Amtsgericht Hildesheim
Beschl. v. 27.10.1977, Az.: 10 III 42/77
Vortrage der Nichtehelichkeit des Kindes; Rechtsverhältnis zwischen Mutter und nichtehelichem Kind nach deutschem internationalen Privatrecht; Rechtsverhältnis zwischen Vater und nichtehelichem Kind nach deutschem internationalen Privatrecht; Rechtsverhältnis zwischen Vater und nichtehelichem Kind nach jugoslawischem internationalen Privatrecht; Rechtsverhältnis zwischen Vater und nichtehelichem Kind nach italienischem internationalen Privatrecht; Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen in Jugoslawien; Jugoslawisches Interlokales Privtrecht
Bibliographie
- Gericht
- AG Hildesheim
- Datum
- 27.10.1977
- Aktenzeichen
- 10 III 42/77
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1977, 12726
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHILDE:1977:1027.10III42.77.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lehrte - 10.08.1976 - AZ: 5 C 385/76
Fundstelle
- IPRspr 1977, 91
Verfahrensgegenstand
Kind M. V. geboren am 20.6.1975
Tenor:
Es wird festgestellt, daß das Kind M. V. geboren am 20. Juni 1975 in Lehrte, nicht den Familiennamen "C." führt.
Gründe
Frau R. V. hat in Lehrte am 20. Juni 1975 ein Kind geboren, das den Vornamen M. erhalten hat (Geburtenbuch Urkunde Nr. 176 Jahrgang 1975 Standesamt Lehrte). Frau V. ist am 26. Juli 1955 geboren und italienische Staatsangehörige. Sie war zur Zeit der Geburt des Kindes und auch vorher nicht verheiratet. Frau V. und das Kind wohnen in Sehnde. Durch Urteil des Amtsgerichts Lehrte vom 10. August 1976 ist Herr P. C. als Vater des Kindes festgestellt worden. Das Urteil ist rechtskräftig (5 C 385/76 AR Lehrte). Herr C. ist am 10.7.1951 in Vusanje, Monte Negro, geboren, jugoslavischer Staatsangehöriger und Angehöriger des autonomen Gebiets Kosovo.
Das Standesamt Lehrte hat den Vorgang dem Amtsgericht Hildesheim gem. § 45 Abs. 2 PStG zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob das Kind den Familiennamen "C." habe.
Es war festzustellen, daß das Kind nicht den Familiennamen C. führt.
A.
Internationales Privatrecht
I.
Deutsches internationales Privatrecht
a)
Vortrage der Nichtehelichkeit des Kindes
Nach welchem Recht diese Frage zu beurteilen ist, kann dahingestellt bleiben, wenn das Kind nach allen hier in Frage kommenden Rechtssystemen nichtehelich ist, weil seine Mutter bei seiner Geburt und auch vorher nicht verheiratet war, wie weiter unten ausgeführt werden wird.
b)
Rechtsverhältnis zwischen Mutter und nichtehelichem Kind
Gem. Artikel 20 EGBGB, der zu einer allseitigen Kollisionsnorm ausgebaut worden ist, bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen dem nichtehelichen Kinde und der Mutter nach dem Heimatrecht der Mutter (so Soergel-Kegel, Kommentar zum BGB, Art. 20 EGBGB Randziffer 1).
Der Regierungspräsident in Hannover hat in einem Vermerk vom 30. März 1977 zu diesem Fall die Auffassung vertreten, das zu dem Rechtsverhältnis zwischen dem nichtehelichem Kinde und der Mutter auch der Name des Kindes gehöre. Diese Ansicht vermag das Gericht nicht zu teilen. Das von Artikel 20 EGBGB berufene Recht bestimmt über den gesetzlichen Namen des Kindes nur, soweit es den Namen der Mutter erhält (so Soergel-Kegel a.a.O., Art. 20 EGBGB Randziffer 13). Soweit es um die Frage geht, ob das Kind den Vaternamen erworben hat, kann nicht das Recht, das für das Rechtsverhältnis zwischen Kind und Mutter gilt, entscheidend sein. Hierfür muß vielmehr das Recht gelten, daß für das Rechtsverhältnis zwischen Kind und Vater maßgeblich ist.
c)
Rechtsverhältnis zwischen Vater und nichtehelichem Kind
Eine ausdrückliche Kollisionsnorm bezüglich des Rechtsverhältnisses zwischen Vater und nichtehelichem Kind enthält das deutsche internationale Privatrecht nicht. Nach herrschender Meinung ist in entsprechender Anwendung von Artikel 18, 19 EGBGB sowie im Umkehrschluß aus Artikel 20 EGBGB das Heimatrecht des Vaters maßgeblich (so Soergel-Kegel, a.a.O., Art. 21 EGBGB Randziffer 16 ff.; Palandt, Kommentar zum BGB, Artikel 21 EGBGB Anm. 8). Das gilt insbesondere für den Erwerb des Vaternamens durch das Kind (so Soergel-Kegel, a.a.O., Randziffer 17) und für die Feststellung der Vaterschaft (so Soergel-Kegel, a.a.O., Randziffer 22). Im vorliegenden Falle verweist das deutsche Kollisionsrecht insoweit mithin auf das jugoslawische Recht, da der Vater des Kindes die jugoslawische Staatsangehörigkeit besitzt.
d)
Rückverweisung
Artikel 27 EGBGB erwähnt zwar nur einzelne Artikel des Einführungsgesetzes, in denen Rückverweisung stattfinden soll. Die Rechtssprechung ist aber darin einig, daß Art. 27 EGBGB einen allgemeinen Grundsatz ausspricht und die Erwähnung weiterer Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts nur deshalb unterblieben ist, weil sie nur einseitige Kollisionsnormen enthalten (so RG 62, 400; Palandt, a.a.O., Art. 27 EGBGB Anm. 3).
II.
Jugoslawisches Internationales Privatrecht
a)
Vortrage der Nichtehelichkeit des Kindes
Insoweit kann auch das oben unter A. I. a) gesagte Bezug genommen werden.
b)
Rechtsverhältnis zwischen Vater und nichtehelichem Kind
Das jugoslawische internationale Privatrecht enthält keine ausdrückliche Regelung der Frage des anzuwendenden Rechts für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Generell wird in Jugoslawien für Statussachen von der Staatsangehörigkeit ausgegangen. Das Vaterschaftsanerkenntnis wird in Jugoslawien allein nach dem Heimatrecht des Kindes beurteilt (so Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in einem Gutachten vom 21.3.1975 in 10 III 103/73 AG Hildesheim).
Das Kind besitzt die italienische Staatsangehörigkeit gem. Art. 1 Nr. 2 des italienischen Gesetzes Nr. 555 vom 13. Juni 1912. Denn das Kind ist von einer italienischen Mutter geboren und erwirbt durch die Abstammung von dem jugoslawischen Vater gem. Art. 3 bis 5 des Gesetzes über die jugoslawische Staatsangehörigkeit vom 16.9.1964 nicht die jugoslawische Staatsangehörigkeit. Damit verweist das jugoslawische internationale Privatrecht auf das italienische Recht weiter.
III.
Italienisches Internationales Privatrecht
a)
Vortrage der Nichtehelichkeit
Insoweit kann auf das oben unter A. I. a) Gesagte Bezug genommen werden.
b)
Rechtsverhältnis zwischen Vater und nichtehelichem Kind
Ob ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, bestimmt sich nach herrschender Meinung nach Art. 17 Abs. 1 der Einleitung zum Codice civile. Das bestehende Rechtsverhältnis zwischen dem nichtehelichen Kinde und dem Erzeuger richtet sich nach dem Heimatrecht des Vaters (so Bergmann, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Italien, Seite 12). Da der Erzeuger Jugoslawe ist, verweist das italienische Recht mithin auf das jugoslawische Recht zurück.
IV.
Jugoslawisches Internationales Privatrecht
1.
Jugoslawisches Internationales Prozeßrecht
Für die Frage, ob ausländische Gerichtsentscheidungen in Jugoslawien anerkannt werden, sind in erster Linie die internationalen Verträge maßgeblich. In Ermangelung solcher regelt sich diese Frage nach dem Einführungsgesetz zur jugoslawischen Zivilprozeßordnung vom 8.12.1956 (so Bergmann, a.a.O., Jugoslawien, Seite 21). Internationale Verträge über die Anerkennung ausländischer Vaterschaftsfeststellungsurteile bestehen zwischen Jugoslawien und der Bundesrepublik Deutschland nicht. Das Haager Abkommen über den Zivilprozeß vom 1.3.1954, das zwischen Deutschland und Jugoslawien gilt, betrifft diese Frage nicht.
2.
Jugoslawisches Interlokales Recht
Mit Wirkung vom 1.1.1972 ist in Jugoslawien die Gesetzgebungszuständigkeit unter anderem für das Familienrecht von der Föderation auf die einzelnen Gliedrepubliken und autonomen Gebiete übergegangen. Ein einheitliches jugoslawisches Familienrecht existiert mithin nicht mehr. Demzufolge muß bei einer Verweisung des Kollisionsrechts auf jugoslawisches Recht zunächst die maßgebliche Teilrechtsordnung durch eine Unteranknüpfung ermittelt werden. Diese Entscheidung bleibt bei einer Verweisung auf einen Mehrrechtsstaat im Prinzip dem interlokalen Privatrecht des betreffenden Gesamtstaates überlassen. Auch ein einheitliches interlokales Privatrecht existiert in Jugoslawien jedoch nicht. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist zwar bereits ausgearbeitet worden. Bislang ist jedoch noch nicht abzusehen, ob und in welcher Fassung er inkraft treten wird. Unter diesen Umständen ist die maßgebende Teilrechtsordnung deshalb aus den Anknüpfungspunkten der deutschen Kollisionsnormen zu entwickeln. Bei Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit entscheidet in der Regel der gewöhnliche Aufenthaltsort innerhalb des Heimatstaates. Wenn ein solcher nicht vorhanden ist, wird an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft (so Palandt, a.a.O., Vorbemerkung 12 vor Art. 7 EGBGB; Gutachten des Instituts für internationales Privatrecht der Universität München vom 9.8.1977 in 10 III 21/77 AG Hildesheim). Da sich der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort des Vaters in Kosovo befindet, kommt es bezüglich der Voraussetzungen einer Vaterschaftsanerkennung und Namensführung auf das Recht der autonomen Republik Kosovo an.
B.
Materielles Recht
a)
Nichtehelichkeit des Kindes
Das Kind ist, weil seine Mutter bei seiner Geburt und auch vorher nicht verheiratet war, sowohl nach dem deutschen (§§ 1591 ff. BGB) als auch nach dem italienischen (Art. 231 ff. Codice civile) als auch nach dem Recht des autonomen Gebiets Kosovo (Art. 20 ff. des Gesetzes über die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern vom 30.12.1970 des autonomen Gebiets Kosovo) nichtehelich.
b)
Rechtsverhältnis zwischen Vater und nichtehelichem Kinde
In dem autonomen Gebiet Kosovo galt zu der Zeit, als das Urteil des Amtsgerichts Lehrte über die Vaterschaftsfeststellung erging, das Gesetz über die Beziehung zwischen Eltern und Kindern vom 30.12.1974 des autonomen Gebiets Kosovo. Gemäß Art. 22 dieses Gesetzes gilt als Vater eines außer der Ehe geborenen Kindes der Mann, dessen Vaterschaft durch eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung festgestellt ist.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen gem. Art. 17 und 18 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozeßordnung vom 18. Dezember 1956 liegen in Ansehung des Urteils des Amtsgerichts Lehrte vom 10. August 1976 vor. Fraglich ist, ob in Jugoslawien dieses Urteil anerkannt wird, ohne daß es in dem in Art. 19 der Zivilprozeßordnung geregelten Anerkennungsverfahren von einem jugoslawischen Gericht durch eine entsprechende Entscheidung desselben ausdrücklich anerkannt ist. Diese Frage kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn das Urteil ohne ein solches Anerkennungsverfahren in Jugoslawien anerkannt würde und damit auch für Jugoslawien die Vaterschaft des Herrn C. gem. Art. 22 des genannten Gesetzes über die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern festgestellt wäre, könnte das Kind nicht den Namen "C." führen.
Gem. Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes über Personennamen vom 28.12.1971 des autonomen Gebietes Kosovo bestimmen die Eltern einvernehmlich den Personennamen des Kindes. Das Kind erhält gem. Art. 3 Abs. 3 des genannten Gesetzes den Zunamen der Eltern oder eines Elternteiles. Einigen sich die Eltern über den Personennamen des Kindes nicht, so bestimmt das zuständige Vormundschaftsgericht den Personennamen des Kindes (Art. 3 Abs. 4). Die Eltern haben hier nicht einvernehmlich als Personennamen des Kindes den Namen C. bestimmt. Aus dem Schreiben des Vaters vom 25. Oktober 1977 an das Amtsgericht Hildesheim ergibt sich, daß er nicht wünscht, daß das Kind seinen Namen trägt. Es liegt auch keine Entscheidung des zuständigen Vormundschaftsgerichts vor, wonach das Kind den Namen O trägt.