Amtsgericht Emden
Urt. v. 27.01.2010, Az.: 5 C 197/09

Ausgleichsanspruch über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichsleistungen und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung, Annullierung oder großer Verspätung von Flügen

Bibliographie

Gericht
AG Emden
Datum
27.01.2010
Aktenzeichen
5 C 197/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 35241
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGEMDEN:2010:0127.5C197.09.0A

Fundstelle

  • RRa 2010, 135-136

In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht ...
im vereinfachten schriftlichen Verfahren gem. §495 a ZPO
durch
den ...
am 27.01.2010
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 350,00 € festgesetzt.

Gem. §511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Ausgleichsanspruches nach Art. 7 Ziff. 1 a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung derVerordnung (EWG) Nr. 295/91.

2

Der Arbeitgeber des Klägers buchte für diesen bei der Beklagten einen Flug von nach ... am .... Dieser Flug wurde annulliert, wobei zwischen den Parteien streitig ist, aus welchem Grunde.

3

Der Kläger verbrachte die Nacht auf Kosten der Beklagten in einem Hotel in .... Am darauf folgenden Morgen wurde der Kläger von der Beklagten mit einem anderen Flugzeug nach ... befördert.

4

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte schulde ihm nach der vorstehenden Verordnung einen Schadensersatz in Höhe von 250,00€. Weiterhin schulde die Beklagte dem Kläger aus dem Gesichtspunkte des Verzuges einen Betrag in Höhe von 100,00 € für den eigenen Aufwand des Klägers an Zeit und Auslagen für seine an die Beklagte gerichteten Korrespondenzen, und zwar für jedes Anspruchsschreiben 20,00 €. Schließlich begehrt der Kläger den Ersatz von vorgerichtlichen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten.

5

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 350,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 250,00 € ab dem 01. August 2008 und auf weitere 100,00 € ab dem 01. Januar 2009 zuzüglich 46,41 € vorgerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte ist der Ansicht, die Annullierung des Fluges sei auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, so dass eine Schadensersatzleistung gem. Artikel 5 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung nicht in Betracht käme. Zur Begründung verweist sie darauf, dass das Wetterradargerät des Flugzeuges ausgefallen sei und sich über ganz Nordwestdeutschland eine Gewitterlage abgezeichnet habe, die unter diesen Umständen nicht durchflogen werden könne. Weiterhin ist sie der Ansicht, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert.

8

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist unbegründet.

10

Zwar dürfte im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 22.12.2008 (Az.: C-549/07), insbesondere die dortigen Rziff. 23 ff., sowie den 14. Erwägungsgrund der vorgenannten Verordnung Nr. 261/2004 ein Fall des Artikel 5 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung nicht vorliegen, da das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten zwar "Umstände", die das Absagen des Fluges rechtfertigen, nicht jedoch "außergewöhnliche Umstände" i.S.d. oben genannten Verordnung begründen dürften, so dass eine Haftung der Beklagten nach Artikel 7 der vorgenannten Verordnung durchaus in Betracht kommt.

11

Ein Anspruch des Klägers scheitert jedoch daran, dass er nicht berechtigt ist, die entsprechende Forderung geltend zu machen, mithin nicht aktivlegitimiert ist. Aktivlegitimiert ist nach Überzeugung des Gerichts der Arbeitgeber des Klägers, der den Flug gebucht hat und damit Vertragspartner der Beklagten geworden ist.

12

Zwar ist dem Kläger einzuräumen, dass die vorgenannte Verordnung einheitlich vom Recht des "Fluggastes" spricht. Inhaltlich ist jedoch hierbei zu differenzieren. Im Falle der Annullierung eines Fluges werden dem Fluggast nach Artikel 5 Ansprüche nach Artikel 7, 8 und 9 der vorgenannten Verordnung zugesprochen, und zwar nicht etwa alternativ, sondern nebeneinander, was sich aus der Formulierung "und" zwischen Artikel 5 Ziff. 1 b und 1 d ableiten lässt. Der Anspruch aus Artikel 8 auf Erstattung der Flugscheinkosten kann nur demjenigen zustehen, der diese Kosten getragen hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff "Erstattung". Die Betreuungsleistungen nach Artikel 9 hingegen können nur gegenüber dem tatsächlichen Fluggast erbracht werden. Hierbei handelt es sich demgemäß um einen gesetzlich festgelegten Fall eines echten Vertrages zugunsten Dritter. Da ein solcher Fall aber die Ausnahme darstellt, ist nicht ersichtlich, dass die Ausgleichsansprüche nach Artikel 7 auch dann dem Fluggast selbst zustehen sollen, wenn dieser nicht Vertragspartner, sondern Dritter ist. Vom Grundsatz der Regel/Ausnahme her gesehen, steht dieser Anspruch demgemäß auch dem Vertragspartner, mithin im vorliegenden Fall dem Arbeitgeber des Klägers zu. Hierdurch wird der Kläger auch nicht geschädigt, da ihm der Anspruch auf Betreuungsleistungen zusteht und ihm auch Betreuungsleistungen durch die Beklagte gewährt worden sind.

13

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des §91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

14

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§708 Nr. 11, 711 ZPO, und zwar unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Berufung nach §511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen worden ist.

15

Da der Verordnungsgeber bei der Abfassung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 offensichtlich die Möglichkeit eines Auseinanderfallens von Ansprüchen des Vertragspartners und des Fluggastes als Drittem nicht gesehen hat, erachtet das Gericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung i.S.d. §511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO für gegeben. Hiernach lässt das Gericht die Berufung zu, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts erfordert. Da nach Erkenntnis des erkennenden Gerichts eine Entscheidung zu der im Urteil aufgeworfenen Frage noch nicht ergangen ist, diese aber von grundsätzlicher Bedeutung sein dürfte, und sich auf eine unbestimmte Vielzahl von Fällen erstrecken könnte, war nach alledem die Berufung zuzulassen.