Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 09.07.2009, Az.: 10 W 9/09
Beteiligung Angehöriger im Verfahren zur Genehmigung eines Hofübergabevertrages
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 09.07.2009
- Aktenzeichen
- 10 W 9/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 25226
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2009:0709.10W9.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Cloppenburg - AZ: 5 Lw 4/09
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs. 3 HöfeO
- § 7 Abs. 2 FamFG
Fundstellen
- AUR 2010, 47-49
- FGPrax 2010, 99-100
- OLGReport Gerichtsort 2009, 911-913
Amtlicher Leitsatz
In Verfahren zur Genehmigung eines Hofübergabevertrages sind Angehörige, die im Erbfall als weichende Erben in Betracht kommen, im Regelfall nicht Beteiligte, auch nicht materiell Beteiligte (Beteiligte i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Ihre Beteiligung ist auch nicht im Hinblick auf nach §§ 17 Abs. 2, 12 HöfeO vorgesehene Abfindungsansprüche geboten. Im Rahmen der dem Landwirtschaftsgericht obliegenden Amtsaufklärung ist es jedoch möglich und kann ggf. geboten sein, sie (als nicht am Verfahren beteiligte Auskunftspersonen) anzuhören bzw. zu vernehmen.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird die Zwischenverfügung des Landwirtschaftsgerichts vom 16.1.2009 insoweit beanstandet, als sie auf eine Einbeziehung der Geschwister des Übernehmers als Beteiligte im vorliegenden Genehmigungsverfahren gerichtet ist.
Es wird angeordnet, dass die Geschwister nach bisherigem Sachstand nicht als Verfahrensbeteiligte im anstehenden Genehmigungsverfahren hinzugezogen werden.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 schlossen in Anwesenheit der Beteiligten zu 3 am 25.11.2008 vor dem Notar ... einen Hofübergabevertrag, in dem die Übertragung des dem Beteiligten zu 1 gehörenden Hofs (Grundbücher von Löningen Blatt 7648 und Herzlake Blatt 604) auf den Beteiligten zu 1 vorgesehen ist. Der Beteiligte zu 1 hat sich als Hofübernehmer verpflichtet, den Beteiligten zu 2 und 3 (seinen Eltern) Altenteils und Versorgungsleistungen zu erbringen.
Der Notar hat für den Hofübertragungsvertrag die Erteilung der Genehmigung des Landwirtschaftsgerichts beantragt. In dem Antrag werden auch die Namen und Anschriften der Geschwister des Hofübernehmers genannt. Mit Verfügung vom 16.1.2009 hat der Vorsitzende des Landwirtschaftsgerichts um ergänzende Angaben zu den Verhältnissen der beiden Brüder des Übernehmers gebeten, die sich in einem Heim aufhalten. Es wird unter anderem nach vorhandenen Betreuern gefragt und eine mögliche Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungsbetreuers aufgezeigt, wenn derzeitiger Betreuer ein an dem Hofübertragungsvertrag beteiligter Familienangehöriger ist. Der Notar hat daraufhin mitgeteilt, dass beide Brüder behindert seien und die Mutter (die Beteiligte zu 3) Betreuerin sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 9.2.2009 hat der Notar beantragt, von weiteren Maßnahmen hinsichtlich der Geschwister des Beteiligten zu 1, insbesondere von ihrer Anhörung, abzusehen. Soweit das Landwirtschaftsgericht weiter darauf bestehen sollte, die weichenden Erben zu beteiligen, sollte der vorgelegte Schriftsatz als Beschwerde gegen die gerichtliche Verfügung vom 16.1.2009 behandelt werden.
Das Landwirtschaftsgericht hat durch Beschluss vom 27.2.2009 der Beschwerde gegen die genannte Zwischenverfügung nicht abgeholfen und dazu ausgeführt, dass es trotz der vom Notar zitierten Gegenauffassung an der bisherigen ständigen Praxis festhalten wolle, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vorhandene weichende Erben zu beteiligen.
II.
Die Beschwerde des Notars gegen die Zwischenverfügung des Landwirtschaftsgerichts ist nach §§ 9 LwVG, 19 FGG zulässig. Sie ist in erheblichem Umfang auch begründet. Die in der gerichtlichen Verfügung vom 16.1.2009 getroffenen Anordnungen sind zwar im Ergebnis nicht zu beanstanden, anderes gilt jedoch für die beabsichtigte Hinzuziehung der Geschwister des Übernehmers als Beteiligte des Genehmigungsverfahrens.
1. Soweit es um die von den Vertragsbeteiligten in den Mittelpunkt gestellte Frage geht, ob die Angehörigen, die weichende Erben wären, im Verfahren zur Genehmigung eines Hofübergabevertrags Beteiligte sind, als solche im Verfahren anzuhören sind und ihnen auch ansonsten Beteiligungsrechte zukommen, bleibt der Senat bei seiner bisherigen Rspr. (vgl. AgrarR 1980, 109, 110).
Diese Frage wird seit langem kontrovers in der Rspr. und Literatur erörtert (umfangreiche Nachw. bei Barnstedt/Steffen LwVG, 7. Aufl., § 14 LwVG Rn. 297 Fn. 1. Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 9. Aufl., § 17 HöfeO Rn. 117).
Die wohl überwiegende Meinung geht davon aus, dass im Verfahren über die Genehmigung eines Hofübergabevertrags die weichenden Erben nicht Beteiligte sind oder dies zumindest im Regelfall bzw. in den meisten Fällen nicht sind (vgl. OLG Schleswig SchlHAnz 1956, 24. OLG Köln AgrarR 1980, 135. 1984, 133. OLG Celle, Beschluss vom 21.3.2005, Az.: 7 W 136/04, zitiert nach Wöhrmann, a.a.O.. OLG Oldenburg RdL 1965, 153. AgrarR 1980, 109, 110. Bendel AgrarR 1980, 136. Faßbender RdL 1980,85. Moll/Peter AgrarR 1980, 321). Davon ist auch zunächst der BGH ausgegangen (vgl. BGHZ 1, 343).
Nach der Gegenmeinung sind die weichenden Erben stets Beteiligte und im Genehmigungsverfahren als solche hinzuzuziehen (Barnstedt/Steffen,§ 14 LwVG Rn. 298. von Lüpke AgrarR 1980, 136. Stöcker AgrarR 1980, 228).
Der BGH hat in neueren Entscheidungen eine generelle Festlegung vermieden und die Beteiligtenstellung bzw. die Beschwerdebefugnis weichender Erben fallbezogen beurteilt (vgl. BGH RdL 1996, 189, 190. RdL 1996, 190, 191).
Eine generelle Beantwortung der Streitfrage ist nicht möglich. Davon ist bereits in der zitierten Entscheidung des Senats vom 18.9.1979 (AgrarR 1980, 109, 110) ausgegangen worden. Daran ist festzuhalten.
Als formell Beteiligte werden die weichenden Erben nicht in Betracht kommen. Formell Beteiligter ist derjenige, der mit eigenen Anträgen ein Verfahren eröffnet oder sich mit eigenen Anträgen am Verfahren irgendwie beteiligt. Materiell Beteiligter ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, dessen Rechte und Pflichten durch in dem betreffenden Verfahren zu treffende Anordnungen unmittelbar beeinflusst werden oder zumindest beeinflusst werden können (vgl. Barnstedt/Steffen,§ 14 LwVG Rn. 266. Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 8 FGG Rn. 18). Eine solche unmittelbare Beeinflussung vorhandener Rechte oder Pflichten der weichenden Erben ist mit der zu erteilenden Genehmigung des Übertragungsvertrages regelmäßig nicht verbunden. Eine Verschlechterung der eigenen Rechtsposition des weichenden Erben scheidet regelmäßig aus. Der weichende Erbe erhält allerdings nach §§ 17 Abs. 2, 12 HöfeO Abfindungsansprüche. Darin kann jedoch keine unmittelbar mit der Genehmigung verbundene Rechtsbeeinträchtigung gesehen werden. Dagegen spricht bereits, dass der Abfindungsanspruch nicht mit der Genehmigung, sondern erst mit Vollzug des Übertragungsvertrages entsteht.Überdies kann eine Rechtsbeeinträchtigung auch bei dem Erwerb des Abfindungsanspruchs nicht angenommen werden, denn dieser wird durch das Gesetz in bestimmtem Umfang unabhängig vom Willen der Vertragschließenden unentziehbar garantiert (so zutreffend OLG Köln AgrarR 1980, 135). Materiellrechtlich geht es bei der Genehmigung um eine letztlich öffentlichrechtliche Überprüfung des vom Hofeigentümer abgeschlossenen Vertrages über die Übertragung des Hofes unter Lebenden. Durch eine solche wirksam werdende Verfügung unter Lebenden, zu der der Hofeigentümer aufgrund seines zivilrechtlichen Eigentums befugt ist, kann jedoch grundsätzlich keine Rechtsbeeinträchtigung weichender Erben eintreten. Dies gilt jedenfalls im Regelfall, in dem weichende Erben keine Befugnis haben, dies zu verhindern, und keine entgegenstehende Rechtsposition haben. Wie jedoch der Senat bereits in der zitierten früheren Entscheidungen angenommen hat, kann sich im Einzelfall etwas anderes ergeben, etwa wenn ein bei der Grundstücksübertragung nicht berücksichtigter Abkömmling durch Erbvertrag, eine andere bindend gewordene Verfügung von Todes wegen oder durch formlos bindende Hoferbenstellung eine von der Rechtsordnung irgendwie geschützte hoferbenrechtliche Position erlangt hat (vgl. Senat AgrarR 1980, 109, 110. OLG Celle AgrarR 1997, 103). Entsprechendes kann gelten, wenn der Übernehmer eventuell nicht wirtschaftsfähig ist, der nicht berücksichtigte Abkömmling aber wohl (vgl. Senat, a.a.O.). Es mögen noch weitere Ausnahmefälle einer Rechtsbeeinträchtigung nicht berücksichtigter Miterben in Betracht kommen (vgl. die die Beispiele bei Moll/Peter AgrarR 1980, 321, 322).
Danach kann die Frage, ob eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung weichender Miterben anzunehmen ist und sie als (materiell) Beteiligte im Genehmigungsverfahren anzuhören sind, nicht generell, sondern nur für den konkreten Einzelfall beantwortet werden. Im Regelfall eines Hofübergabevertrages wird eine Beteiligtenstellung des nicht berücksichtigten künftigen Miterben fehlen.
Auch im vorliegenden Fall ist wegen der beantragten Genehmigung des Hofübertragungsvertrages eine (mögliche) Rechtsbeeinträchtigung der hier vorhandenen Geschwister nicht ersichtlich.
2. Steffen, der die Gegenansicht vertritt, generell weichende Erben im Genehmigungsverfahren als Beteiligte ansieht und im Verfahren anhören will, weist allerdings zutreffend darauf hin, dass dann, wenn die Vertragsschließenden erklärten, sie wünschten keine Zuziehung der weichenden Erben, dies regelmäßig in der Absicht geschehe, diese zu schädigen. Es könne - so meint Steffen - nicht unzulässig sein, dass das Gericht eine derartige Schädigung weichender Erben verhindere (vgl. Barnstedt/Steffen, § 14 Rn. 298). Letzterem ist sicher zuzustimmen.
Das Gericht hat es jedoch im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlung in der Hand, alle für die Genehmigungsentscheidung relevanten oder jedenfalls relevant erscheinenden Umstände aufzuklären, insbesondere auch durch Anhörung nicht beteiligter weichender Erben. Im Rahmen dieser Aufklärung kann und muss auch ermittelt werden, ob und inwieweit eventuell weichende Erben durch den zu genehmigenden Übertragungsvertrag in Rechten beeinträchtigt werden (können). Diese sind dann als Beteiligte beizuziehen. In gleicher Weise erfordert der Amtsermittlungsgrundsatz die Aufklärung der für die Genehmigung relevanten Fragen einer vollen Bewirtschaftungsübertragung, der Wirtschaftsfähigkeit des Übernehmers oder der angemessenen, tragbaren Belastung des landwirtschaftlichen Betriebes. Hierzu kann das Landwirtschaftsgericht - wenn es dies für angemessen hält - auch weichende Erben befragen bzw. anhören. Dazu bedarf es aber nicht - worauf Bendel zutreffend hingewiesen hat (vgl. AgrarR 1980, 136) - der Erweiterung des Beteiligtenbegriffs, sondern insoweit kommt eine schriftliche Anhörung oder eine Vernehmung der genannten Personen als Zeugen in Betracht.
3. Eine generell notwendige Anhörung weichender Erben als Beteiligte kann auch nicht im Hinblick darauf angenommen werden, dass es zweckmäßig erscheinen mag, den als weichende Erben in Betracht kommenden Personenkreis über einen Übertragungsvertrag zu informieren, damit diese alsbald ihre Abfindungsansprüche nach§§ 17 Abs. 2, 12 HöfeO geltend machen können. Dies ist ersichtlich nicht der Zweck des Genehmigungsverfahrens. Für eine entsprechende Benachrichtigungspflicht des Gerichts findet sich - soweit ersichtlich ist - keine gesetzliche Grundlage. Eine dem § 13 Abs. 10 HöfeO entsprechende Regelung hat der Gesetzgeber für den Übergabevertrag nicht geschaffen. Wenn eine Übertragung des Hofs den abfindungsberechtigten Abkömmlingen zunächst verheimlicht wird und dadurch ein Schaden in der Form eines Zinsverlustes eintritt, wie Steffen (a.a.O.) befürchtet, werden ggf. Schadensersatzansprüche in Betracht kommen (z.B. aus Verletzung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB oder § 826 BGB).
4. Soweit es im vorliegenden Fall um die Geltendmachung eventueller Abfindungsansprüche durch die unter Betreuung stehenden Brüder des Hofübernehmers und eine zur Vermeidung einer hier naheliegenden Interessenkollisionen notwendig erscheinende ergänzende Betreuerbestellung geht, dürfte eine Mitteilung an das Betreuungsgericht nach §§ 9 LwVG, 35a S. 2 FGG (§ 22a Abs. 2 FamFG) in Betracht zu ziehen sein.
5. Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen ist die angegriffene Zwischenverfügung des Landwirtschaftsgerichts vom 16.1.2009 hier in ihrem unmittelbar ersichtlichen Inhalt nicht zu beanstanden.
Dass das Landwirtschaftsgericht um nähere Angaben zu den Verhältnissen der Brüder des Hofübernehmers bittet, hält sich im Rahmen der oben dargestellten Amtsaufklärungspflicht und Aufklärungsbefugnis des Gerichts. Diese Befugnis besteht im Rahmen eines sachgerecht auszuübenden weiten Ermessens des Gerichts. Die Frage zum Vorhandensein eines Betreuers und zur Person des Betreuers wird ebenfalls von der weit reichenden Aufklärungsbefugnis des Landwirtschaftsrichters gedeckt. Der Hinweis auf eine eventuelle Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers dürfte - jedenfalls für die Geltendmachung eventueller Abfindungsansprüche der Brüder - zumindest vertretbar sein. Vor allem ist in diesem Hinweis keine die Vertragsbeteiligten belastende Auflage zu sehen, die insoweit eine Beschwerdebefugnis begründen könnte.
Insoweit ist die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 zurückzuweisen.
In nicht unerheblichem Umfang hat die Beschwerde aber Erfolg.
Durchgreifende Bedenken ergeben sich hier deshalb, weil das Landwirtschaftsgericht beabsichtigt, die Geschwister des Übernehmers als Beteiligte im Genehmigungsverfahren hinzuzuziehen, und die oben behandelten Hinweise und Erklärungsaufforderungen dies vorbereiten sollen. Gerade für diesen Fall sollte - wie dem Schriftsatz des Notars vom 9.2.2009 zu entnehmen ist - die Beschwerde eingelegt werden. Jedenfalls aus der Nichtabhilfeentscheidung des Landwirtschaftsrichters ergibt sich eindeutig, dass dies vom Landwirtschaftsrichter beabsichtigt ist.
Eine Beteiligtenstellung der Geschwister des Übernehmers ist jedoch nach den oben dargestellten Grundsätzen (unter 1.) nicht festzustellen. Eine Hinzuziehung der Geschwister des Hofübernehmers als Verfahrensbeteiligte hat danach zu unterbleiben. Dies ist auf die entsprechende Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 anzuordnen.
Unberührt bleibt davon - wie oben dargestellt (unter 2.) - die Pflicht und Befugnis des Landwirtschaftsgerichts, den Sachverhalt in dem geboten erscheinenden Umfang aufzuklären und im Rahmen dieser Aufklärung eventuell auch die Brüder anzuhören, falls dies für erforderlich gehalten wird.