Arbeitsgericht Emden
v. 09.11.2020, Az.: 2 Ca 399/18
Zahlung von Überstundenvergütung als Anspruch eines Arbeitnehmers für die Leistung von 429 Überstunden durch die Vorlage der Zeitnachweise der geleisteten Arbeit; Arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Messung, Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Emden
- Datum
- 09.11.2020
- Aktenzeichen
- 2 Ca 399/18
- Entscheidungsform
- Teilurteil
- Referenz
- WKRS 2020, 65285
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LAG Niedersachsen - 06.05.2021 - AZ: 5 Sa 1292/20
- BAG - 04.05.2022 - AZ: 5 AZR 359/21
Rechtsgrundlagen
- § 241 Abs. 2 BGB
- § 618 Abs. 1 BGB
Amtlicher Leitsatz
- 1)
Fortführung von Arbeitsgericht Emden, Urteil vom 24.09.2020 - 2 Ca 144/20, Juris sowie BeckRS 2020, 28054):
- a)
Insbesondere aus § 618 Abs. 1 BGB folgt (in europarechtskonformer Auslegung) eine arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Messung, Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer. Hilfsweise besteht eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht jedenfalls gemäß § 241 Abs. 2 BGB.
- b)
Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.05.2019, Rs. C-55/18 [CCOO], Juris, wird die Darlegungslast im Überstundenprozess modifiziert.
- c)
Dem Einwand, Folgerungen für vergütungsrechtliche Fragen könnten sich aus dem Urteil des EuGHs vom 14.05.2019, a. a. O., [CCOO] nicht ergeben, weil die Europäische Union in vergütungsrechtlichen Fragen keine Regelungskompetenz habe, ist nicht zu folgen (vgl. zu Einzelheiten EuGH, Urteile vom 15.4.2008 - C-268/06, "Impact", Juris Rn. 121 bis 126, sowie vom 21.02.2018, C-518/15, "Matzak", Rn. 24 bis 26).
- d)
Arbeitszeitaufzeichnungen, die (jedenfalls in erster Linie) den Zweck haben, die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften zu dokumentieren und zu überwachen, können auch vergütungsrechtliche Bedeutung entfalten (vgl. BAG, Urteil vom 28.08.2019 - 5 AZR 425/18, Juris Rn. 16 bis 30).
- e)
Im Regelfall ist von einer Deckungsgleichheit der arbeitszeitrechtlich dokumentierten sowie der vergütungspflichtigen Arbeitszeiten auszugehen. Diese stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Die in Erfüllung arbeitszeitrechtlicher Vorgaben angefertigte Dokumentation von Arbeitszeiten wird, von besonders gelagerten und zu begründenden Ausnahmefällen abgesehen, regelmäßig ein aussagekräftiges Indiz dahingehend darstellen, dass während der dokumentierten Arbeitszeit auch tatsächlich gearbeitet worden ist.
- 2)
Kommt die Arbeitgeberin ihrer aus § 618 BGB folgenden Verpflichtung zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten des Arbeitnehmers nicht nach, reichen im Vergütungs- und insbesondere im Überstundenprozess die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Indizien gegebenenfalls für die Annahme aus, dass die von ihm geltend gemachten Arbeitszeiten zutreffend sind. Als solche Indizien kommen insbesondere Ausdrucke der bei der Arbeitgeberin geführten Zeiterfassung in Betracht.
- 3)
Wendet die Arbeitgeberin im Vergütungsprozess ein, bei der von ihr geführten Zeiterfassung handele es sich nicht um die Erfassung der Arbeitszeiten im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie 2003/EG/EG, sondern um reine "Kommens"- und "Geht"-Zeiten, hat die Arbeitgeberin ihre aus dem Urteil des EuGHs vom 14.05.2019, Rs. C-55/18, [CCOO], folgende Verpflichtung zur "objektiven", "verlässlichen" und "zugänglichen" Zeiterfassung nicht erfüllt. Dann stellt die Nichterfassung der Arbeitszeiten des Arbeitnehmers allerdings eine Beweisvereitelung durch die Arbeitgeberin dar. Auch wenn eine solche Beweisvereitelung noch keine vollständige Umkehr der Beweislast nach sich zieht, kann sie eine erhebliche Erleichterung der Beweisführungslast für den Arbeitnehmer bedeuten. Im Ergebnis kann dies einer Beweislastumkehr nahekommen. Dies gilt insbesondere angesichts der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18, [CCOO], Juris Rn. 53 bis 55, zur Bedeutung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung als wirksames Beweismittel.
- 4)
Sind vom Arbeitnehmer im Vergütungs- bzw. Überstundenprozess vorgelegte Zeiterfassungsbögen aus der Zeiterfassung der Arbeitgeberin als hinreichende Indizien dafür anzusehen, dass der Arbeitnehmer im Rahmen der erfassten Zeiten auch tatsächlich gearbeitet hat, hat die Arbeitgeberin das durch die Zeiterfassung begründete Indiz, der Arbeitnehmer habe zu den angegebenen Zeiten gearbeitet, durch substantiierten Gegenvortrag zu erschüttern.
- 5)
Die von einer bei der Arbeitgeberin installierten Zeiterfassung automatisch vorgenommenen "Rundungen" der Beginn- und Endzeiten sind unbeachtlich. Auf diese kann die Arbeitgeberin im Vergütungs- bzw. Überstundenprozess eine Kürzung der Ansprüche des Arbeitnehmers nicht stützen. Eine automatisch von einem Zeiterfassungsprogramm vorgenommene "Rundung" der Arbeitszeiten, die auf eine Kürzung der Arbeitszeiten hinausläuft, entspricht nicht der Vorgabe aus dem Urteil des EuGHs vom 14.05.2019 [CCOO], dass die Arbeitszeiten "objektiv" und "verlässlich" festzustellen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18, Rn. 47, 49, 50, 54, 56, 57, 60, 62, 65).
- 6)
Eine arbeitsvertragliche Regelung, die die Kürzung einer Gratifikation um 1/60 je Fehltag vorsieht, ist wegen Verstoßes gegen § 4 a Satz 2 EFZG gemäß §§ 134 BGB, 12 EZFG nichtig. Zusätzlich ergibt sich die Unwirksamkeit einer solchen Regelung auch aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach § 4 a Satz 2 EFZG darf die Kürzung von Sondervergütungen für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten (Abgrenzung zu LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.01.2019 - 7 Sa 490/18, Juris).
- 7)
Verlangt die Arbeitgeberin die Rückzahlung von Vergütungsüberzahlungen mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe rechtsgrundlos in Anspruch genommene reguläre Pausen von arbeitstäglich 45 Minuten sowie zusätzliche Raucherpausen von arbeitstäglich 50 Minuten vergütet erhalten, und bestreitet der Arbeitnehmer diesen Vortrag, ist von der Arbeitgeberin im Einzelnen konkret darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer zu jeweils welchen Uhrzeiten Pausen gemacht habe. Andernfalls ist der Vortrag unsubstantiiert. Für unsubstantiierten Vortrag aufgebotene Zeugen sind auf Grund des Verbotes der Ausforschung von Zeugen nicht zu vernehmen.
In dem Rechtsstreit
- Kläger -
gegen
- Beklagte -
hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Emden ...für Recht erkannt:
Tenor:
- 1)
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.843,32 EUR brutto
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 6.387,81 EUR brutto seit dem 1.11.2018 sowie
auf 2.579,00 EUR seit dem 01.01.2019
abzüglich am 7.2.2019 gezahlter 4.041,65 € netto zu zahlen.
- 2)
Die Widerklage vom 21.10.2019 wird abgewiesen
- 3)
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
- 4)
Der Wert des Streitgegenstandes für das vorliegende Teil-Urteil wird auf 20.121,24 € festgesetzt.
- 5)
Die Berufung wird gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, eine Sonderzahlung sowie Ansprüche auf Überzahlung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Der ... Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom ... seit diesem Zeitpunkt als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten, einem Einzelhandelsunternehmen, angestellt. Zu Gunsten des Klägers rechnete die Beklagte zuletzt, und zwar seit September 2015, ein monatliches "Gehalt" in Höhe von zuletzt 2.579,00 € brutto für 173,20 Stunden ab (vgl. Lohn- und Gehaltsabrechnung für 09.2015, ...). Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch eine Eigenkündigung des Klägers zum 30.06.2019.
§ 5 des Arbeitsvertrages der Parteien lautet auszugsweise:
"§ 5 Weihnachtsgratifikation
1. Soweit die Firma allgemein eine Weihnachtsgratifikation gewährt, erhält der Arbeitnehmer diese ebenfalls.
2. Der Arbeitnehmer erkennt an, dass die Gratifikation freiwillig gezahlt wird und hierauf auch nach wiederholter vorbehaltloser Zahlung kein Rechtsanspruch erwächst.
3. Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung oder bis zum 31.12. von einem der Vertragsteile gekündigt wird oder infolge Aufhebungsvertrages endet.
4. ...
5. Die Gratifikation entfällt stets anteilig für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis - gleich aus welchem Rechtsgrund - ruht. Für die Zeiten in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist (oder an Kuren teilnimmt) wird die Gratifikation je Fehltag um 1/60 gekürzt. ...."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf die vom Kläger zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung Bezug genommen ...
Mit am 19.02.2019 verkündeten und rechtskräftig gewordenen Teil-Urteil hatte die erkennende Kammer die Beklagte unter anderem verurteilt, dem Kläger Auskunft über die in dem Zeitraum 01.01.2016 bis 31.10.2018 von ihm geleisteten Überstunden zu erteilen und die für diesen Zeitraum vorhandenen Arbeitszeitaufzeichnungen vorzulegen ...
Der Kläger war jedenfalls seit dem 03.12.2018 durchgängig bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt, nachdem er bereits vom 16.07.2018 bis 01.12.2018 durchgängig arbeitsunfähig war.
Mit Lohn- und Gehaltsabrechnung 06.2019 rechnete die Beklagte zugunsten des Klägers einen Gesamtbruttobetrag in Höhe von 4.041,65 € ab; dieser setzte sich anteilig aus 1.165,14 € brutto für 78,25 Überstunden zu je 14,89 € sowie zwei Beträge zur "Urlaubsabgeltung" in Höhe von 1.388,66 € brutto sowie 1.487,65 € brutto zusammen ... Die Beklagte zahlte den Gesamtbruttobetrag in Höhe von 4.041,65 € vollständig an den Kläger aus.
Nachdem die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 28.12.2015 bis 25.11.2018 technische Zeitaufzeichnungen vorgelegt hatte ... hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16.09.2019 die ursprünglich auf Auskunft und eidesstattliche Versicherung gerichtete Klage auf Zahlung umgestellt ...
Der Kläger ist der Auffassung, Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung für den Zeitraum 01.01.2016 bis 16.7.2018 für 429 Stunden zu jeweils 14,90 € pro Stunde, insgesamt also in Höhe von 6.392,10 € brutto zu haben.
Der Kläger behauptet, den ihm seitens der Beklagten zur Verfügung gestellten technischen Aufzeichnungen sei für den Zeitraum 04.01.2016 bis 16.07.2018 zu entnehmen, dass er - der Kläger - bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden 348 "Mehrarbeitsstunden" geleistet habe (vergleiche im Einzelnen die vom Kläger ... zur Gerichtsakte gereichte Stundenaufstellung für den Zeitraum 28.12.2015 bis 13.07.2018 ...). Soweit die Beklagte allerdings Anfangs- und Endzeiten gerundet habe, sei dies nicht zulässig gewesen. Die Arbeitstage des Klägers seien jeweils frei von Pausen gewesen, da sonst nicht alle Aufträge arbeitstäglich hätten ausgeliefert werden können. Jeder Kunde, der bis 11: 00 Uhr bestellt habe, habe auch noch am gleichen Tage beliefert werden müssen. Aufgrund dieser Anweisungen habe der Kläger Pausen nicht einhalten können. Getränke und Essen habe der Kläger während der Fahrt bei Auslieferungsfahrten zu sich genommen. Die Tätigkeit des Klägers als Auslieferungsfahrer habe festgelegte Pausen nicht zugelassen. Auch die Beklagte selbst habe in die von ihr ausgehändigten Zeitaufzeichnungen keine Pausenzeiten eingetragen. Dies habe jedoch nahegelegen, wenn, wie von der Beklagten behauptet, Pausenregelungen in ihrem Betrieb bekannt gewesen seien. Bestritten werde, dass der Kläger während seines Beschäftigungsverhältnisses auf von ihm einzuhaltende Pausenzeiten aufmerksam gemacht worden sei, dass es bei der Beklagten Regelungen gebe, wann die Mitarbeiter Pausen zu machen hätten, dass dem Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt eine solche bei der Beklagten bestehende Pausenregelung bekannt gegeben worden sei und dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt aufgefordert worden sei, in dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Zeiterfassungsgerät Pausenzeiten einzutragen. Die Beklagte habe in ihrer FILIALE ABC ein Zeiterfassungsgerät installiert, dass auch von dem Kläger zu benutzen gewesen sei, um seine Arbeitszeit zu dokumentieren. Diese technischen Aufzeichnungen hätten dazu gedient, dass die Beklagte tagtäglich die von dem Kläger dokumentierte Arbeitszeit habe kontrollieren können und dann am Ende des Monats anhand dieser technischen Aufzeichnungen eine Abrechnung der von dem Kläger geleisteten Arbeitszeit habe vornehmen können. Die Behauptung der Beklagten, das Zeiterfassungsgerät habe nur dazu gedient, die Kommens- und Gehzeiten zu dokumentieren, sei nicht nachzuvollziehen.
Die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei "starker Raucher", sei falsch. Zutreffend sei, dass der Kläger Raucher sei und er während seiner Beschäftigung bei der Beklagten in der Arbeitszeit geraucht habe, ohne Pause zu machen. Bestritten werde, dass der Kläger 10 Zigaretten pro Tag und Pausenzeiten von 5 Minuten je Zigarette gemacht habe. Richtig sei, dass der Kläger, wie andere Mitarbeiter der Beklagten auch, während der Verrichtung seiner Tätigkeiten geraucht habe. Dabei habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt in dem Fahrzeug geraucht. Auch habe er bei Kunden, die er habe beliefern müssen, nicht geraucht. Schließlich habe er auch nicht in dem Gebäude der Beklagten geraucht. Lediglich dann, wenn der Kläger sein Fahrzeug habe beladen müssen, habe der Kläger auch bei diesen Verladetätigkeiten geraucht. Hinzuweisen sei darauf, dass dieses Verhalten gegenüber dem Kläger von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt abgemahnt worden sei. Bestritten werde, dass der Kläger regelmäßig zwischen der von ihm gestempelten Anfangs- bzw. Endzeit seine Privatadresse aufgesucht habe, um gekaufte Waren abzugeben, Privatangelegenheiten zu erledigen bzw. tägliche Pausen zu machen. Diese Behauptungen der Beklagten seien frei erfunden. Von der Beklagten richtig dargestellt sei, dass der Kläger zwischen 4 und 8 Touren pro Tag ableistet habe und nach Auslieferung der Waren bei dem Kunden zu dem Betrieb habe zurückkehren müssen um dann die Papiere für die nächste Tour zu holen, die Waren zu laden und dann anschließend zu den Kunden gefahren sei und die Waren ausgeliefert habe. Bei Ausführung dieser Arbeiten habe der Kläger dann bei den Ladevorgängen auch hin und wieder geraucht.
Zusätzlich habe er - der Kläger - einen Anspruch auf Vergütung weiterer 81 "Mehrarbeitsstunden". Für die von ihm auszuführenden Auslieferungsfahrten habe er ein Fahrzeug benötigt. Dieses Fahrzeug habe er bis zum 12.10.2016 bei der FILIALE XYZ der Beklagten abholen müssen. Erst ab dem 13.10.2016 habe sich der Arbeitstag des Klägers insoweit geändert, dass ihm am Standort der FILIALE ABC ein "eigenes" Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden sei. Am 13.10.2016 sei dann von der Beklagten ein Fahrzeug angeschafft worden, das bei der FILIAE ABC gestanden habe. Erst ab diesem Zeitpunkt habe der Kläger dann seine Arbeit an der FILIALE ABC beginnen und auch dann bei Arbeitsbeginn die elektronische Zeiterfassung bedienen können. Er - der Kläger - sei bis zu diesem Zeitpunkt (bis zum 12.10.2016) von seinem Wohnort zunächst zur FILIALE XYZ gefahren, um dort das für die Ausübung seiner Tätigkeit benötigte Fahrzeug abzuholen. Der weitere Arbeitsalltag des Klägers sei so gestaltet gewesen, dass der Kläger bei der Ankunft in der FILIALE ABC und nach Dokumentation des Arbeitszeitbeginns an der Infotheke das Portemonnaie, das Klemmbrett zur Aufnahme der Aufträge und sonstige Unterlagen ausgehändigt bekommen habe. Er habe dann die eigentliche Arbeit, das Ausliefern der Aufträge, beginnen können. Die Aufträge seien zum Teil fertig kommissioniert gewesen aber oftmals habe der Kläger die Waren(Getränkekisten) noch selbst zusammenstellen müssen. Je nach Größe der Aufträge habe der Kläger zwischen 1 bis 4 Lieferungen auf einmal fahren können, bevor er wieder zur FILALE ABC habe fahren müssen, um neue Aufträge zu laden. Sei alles ausgeliefert gewesen, sei in der Infotheke mit der jeweiligen Kollegin die vom Kläger vorbereitete Tagesabrechnung gemacht worden. Jetzt sei der Kläger angehalten gewesen, "auszustempeln", um im Anschluss daran das Fahrzeug wieder zur FILIALE XYZ zurückzubringen. Dort habe er dann wiederum Ware ausgeladen. Täglich habe der Kläger in diesem Zuge den Auftrag erhalten, eine Kiste mit Papieren im Büro der FILIALE XYZ abzuliefern. Er habe dann das Fahrzeug abstellen und den Schlüssel in der Werkstatt in der FILIALE XYZ abgeben können. Erst nach Rückgabe des leergeräumten Fahrzeuges sei der Kläger dann mit seinem eigenen Fahrzeug nach Hause gefahren. Diese Arbeitszeiten hätten regelmäßig arbeitstäglich eine halbe Stunde Zeit in Anspruch genommen. Für den Zeitraum vom 04.01.2016 bis 12.10.2016 seien für die aufgrund der elektronischen Zeiterfassung festgestellten 162 Arbeitstage jeweils 30 Minuten, mithin insgesamt 81 Stunden zu berücksichtigten.
Unter Berücksichtigung des Vortrages der Beklagten sei unstreitig, dass die Beklagte für das Jahr 2018 ihren Mitarbeitern eine Weihnachtsgratifikation gezahlt habe. Die Zahlungsverpflichtung sei auch nicht durch die in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages aufgenommene Regelung entfallen. Diese Regelung verstoße gegen § 7 des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Selbst wenn ein solcher Verstoß nicht angenommen werden könne sei es nicht gerechtfertigt, den Kläger während des Krankheitszeitraumes vom 16.07.2018 bis 31.12.2018 von dem gesamten Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation auszunehmen.
Die vom Kläger aufgestellte Berechnung der Klageforderungen ... sei nachvollziehbar. Zutreffend sei, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger mit der Abrechnung 06.2019 78,25 Mehrarbeitsstunden mit netto 1.165,14 € vergütet habe. Bei der Endabrechnung sei der gezahlte Betrag von 4.041,65 € netto von dem errechneten Bruttobetrag in Abzug gebracht worden, sodass auch die abgerechneten Mehrarbeitsstunden berücksichtigt worden seien. Unrichtig sei, dass insoweit Brutto- und Nettobezüge vermischt würden. Hinsichtlich seiner Endabrechnung mache der Kläger insgesamt einschließlich der Urlaubsabgeltung und der abgerechneten Mehrarbeitsstunden Bruttobeträge geltend und bringe hiervon den von der Beklagten für Urlaubsabgeltung und geleistete Mehrarbeitsstunden mit der Abrechnung 06.2019 ... errechneten Nettobetrag von 4.041,65 € in Abzug.
Soweit die Beklagte ankündige, widerklagend den Kläger zu verurteilen an die Beklagte 12.319,57 € nebst Zinsen zu zahlen, sei die Begründung dieser Forderung unschlüssig. Es stelle sich die Frage, warum die Beklagte für Raucherpausen 435,19 Stunden und für sonstige Pausen 391,30 Stunden abziehen wolle, wenn sie stets auf Basis einer monatlichen Arbeitszeit von 173,00 Stunden den Lohn gezahlt habe und darüber hinaus selbst noch 78,25 Überstunden abgerechnet habe, und wenn sie Kenntnis von den technischen Aufzeichnungen gehabt habe, in denen weder Raucherpausen noch sonstige Pausen enthalten seien. Auch müsse die Beklagte die von ihr angeführten Raucherpausen zumindest auf die anderen Pausen anrechnen, wenn tatsächlich von ihr - was bestritten werde - Pausenregelungen bekanntgegeben worden seien.
Im Kammertermin ... hat der Kläger ausdrücklich die Zurücknahme des auf Abgabe der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich der erteilten Auskunft gerichteten Antrages erklärt ...
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 15.500,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 6.392,10 € brutto seit dem 01.11.2018, auf 4.991,63 € brutto ab dem 01.01.2019 und auf 1.240,67 € brutto ab dem 01.02.2019 abzüglich am 02.07.2019 gezahlter 4.041,65 € netto zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt widerklagend,
- 1)
den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 12.319,57 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Widerklage zu zahlen;
- 2)
den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 1.031,06 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Widerklage zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Dem Kläger stünden die von ihm geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der vom Kläger hierzu geleistete Vortrag sei unvollständig, unschlüssig, unsubstantiiert und nicht erheblich. Im Übrigen komme der Kläger der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nach. Die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger mit der Lohnabrechnung 06.2019 bzw. durch Korrekturabrechnungen ... zum 30.06.2019 vollständig und korrekt einschließlich der von ihr angeordneten und vom Kläger geleisteten Mehrarbeit abgerechnet. Darüberhinausgehende Mehrarbeit sei vom Kläger weder geleistet noch von der Beklagten angeordnet worden. Vor diesem Hintergrund sei die vom Kläger beanspruchte Überstundenvergütung weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollziehbar. Der Kläger habe die von ihm begehrten Ansprüche nicht schlüssig begründet. So habe der Kläger nicht dargelegt, an welchen Tagen zu welchen Uhrzeiten jeweils Arbeitszeiten auf Anordnung der Beklagten angefallen seien, die - ohne Berücksichtigung von Pausenzeiten - über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgegangen seien. Weiter fehle jeglicher Vortrag dahingehend, wer und wann dem Kläger gegenüber bei welcher Gelegenheit Überstunden angeordnet habe. Falsch sei die Auffassung des Klägers, anhand der technischen Aufzeichnungen seien in dem Zeitraum vom 04.01.2016 bis 16.07.2018 insgesamt vom Kläger geleistete 348 Mehrarbeitsstunden festzustellen. Durch die technischen Aufzeichnungen seien lediglich die Anfangs- bzw. Endzeiten dokumentiert worden, die nichts mit der Arbeitszeit und damit mit der von dem Kläger beanspruchten Mehrarbeitsvergütung zu tun hätten. Zwischen den Parteien sei vereinbart worden, dass sich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen nach den betrieblichen Regelungen richten sollten und auch gerichtet hätten. Tatsächlich hätten die arbeitstäglichen Pausen bei allen Mitarbeitern der Beklagten 45 Minuten betragen. Der Kläger sei sowohl vor Beginn des Arbeitsverhältnisses als auch während dessen Dauer wiederholt auf die von ihm einzuhaltenden Pausenzeiten aufmerksam gemacht worden. Tatsächlich habe der Kläger diese auch täglich in Anspruch genommen. Bestritten werde, dass der Kläger innerhalb der dokumentierten Kommens- und Gehenszeiten durchgehend gearbeitet habe und die Beklagte dieses angeordnet habe. Die einzuhaltenden und eingehaltenen Pausenzeiten seien deshalb bei den vom Kläger angestellten Berechnungen zur Arbeitszeit in Ansatz zu bringen. Mit dem bei der Beklagten installierten Zeiterfassungsgerät seien vom Kläger nicht seine Arbeitszeiten, sondern täglich lediglich die Kommens- und Gehenszeiten des Klägers erfasst worden. Eine Erfassung der reinen Arbeitszeit des Klägers im Sinne des Artikel 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG habe nicht stattgefunden. Dieses entspreche auch nicht der Eigenart der Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers, denn diese erfordere eine zeitlich flexible Gestaltung. Insoweit habe die Beklagte lediglich die Gesamtdauer der einzuhaltenden Pausen vorgegeben. Dem Kläger sei es vorbehalten gewesen, zu entscheiden, wann und wo er die Pausen einlege. Insoweit sei es falsch, wenn der Kläger behaupte, die technischen Aufzeichnungen hätten der Beklagten dazu gedient, die tagtäglich vom Kläger dokumentierte Arbeitszeit zu kontrollieren und anhand dieser eine monatliche Abrechnung vorzunehmen. Der Kläger habe gerade keine Arbeitszeit dokumentiert, zumal er ab September 2015 bei der Beklagten mit einem monatlichen Festgehalt tätig gewesen sei. Der Kläger sei während seines Beschäftigungsverhältnisses auch auf die von ihm einzuhaltenden Pausenzeiten aufmerksam gemacht worden sei. Diese hätten pro Tag 45 Minuten betragen und seien vom Kläger auch in Anspruch genommen worden. Insoweit seien diese Pausenzeiten ebenfalls bei der Abrechnung in Ansatz zu bringen. Die vom Kläger in Anspruch genommenen Pausen hätten in den Jahren 2016, 2017 und 2018 unter Berücksichtigung der von ihm insgesamt geleisteten 522 Arbeitstage 391,50 Stunden betragen. Falsch sei und ausdrücklich bestritten werde die Behauptung des Klägers, seine Arbeitstage seien jeweils frei von Pausen gewesen, da sonst nicht alle Aufträge arbeitstäglich hätten ausgeliefert werden können. Falsch und ausdrücklich bestritten werde auch die Behauptung, der Kläger habe auf Grund von Anweisungen der Beklagten Pausen nicht einhalten können. Falsch sei auch die Behauptung des Klägers, er habe Getränke und Essen während der Fahrt bei Auslieferungsfahrten zu sich nehmen müssen. Dem in diesem Zusammenhang gemachten Beweisangebot einer eidlichen Vernehmung des Klägers werde widersprochen.
Pausenzeiten seien vom Kläger nicht dokumentiert worden. Es handele sich insoweit um reine Brutto-Zeiten. Entsprechend der Begriffsdefinition nach Artikel 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG sei Arbeitszeit im Sinne des Arbeitsschutzrechts jede Zeitspanne, während derer ein Arbeitnehmer arbeite, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme. In diesem Zusammenhang werde ausdrücklich bestritten, dass der Kläger in den von ihm beanspruchten Zeiträumen tatsächlich gearbeitet habe und der Beklagten zur Verfügung gestanden habe. Die Beklagte habe dem Kläger gegenüber in den vom ihm beanspruchten Zeiträumen keine Überstunden angeordnet bzw. solche geduldet. Auch die Rundung von Anfangs- und Endzeiten durch die Arbeitszeitaufzeichnung sei zulässig gewesen. Tatsächlich habe der Kläger zwischen 4 und 8 Touren pro Tag bewältigt. Zwischenzeitlich sei er immer wieder zum Gebäude der Beklagten zurückgekehrt und habe Pausen absolviert. Während dieser Pausen habe der Kläger regelmäßig geraucht.
Der Kläger sei als starker Raucher bekannt gewesen. Die erste Zigarette sei vom Kläger regelmäßig nach seiner Ankunft bei der Beklagten in der FILIALE ABC konsumiert worden. Weitere Zigarettenpausen habe der Kläger regelmäßig jeweils nach Beendigung einer Tour einlegt, um ... zu rauchen. Raucherpausen seien darüber hinaus vom Kläger immer dann vollzogen worden, wenn weniger Fahrten pro Tag angefallen seien. Falsch sei die Angabe des Klägers, er habe bei Ausführung der Ladevorgänge hin und wieder geraucht. Richtig sei vielmehr, dass der Kläger tagtäglich diverse Raucherpausen - und zwar mindestens 10 pro Tag - hinter dem Firmengebäude der Beklagten verbracht habe. Dieses sei unabhängig von irgendwelchen Ladevorgängen geschehen. Raucherpausen gehörten nicht zur Arbeitszeit. Diese Zeiträume seien vorliegend von den seitens des Klägers gestempelten Zeiten in Abzug zu bringen. Allein bei Genuss von 10 Zigaretten pro Tag und Pausenzeiten von 5 Minuten ergebe sich ein Abzug von 50 Minuten pro Tag. Bei 195 Arbeitstagen im Jahre 2016, 221 Arbeitstagen im Jahre 2017 und 106 Arbeitstagen im Jahre 2018 hätten sich (Raucher-)Pausenzeiten in Höhe von 162 Stunden und 30 Minuten für das Jahr 2016, 184 Stunden und 16 Minuten für das Jahr 2017 und 88 Stunden und 33 Minuten für das Jahr 2018 ergeben. Insgesamt habe sich eine Summe von 435 Stunden und 19 Minuten ergeben. Diese seien von den klägerischerseits in Ansatz gebrachten Zeiten in Abzug zu bringen. Der Vortrag des Klägers, er habe lediglich dann geraucht, wenn er sein Fahrzeug habe beladen müssen, sei "an den Haaren herbeigezogen" und werde ausdrücklich bestritten. Gleiches gelte für die Behauptung, der Kläger habe, wie jeder andere Mitarbeiter der Beklagten auch, bei Verrichtung seiner Tätigkeit geraucht. Der Kläger werde insoweit aufgefordert, seinen diesbezüglichen Vortrag zu konkretisieren und zu erklären, wie dieses abgelaufen sei. Nach eigenem Vortrag habe der Kläger weder im Fahrzeug, noch bei Kunden und auch nicht im bzw. am Gebäude der Beklagten geraucht. Das Be- und Entladen des Fahrzeuges habe jedoch an keinem anderen als den soeben genannten Orten stattgefunden. Der Kläger möge sich verdeutlichen, dass er Lebensmittel bewegt und transportiert habe und - auch bei der Beklagten - ein striktes Rauchverbot während des Umgangs mit Lebensmitteln, gleichgültig ob es sich um Einsortieren, Auspacken oder jegliches sonstige Handling handele, gegolten habe. Der Kläger habe bei dieser Tätigkeit auch nicht geraucht, sondern regelmäßige Raucherpausen eingelegt. Im Übrigen hätte die Beklagte auch bei einer Zuwiderhandlung gegen das angeordnete Rauchverbot umgehend mit einer Abmahnung bzw. bei wiederholtem Fehlverhalten mit einer Kündigung reagiert.
Darüber hinaus habe der Kläger regelmäßig zwischen der von ihm gestempelten Anfangs- bzw. Endzeit seine Privatadresse aufgesucht, um gekaufte Waren abzugeben, Privatangelegenheiten zu erledigen bzw. seine täglichen Pausen zu machen.
Nicht deutlich werde, weshalb es "nahegelegen" habe, dass die Beklagte in die Zeiterfassung Pausenzeiten für den Kläger in seiner Eigenschaft als Auslieferungsfahrer habe eintragen sollen. Darüber hinaus bleibe es dabei, dass der Kläger regelmäßig innerhalb der von ihm gestempelten Kommen- und Gehenszeiten seine Privatadresse aufgesucht habe. Sofern der Kläger angemerkt habe, dass er seitens der Beklagten zu keinem Zeitpunkt aufgefordert worden sei, in dem Zeiterfassungsgerät Pausenzeiten einzutragen, so sei diesem Vortrag ausdrücklich beizupflichten. Der Vortrag des Klägers verdeutliche, dass in dem Zeiterfassungsgerät lediglich Kommen- und Gehenszeiten und nicht Arbeitszeiten dokumentiert würden. Es habe sich bei den Zeiten im Einzelnen um reine Anwesenheits- und nicht um Arbeitszeiten gehandelt.
Nicht nachvollziehbar seien des Weiteren die vom Kläger in Ansatz gebrachten 81 Mehrarbeitsstunden. Ausdrücklich bestritten werde, dass die vom Kläger errechneten Zeiten für die Abholung des Fahrzeuges in diesem Zusammenhang täglich eine halbe Stunde Zeit in Anspruch genommen hätten. Die FILIALE ABC und die FILIALE XYZ befänden sich in "Steinwurfentfernung" zueinander. Der vom Kläger in diesem Zusammenhang zugrunde gelegte Zeitrahmen von einer halben Stunde sei völlig überzogen. Zur Berechnung der Zeiten helfe auch ein Blick in Google Maps.
Darüber hinaus habe die Beklagte dem Kläger gegenüber mit der Abrechnung 06/2019 78,25 Mehrarbeitsstunden vergütet. Diese seien in Abzug zu bringen (vgl. Abrechnung für den Monat 06.2019 ...).
Der Kläger habe keinen weitergehenden Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung. Vielmehr habe er weniger Stunden bei der Beklagten gearbeitet, als ihm von der Beklagten Vergütung gewährt worden sei. Insgesamt handele es sich um 826 Stunden und 49 Minuten zu multiplizieren mit 14,90 € pro Stunde. Der Kläger schulde der Beklagten insoweit den mit der Widerklage geltend gemachten Betrag in Höhe von 12.319,57 €. Die Widerklageforderung sei weder unschlüssig noch konstruiert. Darüber hinaus widerspreche sich der Kläger auch in seinem Vortrag .... Während er einerseits behaupte, der Kläger sei nach der vertraglichen Vereinbarung für geleistete Arbeit im Stundenlohn zu vergüten, lasse er andererseits vortragen, die Abrechnung habe auf einer monatlichen Arbeitszeit von 173 Stunden basiert. Der Widerspruch sei insoweit offensichtlich. Tatsache sei, dass der Kläger ab dem Monat September 2015 als Gehaltsempfänger bei der Beklagten mit einer monatlichen Arbeitszeit von 173 Stunden tätig gewesen sei.
Soweit das Arbeitsgericht auf das Urteil der EuGHs vom 14.5.2019, Rs. 55-18 [CCOO] hingewiesen habe, sei dies nicht nachvollziehbar. Der Kläger begehre die Vergütung von angeblich abgeleisteten Überstunden. Der Kläger trage hierfür die volle Darlegungs- und Beweislast. Es könne nicht nachvollzogen werden, inwieweit das Urteil des EuGHs vom 14.05.2019 hierauf Einfluss habe. Das Urteil des EuGHs sei zum spanischen Recht ergangen, dass sich von der deutschen Regelung unterscheide. Eine Verpflichtung zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten bestehe in Deutschland nicht.
Die Zahlung der Weihnachtsgratifikation, vom Kläger als "Sonderzahlung" tituliert, sei in § 5 des Arbeitsvertrages ... geregelt. Danach erhalte der bei der Beklagten beschäftigte Arbeitnehmer grundsätzlich gemäß § 5 Abs. 1 eine Weihnachtsgratifikation, soweit die Firma allgemein eine Weihnachtsgratifikation gewähre. Hinsichtlich des Entfalls der Gratifikation finde sich allerdings die vorliegend einschlägige Regelung in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages ... Dort heiße es: "Die Gratifikation entfällt stets anteilig für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis - gleich aus welchem Rechtsgrund - ruht. Für die Zeiten in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist (oder an Kuren teilnimmt) wird die Gratifikation je Fehltag um 1/60 gekürzt." Der Kläger sei im Jahre 2018 vom 16.07.2018 bis 31.12.2018 allerdings durchgehend an insgesamt 116 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen (vgl. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ...). Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht zur Zahlung der Weihnachtsgratifikation verpflichtet. Nicht deutlich werde, weshalb die in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages vereinbarte Regelung gegen § 7 AGG verstoßen soll. Das klägerische Vorbringen sei insoweit unsubstantiiert. Die arbeitsvertraglich getroffene Regelung sei insoweit eindeutig und entspreche auch der einschlägigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere des LAG Niedersachsen in seinem Urteil vom 17.01.2019, 7 Sa 490/18).
Nicht nachvollziehbar sei die vom Kläger aufgestellte Endberechnung. Es würden insoweit Brutto- und Nettobezüge vermischt und bereits für Urlaubsabgeltung und geleistete Mehrarbeitsstunden gewährte Beträge erneut in Berechnungen miteinbezogen. Die Auszahlung des in der Lohn- und Gehaltsabrechnung 6.2019 ausgewiesenen gesamten Bruttobetrages in Höhe von 4.041,65 € als Nettobetrag sei aufgrund eines Versehens des Steuerberaters der Beklagten so geschehen (vgl. Lohn- und Gehaltsabrechnung 06.2019 ...).
Hinsichtlich des - für das vorliegende Teil-Urteil nicht entscheidungserheblichen - Vortrags der Parteien zu den vom Kläger für die Monate Dezember 2018 und Januar 2019 erhobenen Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie zum von der Beklagten gestellten Widerklageantrag über 1.031,06 € wird auf die klägerseitigen Schriftätze ... sowie die Beklagtenschriftsätze ... Bezug genommen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verhandlungsprotokolle.
Entscheidungsgründe
Soweit über die Klage und die Widerklage gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Wege des Teilurteils zu entscheiden war, ist die zulässige Klage begründet und die zulässige Widerklage unbegründet.
I) Der Kläger hat gemäß § 612 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung in Höhe von 6.387,81 € brutto für die Leistung von 429 Überstunden im streitgegenständliche Zeitraum zu 14,89 € je Stunde.
1) Einen weitergehenden Anspruch auf Überstundenvergütung hat der Kläger allerdings insoweit nicht. Der vom Kläger in Ansatz gebrachte Stundensatz in Höhe von 14,90 € brutto je Stunde ist um 0,01 € zu hoch angesetzt; ausweislich der seitens der Beklagten erteilten Abrechnungen (vergleiche etwa Lohn- und Gehaltsabrechnung 06.2019 ...) ist dem Kläger von der Beklagten ein Stundenlohn von zuletzt 14,89 € brutto gezahlt worden.
2) Offenbleiben kann, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum auf Basis einer Stundenvergütung oder einer monatlichen Festvergütung von der Beklagten beschäftigt wurde. Jedenfalls gehen beide Parteien überstimmend von einer Vollzeitbeschäftigung in einer 40-Stunden-Woche aus. Fehlt es an einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Bestimmung des Umfangs der Arbeitszeit, darf der durchschnittliche Arbeitnehmer eine Vereinbarung, er werde "in Vollzeit" beschäftigt, so verstehen, dass die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit - unter Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche und der in § 3 Satz 1 ArbZG vorgesehenen acht Stunden arbeitstäglich - 40 Wochenstunden nicht übersteigt (vgl. für die schriftliche Vereinbarung einer Tätigkeit "in Vollzeit" BAG, Urteil vom 25.03.2015 - 5 AZR 602/13, Juris Rn. 14). Da der Kläger die von ihm verlangte Überstundenvergütung unter Zugrundelegung einer solchen Vollzeitbeschäftigung berechnet hat, wirkt sich die Uneinigkeit der Parteien, ob der Kläger auf Basis einer Stundenvergütung oder einer monatlichen Festvergütung von der Beklagten beschäftigt wurde, im Ergebnis nicht aus.
3) Offenbleiben kann, ob die vom Kläger mittels der bei der Beklagten eingerichteten Zeiterfassung erfassten Zeiten - was von der Beklagten bestritten worden ist - dazu bestimmt waren, der Abrechnung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu dienen oder die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften zu kontrollieren. Jedenfalls hat der Kläger durch die Vorlage der Zeitnachweise hinreichend gewichtige Indizien dafür nachgewiesen, zu den in der Zeiterfassung erfassten Zeiten auch tatsächlich gearbeitet zu haben.
a) Die Beklagte wäre - in europarechtskonforme Auslegung - gemäß § 618 BGB zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten des Klägers verpflichtet gewesen.
Insbesondere aus § 618 Abs. 1 BGB folgt (in europarechtskonformer Auslegung) eine arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Messung, Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer. Hilfsweise besteht eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht jedenfalls gemäß § 241 Abs. 2 BGB (vgl. Arbeitsgericht Emden, Urteil vom 24.09.2020 - 2 Ca 144/20, E-CLI: DE: ARBGEMD: 2020: 0924.2CA144.20.0A, veröffentlicht in BeckRS 2020, 28054, Leitsatz 6.). Die Leitsätze des soeben genannten Urteils der erkennenden Kammer lauten vollständig (vgl. BeckRS 2020, 28054, Leitsatz 1. Bis17.):
"1. Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.05.2019, Rs. C-55/18 [CCOO], Juris, wird die Darlegungslast im Überstundenprozess modifiziert. Die vom Bundesarbeitsgericht bisher (vgl. BAG, Urteil vom 10.04.2013 - 5 AZR 122/12, Juris Rn. 21 und 22) geforderte - positive - Kenntnis als Voraussetzung für eine "Duldung" der Leistung etwaiger Überstunden und damit für eine Zurechenbarkeit bzw. arbeitgeberseitige Veranlassung ist infolge des genannten Urteils des EuGHs jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die Arbeitgeberin sich die Kenntnis der Arbeitszeiten der Arbeitnehmerin durch Einsichtnahme in die Arbeitszeiterfassung, zu deren Einführung, Überwachung und Kontrolle die Arbeitgeberin verpflichtet ist, hätte verschaffen können.
2. Dem Einwand, Folgerungen für vergütungsrechtliche Fragen könnten sich aus dem Urteil des EuGHs vom 14.05.2019, a. a. O., [CCOO] nicht ergeben, weil die Europäische Union in vergütungsrechtlichen Fragen keine Regelungskompetenz habe, ist nicht zu folgen (vgl. zu Einzelheiten EuGH, Urteile vom 15.4.2008 - C-268/06, "Impact", Juris Rn. 121 bis 126, sowie vom 21.02.2018, C-518/15, "Matzak", Rn. 24 bis 26).
3. Arbeitszeitaufzeichnungen, die (jedenfalls in erster Linie) den Zweck haben, die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften zu dokumentieren und zu überwachen, können auch vergütungsrechtliche Bedeutung entfalten (vgl. BAG, Urteil vom 28.08.2019 - 5 AZR 425/18, Juris Rn. 16 bis 30).
4. Im Regelfall ist von einer Deckungsgleichheit der arbeitszeitrechtlich dokumentierten sowie der vergütungspflichtigen Arbeitszeit auszugehen. Die in Erfüllung arbeitszeitrechtlicher Vorgaben angefertigte Dokumentation von Arbeitszeiten wird, von besonders gelagerten und zu begründenden Ausnahmefällen abgesehen, regelmäßig ein aussagekräftiges Indiz dahingehend darstellen, dass während der dokumentierten Arbeitszeit auch tatsächlich gearbeitet worden ist.
5. Besteht nach dem Urteil des EuGH vom 14.05.2019, C-55/18, [CCOO], aus Gründen des vom EuGH vielfach zitierten Gesundheitsschutzes eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten sowie der mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten Gerichte "sämtliche nationalen Rechtsnormen" "so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck" der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG auszurichten, sind insbesondere die hier in Betracht kommenden §§ 241Abs. 2, 242, 315, 618 Abs. 1 BGB durch die Arbeitsgerichte in einer Weise auszulegen, die den Vorgaben des EuGHs gerecht wird. Die genannten §§ 241 Abs. 2, 242, 315, 618 Abs. 1 BGB enthalten in hinreichendem Maße ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe und Generalklauseln, die einer unionsrechtskonformen- und nach Maßgabe von Art. 31 Abs. 2 GRC grundrechtskonformen Auslegung zugänglich sind.
6. Insbesondere aus § 618 Abs. 1 BGB folgt (in europarechtskonformer Auslegung) eine arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Messung, Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer. Hilfsweise besteht eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht jedenfalls gemäß § 241 Abs. 2 BGB.
7. Die Vereinbarung sogenannter "Vertrauensarbeitszeit" schließt die arbeitgeberseitige "Veranlassung" in Form einer "Duldung" von Überstunden nicht aus. Auch schließt sie nicht die Abgeltung von Überstunden aus (vgl. BAG, Urteil vom 23.09.2015 - 5 AZR 767/13, Rn. 31 m. w. N.). Schließlich beseitigt eine solche Vereinbarung nicht die arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten. Eine Vereinbarung, die auf den Versuch hinausläuft, die in europarechtskonformer Auslegung des § 618 BGB hergeleitete Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten zu beseitigen, ist gemäß § 619 BGB (in Verbindung mit § 134 BGB) nichtig.
8. Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG in Art. 17 Abs. 1 sowie der EuGH lediglich von einer "Messung" der Arbeitszeit sprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 14.05.2019, a. a. O. [CCOO] Rn. 51 ff., Rn. 71). Der vereinzelt vertretenen Auffassung, die Arbeitszeiten müssten nicht dokumentiert werden, ist nicht zu folgen. Würden Arbeitszeiten lediglich gemessen, ohne möglichst zeitnah aufgezeichnet zu werden, wäre eine "objektive und verlässliche Feststellung" der Einhaltung der Mindestruhezeiten nicht (mehr) möglich. Eine Kontrolle der Einhaltung von Höchstarbeits- und Ruhezeiten könnte im täglichen Geschäft nicht mit der hinreichenden Verlässlichkeit vorgenommen werden.
9. Da die Verpflichtung zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten über eine europarechtskonforme Auslegung des gemäß § 619 BGB zwingenden und unabdingbaren § 618 BGB begründbar ist, scheidet auch eine bloße - schwächere - Verpflichtung des Arbeitgebers zum "Ermöglichen" einer (für den Arbeitnehmer lediglich freiwilligen) Zeiterfassung, "so er denn will" aus.
10. Bei dem Urteil des EuGHs vom 14.05.2019, a. a. O. [CCOO] handelt es sich nicht um einen so genannten "ausbrechenden Rechtsakt" mit der Folge, dass die dortigen Grundsätze von den nationalen Fachgerichten nicht zu beachten wären. Die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen für eine "ultra-vires-Kontrolle" liegen nicht vor (vgl. zu diesen BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16.07.2020 - 2 BvR 2211/18, Juris Rn. 5; BVerfG, Urteil vom 05.05.2020 - 2 BvR 859/15, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 980/16, Juris Rn. 110 ff.; Urteil vom 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Juris Rn. 151 ff.).
11. Der EuGH betreibt mit dem Urteil in Sachen CCOO keine unzulässige Rechtsfortbildung, sondern bewegt sich im Rahmen der Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie. Nach deren Art. 3, 5 und 6 lit. b sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die "erforderlichen Maßnahmen" zu treffen. Der EuGH legt diesen unbestimmten Rechtsbegriff aus und stützt sich hierbeizum einen auf den "effet utile"-Grundsatz als anerkannten Auslegungsgrundsatz des Europarechts sowie auf das teleologische Argument des Arbeitnehmerschutzes.
12. Der durch das Urteil des EuGHs vom 14.05.2019, a. a. O. [CCOO], begründeten arbeitgeberseitigen Aufzeichnungs- und Kontrollpflicht steht nicht entgegen, dass die Mitgliedstaaten einen Spielraum bei der Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems haben. Die Vorgaben aus dem genannten Urteil des EuGHs sind namentlich von der Fachgerichtsbarkeit, der Arbeitsgerichtsbarkeit, im Wege europarechtkonformer Auslegung des nationalen Rechts umzusetzen. Andernfalls würde das Gebot der möglichst effektiven Umsetzung des Europarechts und der Rechtsprechung des EuGHs nicht hinreichend erfüllt.
13. Eine Verpflichtung der nationalen Gerichte zur europarechts- bzw. richtlinienkonformen Auslegung der genannten Vorschriften des nationalen (Arbeits-)Rechts besteht unabhängig davon, ob möglicherweise - zusätzlich - eine Pflicht des deutschen Gesetzgebers besteht, Änderungen der gesetzlichen Vorschriften der §§ 16 Abs. 2 ArbZG; § 21 a Abs. 7 ArbZG; § 17 MiLoG usw. infolge des EuGH-Urteils vom 14.05.2019, C-55/18, [CCOO], vorzunehmen.
14. § 16 Abs. 2 ArbZG sowie andere öffentlich-rechtliche Vorschriften (wie z. B. § 21 a Abs. 7 ArbZG; § 17 MiLoG), die vereinzelt die Erfassung der Arbeitszeiten vorsehen, stehen einer arbeitgeberseitigen Verpflichtung zur Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nicht entgegen. Zweck der - öffentlich-rechtlichen - Nachweispflichten ist in erster Linie, die Überwachung durch die Aufsichtsbehörden sicherzustellen. In Anwendung des Urteils des EuGHs vom 14.05.2019, Rs. C-55/18 [CCOO], Juris Rn. 68 bis 71, nach dem der europäischen Rechtslage von den nationalen Gerichten bei der Auslegung nationalen Rechts eine möglichst weitgehende Geltung zu verschaffen ist, ist im Hinblick auf eine arbeitgeberseitige Verpflichtung zur Erfassung und Kontrolle von Arbeitszeiten der Arbeitnehmer streng zwischen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zur Erfassung von Arbeitszeiten der Arbeitgeber im Verhältnis zu den Aufsichtsbehörden einerseits (etwa nach § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz; § 21 a Abs. 7 ArbZG; § 17 Abs. 1 MiLoG) und den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Arbeitgeber im (privatrechtlichen) Verhältnis zu den Arbeitnehmern gemäß §§ 241 Abs. 2, 242, 315, 618 BGB andererseits zu unterscheiden. Namentlich für § 16 Abs. 2 ArbZG verbleibt ein eigener Anwendungsbereich im öffentlich-rechtlichen Verhältnis der Arbeitgeber zu den Aufsichtsbehörden.
15. Hilfsweise wären im arbeitsvertraglichen Verhältnis § 16 Abs. 2 ArbZG und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften wegen eines Verstoßes gegen das "Grundrecht" (so der EuGH im Urteil vom 14.5.2019, a. a. O. [CCOO], Rn. 31 u. a.) aus Art. 31 Abs. 2 GRC "unangewendet" zu lassen, soweit sie einer arbeitgeberseitigen Pflicht zur Aufzeichnung und Kontrolle der Arbeitszeiten entgegenstehen sollten (vgl. EuGH, Urteil vom 22.11.2005 - C-144/04, "Mangold", Juris, Leitsatz 4).
16. Ob sich die genannten arbeitgeberseitigen Aufzeichnungs- und Kontrollpflichten gegebenenfalls aus einer unmittelbaren "horizontalen" Anwendbarkeit von Art. 31 Abs. 2 GRC zwischen Bürgern ergeben könnten, ob also Art. 31 Abs. 2 GRC selbst Anspruchsgrundlage sein könnte, bedarf keiner Entscheidung. Diese Frage dürfte - ebenso wie die für das Grundgesetz geführte Diskussion über eine (lediglich) mittelbare oder unmittelbare (horizontale) Anwendung der Grundrechte unter Privaten - lediglich "akademischer" Natur sein, also letztlich keine Praxisrelevanz haben.
17. Die Wirkung des EuGH-Urteils vom 14.05.2019, Rs. C-55/18 [CCOO], ist nicht auf die Zeit nach Eingang des Vorlageverfahrens beim EuGH bzw. Verkündung des EuGH-Urteils beschränkt. Das Urteil ist vielmehr auch auf zurückliegende Sachverhalte anzuwenden. Vertrauensschutz ist in Anwendung der vom EuGH in seinem Urteil vom 13.12.2018, Rs. C-385/17 [Hein], Juris Rn. 56 ff., aufgestellten Grundsätze nicht zu gewähren."
b) Da die Beklagte nach ihrem Vortrag ihrer soeben genannten Verpflichtung zur Erfassung und Kontrolle der Arbeitszeiten des Klägers gemäß § 618 BGB nicht nachgekommen ist, reichen die vom Kläger vorgetragenen Indizien für die Annahme aus, dass die von ihm geltend gemachten Arbeitszeiten zutreffend sind. Solche hinreichenden Indizien hat der Kläger durch die Vorlage der Ausdrucke der bei der Beklagten geführten Zeiterfassung vorgetragen (vgl. Anlagenkonvolute ...).
aa) Unterstellt, bei der von der Beklagten geführten Zeiterfassung handelte es sich - wie von der Beklagten geltend gemacht - um keine Erfassung der Arbeitszeiten im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie 2003/EG/EG, wäre von der Beklagten die aus dem Urteil des EuGHs vom 14.05.2019, Rs. C-55/18, [CCOO], folgende Verpflichtung (die gemäß § 618 BGB schon jetzt gilt, siehe oben) zur "objektiven", "verlässlichen" und "zugänglichen" Zeiterfassung allerdings nicht erfüllt worden. Dann stellt die Nichterfassung der Arbeitszeiten des Klägers allerdings eine Beweisvereitelung durch die Beklagte dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die Verletzung einer bestehenden Dokumentationspflicht zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugunsten des anderen Teils gehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1984 - IX ZR 157/83, NJW 1986, 59). Auch wenn die Beweisvereitelung noch keine vollständige Umkehr der Beweislast nach sich zieht, kann sie eine erhebliche Erleichterung der Beweisführungslast für den Arbeitnehmer bedeuten. Im Ergebnis kann dies einer Beweislastumkehr nahekommen (vgl. im Zusammenhang mit der Nichterteilung eines Nachweises gemäß § 2 Nachweisgesetz: Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Auflage 2020, § 2 NachwG Rn. 48 mit weiteren Nachweisen).
bb) Der Europäische Gerichtshof betont in seinem Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18, [CCOO], Juris Rn. 53 bis 55, insoweit die Bedeutung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung als wirksames Beweismittel:
"53 Im vorliegenden Fall ergibt sich zwar, wie die Deutsche Bank und die spanische Regierung geltend machen, aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen, dass ein Arbeitnehmer, wenn es an einem System, mit dem die Arbeitszeit gemessen werden kann, fehlt, nach den spanischen Verfahrensvorschriften von anderen Beweismitteln, wie u. a. Zeugenaussagen, der Vorlage von E-Mails oder der Untersuchung von Mobiltelefonen oder Computern, Gebrauch machen kann, um Anhaltspunkte für eine Verletzung dieser Rechte beizubringen und so eine Beweislastumkehr zu bewirken.
54 Anders als durch ein System, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit gemessen wird, kann mit solchen Beweismitteln jedoch nicht objektiv und verlässlich die Zahl der von dem Arbeitnehmer täglich oder wöchentlich geleisteten Arbeitszeit festgestellt werden.
55 Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der schwächeren Position des Arbeitnehmers in einem Arbeitsverhältnis der Zeugenbeweis allein nicht als wirksames Beweismittel angesehen werden kann, mit dem eine tatsächliche Beachtung der in Rede stehenden Rechte gewährleistet werden kann, da die Arbeitnehmer möglicherweise zögern,gegen ihren Arbeitgeber auszusagen, weil sie befürchten, dass dieser Maßnahmen ergreift, durch die das Arbeitsverhältnis zu ihren Ungunsten beeinflusst werden könnte."
cc) Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen sind die Zeiterfassungsbögen aus der Zeiterfassung der Beklagten, die der Kläger in den vorliegenden Prozess eingeführt hat (...), als hinreichende Indizien dafür anzusehen, dass der Kläger im Rahmen der erfassten Zeiten auch tatsächlich gearbeitet hat.
4) Die durch die Vorlage der Zeitnachweise seitens des Klägers begründeten Indizien, er habe - wie dort angegeben - gearbeitet, hat die Beklagte nicht entkräftet. Zwar hat die Beklagte geltend gemacht, was vom Kläger bestritten worden ist, der Kläger habe von der Beklagten angeordnete Pausen von 45 Minuten arbeitstäglich sowie zahlreiche zusätzliche Raucherpausen von arbeitstäglich 50 Minuten absolviert bzw. zwischenzeitlich regelmäßig sein Zuhause aufgesucht, um dort Pause zu machen.
Der Vortrag der Beklagten zu etwaigen Pausenzeiten bzw. Raucherpausen des Klägers ist allerdings nicht hinreichend substantiiert, um das durch die Zeiterfassung begründete Indiz, der Kläger habe unterbrechungslos gearbeitet, zu erschüttern.
Dabei kann zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass sie den Kläger angewiesen hatte, arbeitstäglich eine Pause von 45 Minuten in Anspruch zu nehmen. Der Kläger hat allerdings unter Bezugnahme auf die von ihm unter Vorlage der Zeiterfassung vorgetragenen Arbeitszeiten geltend gemacht, keine Pausen in Anspruch genommen, sondern ausschließlich während der Verrichtung der Arbeit gegessen, getrunken und geraucht zu haben. Unter Berücksichtigung dieses Vortrages des Klägers wäre es nunmehr Sache der Beklagten gewesen im Einzelnen konkret darzulegen, an welchen einzelnen Tagen der Kläger zu jeweils welchen Uhrzeiten Pausen gemacht habe. Solchen substantiierten Vortrag hat die Beklagte zu etwaigen Pausenzeiten des Klägers allerdings nicht dargetan.
5) Die von der bei der Beklagten installierten Zeiterfassung offenbar automatisch vorgenommenen "Rundungen" der Beginn- und Endzeiten sind unbeachtlich. Auf diese kann die Beklagte deshalb eine Kürzung der Ansprüche des Klägers nicht stützen. Eine automatisch von einem Zeiterfassungsprogramm vorgenommene "Rundung" der Arbeitszeiten, die hier auf eine Kürzung der Arbeitszeiten hinausliefe, entspricht nicht der Vorgabe aus dem Urteil des EuGHs vom 14.05.2019 [CCOO], dass die Arbeitszeiten "objektiv" und "verlässlich" festzustellen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18, Rn. 47, 49, 50, 54, 56, 57, 60, 62, 65). Dabei kann offenbleiben, welche Anforderungen an die "objektive" und "verlässliche" Feststellung von Arbeitszeiten im Einzelfall zu stellen sind. Eine durch bestimmte Voreinstellungen eines Softwareprogramm automatisch vorgenommene Kürzung von Arbeitszeiten, die ohne eine konkrete Prüfung des jeweiligen Einzelfalls stattfindet, stellt jedenfalls keine derartige "objektive" und "verlässliche" Feststellung von Arbeitszeiten dar.
6) Dem Vortrag des Klägers, im Zeitraum vom 04.01.2016 bis 12.10.2016 an 162 Tagen jeweils arbeitstäglich insgesamt 30 Minuten für die Abholung des benötigten Auslieferungsfahrzeugs in der FILIALE XYZ und für die Rückführung des Fahrzeuges am Ende des Arbeitstages benötigt zu haben, ist die Beklagte ebenfalls nicht hinreichend entgegengetreten. Der Vortrag des Klägers gilt deshalb als gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden. Zwar hat die Beklagte unter Verweis auf Google Maps vorgetragen, der vom Kläger insoweit zugrunde gelegte Zeitrahmen von einer halben Stunde sei "überzogen". Allerdings hat die Beklagte nicht vorgetragen, von welchem angemessenen Zeitrahmen für die genannten Tätigkeiten die Beklagte ihrerseits ausgeht. Ferner ist gerichtsbekannt, dass die reine Fahrzeit zwischen den beiden FILIALEN ABC und XYZ mit dem Pkw ca. 10 Minuten betragen dürfte. Geht man bei lebensnaher Betrachtung davon aus, dass der Kläger für das Abstellen seines eigenen Pkw und die Übernahme des Auslieferungsfahrzeuges einige weitere Minuten benötigte bzw. die Rückgabe des Auslieferungsfahrzeuges am Ende eines Arbeitstages und der Wechsel in den eigenen Pkw Zeit erforderte, erscheint eine Zeitspanne von insgesamt 30 Minuten arbeitstäglich für die Abholung und Rückführung des benötigten Auslieferungsfahrzeuges als angemessen. Hinzu kommt, dass der Kläger - von der Beklagten unbestritten, also gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden anzusehen - vorgetragen hat, er habe zunächst bei der FILIALE XYZ an der Infotheke das Portmonee, das Klemmbrett zur Aufnahme von Aufträgen und sonstige Unterlagen abholen müssen. Ferner hat der Kläger - was von der Beklagten ebenfalls nicht bestritten worden ist - vorgetragen, täglich den Auftrag erhalten zu haben, eine Kiste mit Papieren im Büro in der FILIALE XYZ abzuliefern und den Schlüssel in der dortigen Werkstatt abzugeben.
II) Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Zahlung eines Bruttomonatsentgelts in Höhe von 2.579 € brutto als Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2018.
1) Der genannte Anspruch steht dem Kläger jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu. Als gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig anzusehen ist der Vortrag des Klägers, (auch) alle anderen Mitarbeiter der Beklagten hätten eine entsprechende Zahlung in Höhe eines Bruttomonatsentgeltes erhalten. Als unstreitig anzusehen ist ferner der Vortrag des Klägers, auch in den Vorjahren eine entsprechende Zahlung erhalten zu haben.
2) Soweit die Beklagte einwendet, in Anwendung der Kürzungsregelung in § 5 Nummer 5 des Arbeitsvertrages der Parteien bzw. des Urteils des LAG Niedersachsen vom 17.1.2019 - 7 Sa 490/18, juris, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein, folgt die erkennende Kammer den Bedenken der Beklagten insoweit nicht.
a) Im genannten Urteil vom 17.1.2019 - 7 Sa 490/18, juris, hat das LAG Niedersachsen für den von ihm entschiedenen Fall angenommen, bei der dort gezahlten Sonderzahlung habe es sich um "Arbeitsvergütung für geleistete Arbeit" gehandelt. Deshalb sei die Sonderzahlung für diejenigen Zeiten zu kürzen, in denen infolge Arbeitsunfähigkeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch bestanden habe.
b) Das von der Beklagten angeführte Urteil des LAG Niedersachsen vom 17.1.2019 - 7 Sa 490/18, juris, ist hier nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der von der Beklagten an ihre Mitarbeiter gezahlten Weihnachtsgratifikation nicht um "Arbeitsvergütung für geleistete Arbeit", sondern um eine Honorierung von Betriebstreue. Dies ergibt die vorzunehmende Auslegung von § 5 des Arbeitsvertrages der Parteien, den die Beklagte für den Entfall eines Anspruchs des Klägers anführt. Die Parteien haben in § 5 Nummer 3 des Arbeitsvertrages eine Stichtagsregelung vereinbart, wonach "der Anspruch auf Gratifikation ausgeschlossen (ist)", "wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung oder bis zum 31.12. von einem der Vertragsteile gekündigt wird oder infolge Aufhebungsvertrages endet". Zusätzlich enthält § 5 Nummer 4 des Arbeitsvertrages der Parteien eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall, dass der Arbeitnehmer aufgrund der angegebenen Gründe bis zum 31. März/30. Juni des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres aus den angegebenen Gründen ausscheidet. Damit haben die Parteien deutlich gemacht, dass die vom Kläger verlangte Gratifikation lediglich vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag und nicht von der Erbringung von Arbeitsleistungen abhängig gemacht werden sollte (vergleiche zur Abgrenzung im einzelnen LAG Niedersachsen, Urteil vom 17.1.2019 - 7 Sa 490/18, juris Rn. 62 mit weiteren Nachweisen).
c) Die Kürzungsregelung in § 5 Nummer 5 Satz 2 des Arbeitsvertrages der Parteien ist allerdings wegen Verstoßes gegen § 4 a Satz 2 EFZG gemäß §§ 134 BGB, 12 EZFG nichtig (vergleiche Vogelsang in Henssler u. a., Arbeitsrecht Kommentar, 9. Auflage 2020, § 4 a EFZG Rn. 25). Zusätzlich ergibt sich die Unwirksamkeit der Regelung von § 5 Nummer 5 Satz 2 des Arbeitsertrages der Parteien auch aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach § 4 a Satz 2 EFZG darf die Kürzung von Sondervergütungen für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten. Der Arbeitsvertrag der Parteien sieht hingegen eine weit umfangreichere Kürzung der Gratifikation um 1/60 je Fehltag vor.
III) Schließlich hat der Kläger gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Zahlung der von der Beklagten abgerechneten Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 2.876,51 € brutto. Der Anspruch ist von der Beklagten im Rahmen der Lohn- und Gehaltsabrechnung 06.2019 ... durch Abrechnung der Teilbeträge von 1.388,66 € brutto und von 1.487,85 € brutto tatsächlich anerkannt und streitlos gestellt worden.
IV) Von den oben unter Ziffern I) bis III) genannten Zahlungsansprüchen des Klägers antragsgemäß in Abzug zu bringen ist der von der Beklagten an den Kläger unstreitig mit der ursprünglichen Abrechnung für den Monat 06.2019 zur Abgeltung von Überstunden und der Urlaubsansprüche des Klägers ausgezahlte Betrag in Höhe von 4.041,65 € netto.
V) Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 286, 288 BGB.
VI) Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, unter dem Gesichtspunkt der überzahlten Vergütung einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 12.319,57 € gegen den Kläger zu haben. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, rechtsgrundlos vom Kläger in Anspruch genommene reguläre Pausen von arbeitstäglich 45 Minuten sowie zusätzliche Raucherpausen von arbeitstäglich 50 Minuten bezahlt zu haben.
1) Die Beklagte hat diejenigen Indizien, die dafürsprechen, der Kläger habe die von ihm vorgetragenen Arbeitszeiten tatsächlich absolviert, bereits nicht widerlegt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen (vgl. oben unter I) der Entscheidungsgründe).
2) Die Vernehmung der von der Beklagten für Pausenzeiten bzw. Raucherpausen des Klägers benannten Zeugen, namentlich der Mitarbeiterin ... und des Mitarbeiters ..., liefe auch auf eine unzulässige Ausforschung der genannten Zeugen hinaus.
a) Wird ein Beweis angeboten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt, und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist der Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Ein Beweisantritt kann nicht den Vortrag von Tatsachen ersetzen oder ergänzen. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die Beweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (vgl. BAG, Urteil vom 24.01.2017 - 3 AZN 822/16, juris Rn. 20).
b) Nach Maßgabe vorstehender Grundsätze waren die von der Beklagten für ihren Vortrag, der Kläger habe Raucherpausen bzw. reguläre Pausen in Anspruch genommen, aufgeführten Zeugen nicht zu vernehmen. Unter Berücksichtigung des Vortrages des Klägers wäre es Sache der Beklagten gewesen im Einzelnen konkret darzulegen, an welchen einzelnen Tagen der Kläger zu jeweils welchen Uhrzeiten Pausen gemacht habe. Solchen substantiierten Vortrag hat die Beklagte zu etwaigen Pausenzeiten des Klägers allerdings nicht dargetan.
VII) Hinsichtlich desjenigen Teils der Klage, der auf Zahlung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ... gerichtet ist, bestand noch keine Entscheidungsreife des vorliegenden Rechtsstreits. Insoweit wird auf den ... Beweisbeschluss der Kammer ... verwiesen.
Auch hinsichtlich des mit Widerklage 11.12.2019 von der Beklagten erhobenen Gegenanspruches bestand noch keine Entscheidungsreife. Insoweit wird auf den ... Hinweis- und Auflagenbeschluss der Kammer verwiesen.
VIII) Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Als Wert des Streitgegenstandes für das vorliegende Teil-Urteil war gemäß §§ 46 Abs. 2 Satz 1, 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO die Summe der Nennbeträge der Zahlungsanträge des Klägers und der Beklagten, über den hier entschieden worden ist, festzusetzen. Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe a) ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage nach der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess im Sinne des § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG gesondert zuzulassen. Auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.