Amtsgericht Northeim
Urt. v. 26.08.1988, Az.: 3 C 460/88
Einordnung eines Gutscheins als kleines Inhaberpapier oder Schuldschein; Bestehen einer Rücknahmeverpflichtung für ausgegebene Geschenkgutscheine
Bibliographie
- Gericht
- AG Northeim
- Datum
- 26.08.1988
- Aktenzeichen
- 3 C 460/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 18887
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGNORTH:1988:0826.3C460.88.0A
Rechtsgrundlage
- § 807 BGB
Fundstelle
- NJW-RR 1989, 54 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht 3410 Northeim
auf die mündliche Verhandlung vom 09. August 1988
durch
den Richter am Amtsgericht Diederichs
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger erwarb bei der Beklagten, die ein Damen- und Herrenausstattungsgeschäft betreibt, einen sogenannten Geschenkgutschein über 200,- DM, wie er auf Bl. 5 d.A. in Ablichtung ersichtlich ist. Der Kläger beabsichtigte, den Geschenkgutschein einer Frau Schiefelbein weiterzugeben. Zu der Schenkung ist es nicht mehr gekommen.
Der Kläger forderte sodann vorprozessual von der Beklagten die Rückzahlung des Betrages von 200,- DM, was von der Beklagten abgelehnt wurde.
Der Kläger verlangt im jetzigen Rechtsstreit von der Beklagten die Zahlung des Betrages von 200,- DM. Er führt hierzu aus, bei der Zahlung des Betrages, für die der Geschenkgutschein ausgestellt worden sei, handele es sich um die Vorauszahlung auf einen künftig abzuschließenden Kaufvertrag. Ein Kaufvertrag sei mit der Zahlung noch nicht abgeschlossen worden, weil jegliche Konkretisierung über den Abschluß eines solchen Vertrages fehle. Wenn überhaupt zwischen der Beklagten und ihm Vertragsbeziehungen begründet worden seien, dann allenfalls in der Weise, daß die Beklagte berechtigt sei, bei einem Kaufvertrag, den sie mit einer von ihm bestimmten Person abschließe, den eingezahlten Betrag zu verrechnen. Ein solcher besonderer Vertrag zwischen der Beklagten und ihm habe allerdings zur Geschäftsgrundlage, daß ein Kaufvertrag zwischen der Beklagten und einer von ihm begünstigten Person zustandekomme. Hierzu macht der Kläger nähere Ausführungen. Deshalb könne die Vorauszahlung an die Beklagte zugunsten eines Dritten nur unter der aufschiebenden oder auflösenden Bedingung erfolgt sein, daß die Begünstigte einen Kauf bei der Beklagten vornehme. Wenn es, aus welchem Grund auch immer, nicht zu einem Kaufvertrag komme, sei die Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 200,- DM nebst 8 vom Hundert Zinsen seit dem 13.02.1988 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 6,- DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage nicht für begründet. Sie vertritt die Auffassung, es handele sich sehr wohl um einen Kaufvertrag zwischen dem Kläger und ihr, und zwar zugunsten eines vom Kläger zu bestimmenden beliebigen Dritten über den Erwerb von Waren nach dessen freier Wahl. Die vom Kläger an das Zustandekommen des Vertrages geknüpften Voraussetzungen seien keinesfalls Geschäftsgrundlage. Ebensowenig sei der Vertrag unter der aufschiebenden oder auflösenden Bedingung zustandegekommen, daß der Begünstigte einen Kauf bei ihr vornehme. Es liege in der Natur dieses Vertragstyps, daß es ausschließlich in dem Risikobereich des Kunden falle, ob der von ihm Begünstigte Waren bei ihr erwerben wolle oder nicht. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß es dem Kunden völlig freistehe, den Geschenkgutschein aus persönlichen Motiven nicht an den ursprünglich Begünstigten auszuhändigen, sondern diesen entweder einem von ihm zu bestimmenden weiteren Dritten zukommenzulassen oder ihn selbst einzulösen.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht kein Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB oder ein sonstiger Anspruch auf Zahlung des Betrages von 200,- DM gegen die Beklagte zu.
Bei den sogenannten Gutscheinen, die es im geschäftlichen Verkehr in der verschiedensten Form gibt und deren rechtliche Qualifizierung gesetzlich nicht geregelt ist, handelt es sich entweder um einen bloßen Schuldschein, was allerdings selten der Fall ist, oder um ein kleines Inhaberpapier im Sinne von § 807 BGB. Denn zu den in § 807 BGB aufgeführten Karten, Marken und ähnlichen Urkunden zählen auch die Gutscheine, soweit sie nicht Inhaberpapiere sind (Sörgel, Kommentar zum BGB, 9. Auflage, Anm. 2 zu § 807; Staudinger, Kommentar zum BGB, 10./11. Auflage, Anm. 1 zu § 807; Münchener Kommentar zum BGB, 2. Auflage, Anm. 2 zu § 807; Kammergericht OLGZ Band 43, Seite 88). Der hier von der Beklagten ausgegebene Geschenkgutschein ist nicht nur ein bloßer Schuldschein, denn die Beklagte wollte mit der Ausgabe dieses Gutscheins nicht dokumentieren, daß sie einen Betrag von 200,- DM schuldete, sondern der Kläger hat den Gutschein gerade gegen Zahlung eines Betrages von 200,- DM erworben, mithin kommt dem Gutschein Wertpapiercharakter zu. Der Gutschein ist auch kein reines Inhaberpapier, obwohl hier der Name eines Berechtigten genannt ist. Ein Inhaberpapier läge dann vor, wenn die Beklagte nur an den namentlich genannten Begünstigten leisten durfte bzw. ihm gegenüber die Verrechnung vornehmen dürfte. Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden. Der Kläger ist nach Ansicht des Gerichts auf dem Gutschein nur als Erwerber und Frau Carola Schiefelbein als Begünstigte genannt, um den persönlichen Charakter der Schenkung zu unterstreichen. So trägt die Beklagte auch unwidersprochen vor, daß der Kläger aus ihrer Sicht den Gutschein einer anderen dritten Person hätte zukommen lassen können oder ihn selbst hätte einlösen können. Dann liegt jedenfalls kein Inhaberpapier vor. Alle Gutscheine sind ihrem Inhalt nach unvollständig und müssen aus der Einrichtung des sie ausgebenden Gewerbebetriebes oder der sonstigen Institution ergänzt werden, wobei es natürlich auf den Inhalt der Urkunde ankommt (Sörgel, a.a.O., Münchener Kommentar, Anm. 8 zu § 807 BGB).
Unter Berücksichtigung dieser dargelegten Rechtsgrundsätze ist die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger den Betrag von 200,- DM für den Gutschein zurückzuzahlen. Die vom Kläger vorgenommene rechtliche Bewertung beim Erwerb des Gutscheins dahin, daß es sich um eine Anzahlung auf einen noch abzuschließenden Kaufvertrag durch einen Dritten handele, so daß bei dem Nichtzustandekommen eines derartigen Vertrages entweder die Geschäftsgrundlage weggefallen ist oder eine Bedingung nicht eingetreten oder wieder weggefallen ist, ist nicht haltbar. Der Kläger hat vielmehr ein Wertpapier erworben, nämlich ein kleines Inhaberpapier, das er an eine beliebige Person weitergeben oder selbst für sich verwenden kann. Zur Rücknahme des Gutscheins ist die Beklagte nicht verpflichtet. Dies ergibt sich einmal aus dem Vergleich mit ähnlichen kleinen Inhaberzeichen, wie z.B. Theaterkarten, Fahrkarten, Essensmarken und ähnlichen Marken oder Zeichen, die der Ausgeber auch nicht zurückzunehmen braucht. Wenn er es im Einzelfall dennoch tut, geschieht dies aus Kulanzgründen, nicht aber in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung. Mögen auch die einzelnen Inhaberzeichen und Marken einen je nach ihrem Ausgabezweck unterschiedlichen Zweck verfolgen, eine Rücknahme durch den Ausgeber kommt in aller Regel entsprechend dem Ausgabezweck nicht in Betracht. Zum anderen kann auch nach dem konkreten Ausgabezweck durch die Beklagte und dem Erwerbszweck durch den Kläger von einer Rücknahmeverpflichtung der Beklagten nicht ausgegangen werden. Die Beklagte hat den Gutschein ausgestellt, damit der Kläger als Erwerber ihn entweder weitergab oder selbst einlöste; sie verfolgte damit legitime geschäftliche Interessen. Der Kläger wollte den Gutschein zu Geschenkzwecken erwerben und ging damit von vornherein eine feste Bindung ein, nämlich dahin, daß entweder die von ihm begünstigte Person oder er selbst einen Gegenstand im Werte von 200,- DM bei der Beklagten erwerben mußte. Den ansonsten hätte der Kläger der begünstigten Person Bargeld schenken können, was er offenbar nicht wollte. Die Beklagte wie jedes andere Geschäftsunternehmen wäre im Verwaltungsaufwand und der Geschäftsdisposition auch unzumutbar belastet, wenn sie ausgegebene Gutscheine ständig im größeren Umfange zurücknehmen müßte. Ein Gutschein der hier ausgegebenen Art ist auch von vornherein seinem Wesen nach zur Verrechnung gedacht, nicht jedoch zu einer späteren Rücknahme. Dann ergibt sich hier aus den Gesamtumständen ebenfalls, daß die Beklagte nicht verpflichtet war, den ausgegebenen Geschenkgutschein zurückzunehmen und den Betrag von 200,- DM an den Kläger auszuzahlen.
Die Klage war demgemäß abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziffer 11, 713 ZPO.