Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 19.07.2001, Az.: AGH 1/01

Zulässigkeit der Führung der Bezeichnung "Fachbeistand für Insolvenzrecht"

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
19.07.2001
Aktenzeichen
AGH 1/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 29400
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • ZInsO 2001, 1060-1061 (Volltext mit red. LS)

Redaktioneller Leitsatz

Auch ein bei einer Rechtsanwaltskammer zugelassener Rechtsbeistand hat die Möglichkeit, durch den Zusatz "Fachbeistand für Insolvenzrecht" auf seine besonderen Kenntnisse hinzuweisen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist seit dem 1.4.1979 als Rechtsbeistand tätig und seit 1980 als Rechtsbeistand gem. § 209 BRAO zugelassen.

2

Mit seinem bei der Antragsgegnerin am 22. 9. 2000 eingegangenen Antrag v. 21.9.2000 beantragte er, ihm die Führung der Bezeichnung "Fachbeistand für Insolvenzrecht" zu gestatten.

3

Zur Begründung verwies er darauf, dass er schon vor Aufnahme seiner Tätigkeit als Rechtsbeistand in seiner Eigenschaft als Bürovorsteher der RAe ... in Celle Insolvenzverfahren bearbeitet habe und dies auch seit Aufnahme seiner Tätigkeit als Rechtsbeistand tue. Insgesamt habe er 300 Konkurs- , Vergleichs- und Insolvenzverfahren abgewickelt und verfüge deshalb über die notwendige Sachkunde und Praxis auf dem Gebiet des Insolvenzrechts. Nach In- Kraft- Treten der neuen InsO habe er an einem Lehrgang teilgenommen, der vom Arbeitskreis Betriebswirtschaft, Steuern und Insolvenz ... durchgeführt worden sei.

4

Durch Bescheid v. 6.12.2000 wies die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers als unzulässig zurück mit der Begründung, die FAO finde auf Kammerrechtsbeistände keine Anwendung. Gem. § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO könne lediglich einem Kammermitglied, das über die notwendigen theoretischen und praktischen Erfahrungen verfüge, gestattet werden, auf besondere Kenntnisse in den Fachgebieten Verwaltungs- , Steuer- , Arbeits- und Sozialrecht hinzuweisen. Die Möglichkeit, einem Kammermitglied zu gestatten, auch auf besondere Kenntnisse in den Fachgebieten hinzuweisen, die nicht in § 43c Abs. 1 Satz 2 BRAO ausdrücklich erwähnt worden seien, habe die Antragsgegnerin nicht.

5

Gegen diesen Bescheid der Antragsgegnerin wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Im Rahmen dieses Antrages hat der Antragsteller Nachweise für von ihm bearbeitete Konkurs- , Vergleichs- und Insolvenzverfahren vorgelegt.

6

Er beantragt,

den Bescheid der Antragsgegnerin v. 6.12.2000 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die Bezeichnung "Fachbeistand für Insolvenzrecht" zu gestatten,

7

hilfsweise,

den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des AGH zu bescheiden, hilfsweise, die sofortige Beschwerde zuzulassen.

8

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen,

9

hilfsweise,

die sofortige Beschwerde zuzulassen.

10

II.

Der Antrag ist zulässig und im erkannten Umfang begründet. Der ablehnende Bescheid ist rechtswidrig und beeinträchtigt den Antragsteller in seinen Rechten.

11

Zwar findet die FAO, nach der einem Rechtsanwalt, der über die notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse auf dem Gebiet des Insolvenzrechts verfügt, auf seinen Antrag die Bezeichnung "Fachanwalt für Insolvenzrecht" verliehen werden kann, auf Rechtsbeistände keine Anwendung. Das BMJ hat mit Bescheid v. 7.3.1997 § 15 FAO aufgehoben. Die FAO scheidet somit als Rechtsgrundlage aus (vgl. Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl. 2000, § 209 Rn. 49).

12

Auch aus § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO lässt sich dem Wortlaut nach kein Anspruch des Antragstellers herleiten, ihm die Führung der Bezeichnung zu gestatten. Gem. § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO dürfen Rechtsbeistände, die Kammermitglieder sind, durch den Zusatz "Fachgebiet" auf besondere Kenntnisse hinweisen, die sie auf einem der in dieser Vorschrift genannten Gebiet erworben haben. Der Bereich "Insolvenzrecht" zählt nicht zu den in §§ 209 Abs. 1 Satz 4, 43c Abs. 1 Satz 2 BRAO aufgeführten Gebieten. § 43c Abs. 1 Satz 2 BRAO nennt insoweit lediglich das Verwaltungsrecht, das Steuerrecht, das Arbeitsrecht und das Sozialrecht, wobei diese Bestimmung unmittelbar nur für Fachanwaltsbezeichnungen gilt. Die Aufzählung der genannten vier Fachanwaltsbezeichnungen ist indes nicht abschließend, weil die Satzungsversammlung die Möglichkeit hat, weitere Fachanwaltsbezeichnungen zu verleihen. Dies ist in § 1 Satz 2 FAO geschehen. Nach der geltenden Fassung können danach weitere Fachanwaltsbezeichnungen für das Familienrecht, das Strafrecht und das Insolvenzrecht verliehen werden. Der Verweis des § 209 Abs. 1 BRAO, wonach ein verkammerter Rechtsbeistand durch den Zusatz "Fachgebiet" auf höchstens zwei der in § 43c Abs. 1 Satz 2 geregelten Gebiete hinweisen kann, ist durch Gesetz v. 29.1.1991 (BGBl. I, S. 150), geändert durch Gesetz v. 2.9.1994 (BGBl. I S. 2278), eingefügt worden. Zu diesem Zeitpunkt gab es namentlich die Bezeichnung "Fachanwalt für Insolvenzrecht" noch nicht, die erst im Jahre 1999 eingeführt wurde. § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO enthält daher insoweit eine Lücke, weil die Regelung dazu führt, dass ein verkammerter Rechtsbeistand zwar die in § 43c Abs. 1 BRAO genannten Fachgebietsbezeichnungen führen darf, nicht jedoch weitere für z.B. das Rechtsgebiet einer zulässigen Fachanwaltsbezeichnung, auf das sich seine Erlaubnis erstreckt, wie dies beim Insolvenzrecht der Fall ist.

13

Die Führung einer Fachgebietsbezeichnung bedarf einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Feuerich/Braun, a.a.O.), die durch § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO für die vier in der BRAO verankerten Fachanwaltsbezeichnungen gewährleistet wird. Für einen verkammerten Rechtsbeistand fehlt insoweit jedoch die Grundlage für die weiteren Bezeichnungen, die aufgrund der Satzungskompetenz des § 59b Abs. 2 Nr. 2a BRAO für Fachanwälte vergeben werden können, soweit es sich um Rechtsgebiete handelt, auf denen auch der verkammerte Rechtsbeistand tätig sein und demzufolge auch nicht schlechter gestellt werden darf. Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb ein Rechtsbeistand zwar auf die in § 43c Abs. 1 Satz 2 BRAO genannten Gebiete hinweisen darf, nicht jedoch auf das Fachgebiet des Insolvenzrechtes, das aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 2a BRAO in gleicher Weise eine Fachanwaltsbezeichnung wie die in § 43c Abs. 1 Satz 2 BRAO aufgeführten Gebiete betrifft. Die geltende Fassung des § 209 BRAO lässt außer Acht, dass hier ggf. weitere Fachgebiete, auf denen ein Rechtsbeistand tätig sein kann, hinzukommen können. Der Verweis auf § 43c Abs. 1 Satz 2 BRAO reicht nicht aus. Es hätte hier vielmehr eines Verweises auf § 59b Abs. 2 Nr. 2a BRAO bedurft, um zu gewährleisten, dass Bezeichnungen von Fachgebieten, auf denen auch ein Rechtsbeistand tätig sein kann, in gleicher Weise geführt werden können wie die entsprechende Fachanwaltsbezeichnung. Dies folgt daraus, dass § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO auf den 3. Abschnitt verweist. Eine Gleichbehandlung von Rechtsanwälten und verkammerten Rechtsbeiständen ist nämlich durch § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO gewollt und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfG, NJW 1989, 2611, 2612) auch erforderlich. Möglicherweise hatte der Gesetzgeber auch fälschlicherweise in erster Linie die zunächst ergänzten Fachgebiete des Familien- und Strafrechts vor Augen, in denen Rechtsbeistände ohnehin nicht tätig werden dürfen.

14

Nach Auffassung des Senates liegt nach alledem somit eine Gesetzeslücke in § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO vor, die in der Weise auszufüllen ist, dass grds. entsprechend der Regelung dieser Norm auf das Fachgebiet Insolvenzrecht hingewiesen werden kann.

15

Danach muss dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt werden, mit dem Zusatz "Fachgebiet" auch auf das Insolvenzrecht hinzuweisen. Der ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin ist folglich gem. § 223 Abs. 4 i.V.m. § 41 Abs. 3 Satz 1 BRAO aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der vorstehenden Ausführung neu zu bescheiden. Die Antragsgegnerin hat den Antrag bereits als unzulässig abgewiesen, sodass sie über den Antrag selbst in der Hauptsache noch unter Beteiligung der zuständigen Gremien entscheiden muss.

16

Wegen der grds. Bedeutung ist die sofortige Beschwerde gem. § 223 Abs. 3 BRAO zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob § 209 Abs. 1 Satz 4 BRAO eine Regelungslücke im Hinblick auf weitere Fachgebiete, für die gem. § 59b Abs. 2 Nr. 2a BRAO weitere Fachanwaltsbezeichnungen verliehen werden können, enthält, ist bislang nicht entschieden worden.