Amtsgericht Syke
Urt. v. 23.09.2002, Az.: 27 C 860/02

Anspruch auf Leistungen aus einer Reisegepäckversicherung; Grob fahrlässige Obliegenheitsheitsverletzung des Versicherungsnehmers; Unterbleiben einer unverzüglichen Strafanzeige bei der zuständigen Polizeidienststelle; Vertrauen auf Angaben eines Reisebüromitarbeiters

Bibliographie

Gericht
AG Syke
Datum
23.09.2002
Aktenzeichen
27 C 860/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 33585
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGSYKE:2002:0923.27C860.02.0A

Fundstelle

  • RRa 2003, 44 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Syke
auf die mündliche Verhandlung vom 12.08.2002
durch
die Richterin am Amtsgericht
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.)

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 250,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger buchte im Reisebüro ... eine Flugreise nach Australien. Über das Reisebüro als Agentin der Beklagten schloss er für die Reise bei der Beklagten eine Reisegepäckversicherung ab. Nach der Rückkehr nach Hause am 17.02.2002 stellte der Kläger gegen 19.00 Uhr fest, dass ihm ein mitgeführtes Fernglas aus der Handtasche entfernt worden war. Einen Tag später zeigte er den Schaden im Reisebüro an und bat um Aufnahme des Schadens. Mit Anwaltschreiben vom 27.03.2002 erstattete der Kläger Strafanzeige gegen unbekannt bei dem Polizeikommissariat ...

2

Der Kläger begehrt Erstattung des Zeitwertes des Fernglases und behauptet dazu: Den Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen habe er bei Abschluss des Versicherungsvertrages nicht erhalten. Während des Rückfluges habe er seine Handtasche mit dem Fernglas im Stauraum über seinem Sitz im Flugzeug verpackt. Er habe während des Rückfluges geschlafen. Während einer 1 1/2-stündigen Pause habe er das Flugzeug verlassen, das Fernglas aber im Stauraum gelassen. Die Reisebüromitarbeiterin Frau ... habe ihm gesagt, dass sie alles in die Wege leiten werde, so dass er davon ausgegangen sei, dass sie auch Anzeige bei der Polizei erstatten werde.

3

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.022,58 € zuzüglich 5 % Zinsen p.a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Die Beklagte ist der Ansicht, von ihrer Leistungsverpflichtung befreit zu sein. Denn der Kläger habe den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt, indem er sich während des Rückfluges nicht mehr um sein Fernglas gekümmert habe. Ferner habe er den Diebstahl unverzüglich der Polizei mitteilen müssen.

Entscheidungsgründe

6

Die Klage ist unbegründet.

7

Es kann dahinstehen, ob der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig ermöglicht hat, indem er sich während des Rückfluges nicht mehr um das im Stauraum des Flugzeuges verpackte Fernglas kümmerte (3 6 der Reisebedingungen). Jedenfalls ist die Beklagte deswegen leistungsfrei, weil der Kläger grob fahrlässig keine unverzügliche Strafanzeige bei der zuständigen Polizeidienststelle erstattet hat (§ 5 Ziff. 1 der Versicherungsbedingungen). Gemäß § 5 Ziff. 1 der Versicherungsbedingungen hat der Versicherungsnehmer Schäden durch strafbare Handlungen der nächst zuständigen oder nächst erreichbaren Polizeidienststelle unter Einreichung einer Liste aller in Verlust geratenen Sachen unverzüglich anzuzeigen und sich dies bestätigen zu lassen. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Verpflichtung, so wird die Versicherung von der Leistungspflicht frei, es sei denn, dass die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht (§ 5 Ziff. 3 der Versicherungsbedingungen). Diese Obliegenheit hat der Kläger in grob fahrlässiger Weise nicht erfüllt. Sie war durch den Kläger unmittelbar nach der Entdeckung des Diebstahls zu Hause zu erfüllen, das heißt spätestens am nächsten Tage nach der Rückkehr, das heißt am 18.02.2002, nachdem er den Diebstahl am Vorabend um 19.00 Uhr zu Hause entdeckt hatte. Der Kläger zeigte den Diebstahl bei der Polizei jedoch erst am 27.03.2002 an.

8

Die Annahme einer groben Fahrlässigkeit ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger am Tage nach der Entdeckung des Diebstahls den Schaden im Reisebüro anzeigte und sich auf die Angaben der Reisebüromitarbeiterin verließ, dass diese alles Veranlassen werde. Die Reisebüromitarbeiterin war nämlich gar nicht zur Anzeigeerstattung befugt. Die Anzeigeobliegenheit hat durch die versicherte Person persönlich zu erfolgen. Das ergibt Sich aus dem Zweck der Bestimmung des § 5 Ziff, 1 der Versicherungsbedingungen. Danach sollen durch Personen, die dem Geschehen nahe stehen, zwecks Erleichterung der späteren Regulierung die Feststellungen zum Ablauf getroffen werden. Damit werden Beweise gesichert zum Eintritt des Versicherungsfalls, eventuell auch zum Umfang des Schadens und auch zur Verursachung durch Dritte, was für übergehende Ersatzansprüche von Bedeutung sein kann. Die Reisebüromitarbeiterin war gar nicht in der Lage, Angaben zum Schadensfall zumachen, da sie den Schadensfall gar nicht persönlich miterlebt hat. Dass nur der Kläger persönlich die Anzeige erstatten konnte, war für ihn auch aus dem Wortlaut des § 5 Ziff, 1 der Versicherungsbedingungen ersichtlich. Spätestens im Schadensfall hätte er sich um Erlangung der Versicherungsbedingungen bemühen können und müssen.

9

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91,708 Nr. 11, 711 ZPO.

... Richterin am Amtsgericht