Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.01.1998, Az.: 12 UF 223/97
Fiktives Fortschreiben des vorigen Arbeitseinkommens für Zeiten der Arbeitslosigkeit bei selbstverschuldeter Kündigung; Unterhaltsberechnung bei Unterhaltsanspruch des Unterhaltspflichtigen gegen zweite Ehefrau; Anforderungen an Bemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes bei erweitert unterhaltspflichtigem Unterhaltsschuldner
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.01.1998
- Aktenzeichen
- 12 UF 223/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 11299
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1998:0122.12UF223.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Rinteln - AZ: 4 F 63/96
Fundstelle
- FamRZ 1998, 1614-1615 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Kindesunterhalts
Prozessführer
...
Prozessgegner
....
In der Familiensache
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ....
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rinteln vom 2. Juli 1997 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Das Urteil des Kreisgerichts ... vom 25. Juni 1990 - FE 91/90 - wird für den Zeitraum von Februar 1997 bis einschließlich Oktober 1997 dahin abgeändert, daß der Beklagte der Klägerin zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin einen monatlichen Unterhalt von 392,00 DM zu zahlen hat.
Die weitergehende Abänderungsklage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5 zu tragen.
Die Kosten der Berufung fallen zu 11/20 der Klägerin und zu 9/20 dem Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
(abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)
Durch Urteil des Kreisgerichts ... vom 25. Juni 1990 - FE 91/90 - wurde der Beklagte verurteilt, einen monatlichen Kindesunterhalt von 150,00 DM zu zahlen.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Abänderung des Unterhaltstitels verlangt. Durch das angefochtene Urteil ist der Beklagte verurteilt worden, unter Abänderung der Unterhaltsentscheidung in dem Urteil des Kreisgerichts ... vom 25. Juni 1990 - FE 91/90 - der Klägerin ab Februar 1997 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 420,00 DM zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.
Nach teilweiser Rücknahme der Berufung erstrebt der Beklagte die Herabsetzung des Unterhalts von monatlich 420,00 DM für den Zeitraum von Februar 1997 bis einschließlich Oktober 1997 auf monatlich 392,00 DM und die Abweisung der Abänderungsklage für die Folgezeit.
Die Berufung ist, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, begründet.
Der Beklagte ist arbeitslos. Er bezieht Arbeitslosengeld, welches ab Oktober 1.997.234,00 DM wöchentlich beträgt.
Das Einkommen, welches er als Kellner bis Februar 1996 verdient hat, kann nicht fiktiv für die Zeit der Arbeitslosigkeit fortgeschrieben werden. Das wäre nur dann möglich, wenn der Beklagte die Beschäftigung verloren hätte wegen eines Verhaltens, welches sich auch aus unterhaltsrechtlicher Sicht als mutwillig darstellt. Das ist aber nicht der Fall. Dem Beklagten ist das Arbeitsverhältnis gekündigt worden, weil er erneut verspätet zum Dienst erschienen sei und trotz mehrmaliger Ermahnungen erneut dem Alkohol zugesprochen und den Dienstantritt verschlafen habe. Aus den Umständen geht hervor, daß der Beklagte hinsichtlich des übermäßigen Alkoholgenusses als krank angesehen werden muß. Aus dem Kündigungsschreiben vom 24. Februar 1996 ergibt sich, daß er schon mehrfach wegen exzessiven Alkoholkonsums ermahnt worden ist. Die Alkoholabhängigkeit des Beklagten hat auch schon im Ehescheidungsrechtsstreit eine Rolle gespielt. Hieraus und aus dem Umstand, daß er sich später einer Rehabilitation unterzogen hat, ist zu schließen, daß die Alkoholabhängigkeit bei dem Beklagten Krankheitswert hat.
Der Beklagte war aber für den Zeitraum von Februar bis einschließlich Oktober 1997 zur Zahlung des Mindestunterhalts nach Gruppe 1 Altersstufe 3 der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von 502,00 DM abzüglich Kindergeldanteil von 110,00 DM, also 392,00 DM, leistungsfähig. Nach § 1603 Abs. 2 BGB hat der Beklagte die Verpflichtung, zur Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind alle verfügbaren Mittel zu verwenden. Da er gegenüber seiner in diesem Zeitraum als Krankenschwester tätigen zweiten Ehefrau einen Unterhaltsanspruch gehabt hat, durch den er seinen Bedarf jedenfalls weitgehend hat decken können, konnte er sein Arbeitslosengeld bis zur vollen Deckung des Mindestbedarfs einsetzen.
Ab November 1997 ist die zweite Ehefrau des Beklagten arbeitslos geworden. Sie bekommt ein Arbeitslosengeld von 416,40 DM wöchentlich, entsprechend 1.804,40 DM monatlich. Weil sie diese Einnahmen nicht aus Erwerbstätigkeit erzielt, beträgt der Selbstbehalt der zweiten Ehefrau des Beklagten in Ansehung ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Beklagten 1.500,00 DM. Damit kann sie 304,40 DM für den Unterhaltsbedarf des Beklagten zur Verfügung stellen. Das Einkommen des Beklagten beträgt ab Oktober 1.027,00 DM (237,00 DM × 52: 12). Unter Hinzurechnung des Unterhaltsbetrages, den die zweite Ehefrau dem Beklagten schuldet, stehen dem Beklagten monatlich 1.331,40 DM zur Verfügung. Angesichts der Wohngemeinschaft mit der zweiten Ehefrau hat der Beklagte nur einen notwendigen Selbstbehalt von 1.200,00 DM. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem notwendigen Selbstbehalt und dem dem Beklagten zur Verfügung stehenden Monatsbetrag von 1.331,40 DM rechtfertigt die Zahlung eines höheren Betrages, als durch das Kreisgericht ... ausgeurteilt worden ist, nicht. Der Beklagte bleibt aber verpflichtet, den durch das Kreisgericht ... ausgeurteilten Betrag von 150,00 DM ab November 1997 als Kindesunterhalt zu zahlen.
Es kann nicht angenommen werden, daß der Beklagte ab November 1997 in der Lage sei, den vollen Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 392,00 DM zu zahlen. Zwar genügen die von ihm vorgetragenen wenigen Bemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nicht den Anforderungen, die an einen erweitert unterhaltspflichtigen Unterhaltsschuldner zu stellen sind. Der Beklagte hat jedoch keine tatsächliche Aussicht, ein Einkommen zu erwirtschaften, welches ihn in die Lage versetzt, unter Wahrung seines notwendigen Selbstbehalts einen höheren Unterhalt zu zahlen, als mit monatlich 150,00 DM bereits tituliert ist. Der Beklagte kann die Tätigkeit als Kellner angesichts seiner Alkoholgefährdung nicht weiter ausüben. Er verfügt nicht über die Qualifikation und Berufspraxis, die erforderlich wäre, in anderen Bereichen als für Aushilfstätigkeiten eine Arbeitsstelle zu finden. Im Aushilfsbereich kann er nicht erwarten, mehr als 2.500,00 DM brutto monatlich zu verdienen. Dieses würde nur zu einem Nettoeinkommen von nicht mehr als 1.700,00 DM führen. Unter Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen erscheint ein Verdienst von mehr als monatlich 1.650,00 DM als vollkommen unwahrscheinlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 515 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.