Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.04.2018, Az.: 9 U 1/18
Gefahr; naheliegend; Sturz; Tierarztpraxis; Tierwaage; Verkehrssicherungspflicht; Waage
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 03.04.2018
- Aktenzeichen
- 9 U 1/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74491
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 07.12.2017 - AZ: 8 O 124/17
- nachfolgend
- BGH - 15.01.2019 - AZ: VI ZR 197/18
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs 1 BGB
- § 249 BGB
- § 253 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine auf dem Boden, 80 cm vom Eingang entfernt seitlich an der Wand stehende quadratische
Tierwaage mit einer Breite von 1 m und einer Höhe von 10 cm, die sich durch ihre schwarze Oberfläche mit silberner Einfassung gegen einen hellen Bodenbelag abhebt, stellt in einem Eingangs-, Anmelde- und Wartebereich einer Tierarztpraxis keine Verkehrssicherungspflichtverletzung dar.
2. Die Gefahr, dass ein Kunde einer Tierarztpraxis, der den Bereich der einer solchen Tierwaage bereits passiert hat, in einer Begegnungssituation mit einem Kunden nach seitlichem Ausweichen nicht einfach stehenbleibt, sondern zusätzlich rückwärts geht, nicht mehr an die Tierwaage denkt und deshalb über diese stürzt, ist zwar abstrakt gegeben, aber nicht naheliegend; als solche ist sie
deshalb verkehrssicherungsrechtlich auch nicht haftungsbegründend.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 7.12.2017 – 8 O 124/17 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
Das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 7.12.2017 – 8 O 124/17 – ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 36.079,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung von Schmerzensgeld, Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden, die sie wegen einer Radiusköpfchenfraktur des rechten Ellenbogens erlitten habe bzw. noch erleide, nachdem sie am 19.1.2017 in der Tierarztpraxis des Beklagten über eine Tierwaage gestürzt sei.
Wegen des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (LGU Seite 2-4 = Bl. 54-56 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 22.12.2017 zugestellten (Bl. 65 d.A.) Urteil hat die Klägerin mit dem am 4.1.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 2.1.2018 Berufung eingelegt (Bl. 66 d.A.), die sie darin auch gleichzeitig begründet hat. Zur Begründung führt sie an:
Die Berufung werde lediglich gegen den früheren Beklagten zu 1 und jetzigen Beklagten als Praxisinhaber und deshalb Verkehrssicherungspflichtigen geführt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stelle der Aufstellungsort der Tierwaage am Vorfallstag eine Verkehrssicherungspflichtverletzung dar. Mit seinem Hinweis vom 9.5.2017 habe das Landgericht die geltendgemachte Schmerzensgeldhöhe zu Unrecht als übersetzt angesehen. Hierzu trägt die Berufung im Einzelnen die Verletzungen der Klägerin und den Behandlung- und Heilungsverlauf sowie die als verblieben angegebenen Beschwerden vertieft vor (Seite 3 f. der Berufungsbegründung = Bl. 68 f. d.A.). Zum Grunde meint die Berufung, das Landgericht argumentiere widersprüchlich, indem es selbst nicht ausgeschlossen habe, dass die streitgegenständliche Tierwaage durchaus eine Gefahrenquelle darstellen könne, das Landgericht aber gemeint habe, dass die Klägerin an ihrem Sturz „selbst Schuld“ habe. Die Beurteilung der Verkehrssicherungspflicht sei nicht an das Verhalten der Klägerin anzuknüpfen, sondern an das des Beklagten, der die Gefahrenlage geschaffen und nicht auf diese hingewiesen habe. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, mit einer Höhe von unstreitig 10 cm liege die Tierwaage „nicht in Sichthöhe“. Unklar sei, was das Landgericht mit der Formulierung meine, für den aufmerksamen Beobachter zeige sich sofort ein Höhenversatz der Flächen. Nach Auffassung der Berufung dürften im Wartebereich eine Tierarztpraxis keine sturzgefährdenden Sachen liegen. Eine Sturzgefahr könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass man in eine Tierarztpraxis mit derartigen Gegenständen rechnen müsse. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Publikumsverkehr der Tierarztpraxis auch ältere Menschen umfasse, zu denen auch die Klägerin gehöre. Das Landgericht habe nicht einmal untersucht, „was es für einen Sinn macht, im Wartebereich einer Tierarztpraxis eine Waage zu deponieren“. Die Verkehrssicherungsanforderungen seien erhöht, weil es sich zum einen um keinen privaten, sondern betrieblichen Bereich mit erhöhtem Publikumsverkehr gehandelt habe, außerdem deshalb, weil die Tierarztpraxis wegen gesundheitlicher Beschwerden, nämlich solcher bei den Tieren, aufgesucht werde, also um „positive Effekte“ zu erleben und nicht einen Sturz über eine Waage. Es sei „am besten“, eine Waage dort nicht aufzustellen. Das Landgericht habe auch das Veranlassungsprinzip nicht beachtet. Die Klägerin sei nur deshalb rückwärtsgegangen und dabei wegen der Waage zu Fall gekommen, weil ein weiterer Kunde im Begriff gewesen sei, den Tresenbereich zu verlassen. Der Anspruch der Klägerin resultiere daher aus § 823 BGB, aber auch aus vertraglicher oder vorvertraglicher Nebenpflicht, weil sie und ihr Ehemann dort Kunden gewesen seien. Allein aufgrund des Vertragsverhältnisses sei „es natürlich klar, dass der Kunde vor gesundheitlichen Schäden geschützt“ werden müsse. Hätte die Waage nicht dort gestanden, wäre sie – die Klägerin – nicht gestürzt.
Die Klägerin kündigt an zu beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Göttingen vom 7.12.2017 – 8. O 124/17 –
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld – Vorstellung der Klägerin: 30.000 € – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.5.2017 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Verdienstausfallschadensersatz einem Betrag von „zur Zeit“ 1.104,00 € zu zahlen,
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Haushaltsführungsschadensersatz einem Betrag von 2.475,00 € zu zahlen,
4. den Beklagten zu verurteilen, zum Ersatz vorgerichtlicher Kosten an die Klägerin einem Betrag von 1.590,91 € zu zahlen,
5. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin weiteren zukünftigen materiellen und objektiv nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, welcher ihr aus dem Vorfall vom 19.1.2017 in der Tierarztpraxis des Beklagten in E. noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Der Beklagte kündigt an zu beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird zunächst auf die Berufungsschrift vom 2.1.2018 (Bl. 66-73 d.A.) und die Berufungserwiderung vom 8.2.2018 nebst Anlage (Bl. 77 bis 82 d.A.) verwiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 19.2.2018 (Bl. 83-90 d.A.) darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Wegen des Inhalts der zu dem Hinweis eingegangenen Stellungnahme wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 5.3.2018 (Bl. 93-97 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin war durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das angefochtene Urteil (Bl. 53 ff. d. A.) erweist sich auch gemessen an den Ausführungen in der Berufungsbegründung (Bl. 66ff. d.A.) als zutreffend. Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht besteht nicht.
Die rechtlichen Erwägungen des Landgerichtes entsprechen dem Gesetz; sie werden von der Berufung im Ausgangspunkt auch nicht in Zweifel gezogen. Zwar hat das Landgericht im engeren Sinne keine Beweise erhoben. Das war indes auch nicht erforderlich, da die maßgeblichen Tatsachen – Ort der Tierwaage zum Vorfallszeitpunkt und richtige Wiedergabe des Aussehens der streitgegenständlichen Tierwaage durch die Lichtbilder (Anlage B1 im Anlagenband) – nicht bestritten sind und hinsichtlich des Hergangs die Schilderung der Klägerin zugrundegelegt worden ist. Die Klägerin greift aber die Würdigung dieser unstreitigen bzw. entsprechend der Schilderung der Klägerin zugrundegelegten Tatsachen durch das Landgericht an und ersetzt diese durch eine eigene, aus der sie meint, rechtlich andere Schlüsse ziehen zu können. Damit kann die Berufung nicht durchdringen. Sie zeigt keine konkrete Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen begründen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 529 Rn. 2d und 3). Zweifel dieser Art kommen hier lediglich aufgrund unterlassener oder fehlerhafter Erfassung von Tatsachen, einer Verletzung materiellen Rechts (z.B. die Verkennung der Beweislast, Reichweite und Anforderungen an Verkehrssicherungspflichten) oder verfahrensfehlerhafter Tatsachenfeststellung in Betracht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.3.2013 - I -24 U 120/12, Rn. 8, hier zit. n. juris = MDR 2013, 1072 [OLG Köln 01.08.2013 - 18 U 29/13]; vgl. OLG Düsseldorf MDR 2013, 1072; OLGR Düsseldorf 2009, 727; 2009, 731). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Auch die rechtliche Einordnung und Bewertung des rechtsfehlerfrei zugrundegelegten Sachverhalts durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden.
Das Landgericht hat ohne Verstöße gegen Denkgesetze, sorgfältig und überzeugend begründet, dass und warum dem Beklagten die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die am Vorfallstag in seiner Praxis aufgestellte Tierwaage nicht anzulasten ist. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (LGU Seite 4-7 = Bl. 56-59 d.A.), die keine verfahrensrechtlichen oder materiellrechtlichen Fehler erkennen lassen und denen sich der Senat nach eigener kritischer Prüfung anschließt, Bezug genommen.
Die Rügen der Berufung greifen – auch unter zusätzlicher Berücksichtigung der klägerischen Stellungnahme vom 5.3.2018 – nicht durch:
1.
Die Ausführungen der Berufung zur Höhe des geforderten Schmerzensgeldes und Schadensersatzes sind nicht erheblich. Die Haftung besteht bereits dem Grunde nach nicht.
2.
Die Argumentation des Landgerichts ist nicht widersprüchlich. Das Landgericht hat lediglich abstrakt ausgeführt, dass Objekte wie die streitgegenständliche Tierwaage eine Gefahrenquelle darstellen können (LGU Seite 5 = Bl. 57 d.A). Für den konkret vorliegenden Einzelfall hat es das unter Berücksichtigung der konkreten und objektiv unstreitigen tatsächlichen Umstände zutreffend verneint (LGU Seite 6 = Bl. 58 d.A.). Darin liegt kein Widerspruch.
3.
Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Landgericht die Klageabweisung nicht tragend auf ein Mitverschulden der Klägerin und deren konkretes Verhalten gestützt. Vielmehr hat das Landgericht – zutreffend und überzeugend – das von der Klägerin persönlich bekundete Verhalten abstrakt dahingehend bewertet, ob ein Tierarzt, der einen Verkehrsbereich wie den vorliegenden eröffnet, Sicherungsmaßnahmen gegen mögliche Stürze durch Personen – bereits abstrakt – für erforderlich halten muss, die, nachdem sie die Tierwaage passiert haben, rückwärtsgehen. Dabei hat es richtig den Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angewendet, nach welchem im Einzelfall zu beurteilen ist, ob die konkrete Tierwaage an ihrem konkreten Ort – wie geschehen – ohne Weiteres aufgestellt werden durfte oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH, Urt. v. 2. Oktober 2012 – VI ZR 311/11, Rn. 6, hier zit. n. juris; BGH, Urteile vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89, VersR 1990, 796, 797; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, VersR 2006, 233 Rn. 9; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, VersR 2007, 659 Rn. 14; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, VersR 2008, 1083 Rn. 9; vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06, VersR 2008, 1551 Rn. 10; vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, VersR 2010, 544 Rn. 5 und vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10, VersR 2011, 546 Rn. 8, jeweils mwN; Hervorhebungen hier durch den erkennenden Senat).
Zu berücksichtigen ist jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich mit dem Landgericht (LGU S. 5 = Bl. 57 d.A.) der erkennende Senat vollumfänglich anschließt, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts optimale Vorsorge getroffen werden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH, aaO, Rn. 7, hier zit. n. juris; BGH, Urteile vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89, aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, aaO Rn. 10; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, aaO Rn. 15; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, aaO; vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06, aaO; vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, aaO Rn. 6; vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10, aaO Rn. 9, jeweils mwN).
Diesen Maßstab hat das Landgericht gesehen, auf den vorliegenden Fall richtig angewendet und demzufolge eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten mit zutreffender Begründung verneint (LGU S. 6, vorletzter Absatz = Bl. 58 d.A.). Entgegen der Auffassung der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 5.3.2018 richtet sich die Reichweite der Verkehrssicherungspflicht nach den vorstehend dargelegten höchstrichterlichen Grundsätzen nicht danach, ob im Einzelfall der Kunde subjektiv auf die Waage achtet oder nicht, sondern allein danach, ob es für den objektiv vernünftigen und umsichtigen Tierarztpraxisbetreiber nahe liegend sein muss, dass ein Kunde das nicht tut und deshalb über die Waage stürzt. Die Gefahr, die sich in dem nach der Schilderung der Klägerin abgelaufenen Sturz realisiert hat, bestand zwar abstrakt, war indes in im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung eben nicht naheliegend. Denn dass jemand bereits unmittelbar, nachdem er an einem Gegenstand, der ausweislich der Lichtbilder (Anlage B1 im Anlagenband) auch zur Überzeugung des Senats gut erkennbar ist, vorbeigegangen ist, rückwärtsgeht und gleichzeitig auch schon nicht mehr daran denkt, dass er gerade an etwas vorbeigegangen ist, dass sich nun zwangsläufig hinter ihm befinden muss, ist so eigenartig und fernliegend, dass es von der Verkehrssicherungspflicht nicht mehr erfasst ist. Unerheblich ist, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit den Begriffen „eigenartig und fernliegend“ meint „wenig anfangen“ zu können. Das Fernliegende und die Eigenartigkeit liegt evident in der objektiv guten Erkennbarkeit der seitlich bis an die Wand heranreichenden Waage (deren schwarz-silberne Farbe hebt sich sehr kontrastreich und zudem durch gut konturierten Schattenwurf dreidimensional gegen den Fußboden ab) sowie in dem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang von zwei Ablaufbestandteilen (Vorbeigehen an der Waage, unmittelbar danach Rückwärtsgehen, ohne an die Waage zu denken).
Diese Umstände sind so prägend für die Situation, dass allein die in der von der Klägerin geschilderten Begegnungssituation etwa liegende gewisse Ablenkung aus verständiger Sicht des Tierarztpraxisbetreibers eine Gefährdung nicht ernsthaft naheliegender macht. Auf die Vorhersehbarkeit des Umstands, dass es überhaupt eine Begegnungssituation geben kann, kommt es nicht an. Der Tierarztpraxisbetreiber darf erwarten, dass in einer Begegnungssituation die Person, die die – hier als erheblich lediglich unterstellte – Engstelle als erste erreicht, ihren Weg schlichtweg fortsetzt und von der anderen Person von vornherein durch Abwarten durchgelassen wird. Unabhängig davon muss er nicht damit rechnen, dass eine – selbst ältere – Person allein aufgrund einer Begegnungssituation die Existenz der gerade eben passierten und gut wahrnehmbaren Tierwaage sogleich wieder vergisst oder schon beim Vorwärtsgehen von vornherein nicht zur Kenntnis nimmt. Einen allgemein anerkannten und gesicherten Erfahrungsgrundsatz, wonach „das menschliche Speicherungsvermögen“ „sicherlich nicht das beste“ sei (vgl. Stellungnahme der Klägerin vom 5.3.2018, S. 5 = Bl. 97 d.A.), gibt es nicht. Unabhängig davon verlangt es einem Kunden der Tierarztpraxis des Beklagten ersichtlich nicht „bestes Speicherungsvermögen“ ab, um die streitgegenständliche Tierwaage wahrzunehmen und sich noch an diese zu erinnern, wenn er gerade an dieser erfolgreich (vorwärts) an ihr vorbeigegangen ist.
Dass die Klägerin die Situation subjektiv für sich anders bewertet, bleibt ihr unbenommen, vermag aber die Erfolgsaussicht der Berufung nicht zu begründen. Es kommt entgegen der Ansicht der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 5.3.2018 auf die vom Gericht festzustellenden und als solche anzulegenden objektiven Maßstäbe an. Eine nahe liegende Gefahr deshalb anzunehmen, nur weil die Tierwaage nicht „in Sichthöhe“ lag, überspannt die Verkehrssicherungspflicht.
Die für die Kundschaft der Tierarztpraxis gute objektive Erkennbarkeit der Tierwaage ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht „konstruiert“ (vgl. Stellungnahme vom 5.3.2018, S. 2 unten = Bl. 94 d.A.). Die Erkennbarkeit ergibt sich nachvollziehbar aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern, deren Beurteilung das Landgericht und der Senat jeweils selbst vornehmen kann. Eine besondere Sachkunde ist dafür nicht erforderlich. Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 5.3.2018 (S. 5 unten = Bl. 96 d.A.) die Aussagekraft der den Eingangsbereich und die Waage wiedergebenden Lichtbilder (Anlage B1 im Anlagenband) als einen „Blick vom grünen Tisch aus“ in Frage zu stellen scheint, ist das unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Lichtbilder die damalige Situation in irgendeiner Weise dahingehend verfälschen, dass die objektiv gute Erkennbarkeit der Tierwaage auf den Fotos besser dargestellt wird, als sie es tatsächlich ist. Für eine entscheidungserhebliche Überlegenheit richterlicher Augenscheinsnahme, welche die Klägerin überdies zu keinem Zeitpunkt beantragt hat (abgesehen davon, dass sie die objektive Wahrnehmbarkeit der Waage auch nicht in Abrede nimmt, vgl. Stellungnahme vom 5.3.2018, S. 4 = Bl. 96 d.A., vorletzter Satz), gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte.
4.
Die wiederholte kategorische Ansicht der Klägerin, eine Tierwaage habe an der konkreten Stelle wie generell „im Eingangsbereich überhaupt nichts zu suchen“, ist ohne rechtlich tragfähige Grundlage. Ob es einen anderen möglichen und zumutbaren Aufstellort in der Praxis gibt, an dem ebenso zweckmäßig ein Tier gewogen werden kann, ist nicht entscheidungserheblich. Die Haftung richtet sich nicht nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, sondern allein nach der Verkehrssicherungspflicht. Die Verkehrssicherungspflicht und ihre Reichweite folgen aus den bereits dargelegten höchstrichterlichen Grundsätzen. Die – sowohl deliktische wie vertragliche – Verkehrssicherungspflicht gebietet es nicht, dass der Betreiber eines – selbst gewerblichen – Verkehrsbereiches die maximal mögliche Sicherheit für jede noch so entfernt liegende Konstellation schuldet (vgl. BGH aaO). Das hat das Landgericht zutreffend herausgearbeitet (LGU Seite 5 = 57 d.A.). Ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Betreten von Gerichtsgebäuden in deren Eingangsbereichen auf dem Boden abgestellte Sachen „bislang nicht erlebt“ hat, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Relevanz.
5.
Bestandteil des tierärztlichen Behandlungsvertrages ist es nicht, dass dem Halter eines Tieres auch jenseits der Grenzen der Verkehrssicherungspflicht garantiert wird, während des Aufenthalts in der Tierarztpraxis nicht zu stürzen. Dass der Halter eines Tieres vom Tierarzt im Rahmen des Behandlungsvertrages dessen dienstvertraglich geschuldetes, nach objektiv-tierärztlichem Standard pflichtgemäßes Bemühen bei der Behandlung erwarten kann, hat ohne Weiteres keinen Einfluss auf die Verkehrssicherungspflicht des Tierarztes in Bezug auf den Aufenthalt und das Bewegen von Menschen in seinen Praxisräumen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin sicherlich nicht erwartet hat, zu stürzen, sondern eher, dass ihrem Tier geholfen wird, erwächst deshalb keine Erweiterung der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten.
6.
Soweit die Klägerin hervorhebt, sie wäre nicht gestürzt, hätte die Tierwaage dort nicht gestanden, betrifft das lediglich die Kausalität. Diese kann als gegeben unterstellt werden, ohne dass dies eine Erfolgsaussicht der Berufung begründet. Aus der Sturzkausalität kann ebensowenig auf die Reichweite der Verkehrssicherungspflicht und die aus der Verkehrssicherungspflicht folgenden Handlungspflichten geschlossen werden, wie aus dem Umstand, dass durch den Betrieb einer Tierarztpraxis überhaupt Verkehrssicherungspflichten ihres Betreibers gegenüber den Kunden entstehen. Die Berufungsbegründung unterliegt insoweit jeweils mindestens im Ergebnis einem denkgesetzlich unzulässigen Zirkelschluss („Tierarztpraxisbetrieb + Schaden = Verkehrssicherungspflichtverletzung“).
7.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Stellungnahme vom 5.3.2018 ausführt, er empfinde ein „Befremden“, weil der Senat „nur Negativabwägungen zu Lasten der Klägerin vorgenommen habe“, liegt das neben der Sache. Die vorgenommene Abwägung ist umfassend. Für einen Antrag nach § 42 Abs. 2 ZPO hat die Berufung zudem offensichtlich auch keinen Anlass gesehen. Dass die Entscheidung „negativ“ für die Berufung ausfällt, ergibt sich allein aus der Sach- und Rechtslage.
III.
Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Zurückweisung beruht auf den Umständen des Einzelfalls in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtslage. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass gleichwohl eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung geboten ist (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der für das Berufungsverfahren festgesetzte Streitwert beruht auf §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1 GKG und entspricht dem geltend gemachten Interesse an der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.