Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 19.01.2005, Az.: 6 A 169/03

Freistellung von der Heranziehung des Klägers zu Erschließungsbeiträgen auf Grund einer Einigung des Voreigentümers und der Antragsgegnerin bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages; Abschluss eines Erschließungsvertrags über die Herstellung und Vorfinanzierung von Erschließungsanlagen im Bereich des Bebauungsplanes; Rechtmäßigkeit von durch Abgabengläubiger und Abgabenschuldner abweichend der gesetzlichen Regelungen getroffenen Vereinbarungen; Zulässigkeit eines Verzichts auf die Abgabenerhebung; Kosten für die Herstellung und Beseitigung eines Provisoriums als abrechnungsfähige Erschließungskosten; Aufnahme von Aufbruchkosten in den Erschließungsaufwand

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
19.01.2005
Aktenzeichen
6 A 169/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 10255
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2005:0119.6A169.03.0A

Verfahrensgegenstand

Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag

Prozessführer

Herr A.

Rechtsanwalt B. -

Prozessgegner

Stadt Osterholz-Scharmbeck

Bürgermeister, Rathausstraße 1, 27711 Osterholz-Scharmbeck, C.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Vorausverzicht, zukünftig auf Erschliessungsbeiträge gegenüber dem Grundstückseigentümer zu verzichten, verletzt das in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) statuierte gesetzliche Verbot, vom Gesetz abweichende Vereinbarungen über einen Abgabenanspruch zu treffen. Eine solche Regelung ist daher nichtig wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot.

  2. 2.

    Die aufgewendeten Kosten für die Beseitigung einer provisorisch hergestellten Anlage gehören in aller Regel nicht zum Erschließungsaufwand. Nur dann, wenn die provisorische Anlage für eine spätere endgültige Herstellung erforderlich erscheint, sind die für Beseitigung des Provisoriums entstehenden Kosten dem Erschließungsaufwand zuzurechnen.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Wermes,
die Richterin Reccius sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.

2

Der Kläger ist mit einem Anteil von 222/1000 Teileigentümer des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks mit der Flurstücksbezeichnung 76/16 der Flur 5, Gemarkung F., zur Größe von 1.557 qm unter der postalischen Adresse Stubbenkuhle 38. In südlicher Richtung grenzt das Grundstück an die in Ost-Westrichtung verlaufende Straße "Stubbenkuhle"- L 153 - , in die spitzwinklig die Straße "Zum Ellerbrook" aus nordöstlicher Richtung einmündet. An dieser Straße liegt das Grundstück mit seiner nordwestlichen Grundstücksgrenze. Nördlich des Grundstücks zweigt der als Sackgasse ausgebaute "Fritz - Reuter - Weg" von der Straße "Zum Ellerbrook" ab. Die in ihrem südwestlichen Teil beidseitig bebaute Straße "Zum Ellerbrook" führt in nordöstlicher Richtung in die unbebaute Landschaft.

3

Das Grundstück des Klägers befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplanes "Nr. 68 St. - Willehadus - Weg" vom 4. Juli 1985, der für das Grundstück die Festsetzungen für Mischgebiet und ein Vollgeschoss bei offener Bauweise trifft.

4

Das Grundstück mit der postalischen Adresse Stubbenkuhle 38 war ursprünglich Teil des Flurstücks 76/4 der Flur 5, Gemarkung F.. Der damalige Eigentümer dieses Flurstücks verkaufte den überwiegenden Teil (zur Größe von ca. 4.700 qm) des Flurstücks bis auf das heutige Flurstück 76/16 der Flur 5 mit notariellem Kaufvertrag vom 28. Mai 1986 an die Beklagte. In § 1 Satz 3, 4 des Kaufvertrages befindet sich folgende Regelung:

"Die Stadt G. verzichtet bezüglich des dem Verkäufer verbleibenden Restgrundstücks nach Bau der Planstraße auf Erschließungsbeiträge gem. §§ 127 ff. BBauG sowie auf die Kanalbaubeiträge gem. § 2 der Entwässerungsabgabensatzung und auf die Hausanschlusskosten gem. § 17 der Entwässerungsabgabensatzung. Dieser Verzicht gilt gegenüber dem Erschienenen zu 1) und seinem Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks..... "

5

Die unter § 1 Satz 6 aufgeführte Regelung :"Die für den Ausbau der Planstraße B angefallenen Erschließungskosten der Verkäufer gelten für diesen Verkauf und die Höhe des Kaufpreises als abgegolten." wurde von den Vertragspartnern gestrichen.

6

Am 19. Juli 1994 schloss die Beklagte mit der Firma H. Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft mbH einen Erschließungsvertrag über die Herstellung und Vorfinanzierung einer Erschließungsanlage im Bereich des Bebauungsplanes "Nr. 68 St. Willehadus - Weg". Die Straße "Zum Ellerbrook" war in dem dem Erschließungsvertrag beigefügten Lageplan zunächst nicht als Erschließungsanlage erfasst.

7

In den Jahren 1994 bis 1999 erhielt die Straße "Zum Ellerbrook" eine Asphaltdecke, eine Entwässerungseinrichtung sowie eine Beleuchtung in nordöstlicher Richtung bis hinter den Einmündungsbereich der "Diedrich - Speckmann - Straße" in die Straße "Zum Ellerbrook" etwa bis zur Mitte des nordwestlich der Straße "Zum Ellerbrook" gelegenen Flurstücks 93/16. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 51.104,04 EUR.

8

Die Abschlussrechnung des nach einer entsprechenden Ausschreibung mit der Herstellung der Straße "Zum Ellerbrook" befassten Unternehmens datiert vom 2. November 2000.

9

Am 21. Juni 2001 beschloss der Rat der Beklagten, dass gem. "§ 3 Abs. 3 und 4 der Straßenausbaubeitragssatzung vom 20. Juni 1983" der I. Abschnitt der Straße "Zum Ellerbrook", beginnend von der Straße "Stubbenkuhle" bis zur "Dietrich - Speckmann - Straße" gebildet wird. Am gleichen Tag beschloss der Rat ferner die Satzung über die Abweichung von den Herstellungsmerkmalen des § 9 Abs. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt Osterholz-Scharmbeck für die Straße "Zum Ellerbrook".

10

Der Verwaltungsausschuss der Beklagten beschloss am 14. März 2002, dass die Vereinbarung zwischen der Beklagten und der H. Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft mbH über die Herstellung und Vorfinanzierung von Erschließungsanlagen im Bereich des Bebauungsplanes "Nr. 68 St. Willehadus - Weg" rückwirkend zum 19. Juli 1994 um die Erschließungsanlage "Zum Ellerbrook" zu erweitern ist. Eine entsprechende Ergänzung nahmen die Beklagte und die Firma H. Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft mbH unter dem 26. April 2002 vor.

11

Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 25. Juli 2002 darüber informiert hatte, dass die Herstellung der Straße "Zum Ellerbrook" abgeschlossen sei und der Kläger mit einem Beitrag in Höhe von 2.280 EUR rechnen müsse, teilte der Kläger der Beklagten am 19. August 2002 mit, dass er als Rechtsnachfolger des verstorbenen Herrn I. von der Erhebung eines Erschließungsbeitrages befreit sei. Zudem habe seine Miteigentumsfläche keinen rechtlichen Zugang zur Verkehrsfläche "Zum Ellerbrook". Zwischen der Verkehrsfläche "Zum Ellerbrook" und der Grundstücksfläche, die mit einem Sondernutzungsrecht zu seinen Gunsten belastet sei, liege eine Grundstücksfläche mit anderweitigem Sondernutzungsrecht.

12

Daraufhin antwortete die Beklagte dem Kläger unter dem 27. August 2002, dass sich die im Grundstückskaufvertrag vom 28. Mai 1986 getroffene Vereinbarung nur auf den heutigen "Fritz - Reuter - Weg" beziehe, bei dessen Abrechnung der Kläger nicht herangezogen worden sei. Er unterliege auch dann der Beitragspflicht, wenn die in seinem Sondereigentum stehende Wohnung von der Straße "Zum Ellerbrook" keinen Zugang habe. Maßgebend sei allein, ob das Grundstück, an dem der Kläger Teileigentum besitze, durch die Erschließungsanlage erschlossen werde.

13

Mit Bescheid vom 19. September 2002 zog die Beklagte den Kläger zu einem - inzwischen gezahlten - Erschließungsbeitrag für den Ausbau der Straße "Zum Ellerbrook" in Höhe von 2.256,31 EUR unter Zugrundelegung eines Beitragssatzes von 8,2164 EUR/qm (45.09 3,6 4 EUR : 5.59 7,79 qm) und einer Grundstücksfläche von 274,61 qm (1.557 qm : 222/1000 = 345,65 qm - 71,04 qm Eckgrundstücksermäßigung) heran.

14

Dagegen legte der Kläger am 7. Oktober 2002 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Seinen Widerspruch begründete er im Wesentlichen damit , dass die Beklagte in dem Vertrag vom 28. Mai 1986 gegenüber dem Verkäufer bezüglich des ihm verbleibenden Restgrundstücks auf jegliche Erschließungskosten verzichtet habe. Die Freistellung von allen Erschließungskosten sei unter dem Gesichtspunkt des von der Stadt gezahlten (Misch-) Kaufpreises von 30 DM/qm und des damaligen Richtpreises von 70 DM/qm für erschlossene Grundstücke in vergleichbaren Grundstückslagen sachgerecht. Der Preis für Rohbauland habe 1986 bei 45 DM/qm gelegen. Da die Beklagte mit dem damaligen Eigentümer aber nur 30 DM/qm vereinbart habe, seien die Erschließungsbeiträge deutlich mehr als nur ausgeglichen, denn nach dem Wesensgehalt des Vertrages sei der vereinbarte Verzicht auf Kostenerhebung gleichbedeutend mit einer Vorauszahlung.

15

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Hinweis darauf zurück, dass sich die im Kaufvertrag vom 28. Mai 1986 getroffenen Vereinbarungen allein auf Kosten bezüglich der genannten Planstraße, des heutigen "Fritz - Reuter - Wegs", bezögen. Seinerzeit sei es eindeutig Vertragswille gewesen, dass die im Vertrag getroffenen Vereinbarungen ausschließlich den Ausbau der Planstraße nördlich des Grundstücks "Stubbenkuhle 38" beträfen. In den Beschlüssen des Finanz- und Verwaltungsausschusses sei eindeutig bestimmt worden, dass die durch den Ausbau der Planstraße B (heutiger "Fritz - Reuter - Weg") angefallenen Erschließungskosten für das dem Herrn I. verbleibende Restgrundstück durch den Verkauf und die Höhe des Kaufpreises als abgedeckt gegolten hätten. Die vorgetragene Streichung des letzten Satzes in § 1 des Grundstückskaufvertrages sei für die Angelegenheit unerheblich, denn es würden dort die im Zusammenhang mit dem Ausbau der Planstraße B angefallenen Erschließungskosten des Verkäufers geregelt.

16

Ebenfalls am 10. Januar 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung ab.

17

Diese Bescheide wurden von der Beklagten per Einschreiben gegen Rückschein am 17. Januar 2003 an den Kläger abgesandt. Da der Kläger arbeitsbedingt nicht angetroffen werden konnte, hinterlegte die Post beim Kläger eine Benachrichtigung über ein Einschreiben an den Kläger. Der Kläger holte das Einschreiben bei der Post nicht ab und erklärte am 31. Januar 2003 bei der Beklagten, dass er das Einschreiben nicht innerhalb der Frist von 10 Tagen habe abholen können, weil er auf Montage gewesen sei. Dem Kläger ist daraufhin der Widerspruchsbescheid datiert vom 31. Januar 2003 persönlich ausgehändigt worden.

18

Dagegen hat der Kläger mit einem am 7. Februar 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben, mit der er unter Vertiefung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren geltend macht, dass im vorliegenden Fall in dem Grundstückskaufvertrag vom 28. Mai 1986 zwischen der Beklagten und Herrn I. ein Vorausverzicht auf künftige Erschließungskosten vereinbart worden sei. Ein derartiger Vorausverzicht sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht automatisch wegen Verstoßes gegen Bundesrecht nichtig. Ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG führe nur dann zur Nichtigkeit, wenn die Verletzung des Art. 20 Abs. 3 GG offenkundig gewesen sei. Dies sei vorliegend angesichts der geführten Kaufpreisverhandlungen nicht der Fall. Seinerzeit habe der Verkäufer 40 DM/qm verlangt, die Beklagte dagegen 30 DM/qm geboten. Schließlich hätten die Vertragsparteien eine Einigung dahingehend gefunden, dass die Beklagte auf Erschließungsbeiträge für das dem Verkäufer verbleibende Restgrundstück verzichtet und der Verkäufer dafür den niedrigeren Verkaufspreis von 30 DM/qm akzeptiert. Da der Verzicht auf künftige Erschließungsbeiträge in den Kaufvertrag eingebettet worden sei, der beiden Vertragsparteien gedient habe, und da der Kaufvertrag von beiden Vertragsparteien wirtschaftlich kalkuliert und akzeptiert worden sei, sei er keinesfalls offenkundig nichtig.

19

Ferner trage der Kaufvertrag den Charakter eines Erschließungsvertrages im Sinne des § 124 BauGB, der zwar nicht vollkommen ausgestaltet sei, aber doch die wesentlichen Elemente eines Erschließungsvertrages enthalte, dass nämlich der Dritte Erschließungsanlagen einbringe und die Gemeinde ihn dafür von Erschließungskosten ganz oder teilweise befreie. Für einen solchen Erschließungsvertrag sei ein Verzicht auf Erhebung von Erschließungsbeiträgen durchaus zulässig, wenn der Vertrag vollständig durchgeführt werde. Die Interessen der Parteien, dem Verkäufer kalkulatorische Sicherheit für sein Restgrundstück zu geben und der Käuferin die für die Erschließung notwendigen Grundstücksflächen unter Verrechnung mit den künftigen Erschließungsbeiträgen zu verschaffen, hätten dazu geführt, dass der Verzicht auf die Erschließungsbeiträge in § 1 des Kaufvertrages umfassend erklärt worden sei, also mit Wirkung sowohl für die Planstraße als auch für die Straße "Zum Ellerbrook".

20

Die Möglichkeit, Grundstücksflächen unter ihrem Verkehrswert zur Herstellung einer Erschließungsanlage einzubringen und die Differenz auf eine Erschließungsbeitragsschuld anzurechnen, sei auch in § 7 der Erschließungsbeitragssatzung vorgesehen. Auch daran zeige sich, dass die kaufvertragliche Regelung nicht offenkundig nichtig, sondern wirksam sei. Würde man gleichwohl eine Nichtigkeit des Beitragsverzichts annehmen, so würde dieser die Grundlagen des Vertrages, nämlich die für den Kaufvertrag wesentliche Kaufpreisbestimmung betreffen und damit den Kaufvertrag insgesamt nichtig machen. Die Rechtsfolge wäre, dass der gesamte Kaufvertrag gem. § 812 ff. BGB rückabzuwickeln wäre. Soweit die Ausgabe der Grundstücke wegen der inzwischen abgewandelten Beschaffenheit und Nutzung (öffentliche Straßenflächen) oder wegen Weiterveräußerung an Dritte nicht mehr möglich sei, müsse die Beklagte ihren Wert ersetzen. Die Beklagte habe den Mehrerlös herauszugeben, den sie als Differenz zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis und dem Weiterverkaufspreis erzielt habe. Dieser Mehrerlös übersteige die Erschließungsbeiträge, die für das dem Verkäufer I. verbliebene Restgrundstück für den "Fritz - Reuter - Weg" und die Straße "Zum Ellerbrook" bei korrekter Abrechnung zu zahlen gewesen wären.

21

Es werde deshalb die Aufrechnung des vom Kläger nach dem Beitragsbescheid im Falle seiner Wirksamkeit geschuldeten Erschließungsbeitrages mit dem von der Beklagten bei der Weiterveräußerung der Grundstücksflächen erzielten Mehrerlös, der bei Unwirksamkeit des Kaufvertrages herauszugeben sei, erklärt. Da dieser Mehrerlös die Erschließungsbeiträge übersteige, sei die Beitragsschuld durch die Aufrechnung getilgt. Vergleiche man den Wert des tatsächlichen Aufwands für Bauland mit dem Richtwert erschlossener Grundstücksflächen, ergebe sich je nach Berechnungsweise für die Beklagte ein Gewinn zwischen 18.154 DM und 41.050 DM.

22

Wenn der Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen zwingende Normen des Erschließungsbeitragsrechts unwirksam sein sollte, hätte die Beklagte ihre vorvertraglichen Sorgfaltspflichten sowie ihre Amtspflichten verletzt und müsse daher dem Kläger Schadensersatz 1eisten. Wenn der Kläger gewusst hätte, dass entgegen der Erklärung der Beklagten im Kaufvertrag von 1986 noch Erschließungsbeiträge von ihm hätten entrichtet werden müssen, dann hätte er das Objekt nur zu einem um die Erschließungsbeiträge geminderten Kaufpreis erworben. Die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem ansonsten ausgehandelten Kaufpreis, die genau der Höhe der Erschließungsbeiträge entspreche, sei sein Schaden, der von der Beklagten zu ersetzen sei. Deshalb werde hilfsweise die Aufrechnung der Beitragsschuld mit einem Schadensersatzanspruch erklärt.

23

Vorsorglich werde der berechnete Erschließungsbeitrag auch der Höhe nach bestritten. Die Straße "Zum Ellerbrook" sei bis zur Mitte des Grundstücks "Zum Ellerbrook 4 "bereits früher als Straße mit Unterbau und Decke vorhanden gewesen. Dieser vordere Teil der Straße sei gegenüber dem früheren Zustand verstärkt worden. Die Kosten für die Herstellung und die Beseitigung eines Provisoriums gehörten jedoch nicht zu den abrechnungsfähigen Erschließungskosten. Sie seien aus dem umgelegten Gesamtaufwand herauszurechnen.

24

Der Kläger beantragt ,

den Bescheid der Beklagten vom 19. September 2002 und ihren Widerspruchsbescheid vom Januar 2003 aufzuheben,

25

hilfsweise,

festzustellen, dass der im Bescheid vom 19. September 2002 festgesetzte Erschließungsbeitrag durch Aufrechnung beglichen ist.

26

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

27

Sie ist der Auffassung, dass der vom Kläger zur Begründung angeführte Vorausverzicht in § 1 des Grundstückskaufvertrages vom 28 Mai 1986 nichtig und daher erschließungsbeitragsrechtlich nicht wirksam sei. Der von der Beklagten erklärte Vorausverzicht verstoße gegen das in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz statuierte gesetzliche Verbot, vom Gesetz abweichende Vereinbarungen über einen Abgabenanspruch zu treffen. Dieser objektive Verstoß führe gem. § 59 VwVfG i.V.m. § 134 BGB zur Nichtigkeit der vertraglichen Regelung. Ein Anspruch des Klägers werde bestritten.

28

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29

Die Klage hat keinen Erfolg.

30

Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2002 und ihr Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2003 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, wie es für eine erfolgreiche Klage erforderlich wäre (§§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

31

Zur Begründung verweist das Gericht auf die Ausführungen im Beschluss des Gerichts vom 29 April 2003 - 6 B 281/03 -, der einen anderen Eigentümer des Flurstücks 76/16 der Flur 5 betraf. Darin hat das Gericht wie folgt ausgeführt:

"Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Antragstellers zu Erschließungsbeiträgen sind die § 127 ff Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. der Geltung beanspruchenden Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Antragsgegnerin vom 11. Juli 1984 (Amtsblatt für den Landkreis Osterholz vom 25. Juli 1984, Nr. 27) sowie der Satzung über die Abweichung von den Herstellungsmerkmalen des § 9 Abs. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt G. für die Straße "Zum Ellerbrock" vom 27. Juni 2001.

32

Gründe, aus denen die Erschließungsbeitragssatzungen rechtswidrig sein könnten, sind von dem Antragsteller weder vorgetragen worden noch sind sie sonst für die Kammer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ersichtlich.

33

Der Antragsteller kann der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sich der Voreigentümer und die Antragsgegnerin bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages vom 28. Mai 1986 einig gewesen seien, dass der Verkäufer, bei dem es sich um den Rechtsvorgänger des Antragstellers handelte, für das verbleibende Restgrundstück vollständig von Erschließungsbeiträgen freizustellen sei. Denn der in § 1 des Grundstückskaufvertrages von der Antragsgegnerin erklärte Vorausverzicht ist nichtig und daher erschließungsbeitragsrechtlich nicht wirksam. Zwar verstößt der notariell beurkundete Grundstückskaufvertrag vom 28. Mai 1986 nicht gegen § 63 Abs. 2 NGO a. F:, aber der von der Antragsgegnerin erklärte Vorausverzicht, zukünftig auf Erschließungsbeiträge gegenüber dem Grundstückseigentümer zu verzichten, verletzt das in Art. 20 Abs. 3 GG statuierte gesetzliche Verbot, vom Gesetz abweichende Vereinbarungen über einen Abgabenanspruch zu treffen (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. § 10, RN 30 ff.). Dieser objektive Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot führt gem. § 59 VwVfG i.V.m. § 134 BGB zur Nichtigkeit der vertraglichen Regelung.

34

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1997 - 8 C 1.96 - NVwZ 98,1061) dürfen öffentliche Abgaben grundsätzlich nur nach Maßgabe der Gesetze erhoben werden. Die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende strikte Bindung an das Gesetz, der im Abgabenrecht besondere und gesteigerte Bedeutung zukommt, schließt es aus, dass Abgabengläubiger und Abgabenschuldner von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen treffen, sofern nicht das Gesetz dies ausnahmsweise gestattet. Der Grundsatz, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen auf Grund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen kann, "ist für einen Rechtsstaat so fundamental und für jeden rechtlich Denkenden so einleuchtend, dass seine Verletzung als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu betrachten ist, das Nichtigkeit zur Folge hat" (BVerwG, Urteile vom 5. Juni 1959 - BVerwG VII C 83.57 - BVerwGE 8, 329 <330>[BVerwG 05.06.1959 - VII C 83/57], vom 18. April 1975 - BVerwG VII C 15.73 - BVerwGE 48, 166 <168>[BVerwG 18.04.1975 - VII C 15/73] und vom 27. Januar 1982 - BVerwG 8 C 24.81 - BVerwGE 64, 361 <363>[BVerwG 27.01.1982 - 8 C 24/81]).

35

Die Pflicht zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen sowie deren Höhe sind in den §§ 127 ff. BauGB zwingend festgelegt, sie stehen also nicht zur Disposition der Gemeinde. Der Antragsgegnerin steht es also nicht frei, auf nach den Gesetzen festzusetzende Erschließungsbeiträge zu verzichten."

36

An diesen Ausführungen hält das Gericht auch nach erneuter Prüfung fest. Dagegen spricht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 1983 (8 C. 174/81 - NJW 1984, S. 2113 f.). Denn der Kläger verkennt, dass sich dieses Urteil allein auf eine etwaige Nichtigkeit eines Verwaltungsakts bezieht, der einen gesetzwidrigen Beitragsverzicht gewährt. Demgegenüber sieht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Beitragsverzicht begründenden Vereinbarungen die Rechtsfolge der Nichtigkeit vor (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 1/96 - NVwZ 1998, 1061-1064 m.w.N.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, § 10, RN 30). Der Grundsatz, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen auf Grund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen kann, "ist für einen Rechtsstaat so fundamental und für jeden rechtlich Denkenden so einleuchtend, dass seine Verletzung als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu betrachten ist, das Nichtigkeit zur Folge hat" (BVerwG, Urteile vom 5. Juni 1959 - BVerwG VII C 83.57 - BVerwGE 8, 329 <330>[BVerwG 05.06.1959 - VII C 83/57], vom 18. April 1975 - BVerwG VII C 15.73 - BVerwGE 48, 166 <168>[BVerwG 18.04.1975 - VII C 15/73] und vom 27. Januar 1982 - BVerwG 8 C 24.81 - BVerwGE 64, 361 <363>[BVerwG 27.01.1982 - 8 C 24/81]).

37

Der Kläger kann dem angefochtenen Bescheid der Beklagten nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass im Zuge der Vertragsverhandlungen der Erschließungsbeitrag für die Straße "Zum Ellerbrook" von den beteiligten Vertragsparteien auf den Kaufpreis angerechnet worden sei, denn im vorliegenden Fall ist nicht festzustellen, dass der Kaufpreis gewissermaßen eine Beitragsanrechnung des zukünftig für die Straße "Zum Ellerbrook" zu erwartenden Erschließungsbeitrages erfahren hat.

38

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Verzicht auf die Abgabenerhebung zulässig ist, wenn die Abgabenschuld durch eine andere Leistung des Abgabenschuldners als abgegolten angesehen werden kann (OVG Münster, Urteil vom 19. März 2002, Az: 15 A 4043/00, NVwZ-RR 2003, 147-149 m.w.N.). Dies setzt voraus, dass der Beitragserhebungsverzicht und die Gegenleistung des Bürgers - hier die Grundstücksübertragung - in sachlichem Zusammenhang stehen. Ein weiterer zu einem unzulässigen Abgabenverzicht führender Umstand liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Höhe des Beitrags noch völlig ungewiss und damit die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung gar nicht feststellbar gewesen wäre (OVG Münster, Urteil vom 19. März 2002, Az: 15 A 4043/00, NVwZ-RR 2003, 147-149).

39

Bei verständiger Auslegung des § 1 des Kaufvertrages vom 28. Mai 1986 bezog sich der Beitragsverzicht der Beklagten allein auf die Planstraße B, den heutigen "Fritz - Reuter - Weg", und nicht auf die damals bereits bestehende Straße "Zum Ellerbrook". Das Gericht versteht den Wortlaut "nach Bau der Planstraße" im Gegensatz zum Kläger nicht als zeitliche Dimension, sondern als Bezugsgröße für den Verzicht auf Erschließungsbeiträge ausschließlich für die Planstraße B. Die Aufnahme des gestrichenen § 1 Satz 6 des Kaufvertrages in den Kaufvertragsentwurf spricht dafür, dass die Vertragsparteien den Kaufpreis und die Erschließungskosten allein für die Planstraße B in ihren Verhandlungen in Zusammenhang gebracht haben.

40

Im Übrigen kann die Beitragsschuld des Klägers auch deshalb nicht durch Zahlung des Kaufpreises als abgegolten angesehen werden, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 1986 die Höhe des Erschließungsbeitrages für die Straße "Zum Ellerbrook" noch gar nicht absehbar war und damit eine Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung gar nicht feststellbar war.

41

Soweit der Kläger darauf verweist, dass die Kosten für die Herstellung und Beseitigung eines Provisoriums nicht zu den abrechnungsfähigen Erschließungskosten gehören, greift dieser Einwand nicht durch.

42

Die aufgewendeten Kosten für die Beseitigung einer provisorisch hergestellten Anlage gehören in aller Regel nicht zum Erschließungsaufwand. Nur dann, wenn die provisorische Anlage für eine spätere endgültige Herstellung erforderlich erscheint, sind die für Beseitigung des Provisoriums entstehenden Kosten dem Erschließungsaufwand zuzurechnen (BVerwG, Urteil vom 5. September 1969 - BVerwG IV C 67.68 -, BVerwGE 34, 19 [BVerwG 05.09.1969 - IV C 67/68]-20). Die Kosten für die Einrichtung einer provisorischen Erschließungsanlage sind nur insoweit Kosten der erstmaligen Herstellung, als sie Teile betreffen, die bei der endgültigen Herstellung bestehen bleiben, z.B. der Unterbau einer Straße (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1970 - BVerwG IV C 36.69 - Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 9).

43

Aus den Abrechnungsunterlagen der Beklagten geht nicht hervor, dass etwa Kosten für den Aufbruch der vor dem Ausbau bestehenden Straßendecke in den umlagefähigen Erschließungsaufwand einbezogen wurden. Auch der Kläger hat insoweit nicht substantiiert vorgetragen, dass Aufbruchkosten in den Erschließungsaufwand aufgenommen wurden und welcher Betrag in den vorliegenden Unternehmerrechnungen aus dem umlagefähigen Erschließungsaufwand seiner Meinung nach herauszunehmen ist.

44

Aber selbst wenn die Beklagte derartige Aufbruchkosten zu Unrecht in den umlagefähigen Erschließungsaufwand eingestellt hätte, wäre der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt, denn die Beklagte hat selbst auf die Geltendmachung von Fremdfinanzierungskosten (Bl. 15, Beiakte C) in Höhe von 3.909,99 DM verzichtet. Dieser Betrag wäre dem umlagefähigen Erschließungsaufwand zuzurechnen, so dass sich bei Wegfall etwaiger Aufbruchkosten eine Reduzierung des umlagefähigen Erschließungsaufwands nicht ergeben dürfte.

45

Gleichfalls ohne Erfolg bleibt die von dem Kläger erklärte Aufrechnung mit von ihm geltend gemachten Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beklagten. Die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung wird durch eine Aufrechnung nicht berührt und ist folglich insoweit im Anfechtungsprozess unbeachtlich (BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1983 - BVerwG 8 C 43.81 - KStZ 1983, 169-170). Denn die Beitragsfestsetzung als Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung entfällt nicht mit der Erfüllung des Beitragsanspruchs und daher auch nicht mit dem Erfüllungsersatz einer etwaigen Aufrechnung. Auch nach der Erfüllung des Abgabenanspruchs behält vielmehr der die Abgabe festsetzende Bescheid, der überdies - wie im Fall von Vorauszahlungen deutlich wird - sogar noch nach erfolgter Zahlung ergehen kann, seine Funktion (BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1983 - BVerwG 8 C 43.81 - a.a.O.).

46

Wenn auch eine wirksame Aufrechnung gegenüber der Zahlungsaufforderung (Leistungsgebot) zur Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderung führen kann, wirkt sich die vom Kläger erklärte Aufrechnung auf die hier zu beurteilende Anfechtungsklage nicht aus. Denn die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Aufrechnung liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 a NKAG i.V.m. § 226 Abs. 3 AO kann ein Beitragspflichtiger gegen Ansprüche auf Erschließungsbeiträge nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen. Der hier geltend gemachte Entschädigungsanspruch bzw. Schadensersatzanspruch ist jedoch weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt. Mithin ist das Leistungsgebot (die Zahlungsaufforderung) im Beitragsbescheide vom 19. September 2002 nicht durch die mit Schriftsatz vom 12. Januar 2005 erklärte Aufrechnung rechtswidrig geworden.

47

Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig.

48

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3/00 - , BVerwGE 111, 306-313, Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - ,Buchholz 415.1 Kommunalrecht Nr. 93 S. 55 f. m.w.N.). Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 1996 BVerwG 3 C 8.95 = 96 Buchholz 418.61 Tierkörperbeseitigungsgesetz Nr. 12 S. 18 f.). Im vorliegenden Fall ist Streitgegenstand der gegen den Beitragsbescheid vom 19. September 2002 gerichteten Anfechtungsklage die Behauptung des Klägers, dieser Beitragsbescheid sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Dieses Klagebegehren kann der Kläger allein mit der Anfechtungsklage geltend machen.

49

Auch wenn der in der mündlichen Verhandlung konkretisierte Feststellungsantrag dahingehend zu verstehen ist, dass eine Zahlungspflicht infolge der erklärten Aufrechnung nicht besteht, ist die Klage dennoch unzulässig, weil es dem Kläger am erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehlt. Insoweit geht die Rechtsprechung davon aus, dass das Nicht-Bestehen - und damit auch das Nicht-mehr-Bestehen - eines Rechtsverhältnisses nicht um seiner selbst willen feststellungs- (oder in anderer Weise) rechtsschutzfähig ist (BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1983 - BVerwG 8 C 43/81 - a.a.O.). Wenn nicht ein hinzutretender besonderer Grund zu einem schutzwürdigen Interesse an der förmlichen Feststellung des Nicht-Bestehens (oder des Nicht-mehr-Bestehens) führt, kann in Fällen der in Rede stehenden Art rechtsschutzwürdig nur (bzw. allenfalls) das Interesse sein, die Gegenseite durch eine gerichtliche Entscheidung daran zu hindern, aus dem vermeintlichen Fortbestehen des Rechtsverhältnisses Konsequenzen zu ziehen, also z.B. Maßnahmen der Vollstreckung einzuleiten. Inhalt eines in dieser Richtung begehrten Rechtsschutzes ist nicht die Bitte um Feststellung des Nicht-Bestehens (Nicht-mehr-Bestehens) der Forderung (BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1983 - BVerwG 8 C 43/81 - a.a.O.).

50

Im Übrigen wäre der Feststellungsantrag auch unbegründet, denn die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Aufrechnung gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 a NKAG i.V.m. § 226 Abs. 3 AO liegen- wie dargelegt - im vorliegenden Fall nicht vor.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

52

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

53

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird gem. § 72 GKG n.F. i.V.m. § 13 Abs. 2 GKG a.F. auf 2.256,31 Euro festgesetzt.

Gärtner
Wermes
Reccius