [monatliche Kosten für Einzelunterbringung] + 47,- EUR [monatliche Kosten für Frühstück] + 86,- EUR [monatliche Kosten für Mittagessen] + 86,- EUR [monatliche Kosten für Abendessen]) / 30 x 339 Tage x 3/4).

Um diesen Betrag ist der Anspruch des Klägers zu kürzen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Berufungsstreitwert war gemäß §§ 45 Abs.1 Satz 1, 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO auf die Wertstufe bis 1.200.000,- EUR festzusetzen.