Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 10.02.2021, Az.: S 23 AS 13/21 ER
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 10.02.2021
- Aktenzeichen
- S 23 AS 13/21 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70643
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Für die Verpflichtung des Leistungsträgers nach dem SGB II zur Übernahme der Kosten des Erwerbs medizinischer Masken im Wege der einstweiligen Anordnung fehlt es – unabhängig vom Bestehen eines Anspruchs – jedenfalls an einem Anordnungsgrund.
2. Der Kaufpreis der für die Nutzung im Nahverkehr sowie für Einkäufe im Einzelhandel ausreichenden OP-Masken ist derart gering, dass dieser aus den verfügbaren Mitteln eines Hilfebedürftigen aufgebracht werden kann und das Abwarten des Ausgangs eines möglichen Verfahrens der Hauptsache zumutbar erscheint. Dies gilt insbesondere ob der Tatsache, dass aufgrund des pandemiebedingten Verbots kultureller Veranstaltungen der für Kultur vorgesehene Anteil der Regelleistung für den Maskenkauf umgeschichtet werden kann.
Tenor:
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die - beim Antragsgegner im Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden - Antragsteller begehren die Verpflichtung des Antragsgegners, ihnen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (zusätzlich zu den gewährten Leistungen) die Kosten für den Erwerb medizinischer Masken zu erstatten, welche sie aufgrund der Vorschriften zur Eindämmung des Coronavirus für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs sowie für Einkäufe im Einzelhandel benötigen.
Insoweit bestehe ein ungedeckter monatlicher Mehrbedarf von 20,99 Euro von pro Person, der aus dem auf den Bereich „Gesundheit“ entfallenden Anteil des Regelbedarfs nicht aufgebracht werden könne. Die angekündigte Bereitstellung von Masken an Hilfebedürftige über die Krankenkassen könnten die Antragsteller nicht abwarten, weil diese zeitnah benötigt würden.
II.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.
Voraussetzung für den Erlass der hier von den Antragstellern begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der sie die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehren, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein wahrscheinlicher Anspruch auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Unabhängig von der Rechtsfrage, ob die Kosten für den Erwerb von Masken – wie von den Antragstellern angenommen – überhaupt einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf i.S. des § 21 Abs. 6 SGB II darstellen, mangelt es im vorliegenden Fall jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, der eine umgehende gerichtliche Befassung mit dem Anliegen erfordert und das Abwarten des Ausgangs eines Verfahrens der Hauptsache für die Antragsteller unzumutbar erscheinen lässt.
Die für die von den Antragstellern verfolgten Zwecke ausreichenden medizinischen OP-Masken werden nämlich in Drogerie- und Supermärkten sowie im Versandhandel gerichtsbekannt mittlerweile derart preiswert angeboten, dass sie selbst von einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB II aus den verfügbaren Mitteln jederzeit ohne spürbare Einschränkung sonstiger Bedürfnisse erworben werden können und die (vorläufige) Bereitstellung zusätzlicher Mittel im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherstellung elementarer Grundbedürfnisse entbehrlich erscheint. Die Nutzung teurerer FFP2-Masken ist, wie vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 10.2.2021 zutreffend hervorgehoben wurde, weder im Einzelhandel noch im Nahverkehr vorgeschrieben.
Die – ausweislich der in Ablichtung vorgelegten Belege die Masken offenbar bislang zu höheren Preisen in der Apotheke kaufenden - Antragsteller haben somit bis zur evtl. späteren Entscheidung in der Hauptsache die Möglichkeit, den Bedarf an einem den Vorschriften entsprechenden Mund-Nase-Schutz durch den gezielten Erwerb preiswerter Produkte ohne nennenswerte finanzielle Belastungen zu decken.
Dies gilt insbesondere ob der Tatsache, dass der Regelbedarf nach dem SGB II ab dem 1.1.2021 – je nach Alter des Leistungsempfängers - einen Betrag von ungefähr 40,- Euro für Freizeit, Unterhaltung und Kultur umfasst, der aufgrund des schon längere Zeit andauernden, pandemiebedingten Verbots sämtlicher kultureller Veranstaltungen derzeit ohnehin nicht vollständig für den vorgesehenen Zweck verwendet werden kann und somit im Wege der Umschichtung für den Kauf von Masken zur Verfügung steht.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung – insoweit verweist das Gericht ebenfalls auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 10.2.2021 - für die kommenden Tage für die Bezieher von Leistungen nach dem SGB II die Versorgung mit zehn kostenlosen FFP2-Masken angekündigt. Da die Antragsteller selbst eingeräumt haben, bereits Masken erworben zu haben, kann ihnen zugemutet werden, den vorhandenen Bestand zu verwenden, bis ihnen die in Aussicht gestellten weiteren Masken zugesandt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Der Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG unanfechtbar.