Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.07.1994, Az.: 14 U 63/93

Sachmangel durch falsche Zusicherung des Baujahrs eines Gebrauchtwagens; Ersetzungsbefugnis bei Kauf eines Neuwagens und Inzahlunggabe eines Gebrauchtwagens

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.07.1994
Aktenzeichen
14 U 63/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 16545
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1994:0728.14U63.93.0A

Fundstelle

  • NJW-RR 1995, 689-691 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Die Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens beim Neuwagenkauf ist als gleichwertiger Bestandteil eines einheitlichen Mischvertrages aufzufassen (gegen BGHZ 46, 340; 89, 128).

Gründe

1

Aufgrund der von der Klägerin erklärten Wandlung des Vertrages schuldet der Beklagte der Klägerin Herausgabe des im Urteilstenor bezeichneten Pkw Mitsubishi Pajero, jedoch Zug um Zug gegen Zahlung von 18.605,35 DM und Herausgabe des im Urteilstenor bezeichneten Pkw Daimler Benz durch die Klägerin.

2

Die Wandlung ist begründet, da hinsichtlich des gebrauchten Daimler Benz von einer falschen Zusicherung des Baujahrs durch den Beklagten auszugehen ist.

3

Wer - wie hier die Klägerin - einen Gebrauchtwagen kauft, hat in aller Regel eine bestimmte Vorstellung von dessen Alter. Diese verkehrswesentliche Eigenschaft ist üblicherweise Gegenstand des Verkaufsgespräches. Weicht das Soll-Alter von dem wirklichen Alter zum Nachteil des Käufers ab, ist das Auto in der Regel mit einem Sachmangel behaftet (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 5. Aufl., Rdn. 1596, 1597).

4

Das Fehlen der zugesicherten Eigenschaft (nicht Baujahr 1984) hat vorliegend aber nicht zur Folge, daß die Klägerin lediglich das Inzahlungnahmegeschäft rückgängig machen kann, weshalb ihr Hauptbegehren keinen Erfolg haben kann.

5

Allerdings liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1984, 429 f. [BGH 30.11.1983 - VIII ZR 190/82]) dann, wenn ein Kraftfahrzeughändler bei der Veräußerung eines neuen Kraftwagens einen Gebrauchtwagen des Erwerbers für einen Teil des Preises in Zahlung nimmt, ein einheitlicher Kaufvertrag vor, bei dem der Käufer das Recht hat (Ersetzungsbefugnis), den vertraglich festgelegten Teil des Kaufpreises durch Hingabe des Gebrauchtwagens zu tilgen. Macht dann der Käufer von der Ersetzungsbefugnis Gebrauch, so führt dies nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs zu einer Leistung an Erfüllungs Statt im Sinne des§ 364 Abs. 1 BGB mit der Folge, daß dann dem Kraftfahrzeughändler gemäß §§ 365, 459 BGB ein Wandlungsrecht allein hinsichtlich des Inzahlungnahmegeschäft zusteht. Seine Auslegung stützt der Bundesgerichtshof in erster Linie auf die Interessenlage der Vertragsparteien. Das Interesse des Händlers richte sich in der Regel auf die Veräußerung des Neuwagens gegen Geld und nicht auf den Erwerb des gebrauchten Fahrzeugs. Die Bereitschaft zur Inzahlungnahme des Altwagens stelle für den Käufer lediglich ein Entgegenkommen des Händlers dar, um den angestrebten Neuwagenkauf zu fördern. Die vom Käufer zu erbringende Gegenleistung für den Neuwagen bleibe daher in voller Höhe eine Geldschuld und dieÜbereignung des Altwagens werde, da sie der Kraftfahrzeughändler normalerweise nicht verlangen könne, nicht im Sinne einer vereinbarten Gegenleistung von vornherein geschul- det. Der Erwerber habe aber die Möglichkeit, zur Erfüllung eines Teils der Geldschuld seinen gebrauchten Wagen in Zahlung zu geben. Mit der Befugnis des Käufers, das Erfüllungssurrogat zu erbringen, erkläre sich der Verkäufer schon bei Abschluß des Vertrages einverstanden. Wenn der Käufer die Ersetzungsbefugnis wegen zwischenzeitlicher Zerstörung des Altwagens oder wegen vom Verkäufer erklärter Wandlung nicht wahrnehmen könne, werde der Käufer durch die Barzahlungspflicht nicht unbillig belastet, weil die Störung aus der Sphäre des Käufers komme und dieser für sein Geld immerhin eine vollwertige Gegenleistung in Form eines Neuwagens erhalte.

6

Diese rechtliche Konstruktion begegnet dogmatischen Bedenken und bevorzugt außerdem einseitig die Interessen des Kraftfahrzeughändlers (hier der Klägerin), weshalb ihr der Senat nicht zu folgen vermag.

7

Die Vereinbarung über die Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens stellt keine einseitige "Wohltat" des Kraftfahrzeughändlers dar (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 331); sie ist vielmehr im Regelfall wie auch hier eine wirtschaftliche Notwendigkeit für beide Seiten. Dem Käufer ist es oft überhaupt nur möglich, einen Neuwagen zu kaufen, wenn er den Altwagen vorteilhaft abgeben kann, wobei er - wie ebenfalls hier der Beklagte - bei Anschaffung eines Neuwagens einen besonders guten Preis für sein Fahrzeug erhält (vgl. Pfister MDR 1968, 361, 362). Hinzu kommt noch, daß der Käufer meist nicht zwei Wagen gleichzeitig haben will, der Neu- wagenkauf also der gegebene Zeitpunkt ist, den alten Wagen abzugeben (vgl. Pfister, a.a.O.). Während bei der typischen Fallge- staltung eine Ersetzungsbefugnis dem Schuldner lediglich für später evtl. eintretende Umstände eine andere Erfüllungsmöglichkeit offengehalten werden soll, sind sich die Parteien beim Ersatzkauf von Anfang an darüber einig, daß die Erfüllung der Kaufpreisverbindlichkeit durch Hingabe des Gebrauchtwagens und Zahlung des Differenzbetrages erfolgen soll (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 332). Da dem Käufer der Erwerb eines Neuwagens oft nur dann möglich ist, wenn er sein bisheriges Auto einem Neuwagenhändler vorteilhaft verkaufen kann - so lagen die Dinge hier - besteht die Primärleistung des Käufers daher zum Teil in der Zahlung einer Geldsumme und zum Teil in der Übereignung des Altwagens (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 332; Pfister, a.a.O. S. 362).

8

Dieser Interessenlage wird die Beurteilung der Inzahlungnahme als Ersetzungsbefugnis nicht gerecht, welche dem Kraftfahrzeughändler zu Unrecht erlaubt, sich vom Gebrauchtwagengeschäft zu lösen und am Neuwagenkauf festzuhalten, wodurch dieser unter wirtschaftlich völlig veränderten Vorzeichen fortbesteht (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 332 m.w.N.).

9

Entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs vermag die Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis auch nicht als Annahme einer Leistung an Erfüllungs Statt im Sinne des § 364 Abs. 1 BGB angesehen zu werden. Die Vereinbarung über die Annahme der Ersatzleistung stellt einen entgeltlichen Veräußerungsvertrag dar; der Gläubiger verzichtet aufgrund eines neuen Austauschvertrages gegen Hingabe der Ersatzleistung auf seine ursprüngliche Forderung (so Reinking/ Eggert, a.a.O. Rdn. 333 m.w.N.). Der Gläubiger erwirbt demnach die Ersatzleistung im Austausch gegen die primär geschuldete Leistung. An einer Primärleistung des Käufers fehlt es jedoch, wenn man mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgeht, daß der Verkäufer zur Annahme des Altwagens verpflichtet ist (Reinking/ Eggert, a.a.O. Rdn. 333). Leitet man die Verpflichtung des Kraftfahrzeughändlers zur Annahme des Gebrauchtwagens aus der ursprüng- lichen Vereinbarung her, so stellt das Gebrauchmachen des Käufers von seiner Ersetzungsbefugnis keinen Fall der Leistung an Erfüllungs Statt dar, da § 364 Abs. 1 BGB zur Voraussetzung hat, daß der Gläubiger zur Annahme der Ersatzleistung nicht verpflichtet ist. Bei einer vereinbarten Ersetzungsbefugnis wird der Schuldner durch Erfüllung nach § 362 BGB von seiner Verpflichtung frei, wenn er die Ersatzleistung erbringt; diese steht aber der geschuldeten Leistung gleich, beinhaltet also kein Erfüllungssurrogat im Sinne des § 364 Abs. 1 BGB (vgl. ebenfalls Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 333 m.w.N.).

10

Den Interessen der Parteien wird danach am ehesten gerecht die Auffassung, die von einem typengemischten Vertrag mit Elementen des Kaufs und des Tausches ausgeht (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 334; OLG Hamburg BB 1963, 165; OLG Köln DAR 1973, 326; Pfi- ster, a.a.O. S. 361 ff.). Danach ist die Vereinbarung der Inzahlungnahme nicht als bloße Nebenabrede des Neuwagenkaufs, sondern als gleichwertiger Bestandteil eines einheitlichen Mischvertrages anzusehen (so Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 334).

11

Bei der Annahme eines Mischvertrages aus Kauf und Tausch erfaßt daher vorliegend das Wandelungsbegehren der Klägerin den ganzen Vertrag, da nach allgemeinen Grundsätzen des BGB ein einheitlicher Vertrag auch nur einheitlich stehen oder fallen soll, wenn eine Partei daran Interesse hat (Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 342; Pfister, a.a.O., S. 361, 362).

12

Das bedeutet, daß der Beklagte die Herausgabe des Pkw Mitsubishi Pajero schuldet und die Klägerin dem Beklagten den Pkw Daimler Benz zurückzugeben hat. Außerdem hat die Klägerin dem Beklagten den Barzahlungspreis zu erstatten, allerdings abzüglich eines Betrages für die Nutzung des Neuwagens durch den Beklagtzen sowie der Kosten für die Zwangstillegung des Pkw Daimler Benz. Im einzelnen:

13

Der Beklagte hat zunächst den Neuwagen der Klägerin zur Verfügung zu stellen. Er hat zwar geltend gemacht, das Fahrzeug seinem Sohn veräußert zu haben. Dies ist jedoch unerheblich; denn damit steht nicht fest, daß es dem Beklagten rechtlich unmöglich ist, den Wagen herauszugeben.

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Auf der anderen Seite schuldet die Klägerin die Rückzahlung des Barzahlungspreises, allerdings nicht in Höhe von 24.000,00 DM, da der Beklagte für die Nutzung des Neuwagens eine Vergütung zu zahlen hat.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aber nicht von einer Nutzungsentschädigung von 0,55 DM für jeden gefahrenen Kilometer aus- gegangen werden. Da fabrikneue Fahrzeuge vom privaten Käufer üblicherweise nicht vermietet werden und demzufolge keinenüblichen Mietzins haben, können die Gebrauchsvorteile nicht auf Mietkostenbasis ermittelt werden (vgl. Reinking/Eggert, a.a.O. Rdn. 256). Der Senat schließt sich vielmehr insoweit der Auffassung an, die dahin geht, daß die Nutzungsentschädigung 0,67 % des Kaufpreises auf 1000 km beträgt (vgl. Reinking DAR 1983, 310).