Versionsverlauf

Pflichtfeld

  • ab 01.01.2021 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 2 DivRL-RdErl - Verfahren

Bibliographie

Titel
Richtlinien für die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren in Jugendstrafsachen bei jugendtypischem Fehlverhalten (Diversionsrichtlinien)
Redaktionelle Abkürzung
DivRL-RdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
33310

2.1 Polizei

2.1.1 Verfahren bei möglicher informeller Verfahrenserledigung

Die Polizei prüft möglichst frühzeitig - in Zweifelsfällen im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft - das Vorliegen der Voraussetzungen der Diversion. Liegt aus Sicht der Polizei ein geeigneter Fall vor, wendet sie die Polizeidienstvorschrift (PDV) 382 "Bearbeitung von Jugendsachen bei der Polizei" (Bezugserlass zu b) mit der Maßgabe an, dass über eine verantwortliche Vernehmung unter vorheriger Beteiligung der Jugendgerichtshilfe und einen Kontakt mit den Erziehungsberechtigten oder den gesetzlichen Vertreterinnen und Vertretern hinaus weitere Ermittlungen im sozialen Umfeld in der Regel unterbleiben, um Beschuldigte nicht über das unvermeidbare Maß bloßzustellen. Die Ermittlungen zur Tat werden auf das Notwendigste beschränkt und kurzfristig durchgeführt. Die Vorgänge werden danach unverzüglich der Staatsanwaltschaft übersandt.

Durch die Polizei sollen insbesondere folgende für eine Diversionsentscheidung bedeutsamen Umstände ermittelt und aktenkundig gemacht werden:

  1. a)

    Einschätzung, ob außer den bereits von der Tatentdeckung und den polizeilichen Ermittlungen ausgehenden Wirkungen weiterer erzieherischer Bedarf besteht; falls dies bejaht wird, sollen die Gründe angegeben werden;

  2. b)

    erzieherische Maßnahmen, die bereits erfolgt oder eingeleitet worden sind, wie etwa

    • Wirkung eines durchgeführten erzieherischen Gesprächs,

    • erfolgte Entschuldigung bei den Geschädigten,

    • geleisteter Schadenersatz oder Wiedergutmachung,

    • die Bereitschaft der Beschuldigten und der Geschädigten - soweit diese Anzeige erstattet haben - zum Täter-Opfer-Ausgleich (TOA),

    • erfolgte oder konkret zu erwartende Maßnahmen der Erziehungsberechtigten oder der gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter, der Schule, Ausbildungs- oder Arbeitsstelle oder der Jugendhilfe,

    • nachteilige Folgen der Tat für die beschuldigte Person wie etwa materielle oder gesundheitliche Folgen oder der Verlust des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes,

    • freiwilliger und wirksamer Verzicht auf Gegenstände, die durch die Tat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind,

    • freiwillige und wirksame Einwilligung in die Löschung unrechtmäßig erworbener oder hergestellter Ton- und Bildaufzeichnungen sowie EDV-Programme oder in die Herausgabe sonstiger durch die Tat erworbener Gegenstände.

Im Rahmen der Ermittlungen (Absatz 1) macht die Polizei darüber hinaus folgende für die Diversion bedeutsamen Umstände aktenkundig und ermittelt nötigenfalls ergänzend:

  1. a)

    bei Jugendlichen: ersichtliche Umstände, die darauf schließen lassen können, dass die beschuldigte Person zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung nicht reif genug war, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 3 JGG),

  2. b)

    bei Heranwachsenden: erkennbare Umstände, die für die Beurteilung von Bedeutung sind, ob die beschuldigte Person zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt (§ 105 Abs. 1 JGG).

2.1.2 Erzieherisches Gespräch

Liegt ein glaubhaftes Geständnis der beschuldigten Person vor, ist der verwirklichte Straftatbestand eindeutig zu bestimmen und hält die Polizei ein erzieherisches Gespräch als Maßnahme für angemessen, arbeitet sie die Verfehlung in einem solchen Gespräch unter Berücksichtigung des Leitfadens "Erzieherisches Gespräch" des LKA mit der beschuldigten Person auf und verdeutlicht den Unrechtsgehalt der Tat. Bei Minderjährigen sollen nach Möglichkeit bereits von Amts wegen die Erziehungsberechtigten oder die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter hinzugezogen werden, wenn ihre Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt und dies dem Wohl der beschuldigten Person dient. Auf Verlangen der beschuldigten Person, einer oder eines Erziehungsberechtigten oder einer gesetzlichen Vertreterin oder eines gesetzlichen Vertreters ist der oder dem Erziehungsberechtigten, der gesetzlichen Vertreterin oder dem gesetzlichen Vertreter, ersatzweise einer anderen für den Schutz der Interessen der beschuldigten Person geeigneten volljährigen Person unter den in § 67 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 JGG genannten Voraussetzungen, und/oder einer Verteidigerin oder einem Verteidiger die Teilnahme am Gespräch zu gestatten.

Das Gespräch ist in angemessener Form zu gestalten, wobei insbesondere das Alter und die Persönlichkeit der beschuldigten Person berücksichtigt werden. Es soll bewirken, dass diese zu der Einsicht gelangt, dass ihr Verhalten nicht richtig war. Es können Ratschläge erteilt werden, wie der Rechtsfrieden zwischen der beschuldigten Person und den Geschädigten wiederhergestellt werden kann. Beschuldigte sind darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens sowie ggf. die Art der Verfahrenseinstellung (siehe auch Nummern 1.2.3 und 1.2.4) der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht obliegt und auch im Fall einer Verfahrenseinstellung nach § 45 oder 47 JGG eine Eintragung in das Erziehungsregister erfolgt.

Widerspricht eine oder einer der Erziehungsberechtigten oder der gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter, die Verteidigerin oder der Verteidiger der Durchführung des erzieherischen Gesprächs, so unterbleibt dies. Dies wird aktenkundig gemacht.

Über das erzieherische Gespräch ist ein Bericht zu erstellen, der mit der Akte der Staatsanwaltschaft vorzulegen ist. Der Bericht soll unter Verwendung des in Anlage 2 wiedergegebenen Vordrucks erstellt werden. Kann der Vordruck nicht verwendet werden, so wird ein inhaltsgleicher Aktenvermerk erstellt.

Es ist sicherzustellen, dass nur besonders geschulte und erfahrene polizeiliche Sachbearbeiterinnen und polizeiliche Sachbearbeiter erzieherische Gespräche führen.

2.1.3 Verfahren in anderen Fällen

In den anderen Fällen ermittelt die Polizei nach pflichtgemäßem Ermessen (PDV 382 - Bezugserlass zu b) und legt die Vorgänge sodann der Staatsanwaltschaft vor.

2.2 Staatsanwaltschaft

2.2.1 Prüfung der Diversionsvoraussetzungen

Die Staatsanwaltschaft prüft in jeder Lage des Verfahrens vor dem Urteil, ob eine Entscheidung im Rahmen der Diversion möglich ist. Anregungen des Gerichts, der Polizei und der Jugendhilfe im Strafverfahren werden unter Berücksichtigung der Sachnähe und Fachkompetenz der anregenden Stelle geprüft. Hält die Staatsanwaltschaft eine Diversion für angemessen, führt sie nach Möglichkeit deren Voraussetzungen kurzfristig herbei.

2.2.2 Beschleunigte Bearbeitung

Verfahren, in denen eine Diversion ersichtlich konkret in Betracht kommt, werden möglichst kurzfristig bearbeitet und abgeschlossen. Es ist jedoch in der Regel geboten, den Eingang des Auszugs aus dem Bundeszentralregister und dem Erziehungsregister abzuwarten. In jedem Fall erfolgt eine Prüfung der Diversionsvoraussetzungen anhand der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensliste. Regt die Staatsanwaltschaft gegenüber der Jugendhilfe oder dem Gericht erzieherische Maßnahmen nach § 45 Abs. 2 oder 3 JGG an, setzt sie sich für die kurzfristige Durchführung der Maßnahmen ein.

2.2.3 Absehen von der Strafverfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG

Bei jugendtypischem Fehlverhalten prüft die Staatsanwaltschaft unter Berücksichtigung der polizeilichen Einschätzung, ob außer den bereits von der Tatentdeckung und dem Ermittlungsverfahren einschließlich des erzieherischen Gesprächs ausgehenden Wirkungen auf die Beschuldigten erzieherische Maßnahmen aufgrund eines konkreten erzieherischen Bedarfs der Beschuldigten erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, so ist regelmäßig bereits ein Absehen von der Strafverfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG angezeigt. Dies gilt auch, wenn erzieherische Maßnahmen von anderer Seite eingeleitet oder durchgeführt worden sind, jedoch nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nicht notwendig sind oder waren.

Das Absehen von der Strafverfolgung erfolgt in diesen Fällen ohne Einschaltung des Gerichts.

Die Einstellungsnachricht an die beschuldigte Person soll in erzieherisch geeigneter Weise auf die Gründe für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens eingehen. Sie enthält den Hinweis auf die Folgen einer Eintragung in das Erziehungsregister.

2.2.4 Absehen von der Strafverfolgung nach § 45 Abs. 2 JGG

Kommt ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 JGG nicht in Betracht, prüft die Staatsanwaltschaft, ob eine informelle Erledigung im Hinblick auf durchgeführte oder eingeleitete erzieherische Maßnahmen insbesondere der Erziehungsberechtigten oder der gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter, der Jugendhilfe, der Schule, der Ausbildungsstelle oder im Hinblick auf das erzieherische Gespräch durch die Polizei in Betracht kommt. Dabei berücksichtigt sie, dass diese Stellen aufgrund ihrer Sachnähe und Fachkompetenz häufig eine sehr gute Kenntnis von den erzieherischen Bedürfnissen der beschuldigten Person haben. Erscheinen bereits durchgeführte oder eingeleitete Maßnahmen ausreichend, so sieht die Staatsanwaltschaft von der Strafverfolgung nach § 45 Abs. 2 JGG ab. Diese Vorgehensweise kann auch bei einer Wiederholungstat und auch in Fällen bis hin zur mittleren Kriminalität geboten sein.

Die Staatsanwaltschaft kann die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 JGG selbst schaffen. Hierzu kann sie insbesondere mit Beschuldigten ein erzieherisches Gespräch führen. Darin soll die Verfehlung aufgearbeitet und der Unrechtsgehalt der Tat verdeutlicht werden. Bei Minderjährigen sollen nach Möglichkeit bereits von Amts wegen die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter hinzugezogen werden, wenn ihre Anwesenheit das Strafverfahren nicht beeinträchtigt und dies dem Wohl der beschuldigten Person dient. Auf Verlangen der beschuldigten Person, einer oder eines Erziehungsberechtigten oder einer gesetzlichen Vertreterin oder eines gesetzlichen Vertreters ist der oder dem Erziehungsberechtigten, der gesetzlichen Vertreterin oder dem gesetzlichen Vertreter, ersatzweise einer anderen für den Schutz der Interessen der oder des Jugendlichen geeigneten volljährigen Person unter den in § 67 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 JGG genannten Voraussetzungen, oder einer Verteidigerin oder einem Verteidiger die Teilnahme am Gespräch zu gestatten. Das Gespräch ist in angemessener Form zu gestalten, wobei insbesondere das Alter und die Persönlichkeit der beschuldigten Person berücksichtigt werden. Es soll bewirken, dass diese zu der Einsicht gelangt, dass ihr Verhalten nicht richtig war. Es können Ratschläge erteilt werden, wie der Rechtsfrieden zwischen der beschuldigten Person und den Geschädigten wiederhergestellt werden kann. Beschuldigte sind darauf hinzuweisen, dass auch bei einer Verfahrenseinstellung nach § 45 JGG eine Eintragung in das Erziehungsregister erfolgt.

Die Staatsanwaltschaft kann auch erzieherische Maßnahmen gegenüber den Erziehungsberechtigten, den gesetzlichen Vertreterinnen und Vertretern oder der Jugendhilfe anregen. Dies gilt auch für den TOA. Die Teilnahme der Beschuldigten an erzieherischen Maßnahmen ist freiwillig. Die Anregung und Durchführung unterbleiben, wenn einer der Erziehungsberechtigten oder der gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter, die Verteidigerin oder der Verteidiger widerspricht.

Erfolgt die Anregung von Maßnahmen durch die Staatsanwaltschaft, so kann das Strafverfahren im Hinblick auf die zu erwartende Durchführung vorläufig eingestellt werden. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Strafverfolgung endgültig ab, wenn der erzieherische Zweck der Maßnahmen erreicht ist. Dies ist spätestens nach Durchführung der Maßnahmen anzunehmen.

Das Absehen von der Strafverfolgung erfolgt in diesen Fällen ohne Einschaltung des Gerichts. Eine Beteiligung der Jugendhilfe im Strafverfahren ist vorbehaltlich eines Verzichts nach § 38 Abs. 7 Sätze 1 und 2 JGG in Fällen des § 45 Abs. 2 JGG geboten, um den Erziehungsbedarf zu ermitteln oder geeignete erzieherische Maßnahmen zu finden. Liegt kein Verzicht nach § 38 Abs. 7 Satz 2 JGG vor, ist sie auch angezeigt, um zu ermitteln, ob und welche Leistungen der Jugendhilfe gewährt werden, die ein Absehen von der Strafverfolgung nach § 45 Abs. 2 JGG ohne weitere Maßnahmen ermöglichen (§ 52 Abs. 2 SGB VIII). Schlägt die Jugendhilfe andere als zunächst angeregte erzieherische Maßnahmen vor, prüft die Staatsanwaltschaft, ob ein Absehen von der Strafverfolgung auch im Hinblick auf diese Maßnahmen geboten ist. Dabei berücksichtigt sie die besondere Fachlichkeit und Sachnähe der Jugendhilfe.

Die Einstellungsnachricht an die beschuldigte Person soll in erzieherisch geeigneter Weise auf die Gründe für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens eingehen. Sie enthält den Hinweis auf die Folgen einer Eintragung in das Erziehungsregister.

2.2.5 Absehen von der Strafverfolgung nach § 45 Abs. 3 JGG

Erst wenn eine Verfahrenserledigung nach § 45 Abs. 1 und 2 JGG aus erzieherischen oder anderen Gründen nicht ausreichend erscheint, kommt das richterliche Verfahren nach § 45 Abs. 3 JGG in Betracht. Geeignet hierfür sind namentlich Wiederholungsfälle leichter bis mittlerer Kriminalität, die ohne die Förmlichkeit einer Antrags- oder Anklageschrift eine schnelle und unmittelbare Reaktion erfordern. Die Befassung des Gerichts mit dem Ziel einer Ermahnung sollte die Ausnahme sein, etwa wenn Beschuldigte in größerer Entfernung vom Sitz der Staatsanwaltschaft wohnen. In der Regel genügt in diesen Fällen ein normverdeutlichendes Gespräch der Staatsanwaltschaft zur Vorbereitung einer Entscheidung nach § 45 Abs. 2 JGG.

Eine vorherige Beteiligung der Jugendhilfe im Strafverfahren ist vorbehaltlich eines Verzichts nach § 38 Abs. 7 Sätze 1 und 2 JGG in Fällen des § 45 Abs. 3 JGG geboten, um den Erziehungsbedarf zu ermitteln oder geeignete erzieherische Maßnahmen zu finden. Regt die Staatsanwaltschaft das richterliche Verfahren nach § 45 Abs. 3 JGG an, so unterrichtet sie davon zugleich die Jugendhilfe im Strafverfahren unter Mitteilung des Tatvorwurfs, es sei denn, diese hat bereits Kenntnis.

Die Einstellungsnachricht an die beschuldigte Person soll in erzieherisch geeigneter Weise auf die Gründe für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens eingehen. Sie enthält den Hinweis auf die Folgen einer Eintragung in das Erziehungsregister.

2.2.6 Entscheidungen nach den §§ 47 und 76 bis 78 JGG

Kommt ein Absehen von der Verfolgung gemäß § 45 JGG bei Jugendlichen nicht in Betracht und liegen die Voraussetzungen des § 76 Satz 1 JGG vor, stellt die Staatsanwaltschaft anstelle einer Anklageerhebung in der Regel den Antrag auf Entscheidung im vereinfachten Jugendverfahren gemäß den §§ 76 bis 78 JGG.

Die Staatsanwaltschaft soll bei Jugendlichen und Heranwachsenden nach Erhebung der öffentlichen Klage jugendgerichtlichen Einstellungsanregungen nach § 47 JGG zustimmen, sofern sich die Umstände seit der Abschlussentscheidung der Staatsanwaltschaft so geändert haben, dass ein Absehen von der weiteren Strafverfolgung nunmehr angemessen erscheint. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn geeignete Maßnahmen der Jugendhilfe oder von anderer Seite eingeleitet oder durchgeführt worden sind. Beabsichtigt die Staatsanwaltschaft, die Zustimmung zu einer richterlichen Anregung nach § 47 JGG in der Hauptverhandlung zu verweigern, soll sie die Jugendhilfe im Strafverfahren zuvor anhören, sofern deren Stellungnahme noch nicht vorliegt.

2.2.7 Vermerk für die Eintragung in das Erziehungsregister

Sieht die Staatsanwaltschaft von der Strafverfolgung nach § 45 JGG ab, so vermerkt die Dezernentin oder der Dezernent die Straftatbestände in den Akten, wegen derer ein hinreichender Tatverdacht besteht. Hinsichtlich der Form gelten die Regelungen für die rechtliche Bezeichnung der Tat und die angewendeten Vorschriften in der Urteilsformel entsprechend (§ 260 Abs. 4 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 5 Satz 1 StPO). Die Serviceeinheiten nehmen den Vermerk zur Grundlage für die Eintragung in das Erziehungsregister.

In Fällen des § 47 JGG dient die Antrags- oder Anklageschrift als Grundlage für die Eintragung in das Erziehungsregister, es sei denn, dass sich aus der gerichtlichen Einstellungsentscheidung etwas anderes ergibt. In Zweifelsfällen entscheidet die Dezernentin oder der Dezernent der Staatsanwaltschaft über den Inhalt der Eintragung.

2.2.8 Information über örtliche Diversionsmöglichkeiten

Alle mit Jugendstrafverfahren befassten Dezernentinnen und Dezernenten bei den Staatsanwaltschaften werden zu Beginn ihrer Tätigkeit und bei Bedarf wiederholt oder ergänzend auf die bestehenden örtlichen Diversionsmöglichkeiten und ambulanten Angebote der Jugendhilfe für junge Straffällige, die auch im Rahmen der Diversion genutzt werden können, hingewiesen.

2.3 Jugendhilfe im Strafverfahren

Die Jugendhilfe im Strafverfahren entscheidet über die Art ihrer Beteiligung am Diversionsverfahren sowie über die Durchführung und Überwachung erzieherischer Maßnahmen in eigener fachlicher Kompetenz. Sie prüft jedoch frühzeitig, ob für Beschuldigte Leistungen der Jugendhilfe in Betracht kommen. Ist dies der Fall oder ist eine geeignete Leistung bereits eingeleitet oder gewährt worden, so hat die Jugendhilfe im Strafverfahren die Staatsanwaltschaft oder das Gericht umgehend davon zu unterrichten, damit geprüft werden kann, ob diese Leistungen ein Absehen von der Verfolgung (§ 45 JGG) oder eine Einstellung des Verfahrens (§ 47 JGG) ermöglichen.

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Nummer 4 Satz 1 des Runderlasses vom 5. Oktober 2020 (Nds. MBl. S. 1188, Nds. Rpfl. Nr. 12/2020 S. 416)