Amtsgericht Hildesheim
Urt. v. 21.03.2000, Az.: 17 Ds 14 Js 8105/96

Umweltgefährdende Abfallbeseitigung durch Unterlassen der Entsorgung von Sondermüll; Garantenpflicht eines Konkursverwalters; Verpflichtung eines Konkursverwalters zur Entsorgung umweltgefährdender Stoffe eines insolventen Betriebes

Bibliographie

Gericht
AG Hildesheim
Datum
21.03.2000
Aktenzeichen
17 Ds 14 Js 8105/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 22645
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHILDE:2000:0321.17DS14JS8105.96.0A

Fundstelle

  • WM 2001, 692-693 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Verstoß gegen das Abfallgesetz

Das Amtsgericht Hildesheim
hat in der Sitzung vom 21.03.2000,
an der teilgenommen haben:
Richterin am Am. als Strafrichterin,
Staatsanwalt ... als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Hildesheim, als Verteidiger,
JHS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 300,00 DM verurteilt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Strafvorschrift: § 326 I 3 a.F., 13 II StGB.

Gründe

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I.

Der Angeklagte ist von Beruf Betriebswirt. Er gibt sein monatliches Nettoeinkommen mit ... an. Unterhaltsverpflichtungen hat er nicht zu erfüllen.

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Strafrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

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II.

Im November 1991 wurde über das Vermögen der Firma ... in Hildesheim das Konkursverfahren eröffnet. Der Angeklagte wurde als Konkursverwalter eingesetzt. Er führte den Betrieb fort bis zur Betriebseinstellung am 31.12.1993. Bei der Firma handelt es sich um einen Gießereibetrieb. Noch im März 1996 wurden auf dem Betriebsgelände Stoffe vorgefunden, die in dem Betrieb angefallen waren und, da das Geländerimmer wieder von Unbefugten trotz urspünglich vorhanden gewesener Absperrungen heimgesucht wurde, dem Zugriff Dritter ausgesetzt waren. Neben latenter Brandgefahr waren nachhaltige Verunreinigungen von Boden, Wasser und Luft zu befürchten. Bei den Stoffen handelte es sich um etwa 60 Kanister, Fässer und sonstige zum Teil ausgelaufene Gebinde, die ganz oder teilweise gefüllt waren mit Ölen oder sonstigen Chemikalien und in einem ehemaligen Öllager standen, dessen Tür von Unbekannten aufgebrochen worden war. Im Hofbereich des Firmengeländes befanden sich ferner insgesamt 32 zum Teil aufgerissene sog. big bags, gefüllt mit Gießereialtsanden. In einem 100.000 l-Heizöltank mit offenem Domschacht befanden sich mehrere tausend Liter Heizöl, wobei dieses Öl erst mit der Betriebsstilllegung zum Abfall wurde.

4

Hinsichtlich der Entsorgung dieser Abfälle führte der Angeklagte Gespräche mit den Verwaltungsbehörden. In einem Schreiben vom 25.01.1994 (Bd. 7 Bl. 29) an den Betriebsangehörigen ... wies der Angeklagte darauf hin, dass er gegenüber dem staatlichen Gewerbeaufsichtsamt nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz Verpflichtungen habe, insbesondere der Aufzeichnung und geplanten Entsorgung von Altlasten. Er schlug vor, dass ... ein Protokollbuch fertige über Auffindung und Entsorgung der Schadstoffe. Ferner wies der Angeklagte in diesem Schreiben darauf hin, dass bei Verstößen gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz hohe Haft- oder Geldstrafen verhängt würden. Entsprechend heißt es in einem Protokoll der Gläubigerausschußsitzung vom 20.01.1994 zu TOP 3 (Bd. 7 Bl. 5) "Der Verwalter berichtet: Jetzt wird das Anlage- und Umlaufvermögen verwertet, wobei besonders Immissionsschutzbestimmungen eingehalten werden müssen. Insofern wird das staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim die Entsorgung des Grundstücks kontrollieren, für diese Maßnahme wird ein Protokollbuch geführt, in dem alle Entsorgungen eingetragen werden. In das Protokollbuch werden auch die Schadstoffe bzw. die voraussichtlichen Schadstoffe aufgenommen. Sofern hier hinsichtlich der Entsorgung als Sondermüll Probleme bestehen, ist ein Fachmann hinzuzuziehen."

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Im weiteren Verlauf unterblieb die Entsorgung der oben genannten Abfälle. Sie rührten aus dem Betrieb der Gießerei her. Die Entsorgung wäre, da es sich zum Teil um Sondermüll handelte sehr kostenintensiv gewesen. Das dafür erforderliche Geld war in der Konkursmasse nicht vorhanden. Eine spätere Entsorgung aus dem Erlös des Grundstückes unterblieb, weil ein geplanter Grundstücksverkauf nicht zustandekam, so daß bei einer Besichtigung des Geländes am 25.03.1996 die genannten Abfälle unverändert vorhanden waren und festgestellt wurde, dass auf Grund von Vandalismus die gelagerten Abfälle frei zugänglich waren und somit dem Zugriff Dritter ausgesetzt waren. Es bestand die Gefahr, dass aus den 60 Kanistern, welche zum Teil bereits ausgelaufen waren, weitere Öle oder Chemikalien in den Boden gelangten. Auch eine Brandgefahr war nicht auszuschließen.

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Eine Betriebsstilllegungsanzeige an das Gewerbeaufsichtsamt mit Auflistung der vorhandenen Stoffe und Abfälle hat der Angeklagte nicht vorgenommen.

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Am 10.06.1994 zeigte der Angeklagte dem Konkursgericht die Masseunzulänglichkeit an.

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III.

Der Angeklagte hat nicht in Abrede genommen, dass objektiv ein Zustand gegeben war, welcher geeignet war, nachhaltige Wässer, Luft oder Boden zu verunreinigen im Sinne des § 326 Abs. 1 Ziffer 3 a.F. StGB. Er hat sich dahin eingelassen, dass ihn als Konkursverwalter keine strafrechtliche Verantwortlichkeit treffen könne, weil er sich nicht als Betreiber der Anlage im strafrechtlichen Sinne sehe. Außerdem habe er die Stadt Hildesheim zur Ersatzvornahme aufgefordert, weil ihm Betrieb für die Entsorgung sämtlicher Abfälle zusätzlich zu den Entsorgungen der während des Betriebes laufend weiter anfallenden Abfälle nicht das nötige Geld vorhanden gewesen sei. Ihm sei daher ein Handeln nicht möglich gewesen.

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Dieser Auffassung vermochte das Gericht sich nicht anzuschließen.

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Gem. § 5 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteeinwirkungen nicht hervorgerufen werden. Gem. § 5 Abs. 3 Bundesimmissionsschutzgesetz hat der Betreiber sicherzustellen, dass auch nach einer Betriebseinstellung von der Anlage oder dem Anlagegrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren hervorgerufen werden können und vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder beseitigt werden. Diese Pflichten trafen den Angeklagten über die Betriebsstilllegung im Dezember 1993 hinaus. Er ist als Konkursverwalter gem. § 6 Abs. 2 KO Betreiber im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes, mit Eröffnung des Konkurses ging die Betreiberstellung auf ihn über (Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 20.10.1998 NJW 99, 1416; VGH Mannheim Urteil vom 11.12.1990, NJW 92, 64; OLG Lüneburg Beschluss vom 07.01.1993, NJW 93, 1671). Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Entsorgung traf ihn nicht nur hinsichtlich der während der Fortführung des Betriebes anfallenden Abfälle, sondern auch bzgl. der eventuell bei Konkurseröffnung bereits vorhandenen Abfälle (Bundesverwaltungsgericht NJW 1999, 1416). Einer Differenzierung, wann die hinterlassenen Abfälle entstanden sind, bedarf es daher nicht. Der Angeklagte war als Betreiber für deren Beseitigung auch dann verantwortlich, wenn sie bei Konkurseröffnung bereits vorhanden waren. Dass die hinterlassenen Stoffe Abfall waren bzw. mit der Stilllegung des Betriebes zum Abfall wurden, ist unstreitig. Der Angeklagte hat dies bestätigt. Er hat auch bestätigt, dass von diesen Abfällen über Jahre abstrakte Gefahren im Sinne des § 326 StGB ausgingen.

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IV.

Der Angeklagte hat sich gem. § 326 StGB strafbar gemacht durch Unterlassen. Seine Garantenpflicht ergab sich aus § 6 Abs. 2 KO i.V.m. § 5 Bundesimmissionsschutzgesetz, Diese Pflicht besteht nicht nur im Rahmen des öffentlichen Rechts, sondern ist umfassend.

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Dem Angeklagte wäre ein pflichtgemäßes Handeln auch möglich gewesen. Die Entsorgungskosten sind aus der Masse zu bestreiten. Wenn erkennbar ist, dass die Masse nicht ausreicht, wäre es seine Pflicht gewesen, frühzeitiger die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen und für die Einstellung des Betriebes zu sorgen. Der Angeklagte hätte seiner Betreiberpflicht auch genügt, wenn er wenigstens bei Einstellung des Betriebes im Dezember 1993 gem. § 16 Abs. 2 alte Fassung Bundesimmissionsschutzgesetz (§ 15 Abs. 3 neue Fassung) dem Gewerbeaufsichtsamt die Stillegung mitgeteilt und eine Auflistung der vorhandenen Stoffe und Abfälle übermittelt hätte, um auf diese Weise ein Tätigwerden der Verwaltungsbehörde zu initiieren.

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Dem Angeklagten war seine Verpflichtung, entweder selbst die Entsorgung zu betreiben oder dem Gewerbeaufsichtsamt im Rahmen der Stilllegung detailierte Mitteilung zu machen, auch bekannt, wie sich aus dem Protokoll der Gläubigerausschußsitzung vom 27.01.1994 und dem Schreiben an ... vom 25.01.1994 ergibt.

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Das Strafmaß war dem bis zur Änderung des § 326 StGB am 27.06.1994 geltenden Strafrahmen zu entnehmen. Danach ist eine derartige Tat mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe zu ahnden. Die hieraus zu findende Strafe war weiter gem. § 13 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.

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Bei der Strafzumessung war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Zu berücksichtigen war zu seinen Gunsten auch, dass das Vorhandensein dieser Abfälle und die von ihnen ausgehende Gefahr von ihm nicht bestritten wurde. Das Gericht hat ferner berücksichtigt, dass die abstrakte Gefährdung ein Grundstück betraf, welches bereits erheblich konterminiert war. Die Tat ist daher geringer zu bewerten als wenn ein intaktes Gelände betroffen gewesen wäre. Nach alldem hielt das Gericht zur Ahndung der Tat die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen für angemessen. Entsprechend den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten war der Tagessatz auf 300,00 DM festzusetzen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.