Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 17.01.2001, Az.: 9 Ca 282/00
Einvernehmliche Beendigung eines Arbeitsverhältnisses; Anforderungen an das Schriftformerfordernis eines Aufhebungsvertrages; Einwand des Grundsatzes von Treu und Glauben bei beiderseitigem Nichteinhalten von Formvorschriften; Anforderungen an eine Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts trotz Formmangels
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 17.01.2001
- Aktenzeichen
- 9 Ca 282/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 10018
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:2001:0117.9CA282.00.0A
Fundstellen
- NZA-RR 2002, 245 (Volltext mit red. LS)
- schnellbrief 2002, 7
Verfahrensgegenstand
Feststellung
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2001
durch
die Richterin am Arbeitsgericht ... als Vorsitzende als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht einvernehmlich zum 17.12.2000 beendet worden ist.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
- 3.
Der Streitwert für das Schluss-Urteil wird auf 11.400,00 DM festgesetzt.
- 4.
Die Berufung wird nicht besonders zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die einvernehmliche Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Der am 11.05.1966 geborene Kläger ist seit dem 19.07.1994 bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als fünf vollzeitige Arbeitnehmer beschäftigt, als Kommissionierer tätig. Sein Monatsbruttoverdienst beträgt ca. 3.800,00 DM.
Mit Schreiben vom 27.09.2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.12.2000.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 16.10.2000 - beim Arbeitsgericht Hannover eingegangen am 17.10.2000 - Kündigungsschutzklage.
Mit Datum vom 14.12.2000 sandte der Kläger an die Beklagte ein Fax mit folgendem Inhalt:
"Sehr geehrter Herr ... ich habe am 12.12.00 einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben, leider war es nicht möglich meine Arbeit erst nach dem 31.12.00 aufzunehmen und bitte mein Arbeitsverhältnis zum 17.12.00 aufzulösen weil meine neue Arbeit schon am 18.12.00 beginnt. Ich bitte um kurze schriftliche Bestätigung."
Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Blatt 17 der Akte Bezug genommen.
Die Beklagte antwortete dem Kläger hierauf mit Schreiben vom 15.12.2000 wörtlich wie folgt:
"... mit dem Fax vom 14.12.2000 teilen Sie uns mit, dass Sie zum 18.12.2000 eine neue Tätigkeit beginnen. Wunschgemäß bestätigen wir Ihnen dass Sie somit zum 17.12.2000 aus unserem Unternehmen ausscheiden. ...".
Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Blatt 18 der Akte verwiesen.
Im Kammertermin am 17.01.2001 hat die Beklagte den Kündigungsschutzantrag des Klägers gegen die Kündigung vom 27.09.2000 anerkannt. Daraufhin ist auf Antrag des Klägers ein Teil-Anerkenntnisurteil ergangen, worin festgestellt worden ist, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2000 nicht aufgelöst worden ist.
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die wechselseitigen Schreiben vom 14.12. und 15.12.2000 sein Ende gefunden hat. Damit sei die gesetzliche Schriftform des § 623 BGB nicht gewahrt worden.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht einvernehmlich mit Ablauf des 17.12.2000 sein Ende gefunden hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass die wechselseitigen Schreiben vom 14. und 15.12.2000 dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB genügen würden. Das klägerische Schreiben vom 14.12.2000 liege der Beklagten zwar ausschließlich als Fax vor. Das Telefax sei aber vom Kläger unterschrieben, stamme von diesem und entspreche dessen Willen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
1.
Der Kläger hat gemäß § 256 ZPO ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung, weil sich die Beklagte der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 17.12.2000 berühmt.
2.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die wechselseitigen Erklärungen vom 14. und 15.12.2000 nicht einvernehmlich mit Ablauf des 17.12.2000 beendet worden.
Dabei ist der Beklagten zuzugeben, dass die Erklärungen des Klägers gemäß Fax vom 14.12.2000 bei verständiger Auslegung vom Empfängerhorizont darauf gerichtet sind, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 17.12.2000 herbeizuführen. Dieses Schreiben ist mithin als Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu qualifizieren. Dieses Angebot hat die Beklagte auch durch ihr Antwortschreiben unter dem 15.12.2000 angenommen. Der damit zwischen den Parteien abgeschlossene Aufhebungsvertrag ist jedoch mangels Einhaltung der gesetzlichen Schriftform gemäß § 623 BGB unwirksam.
Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
Es handelt sich bei § 623 BGB um ein konstitutives Schriftformerfordernis. Nach § 126 Abs. 1 BGB wird dem gesetzlichen Schriftformerfordernis nur genügt, wenn der Aussteller die Urkunde (das Schreiben) eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet.
Bei einem Vertrag muss nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden jedoch über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BGB). Vorliegend existieren zwei Schreiben der Parteien, die gerichtet sind auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 17.12.2000. Die des Klägers liegt jedoch der Beklagten lediglich als Telefax vor. Ein Telefax genügt aber den gesetzlichen Schriftformerfordernissen nicht, weil es sich nur um eine Telekopie handelt. Dies ist von der Rechtsprechung für andere gesetzliche Schriftformerfordernisse ausdrücklich entschieden worden (vgl. nur BGH, 28.01.1993 in EzA Nr. 1 zu § 126 BGB, BGH, 30.07.1997 in NJW 1997, 3169, APS/Preis, § 623 BGB Rn. 25 m.w.N., Lakies, in BB 1999, 667). Das Fax des Klägers wahrt das gesetzlich normierte Schriftformerfordernis der §§ 623, 126 BGB, das strenger ist als bei der gewillkürten Schriftform, nicht. Schon deshalb ist ein formgültiger Aufhebungsvertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Form des § 623 BGB hat gemäß § 125 Satz 1 BGB die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages zur Folge. Eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ist dadurch nicht eingetreten.
Hierauf beruft sich der Kläger auch zu Recht. Insbesondere steht dem der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht entgegen. Dieser Einwand kann nämlich nur in Ausnahmefällen erfolgreich sein, weil der Sinn und Zweck der Formvorschriften sonst ausgehöhlt würden.
Generell hat jede Partei die Rechtsnachteile zu tragen, die sich aus der Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäftes ergeben. Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur zulässig, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Vormangel scheitern zu lassen; das Ergebnis muss für die Parteien nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar sein (vgl. nur BRG, 17.11.1957 in AP Nr. 2 zu § 125 BGB, 27.03.1987 in AP Nr. 29 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmetatbestandes bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
Dem Klageantrag war mithin im Schlussurteil stattzugeben.
3.
Die einheitliche Kostenentscheidung für das Teil-Anerkenntnisurteil und das Schlussurteil folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
4.
Der Streitwert für das Schlussurteil war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen und wurde entsprechend § 12 Abs. 7 ArbGG auf drei Monatsbruttogehälter des Klägers und auf insgesamt 11.400,00 DM festgesetzt.
5.
Angesichts der sich aus § 64 Abs. 2 c ArbGG von Gesetzes wegen ergebenen Berufungsmöglichkeit war die Berufung nicht gemäß § 64 Abs. 2 a ArbGG im Urteil besonders zuzulassen.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für das Schluss-Urteil wird auf 11.400,00 DM festgesetzt.