Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.07.1971, Az.: 5 Wx 31/71

Eintragung einer Erbbauberechtigten bzw. Eigentümerin verschiedener Grundstücke im Wege der Grundbuchberichtigung ins Grundbuch; Übertragung des Eigentums an einem Grundstück durch Staatsakt; Zuweisung von Grundstücken der Kirche durch den Bischof an einen neuen Pfarrer

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.07.1971
Aktenzeichen
5 Wx 31/71
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1971, 16020
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1971:0719.5WX31.71.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 12.10.1970 - AZ: T 478/70

Fundstelle

  • DNotZ 1972, 492-493

Verfahrensgegenstand

Das im Erbbaugrundbuch von Oxxx Band xxx Blatt xxx eingetragene Erbbaurecht und die im Grundbuch von Oxxx Art. xxx und von Oxxx Art. xxx eingetragenen Grundstücke

In der Grundbuchsache
...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die weitere Beschwerde der katholischen Kirchgemeinde Sxxx vom 28.4.1971
gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 12.10.1970
am 19. Juli 1971
durch
den Oberlandesgerichtspräsidenten xxx und
die Oberlandesgerichtsräte xxx und xxx
beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der katholischen Kirchengemeinde Sxxx gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 12.10.1970 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

1

In dem oben bezeichneten Erbbaugrundbuch und in dem Grundbuch von Oxxx Art. xxx ist die katholische Pfarrkirche in Oldenburg als Erbbauberechtigte bzw. als Eigentümerin eingetragen. Im Grundbuch von Oldenburg Art. xxx ist die katholische Kirche im oxxxgischen Teil der Diözese Mxxx als Eigentümerin eingetragen.

2

Durch Urkunde vom 4.10.1962 hat der Bischof von Mxxx die Pfarre und Kirchengemeinde Sxxx errichtet. Der Präsident des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg hat die Errichtung der Pfarre Sxxx aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung des Niedersächsischen Kultusministers am 4.12.1962 von Staats wegen bestätigt und in Vollzug gesetzt ( Amtsblatt für den niedersächsischen Verwaltungsbezirk Oldenburg 1962, S. 182).

3

Der Kirchenprovisor der Gemeinde Sxxx hat beantragt, als Erbbauberechtigte bzw. Eigentümerin der genannten Grundstücke die Pfarrkirche Sxxx im Wege der Grundbuchberichtigung ins Grundbuch einzutragen.

4

Das Amtsgericht und das Landgericht haben die Anträge zurückgewiesen. Die katholische Pfarrkirche Sxxx hat weitere Beschwerde eingelegt.

5

Im einzelnen wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses und auf die Rechtsmittelbegründung verwiesen.

6

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 78 GBO zulässig, aber nicht begründet, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.

7

Der Antrag auf Berichtigung des Grundbuches gemäß § 22 GBO ist mit Recht zurückgewiesen worden, denn diese Vorschrift setzt eine Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 894 BGB voraus, die jedoch nicht vorliegt. Das Grundbuch ist hinsichtlich der Eintragung der Eigentümerin bzw. Erbbauberechtigten nicht durch einen Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs unrichtig geworden.

8

Grundsätzlich richtet sich der Eigentumserwerb nach den allgemeinen Vorschriften, so daß im Regelfalle zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gemäß § 873 BGB die Einigung über die Rechtsänderung, und zwar in der Form des § 925 BGB, und die Eintragung in das Grundbuch erforderlich sind. Auf diese auch im vorliegenden Falle erforderliche Art des Rechtserwerbs will sich die Beschwerdeführerin zu Unrecht nicht verweisen lassen. Wenn es am Ende des ersten Absatzes des § 873 BGB heißt " so weit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt , " so ist damit an - hier nicht vorliegende - Ausnahmen gedacht, die gleichwohl zum Erwerb rechtsgeschäftliche Erklärungen voraussetzen ( vgl. Palandt-Degenhart, 30. Aufl., § 873 Anm. 2 a, c).

9

Die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß die Eigentumsänderung durch einen kirchlichen Hoheitsakt außerhalb des Grundbuchs erfolgt sei, setzt also voraus, daß sie ihre Rechte als Eigentümerin bzw. Erbbauberechtigte kraft Gesetzes oder durch Staatsakt erworben hat. Soweit sie sich hierfür auf die von der Verfassung anerkannte " Autonomie " der Kirchen beruft, zieht sie jedoch aus der Eigenständigkeit der Kirche und aus ihrem Selbstbestimmungsrecht für den vorliegenden Fall zu weitgehende Schlußfolgerungen.

10

Nach Art. 140 Grundgesetz in Verb. mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Verfassung ordnet und verwaltet die Kirche ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Daraus folgt die volle Selbständigkeit der Willensbildung und Willensbestätigung der Kirche in dem Sinne, daß der Staat in ihre inneren Verhältnisse nicht eingreifen darf. Die Autonomie der Kirche ist demnach nicht absolut zu verstehen, gerade weil sie an die Schranken des für alle geltenden Gesetzes gebunden ist. In der anerkannten Autonomie der Kirche liegt vielmehr eine Begrenzung beschlossen, nämlich die Bescheidung auf die eigenen, die spezifisch kirchlichen Angelegenheiten ( Werner Weber NJW 1954, 1767 [OLG Düsseldorf 13.03.1954 - 3 W 14/54]). Die katholische Kirche verwaltet ihre Angelegenheiten u.a. auch dadurch, daß sie durch Ausübung ihrer Organisationsgewalt eine neue Gemeinde errichtet. Das ist durch die Urkunde des Bischofs vom 4.10.1962 geschehen. Soweit in dieser Urkunde zugleich ausgesprochen wird, daß ein Erbbaurecht und ein Grundstück in das Eigentum der Pfarrkirche übergehen und daß die Pfarrstelle ein Grundstück zu Eigentum erhält, liegt darin jedoch ein über den innerkirchlichen Bereich hinausgehender, unmittelbar in den Bereich des weltlichen Rechts hineinwirkender Rechtsakt.

11

Die Ansicht der Beschwerdeführer, daß alle Akte, die von der autonomen Kirche gesetzt werden, generell vom Staat kraft der grundgesetzlichen Regelung auch für den staatlichen Bereich anerkannt werden müssen, gilt nicht für den Fall der bischöflichen Zuweisung eines Grundstücks an einen anderen kirchlichen Rechtsträger. Daß der Bischof bei der Errichtung einer neuen Pfarrgemeinde nicht über Grundstücke mit dinglicher Wirkung auch gegenüber der Umwelt verfügen kann. hat das Oberlandesgericht Oldenburg schon in seinem Beschluß vom 23.1.1963 - 3 Wx 65/62 - ausgeführt und dabei neben den verfassungsrechtlichen Bestimmungen auch die Vorschriften des Kirchensteuergesetzes vom 28.4.1924 und der Kirchengemeindeordnung vom 8.6.1924 erörtert ( Sammlung der im Landesteil Oldenburg geltenden Gesetze, Verordnungen und Bekanntmachungen von Scheer und Niebour, Bd. III, S. 1732 und 1753). Hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

12

Es trifft zwar der Hinweis der Beschwerdeführerin zu, daß die Kirche auch ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten selbst und in eigener Verantwortung ordnet. Der vermögensrechtliche Verkehr der Kirche kann sich aber nur in den Formen des staatlichen Rechts vollziehen. Das gilt jedenfalls solange, als die Grundstücke im Grundbuch eingetragen sind ( OLG Düsseldorf, NJW 1964, 1767). Beabsichtigt die Kirche die in eigener Vermögensangelegenheit gefaßten Beschlüsse auszuführen, so begibt sie sich in den Bereich weltlicher Rechtsbeziehungen ( Bettermann MDR 1966, 881, 884). Mit den Eigentumsverhältnissen sind nämlich Fragen angesprochen, die das " für alle geltende Gesetz " der weltlichen, d.h. vom Staate verantworteten Rechtsordnung zuweist. Wollte die Kirche für sich in Anspruch nehmen, durch den kirchenhoheitlichen Akt des Bischofs einen Eigentumsübergang auch ohne Beachtung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Eigentumsübertragung bewirken zu können, so wäre ihr eine Machtvollkommenheit zuerkannt, die sie außerhalb des " für alle geltenden Gesetzes " stellt und ihre Bestimmungsbefugnis tief in den Bereich säkularer Rechtsbeziehungen hineinträgt ( Werner Weber a.a.O.). Aus der richtig verstandenen Autonomie der Kirche folgt somit nicht die Befugnis, für den Bereich des staatlichen Rechts einen Eigentumsübergang mit der Wirkung anzuordnen, daß das Grundbuch unrichtig wird.

13

Zu Unrecht erblickt die Beschwerdeführerin einen Widerspruch darin, daß ihr angesichts der vom Grundgesetz garantierten Autonomie nicht gestattet sei, wirksam grundstücksrechtliche Rechtsänderungen vorzunehmen. Der Umfang und die Begrenzung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ist zwar in der verfassungsrechtlichen Literatur umstritten ( vgl. Schmidt-Bleibtreu-Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 140, Rdz. 2; Hamann-Lenz, Kommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 140, Anm. A 2). Aber auch bei einer im Sinne der Kirche weitgehenden Auslegung der Verfassungsnormen ist zu unterscheiden zwischen solchen kirchenlichen Tätigkeiten, die rein religiösen oder innerkirchlichen Charakter tragen, und solchen, die auch Rechtswirkungen im staatlichen Bereich entfalten. Soweit es staatliche Angelegenheit ist, das in Frage stehende Rechtsgebiet für den staatlichen Bereich zu regeln, unterliegt die Kirche dem allgemeinen staatlichen Gesetz ( Mikat in Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Band IV/1, S. 178). Der Staat greift damit nicht in die Ordnungsbefugnis des Bischofs ein, der einer neuen Pfarre mit verbindlicher Wirkung im Bereich der Kirche Grundstücke zuweisen kann. Nur weil die Durchführung dieser innerkirchlichen Angelegenheit auch den Aufgabenbereich des Staates, nämlich die staatliche Eigentumsordnung, berührt, muß die Kirche dann auch den vom Staat gestellten Anforderungen genügen.

14

Dem kirchlichen Hoheitsakt kommt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin eine für den Staat verbindliche Außenwirkung auch nicht deshalb zu, weil die Kirche als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten durch Satzung mit verbindlicher Kraft für Dritte regeln kann und in der Kirchengemeindeordnung geregelt hat. Zunächst kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Durch ihren Charakter als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist der Kirche zwar die Fähigkeit zuerkannt, Träger öffentlicher Kompetenzen und Rechte zu sein. Ebensowenig wie im Falle von anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts kann aber der innerkirchliche Hoheitsakt, mit dem der Bischof der neu errichteten Pfarrkirche ein Grundstück zugewiesen hat, für den Staat als unmittelbar wirkender Rechtsakt für die Eigentumsordnung verbindlich sein. Da es eine besondere Staatsaufsicht über die Kirchen nicht gibt, hat der Staat den innerkirchlichen Hoheitsakt zu respektieren. Er muß jedoch für den außerkirchlichen Bereich die Beachtung der staatlichen Gesetze fordern, da es der Kirche nicht gestattet ist, in diesem Bereich kraft Gesetzes oder durch Hoheitsakt das Eigentum zu übertragen.

15

Nach allem kann die weitere Beschwerde keinen Erfolg haben.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 KostO.