Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.09.2018, Az.: 2 Ss (OWi) 217/18
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.09.2018
- Aktenzeichen
- 2 Ss (OWi) 217/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 34985
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Leer - 18.06.2018
Rechtsgrundlagen
- LÖVerkZG ND § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Amtlicher Leitsatz
Für einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten genügt es nicht, an einem Sonntag mit der Absicht des Verkaufs zu öffnen, wenn es nicht zu einem Verkauf gekommen ist.
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Leer vom 18.6.2018 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Betroffenen wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Niedersächsische Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten zu einer Geldbuße von je 2.500 € verurteilt.
Das Amtsgericht hat folgendes festgestellt:
Am Sonntag, den 30.7.2017, öffneten die Betroffenen ihren Betrieb, die "B...", in Leer... zum Zwecke des Verkaufs... Wie die Betroffenen wussten, hatten sie für die Verkaufsöffnung ihres Geschäfts jedoch keine Genehmigung. Auch lag kein Ausnahmefall nach dem Niedersächsischen Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten vor. Die Allgemeinverfügung der Stadt ... vom 12.6.2017 sah lediglich die Verkaufsöffnung an dem Sonntag für Betriebe an der ...straße, ... vor. Das Geschäft der Betroffenen war hiervon nicht erfasst. In bewusster und willentlicher Missachtung dessen, öffneten die Betroffenen am 30.7.2017 dennoch ihr Geschäft mit entsprechenden Angeboten, um ihre Ware zu verkaufen.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Sie machen geltend, dass es einen Nachweis dafür, dass die Betroffenen die Verkaufsstelle geöffnet oder dort tatsächlich verkauft hätten, nicht gebe. Das reine Öffnen der Verkaufsstelle reiche nicht aus. Es müsse zu mindestens einem Verkauf gekommen sein.
Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Rechtsbeschwerden für durchgreifend.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 OWiG statthaften Rechtsbeschwerden sind mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts zulässig begründet worden.
Sie haben einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Inhaberin oder Inhaber einer Verkaufsstelle entgegen § 3 Abs. 2 an Sonntagen oder staatlich anerkannten Feiertagen verkauft, ohne dass einer der in den § 4 und 5 genannten Ausnahmefälle vorliegt.
Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass die Betroffenen ihr Ladengeschäft geöffnet hatten, um ihre Ware zu verkaufen. Das Amtsgericht hat diese Feststellung darauf gestützt, dass die Betroffenen noch am 27.7.2017 umfassend Werbung für ihr Geschäft geschaltet hatten, in der sie eine Verkaufsöffnung für den folgenden Sonntag ankündigten. Eine Rücknahme dieser Ankündigung sei weder dargetan, noch seien hierfür sonstige Anhaltspunkte ersichtlich.
Der Umstand, dass die Betroffenen geöffnet hatten, um zu verkaufen, erfüllt den Tatbestand jedoch nicht.
Der Senat (DAR 2010, 232) hat im Zusammenhang mit der Prüfung der Bestimmtheit einer Bußgeldvorschrift folgendes ausgeführt:
Auch wenn es in Grenzfällen zweifelhaft ist, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht, so muss der Normadressat aber jedenfalls im Normalfall anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen können, ob ein Verhalten ordnungswidrig ist (BVerfG, NJW 2010, 754; NJW 1986, 1671, 1672). Unter diesem Aspekt ist für die Bestimmtheit einer Strafvorschrift in erster Linie der für den Adressaten erkennbare und verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes maßgeblich (BVerfG, NJW 2010, 754 [BVerfG 17.11.2009 - 1 BvR 2717/08]; BVerfG, NJW 1986, 1671, 1672 [BVerfG 23.10.1985 - 1 BvR 1053/82][BVerfG 23.10.1985 - 1 BvR 1053/82]). Nur in der dadurch gesetzten Grenze der Auslegung können daneben auch systematische, historische und teleologische Auslegung herangezogen werden (BVerfG, NJW 2010, 754 [BVerfG 17.11.2009 - 1 BvR 2717/08]; NJW 1978, 101; NJW 1978, 1423 [BVerfG 15.03.1978 - 2 BvR 927/76], BVerfG, Beschluss vom 29.04.10 2 BvR 871/04 und 2 BvR 414/08, Rz. 55, - juris -).
In dem Gesetzentwurf des Gesetzes über die Ladenöffnungszeiten vom 1.11.2007 (Niedersächsischer Landtag, Drucksache 15/3276) war vorgesehen, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Vorschriften der § 3 bis 6 verstößt. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hat die Bußgeldvorschrift dann jedoch ihren insoweit auch jetzt noch gültigen Wortlaut erhalten.
Der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit hatte nämlich aus verfassungsrechtlichen Gründen empfohlen, die Ordnungswidrigkeitstatbestände im Einzelnen auszuformulieren (Niedersächsischer Landtag, Drucksache15/3610, Seite 8).
Nach der Entwurfsfassung sollte gemäß § 3 Abs. 1 an Werktagen die Öffnung von Verkaufsstellen und das gewerbliche Anbieten in der Zeit von 0-24 Uhr zulässig sein. Demgegenüber lautet die Gesetzesfassung, dass an Werktagen Waren ohne zeitliche Beschränkung verkauft werden dürften.
Hintergrund dieser Änderung war, dass das Anbieten, das nicht unmittelbar zu einem Verkaufsvorgang führt, nicht mehr gesetzlich beschränkt werden sollte (vgl. Niedersächsischer Landtags Drucksache 15/3610, Seite 1,2, 4).
Diese Absicht war auch der Grund dafür, dass § 1 der Entwurfsfassung, wonach das Gesetz auch für das Anbieten an jedermann im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit im direkten persönlichen Kontakt mit dem Kunden gelten sollte, dahingehend geändert worden ist, dass der Geltungsbereich auf das gewerbliche Verkaufen von Waren beschränkt worden ist.
Unter Berücksichtigung dieses Umstandes, sowie des Wortlauts des Gesetzes, kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass allein die reine Ladenöffnung, wenn auch verbunden mit der Absicht, Verkäufe zu fördern, zur Erfüllung des Tatbestandes ausreicht. Erforderlich ist vielmehr, dass es tatsächlich zu einem Verkauf gekommen ist. Die Norm kann auch nicht so verstanden werden, dass die bloße Bereitschaft, ggf. unmittelbar an einem Sonntag einen Kaufvertrag zu schließen -wenn ein entsprechender Käufer vorhanden wäre- zur Tatbestandserfüllung ausreicht. Das Anbieten, und sei es im direkten persönlichen Kontakt, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers, der seinen Niederschlag im Wortlaut - der ohnehin die Grenze der Auslegung - bildet, nicht untersagt sein.
Da das Amtsgericht nicht festgestellt hat, dass tatsächlich Verkäufe erfolgt sind, kann die Verurteilung keinen Bestand haben. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass das Amtsgericht Feststellungen dazu, ob Verkäufe getätigt worden sind, noch treffen kann.
Die Sache war daher zu erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.