Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 11.07.2016, Az.: 1 B 1244/16
Nichtvorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses für einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 11.07.2016
- Aktenzeichen
- 1 B 1244/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 19964
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2016:0711.1B1244.16.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 80 Abs. 7 VwGO
[Gründe]
Die Antragsteller begehrt mit seinem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, die unter dem Aktenzeichen 1 A 2204/15 geführt wird. Nach verständiger Auslegung begehrt er insoweit auch die Änderung des Beschlusses des Gerichts zum Aktenzeichen 1 B 2205/15 vom 10. Dezember 2015.
Sein Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob dem Antragsteller bereits die Antragsbefugnis fehlt, weil er eine subjektive Rechtsverletzung nicht erfolgreich geltend machen kann. Denn jedenfalls fehlt dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag.
Der Antragsteller bedarf des vorliegenden Antrags nicht, um das erstrebte Rechtsschutzziel zu erreichen. Als allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung für alle Verfahrensarten muss das Rechtsschutzbedürfnis auch für einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO vorliegen, der auf die Änderung oder Aufhebung eines gerichtlichen Beschlusses im vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gerichtet ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Vorb § 40 Rn. 30; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EGL Oktober 2015, § 80 Rn. 492 f.). Der Antragsteller möchte durchsetzen, dass die Antragsgegnerin inhaltlich ein Asylverfahren für ihn durchführt. Dies geht aus seiner Antragsschrift eindeutig hervor. Denn er moniert, dass die Antragsgegnerin bislang seinen Asylantrag materiell nicht geprüft hat. Mit dem vorliegenden Antrag kann er dieses Ziel nicht erreichen. Denn eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. November 2015 (Ziffer 2) führt nicht zur Aufhebung dieses Bescheides. Dessen Aufhebung ist aber Voraussetzung dafür, dass die Antragsgegnerin sein Asylverfahren inhaltlich auch durchführen kann.
Des vorliegenden Antrags bedarf es auch nicht etwa deshalb, weil ohne die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Überstellung des Antragstellers nach Italien drohen würde. Die Antragsgegnerin geht vorliegend davon aus, dass die Überstellungsfrist am 10. Juni 2016 abgelaufen ist. Dies geht aus ihrer Mitteilung an die zuständige Ausländerbehörde vom 31. Mai 2016 hervor. Die Abschiebung des Antragstellers nach Italien ist deshalb unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin ihren Bescheid vom 13. November 2015 noch nicht aufgehoben und so auf die Erledigung des Klageverfahrens hingewirkt hat, gegenwärtig nicht mehr zu erwarten. Es entspricht der allgemeinen Praxis der Antragsgegnerin, nach Ablauf der Überstellungsfrist Bescheide, die im sogenannten "Dublin-Verfahren" ergangen sind, aufzuheben und ein nationales Verfahren durchzuführen. Überstellungen werden durch die Ausländerbehörden nur innerhalb der Überstellungsfrist durchgeführt. Es ist kein einziger Fall gerichtsbekannt, in dem nach dem Ablauf der Überstellungsfrist eine Abschiebung durchgeführt worden ist. Dies dürfte auch dem Antragsteller, jedenfalls aber seinem Prozessbevollmächtigten, der regelmäßig Rechtsschutzsuchende in Asylsachen vor dem beschließenden Gericht vertritt, geläufig sein.
Im Übrigen geht der Antragsteller selbst davon aus, dass eine Abschiebung nach Italien nicht mehr zu erwarten ist. An seiner für den 1. Juni 2016 vorgesehenen Überstellung nach Italien hat er nicht mitgewirkt, indem er sich am 30. Mai 2016 in das sogenannte "Kirchenasyl" begeben hat. Den Wechsel seines Aufenthaltsortes hat er der Ausländerbehörde umgehend mitgeteilt. Dies geht aus der vorliegenden Ausländerakte hervor. Nunmehr hat er das ihn faktisch schützende "Kirchenasyl" wieder verlassen und sich in seine ursprüngliche Unterkunft zurückbegeben, und zwar bevor über den vorliegenden Antrag gerichtlich entschieden worden ist (s. Schreiben des Bevollmächtigten vom 21. Juni 2016 an den Landkreis C.). Das lässt bei lebensnaher Betrachtung den Schluss darauf zu, dass er eine Überstellung nicht mehr befürchtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO; 83b AsylG.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).