Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.09.2007, Az.: 10 W 34/07
Anwendbarkeit der für erbrechtliche Ansprüche geltenden dreißigjährigen Verjährungsfrist auf Ansprüche aus Vereinbarungen nach § 17 Höfeordnung (HöfeO); Zulässigkeit eines Antrags auf Feststellung eines Wohnrechts und Beköstigungsrechts bei möglichem Vorrang eines Leistungsantrags; Hinreichende Bestimmtheit eines Antrags bei der Wahl einer in bäuerlichen Kreisen üblichen Formulierung und bei einer inhaltlichen Konkretisierung nach den ortsüblichen Gebräuchen und Bedürfnissen; Annahme des Entfalls eines Wohnrechts und Beköstigungsrechts bei seiner Gewährung für die Ledigenzeitdauer und einer Abfindungszusage bei Heirat oder nach Vollendung des 23. Lebensjahres mit Zahlung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 06.09.2007
- Aktenzeichen
- 10 W 34/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 49195
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:0906.10W34.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Meppen - 10.07.2007 - AZ: 28 Lw 78/07
- nachfolgend
- BGH - 14.02.2008 - AZ: BLw 21/07
Rechtsgrundlagen
- § 17 HöfeO
- § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB
Fundstellen
- AUR 2008, 344-346 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2008, 525-527
- ZErb 2008, 282-283 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ansprüche aus Vereinbarungen nach § 17 HöfeO unterliegen grundsätzlich der für erbrechtliche Ansprüche geltenden dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
- 2.
Der Antrag auf Feststellung eines "Wohn- und Beköstigungsrechts" ist nicht wegen Vorrangs eines Leistungsantrags unzulässig, er ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt, weil mit dem Antrag eine in bäuerlichen Kreisen übliche Formulierung gewählt ist, deren inhaltliche Konkretisierung sich nach den ortsüblichen Gebräuchen und den zum Zeitpunkt der Fälligkeit bestehenden Bedürfnissen richtet, die nicht schon in einem Leistungstitel festgelegt werden müssen.
- 3.
Soll das Wohn- und Beköstigungsrecht für die "Dauer der Ledigenzeit" gewährt werden und wird dem Hofübernehmer zusätzlich "bei Heirat, spätestens jedoch nach Vollendung des 23. Lebensjahres" eine nicht unerhebliche Abfindungszahlung an die Begünstigte auferlegt, ist im Zweifel davon auszugehen, dass mit Zahlung dieser Abfindung das Wohn- und Beköstigungsrecht entfällt.
In der Landwirtschaftssache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ...,
die Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
am 6. September 2007
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Meppen vom 10. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin nach einem Beschwerdewert von 30.000 EUR.
Gründe
I.
Die Beteiligten (Geschwister) streiten um die von dem Antragsgegner im Hofübergabevertrag vom 21. Juni 1995 gegenüber seinem Vater, dem Hofübergeber, übernommene Verpflichtung, der Antragstellerin ein Wohn und Beköstigungsrecht in dem Hofwohnhaus zu gewähren, sowie eine Abfindung von 40.000 DM zu zahlen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
- 1.
festzustellen, dass die Antragstellerin, solange sie ledig ist, ein Wohn und Beköstigungsrecht in dem Hofwohnhaus, P... Str. ... in L... hat,
- 2.
den Antragsgegner zu verurteilen, der Antragstellerin eine Abfindung in Höhe von 20.451,68 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19. April 2007 zu zahlen sowie nicht anrechenbare außergerichtliche Anwaltsgebühren gem. Vorbem. 3 bis 4 i.V.m. Nr. 2300 VVRVG in Höhe von 523,48 EUR.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hat eingewandt, die Ansprüche der Antragstellerin seien verjährt. es gelte die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist.
Überdies habe die Antragstellerin ihre Rechte wegen Zeitablaufs und seines schutzwürdigen Vertrauens in eine Nichtgeltendmachung verwirkt.
Jedenfalls sei die Geltendmachung der Ansprüche treuwidrig, weil die Antragstellerin in Wirklichkeit weder an der Beköstigung noch der wohnlichen Nutzung ein Interesse habe, sondern ihm nur schaden wolle. Die Geldzahlungspflicht habe sein Vater noch lebzeitig übernommen. die Antragstellerin wisse dies und habe deshalb auch bislang von einer Geltendmachung des Anspruchs abgesehen.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Anträgen mit dem angefochtenen und zur weiteren Sachdarstellung in Bezug genommenen Beschluss stattgegeben.
Gegen diesen ihm am 12. Juli 2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 13. Juli 2007 sofortige Beschwerde eingelegt.
Der Antragsgegner wiederholt seine erstinstanzlichen Einwendungen. Zur Verjährung trägt er ergänzend vor, für Ansprüche aus Hofübergabeverträgen sei die für vertragliche Ansprüche maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist entscheidend. Ferner macht er geltend:
Antrag und Verurteilung zur Gewährung eines "Wohn und Beköstigungsrechts" seien nicht hinreichend bestimmt. Der Antrag sei wegen des möglichen Leistungsantrags unzulässig. Eine (zeitlich unbefristete) Leistungsverpflichtung über das 23. Lebensjahr der Antragstellerin hinaus sei von den Vertragspartien nicht gewollt gewesen. dies ergebe sich auch bei sachgerechter Auslegung der getroffenen Vereinbarungen aus Text und Kontext der Klausel.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss zu ändern und die Anträge zurückzuweisen.
II.
Die nach § 22 Abs. 1 LwVG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung
a)
Das Landwirtschaftsgericht hat den Verjährungseinwand zutreffend für unerheblich erachtet. Gründe, die es rechtfertigen könnten, wegen der Verjährungsfrage die Rechtsbeschwerde zuzulassen, hat der Antragsgegner nicht vorgetragen. sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
Der Antragsteller meint, für die geltend gemachten Ansprüche gelte eine dreijährige Verjährungsfrist. Es handele sich nämlich nicht um erbrechtliche, sondern um vertragliche Ansprüche allgemeiner privatrechtlicher Art. Diese Erwägung ist unzutreffend. Sinn und Zweck einer Vereinbarung im Sinne des § 17 HöfeO ist eine erbrechtliche Regelung des hofgebundenen Nachlasses in vertraglicher Form. Es werden erbrechtliche Bestimmungen getroffen und erbrechtliche Ansprüche begründet. Warum diese so begründeten erbrechtlichen Ansprüche entgegen der Regelung in § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in 30 Jahren verjähren sollen, sondern in drei Jahren, ist nicht ersichtlich. die Geltung der dreißigjährigen Verjährungsfrist ist zu Recht allgemein anerkannt (Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 8. Aufl., § 17 Rn. 69. LüdtkeHandjery in Lange/Wulff /LüdtkeHandjery, HöfeO, 10. Aufl., § 17 Rn. 84).
b)
Alle übrigen erstinstanzlich erhobenen Einwendungen des Antragsgegners (Schuldübernahme, Treuwidrigkeit der Geltendmachung und Verwirkung) gegen die Berechtigung des Zahlungsanspruchs hat das Landwirtschaftsgericht mit zutreffender, von der Beschwerde nicht in Frage gestellter und hiermit in Bezug genommener Begründung zurückgewiesen.
2.
Das Landwirtschaftsgericht hat auch rechtsfehlerfrei dem Antrag stattgegeben, festzustellen, dass der Antragsgegner nach derzeitiger Rechtslage (fort) bestehend verpflichtet ist, der Antragstellerin "ein freies Wohn und Beköstigungsrecht im Elternhause" zu gewähren.
a)
Unerheblich ist zunächst der Einwand der Unzulässigkeit des Feststellungsantrags wegen Vorrangs eines Leistungsantrags.
Die dem Einwand zugrunde liegende zivilprozessuale Regel mag grundsätzlich auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, dass es für die Antragstellerin praktisch unmöglich, jedenfalls unzumutbar und nach dem ein freies Wahlrecht gewährenden Anspruchsinhalt auch gar nicht erforderlich ist, sich bereits jetzt (vollstreckungsfähig) darauf festzulegen, zu welchem Zeitpunkt sie welche Einzelleistungen haben möchte.
Ein Feststellungsinteresse besteht, weil der Antragsteller seine Leistungspflicht grundsätzlich in Frage stellt.
b)
Ebenso unerheblich ist der Einwand nicht hinreichender Bestimmtheit der Regelung bzw. der Zulässigkeit der gerichtlich getroffenen Feststellung.
Der Wortlaut der Regelung ist hinreichend bestimmt. Es ist allgemein üblich, dass mit der (übrigens in Übereinstimmung mit der Beschreibung von Leistungen im Rahmen der Gewährung des Altenteilsrechts) gewählten Formulierung zum einen eine "standesgemäße" und zur Befriedigung der Nahrungsaufnahmebedürfnisse hinreichende Menge an Essen und Trinken bereitgestellt wird. In gleicher Weise hinlänglich bestimmt ist die Regelung zum Wohnrecht.
In beiden Fällen handelt es sich um eine in bäuerlichen Kreisen für Vereinbarungen über entsprechende Zuwendungen an Verwandte übliche und ohne weiteres verständliche Beschreibung des Leistungsinhalts. näherer Angaben zu Einzelheiten bedarf es nicht.
c)
Der Senat geht davon aus, dass die im Übergabevertrag neben der Zahlung festgeschriebene Pflicht des Antragsgegners, der Antragstellerin ein Wohn und Beköstigungsrecht zu gewähren, nicht ohne weiteres mit der Vollendung des 23. Lebensjahrs der zurzeit 30jährigen, ledigen Antragstellerin erloschen ist.
Der Antragsgegner möchte die vorbeschriebene Rechtsfolge dem "Sinnzusammenhang" der Formulierungen im vorletzten Absatz auf Seite 3 des Hofübergabevertrags entnehmen. Er versteht die in dem abschließenden Satz beschriebene Rechtswirkung ("Damit ist K... vollständig vom elterlichen Hofe abgefunden") in der Weise, dass die Vollendung des 23. Lebensjahrs nicht nur als eine im Verhältnis zur Heirat alternative ZahlungsFälligkeitsbestimmung dienen sollte, sondern auch als Beendigungszeitpunkt des Wohn und Beköstigungsrechts.
Diese Auslegung findet im Text des Vertrages keine Stütze. Die vom Antragsgegner übernommenen Verpflichtungen gegenüber der Antragstellerin wurden ersichtlich so formuliert, dass die Antragstellerin im Verhältnis zu den drei "weichenden" Geschwistern in Bezug auf die Geldzuwendungen (40.000 DM) gleich behandelt und in Bezug auf das zusätzliche Wohn und Beköstigungsrecht bevorzugt behandelt werden sollte. Dazu wurde ein spezielles "Gesamtpaket" der Zuwendungen an die Antragstellerin gestaltet, mit denen nicht nur die Geldzuwendung, sondern zusätzlich eine verlässliche Befriedigung der Grundbedürfnisse gewährleistet werden sollte. Gewollt war danach ein Zusammenwirken des Zahlungsanspruchs mit den wahlweise beanspruchbaren gegenständlichen Leistungen bis zur endgültigen Abfindung, die wiederum entscheidend von der vom Antragsgegner beeinflussbaren Zahlung der 40.000 DM abhängen sollte. Für die Naturalleistungen ergibt sich daraus die notwendige Konsequenz, dass diese nicht bereits mit Fälligkeit der Geldzuwendung (Heirat oder Vollendung des 23. Lebensjahrs) entfallen sollten, sondern erst mit der vollständigen Befriedigung des den Kern der Abfindung bildenden Geldzuwendungsanspruchs.
Allein das vorbeschriebene Verständnis der hier in Rede stehenden Bestimmungen entspricht einem Regelungswillen der Vertragsparteien, der in dem Text der (formbedürftigen) notariellen Urkunde mit der für eine entsprechende Auslegung des Textes erforderlichen Sicherheit angedeutet wird.
Für eine Auslegung der von dem Antragsgegner favorisierten Lesart gibt es keine vergleichbaren Andeutungen im Vertragstext. Es bedarf daher auch keiner Vernehmung der für den (nicht hinlänglich zum Ausdruck gebrachten, "wirklichen") Willen einer isolierten Befristung der Sachleistungspflicht bis zur Vollendung des 23. Lebensjahrs der Antragstellerin.
Der Senat geht allerdings davon aus, dass nach Vollendung des 23. Lebensjahrs der Antragstellerin mit der Zahlung der geschuldeten 40.000 DM auch Wohn und Beköstigungsrechte entfallen. Auch dies ist auf der Grundlage der vorstehenden Textinterpretation mit hinlänglicher Deutlichkeit der Abfindungsklausel zu entnehmen.
Eine entsprechende einschränkende Ergänzung des Tenors war allerdings ebenso wenig geboten wie eine Quotelung der Kosten. Denn die getroffene und beantragte Feststellung betrifft die Beurteilung des zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Rechtszustandes, der mit der Formulierung des Tenors zutreffend und im entscheidungsrelevanten Umfang zum Ausdruck gebracht worden ist. Die vorstehende Klarstellung des Senats dient lediglich der Verdeutlichung der Interessenbewertungen.
3.
Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Antragsgegner die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen (§§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG).