Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 12.12.2003, Az.: 2 W 141/03
Zeitpunkt des Entstehens eines Vergütungsanspruchs für einen Berufsbetreuer; Grundsatz von Treu und Glauben im Betreuungsrecht; Bestellung eines Betreuers im Wege der einstweiligen Anordnung; Betreuung als grundrechtsrelevanter Eingriff in die Freiheitsrechte des Betreuten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 12.12.2003
- Aktenzeichen
- 2 W 141/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 33962
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2003:1212.2W141.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 28.10.2002 - AZ: 32 XVII 396/02
- LG Braunschweig - 05.06.2003 - AZ: 8 T 427/03
Rechtsgrundlagen
- § 27 FGG
- § 29 FGG
- § 56g Abs. 5 FGG
- § 69 FGG
- § 69a FGG
Fundstelle
- FamRZ 2006, 290-291 (Volltext mit red. LS)
In der Betreuungssache
...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts... ,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
am 12. Dezember 2003
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 5.6.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1 nach einem Beschwerdewert von 1943,14 EUR.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Braunschweig hat die Beteiligte zu 1 am 6.8.2001 im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen berufsmäßigen Betreuerin der Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Regelung von Wohnungsangelegenheiten und Regelung von Rechts- und Behördenangelegenheiten bestellt (vgl. Bl. 146 ff Vergütungsheft). Die vorläufige Betreuung nach diesem Beschluss endete am 15.1.2002. Mit Beschluss vom 29.4.2002 bestellte das Amtsgericht Braunschweig erneut die Beteiligte zu 1 im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen berufsmäßigen Betreuerin der Betroffenen für die gleichen Aufgabenkreise und zusätzlich für die Sorge für die Gesundheit der Betroffenen (vgl. Bl. 140 ff Vergütungsheft). Mit Beschluss vom 24.6.2002 wurde die Beteiligte zu 1 endgültig zu berufsmäßigen Betreuerin der Betroffenen für die Aufgabenkreise wie in der einstweiligen Anordnung vom 29.4.2002 bestellt (vgl. Bl. 152 ff Vergütungsheft).
Unter dem 3.4.2002 beantragte die Beteiligte zu 1 die Festsetzung ihrer Vergütung und Auslagen für die Zeit vom 1.1. bis 31.3.2002 in Höhe von 1965,04 EUR gegen die Staatskasse (Bl. 18 ff Vergütungsheft), die mit Verfügung vom 27.5.2002 antragsgemäß festgesetzt wurden und Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens sind.
Die nachfolgenden Vergütungsanträge für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2002 (Bl.32) und vom 1.7. bis 30.9.2002 (Bl. 46) wurden mit Beschluss vom 28.10.2002 teilweise abweichend wegen überhöhten Zeitaufwandes festgesetzt (Bl. 53). In dem nachfolgenden Beschwerdeverfahren zu diesen beiden Anträgen wies das Landgericht in seinem Beschluss vom 9.1.2003 (8 T 3/03 Bl. 67 Vergütungsheft), in dem es die angefochtene Entscheidung teilweise aufhob und an das Amtsgericht zurückverwies, darauf hin, dass für die Zeit ab 16.1.2002 bis zur erneuten Bestellung der Beteiligten zu 1 durch einstweilige Anordnung vom 29.4.2002 keine Vergütung zu zahlen sei, weil die Beteiligte zu 1 in dieser Zeit nicht zur Betreuerin bestellt gewesen sei.
Mit Beschluss vom 31.1.2003 (Bl. 90 Vergütungsheft) setzte das Amtsgericht daraufhin die Vergütung für die Zeit vom 1.4. bis 30.9.2002 teilweise neu fest, wobei alle Tätigkeiten der Beteiligten zu 1 in der Zeit vom 1.4. bis zur Übergabe des Beschlusses vom 29.4.2002 an die Geschäftsstelle zur Bekanntmachung als nicht vergütungsfähig angesehen wurden. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 (Bl. 94 Vergütungsheft) wies das Landgericht durch Beschluss vom 24.4.2003 (8 T 426/03 Bl. 113 ff Vergütungsheft) zurück. Ihre dagegen gerichtete sofortige Beschwerde (Bl. 131 Vergütungsheft, hiesiges Aktenzeichen 2 W 148/03) nahm die Beteiligte zu 1 zurück (Bl. 143 Vergütungsheft), weil das Landgericht die weitere Beschwerde nicht zugelassen hatte.
Mit Schreiben vom 24.2.2003 (Bl. 102) hat der Beteiligte zu 2 gegen den ihm nicht zugestellten Beschluss vom 27.5.2002 bezüglich der Vergütung für die Zeit vom 1.1. bis 31.3.2002 sofortige Beschwerde eingelegt, soweit darin eine Vergütung für Tätigkeiten der Beteiligten zu 1 in der Zeit vom 16.1. bis 31.3.2002 festgesetzt worden ist, weil in dieser Zeit die Beteiligte zu 1 nicht zur Betreuerin bestellt gewesen sei und es sich nicht um die Abwicklung der zuvor bestehenden Betreuung gehandelt habe.
Die Beteiligte zu 1 hat dazu nicht Stellung genommen. In ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 31.1.2003 betreffend u.a. die Vergütung für die Zeit vom 1.4.2002 bis 6.5.2002 (Bl. 94ff) hat die Beteiligte zu 1 geltend gemacht, sie habe die Betreuung in Absprache mit Richter am Amtsgericht Bußmann fortgeführt, weil eine Verlängerung vorgesehen gewesen sei, das Verfahren sich jedoch hingezogen habe. Sie habe am 24.1.2002 mit Herrn Bußmann telefoniert und darüber gesprochen, ob sie weiterhin tätig sein könne und dafür vergütet werde. Herr Bußmann habe eine Verlängerung in Aussicht gestellt und sie ermutigt, die Betreuung weiter zu führen. Sie verwies insofern auch auf ihre Schreiben vom 21.1.2002 (B l. 96 Vergütungsheft) und 1.2.2002 (Bl. 98 Vergütungsheft) an das Amtsgericht.
Mit Beschluss vom 5.6.2003 (Bl. 116ff) änderte das Landgericht den angefochtenen Beschluss vom 27.5.2002 ab und setzte die Vergütung für die Zeit vom 1.1. bis 31.3.2003 auf 21,90 EUR fest. Es lies die weitere Beschwerde zu. Für die Zeit vom 16.1. bis 31.3.2003 könne die Beteiligte zu 1 keine Vergütung verlangen, weil sie nicht zur Betreuerin bestellt gewesen sei. Bei den geltend gemachten Tätigkeiten in dieser Zeit handele es sich auch nicht um Abwicklungstätigkeiten, die auch nach Beendigung der Betreuung noch vergütungsfähig wären.
Gegen diesen ihr am 14.6.2003 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte am 25.6.2003 zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des Landgerichts sofortige weitere Beschwerde eingelegt (Bl. 121) mit dem Antrag, die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Vergütung entsprechend dem Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig festzusetzen. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 27.6.2003 (Bl. 122 ff) hat sie die Beschwerde näher begründet.
Auch im Betreuungsrecht gelte der Grundsatz von Treu und Glauben im Verhältnis zwischen dem Betreuer und dem Vormundschaftsgericht. Hier sei die Beteiligte zu 1 auf Anregung und in Absprache mit dem Vormundschaftsgericht tätig geworden. Mangels juristischer Ausbildung habe sie den Angaben des Vormundschaftsrichters vertraut und sich zur Fortführung der Betreuung verpflichtet gefühlt. Eine Untätigkeit hätte zu schwer wiegenden Nachteilen für die Betreute geführt und es letztlich erforderlich gemacht, dass ihre Tätigkeiten nach erneuter Bestellung mit möglicherweise höherem Aufwand hätten nachgeholt werden müssen. Ein Organisationsverschulden des Gerichts könne nicht zu ihrem Nachteil wirken.
Der Beteiligte zu 2 hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin ist gemäß §§ 56g Abs.5 Satz 2, 27, 29 FGG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors vom 24.2.2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 27.5.2002 war zulässig, insbesondere fristgerecht, denn der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts ist dem Bezirksrevisor nicht zugestellt gemacht worden. Wann der Beschluss vom 27.5.2002 einschließlich der Beschlüsse über die Betreuerbestellungen dem Beteiligten zu 2 sonst bekannt geworden ist, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors zurecht auch als begründet angesehen und eine Vergütung nur für Tätigkeiten der Beteiligten zu 1 bis zum 15.1.2002 festgesetzt.
Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Beteiligten zu 1 für den Zeitraum vom 16. 1. bis 31. 3. 2002 keine Betreuervergütung nach den §§ 1908 i, 1835, 1836, 1836 a BGB zusteht, weil hierfür eine gesetzliche Grundlage nicht besteht. Ein Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers entsteht frühestens ab dem Zeitpunkt seiner wirksamen Bestellung nebst Feststellung der Berufsmäßigkeit gemäß den §§ 69, 69 a Abs. 3 Satz 1 FGG (OLG Schleswig NJW-RR 1999, Seite 660; BayObLG, NJW-RR 2001, Seite 1160 ff; OLG Stuttgart BWNotZ 2002, 44f; OLG Karlsruhe OLGR 2002, 294f = BtPrax 2002, 124; Soergel/ Zimmermann 13. Aufl. § 1836 BGB Rn. 43; Wagenitz Münchener Kommentar 4.Aufl. § 1836 BGB Rn.3, 7, § 1836 a BGB Rn.13). Diese erfolgte hier nach Ablauf der bis zum 15.1.2002 befristeten einstweiligen Betreuungsanordnung erst wieder mit Beschluss vom 29.4.2002, der am 7.5.2002 der Geschäftsstelle zur Bekanntmachung übergeben worden ist.
Bei der Einrichtung einer Betreuung handelt es sich um einen grundrechtsrelevanten Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen, der nur auf gesetzlicher Grundlage unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen erfolgen darf. Ohne richterliche Anordnung gemäß §§ 69, 69 a FGG sind betreuende Tätigkeiten nach den §§ 1896 ff. BGB daher nicht nur nicht vergütungsfähig, sondern auch nicht zulässig.
Es kann dahin stehen, ob der Vortrag der Beteiligten zu 1 über ihre Gespräche mit dem Vormundschaftsrichter zutrifft, denn auch dann stände der Betreuerin für die streitige Zeit keine Vergütung nach den §§ 1908 i, 1835, 1836, 1836 a BGB zu. Ein etwaiges Einvernehmen zwischen der Betreuerin und dem Vormundschaftsgericht über die Notwendigkeit einer weiteren Betreuung kann eine wirksame Betreuerbestellung nicht ersetzen. Etwaige Absichtsbekundungen des Vormundschaftsrichters, den früheren Betreuer alsbald wieder zu bestellen, genügen ebenso wenig wie die Zustimmung des Betroffenen. Eine Bestellung zum Betreuer kann nur durch entsprechenden förmlichen Beschluss und nicht konkludent durch eine mündliche Anweisung, für den Betreuten tätig zu werden, erfolgen. Soweit Zimmermann (FamRZ 1998, 521f [BGH 09.06.1998 - VI ZR 238/97], insbes. 522) das für eine bestimmte Situation anders sieht, ist dem nicht zu folgen. Bei den von Zimmermann dort genannten Tätigkeiten geht es nur um die mündliche Konkretisierung der zur Abwicklung nach Beendigung der Betreuung erforderlichen Tätigkeiten.
Eine Vergütung steht der Beteiligten zu 1 auch dann aus den erörterten Gründen nicht zu, wenn die Betreuung für den hier streitigen Zeitraum tatsächlich erforderlich gewesen ist und deren Anordnung lediglich aufgrund von Verzögerungen des Vormundschaftsgerichts unterblieben ist. Für eine mündliche Bestellung besteht auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Betroffenen kein Bedürfnis, weil durch das Instrument der einstweiligen Anordnung nach §§ 69 f FGG auch in Eilfällen ausreichend schnell gehandelt werden und notwendige soziale und medizinische Unterstützung oder Hilfe vom Betroffenen auch ohne rechtliche Betreuung in Anspruch genommen werden kann.
Die von der Beteiligten zu 1 vorgetragenen Gespräche mit dem Vormundschaftsrichter können auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes einen Vergütungsanspruch nicht begründen. Die Betreuerbestellung erfolgt nicht im Interesse des Betreuers sondern im Interesse des Betroffenen, der ggf. bei ausreichenden Vermögensverhältnissen auch für die Kosten der Betreuung aufkommen muss. Insofern liegt der Fall hier anders als in dem von der Beteiligten zitierten Fall, den das OLG Frankfurt (FamRZ 2002, 1362f) entschiedenen hat. Dort ging es um die von der wirksam bestellten Betreuerin verauslagten Kosten ihrer Urlaubsvertretung.
Sofern die Beteiligte zu 1 tatsächlich wie von ihr vorgetragen auf Veranlassung des Amtsgerichts tätig geworden ist und die fehlenden Voraussetzungen für eine Betreuertätigkeit nicht erkennen konnte, kommt ein Ersatz ihres Zeitaufwandes allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Staatshaftung (§ 839 BGB, Artikel 34 GG) in Betracht (vgl. Soergel/ Zimmermann, BGB. 13.A., § 1836, Rn. 43), worüber jedoch im hiesigen Verfahren nicht zu entscheiden ist.
Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen des Verfahrens beruht auf den §§ 131 Abs. 1 Nr. 1 KostenO, 13 a I 2 FGG. Der Beschwerdewert ist gemäß § 30 Abs. 1 KostenO nach dem Interesse der Beteiligten zu 1 an der Abänderung der Entscheidung des Landgerichts bestimmt worden.