Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.11.1980, Az.: P OVG L 7/80 (Schl.-H.)

Anforderungen an die Neubesetzung einer Beamtenstelle; Anspruch des Personalrats auf Einsicht in die Unterlagen sämtlicher Bewerber ; Umfang der Rechte des Personalrats

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.11.1980
Aktenzeichen
P OVG L 7/80 (Schl.-H.)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1980, 14180
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1980:1113.P.OVG.L7.80SCHL.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig - 19.09.1980 - AZ: PL 5/80

Verfahrensgegenstand

Einsichtnahme in Bewerbungsunterlagen bei der Besetzung der Stelle des büroleitenden Beamten

Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung

Der Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Schleswig-Holstein des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
hat am 13. November 1980
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 19. September 1980 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

I.

Im Juni 1980 beschloß der Magistrat der Antragsgegnerin, die durch den Tod des bisherigen Stelleninhabers freigewordene Stelle des büroleitenden Beamten (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) auszuschreiben. In der veröffentlichten Stellenausschreibung wurden Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen bis zum 15. September 1980 erbeten. In der Folgezeit gingen 25 Bewerbungen ein, unter ihnen diejenige des im öffentlichen Dienst der Antragsgegnerin stehenden Amtsrates ... der Vorsitzender des Antragstellers ist, sowie diejenige des Kreisamtsrates .... Auf einer Sitzung vom 27. Oktober 1980 beschloß die Stadtvertretung der Antragsgegnerin, die Stelle des büroleitenden Beamten mit dem Bewerber ... zu besetzen. Der Antragsteller hat hierzu eine Stellungnahme bisher nicht abgegeben. Eine in der Abstimmung unterlegene Fraktion der Gemeindevertretung hat den Bürgermeister ersucht, dem Beschluß vom 27. Oktober 1980 zu widersprechen, weil dieser geltendes Recht verletze.

2

Mit einem Schreiben vom 11. September 1980 wandte sich der Antragsteller - Gruppenvertretung der Beamten - an den Bürgermeister mit der Bitte, ihm Einsicht in die Unterlagen sämtlicher Bewerber zu gewähren, und machte geltend: Ihn stehe bei der Neubesetzung der Stelle des büroleitenden Beamten ein Mitbestimmungsrecht nach § 70 Abs. 1 PersVG zu. Sollte hingegen nur ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht nach § 70 Abs. 2 PersVG gegeben sein, weil bisher lediglich der Bewerber ... die Beteiligung des Personalrates beantragt habe, so sei die Einsichtnahme geboten, weil anders die Mitbestimmungsbefugnis nicht sachgerecht wahrgenommen werden könne. Mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte die Antragsgegnerin es ab, dem Antragsteller Einsicht in die Unterlagen sämtlicher Bewerber zu gestatten. In der Folgezeit erklärten sich weitere 10 Bewerber mit der Beteiligung des Personalrates einverstanden.

3

Der Antragsteller hat das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht bei der Besetzung der Beamtenstelle und damit ein Anspruch auf Einsicht in sämtliche Bewerbungsunterlagen zu, weil Inhaber der Stelle kein zu Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugter Beamter im Sinne des § 14 Abs. 3 PersVG sei. Hiervon abgesehen sei ein dahingehendes Einsichtsrecht des Personalrates in den Fällen, in denen die Beteiligung von einzelnen Bewerbern gewünscht werde, deshalb zu bejahen, weil eine sachgerechte Beteiligung im Mitbestimmungsverfahren nur dann möglich sei, wenn der Personalrat eine vergleichende Beurteilung aufgrund der eingegangenen Bewerbungen vornehmen könne.

4

Der Antragsteller hat beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm Einsicht in die Unterlagen sämtlicher Bewerber für die Stelle des büroleitenden Beamten zu gewähren.

5

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

6

Sie hat erwidert: Der Inhaber der zu besetzenden Stelle gehöre zu den Mitarbeitern, die zu Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt seien. Dem büroleitenden Beamten obliege es, über Urlaubsgesuche und Dienstbefreiungen während der Dienstzeit zu entscheiden sowie Überstunden anzuordnen. Werde hiernach die Besetzung der Stelle dieses Beamten von der Mitbestimmung grundsätzlich nicht erfaßt, so könne sich die ausnahmsweise gegebene Beteiligung des Personalrates nur auf den Bewerber erstrecken, der dies wünsche. Die Einsichtnahme in die Unterlagen anderer Bewerber würde auf eine nicht durch § 70 Abs. 2 PersVG gedeckte Erweiterung der Mitbestimmung hinauslaufen und deshalb geschützte Interessen dritter Bewerber beeinträchtigen.

7

Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 19. September 1980 den Antrag abgelehnt und ausgeführt: Der Antrag könne keinen Erfolg haben, weil der durch eine einstweilige Anordnung zu sichernde Anspruch nicht gegeben sei. Das bei einer Einstellung nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 PersVG bestehende Mitbestimmungsrecht werde nach § 70 Abs. 2 PersVG grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die zu besetzende Stelle einen der in § 14 Abs. 3 PersVG bezeichneten Mitarbeiter betreffe. Zu diesen Mitarbeitern gehöre der büroleitende Beamte als Amtsleiter des Hauptamtes der Antragsgegnerin. Nach der Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung für die Stadtverwaltung Eutin sei er befugt, Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle zu treffen. Dazu zähle jedenfalls die Befugnis, über Urlaubsgesuche zu befinden. Seien hiernach die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 PersVG erfüllt, so beschränke sich das Einsichtsrecht des Personalrates auf die Bewerbungsunterlagen derjenigen Bewerber, die dessen Beteiligung beantragt hätten.

8

Gegen den ihm am 1. Oktober 1980 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 14. Oktober 1980 Beschwerde eingelegt. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts betreffe § 70 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 PersVG nicht den Fall, in dem sich - vom Bewerber Lamp abgesehen - nur von außen kommende Bewerber um die zu besetzende Stelle beworben hätten. In derartigen Fällen sei der durch § 70 Abs. 2 PersVG abzuwehrende Interessenkonflikt nicht gegeben. Im übrigen hält der Antragsteller daran fest, daß ihm auch unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 PersVG das Recht zustehe, Einsicht in die Unterlagen sämtlicher Bewerber zu nehmen.

9

Er beantragt,

den angefochtenen Beschluß aufzuheben und nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.

10

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

11

Sie entgegnet: Die vom Antragsteller vertretene eingeschränkte Anwendung des § 70 Abs. 2 PersVG sei nicht richtig. Zweck dieser Vorschrift sei nicht nur, Interessenkonflikte zwischen einem zur Entscheidung in Personalangelegenheiten befugten Mitarbeiter, der bereits in einem Dienstverhältnis stehe, und dem Personalrat auszuschließen, sondern auch, derartige Konflikte bereits bei Begründung des Dienstverhältnisses zu unterbinden.

12

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen, wegen des sonstigen Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

13

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

14

Der Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung ist unzulässig.

15

Nach § 123 VwGO in Verbindung mit § 92 des Personalgesetzes für das Land Schleswig-Holstein - PersVG - vom 17. Januar 1974 (GVOBl Schl.-H. S. 3) kann bei Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsgesetz vorläufiger Rechtsschutz durch eine einstweilige Anordnung gewährt werden. Für das auf Insichtnahme in Bewerbungsunterlagen hinzielende Begehren des Antragstellers kommt lediglich eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dient hiernach die Anordnung dazu, einen "vorläufigen" Zustand zu regeln, so gilt für sie, daß die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf. Dieses Verbot ist berührt, wenn der Rechtsschutzsuchende im einstweiligen Anordnungsverfahren bereits das erstrebt, was ihm auf eine entsprechende Klage bei günstigem Prozeßausgang im Hauptsacheverfahren zugesprochen werden wird (Finkelnburg, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 2. Aufl., Rdn. 165 (S. 65)). Das trifft im vorliegenden Fall zu. Der vom Antragsteller im Klagewege verfolgte Anspruch würde sich ebenfalls auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin richten, ihm Einsicht in die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber zu gewähren. Bei dieser Sachlage ist eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur zulässig, wenn das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) es rechtfertigt, die Hauptsache vorwegzunehmen (vgl. hierzu näher Finkelnburg a.a.O., Rdn. 167 (S. 66); für die Geltung dieser Grundsätze bei Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsrecht: Hess. VGH, Beschl. v. 18.1.1978 - HPV TL 18/77 -). Die Voraussetzungen einer derartigen Ausnahme sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

16

Hierbei könnte bereits bezweifelt werden, ob den Antragsteller ein nicht mehr auszugleichender Nachteil trifft, wenn er auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird. Die begehrte Einsichtnahme in Bewerbungsunterlagen stellt eine vorbereitende Maßnahme zur Ausübung eines vom Antragsteller in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts dar. Der Streit darüber, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht und ob die Dienststelle ein solches Recht durch unzureichende Unterrichtung des Personalrates verletzt hat, ist grundsätzlich im Hauptsacheverfahren auszutragen. Ob unter diesen Umständen eine Ausnahme vom Grundsatz, daß die Hauptsache im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht vorweggenommen werden darf, zu verneinen ist, braucht indessen nicht entschieden zu werden. Dem Antragsteller ist es in jedem Falle zuzumuten, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn auch im Falle eines eingeschränkten Mitbestimmungsrechts nach § 70 Abs. 2 PersVG ist die Antragsgegnerin aufgrund des § 64 Abs. 4 Satz 1 PersVG gehalten, dem Antragsteller die für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts erforderlichen Angaben auch über die Bewerber zu machen, die einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben; findet nämlich unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 PersVG eine Mitbestimmung der Gruppenvertretung des Personalrates unter anderem bei Einstellung eines Beamten (§ 70 Abs. 1 Nr. 1 PersVG) nur auf Antrag des Betroffenen statt, so kann daraus kein Recht hergeleitet werden, der Gruppenvertretung die - für eine vergleichende Beurteilung im Mitbestimmungsverfahren - erforderlichen Informationen überhaupt vorzuenthalten (so zur gleichartigen Regelung im Bundespersonalvertretungsgesetz: Fischer/Goeres, GKÖD, Bundespersonalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, Bd. V, Rdn. 6 zu § 77 BPersVG).

17

Der sich aus dieser Verpflichtung ergebende Informationsstand würde hinter dem vom Antragsteller angestrebten nicht so weit zurückbleiben, daß es für den Antragsteller unzumutbar wäre, wenn er auf den Ausgang eines künftigen Hauptsacheverfahrens verwiesen wird.

18

In einem derartigen Verfahren kann auf eine entsprechende Klage hin geklärt werden, ob dem Antragsteller bei der Besetzung der Stelle des büroleitenden Beamten ein genereller Anspruch darauf zusteht, daß ihm die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber vorgelegt werden (so für die uneingeschränkte Mitbestimmung bei Einstellungen: OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.10.1978 - P OVG L 21/77 (Nds.) -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.9.1979 - XIII 3550/78 -) ob er er einen dahingehenden Anspruch auch bei einer nach § 70 Abs. 2 PersVG eingeschränkten Mitstimmung in Personalangelegenheiten der in § 14 Abs. 3 PersVG bezeichneten Mitarbeiter hat oder ob er im letzteren Falle nur das bereits dargelegte Informationsrecht besitzt.

19

Hiernach war die Beschwerde zurückzuweisen.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

21

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VWGO).

Dr. Dembowski
Dr. Hamann
Ladwig