Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.07.2019, Az.: 5 B 2073/19
Feuerwerk; Gefahrenabwehr; Gesetzgebungskompetenz; Pyrotechnik; Sprengstoffrecht; Waldbrand; Waldbrandgefahr
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 19.07.2019
- Aktenzeichen
- 5 B 2073/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 69979
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 23 SprengV 1
- Art 73 GG
- § 11 SOG ND
- § 3 SOG ND
- § 35 WaldG ND
- § 6 SprengG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der Umgang mit Feuerwerkskörpern und die spezifisch hierdurch ausgelösten Gefahren, zu denen neben Lärmimmissionen auch Waldbrandgefahren zählen, sind in den bundesrechtlichen Vorschriften des Sprengstoffrechts abschließend geregelt (im Anschluss an Hess. VGH, Urteil vom 13.05.2016 - 8 C 1136/15.N -).
2. Landesrechtliche Vorschriften der Gefahrenabwehr können keine Regelungen zur Abwehr feuerwerkspezifischer Gefahren treffen, solange Bundesrecht dies nicht ausdrücklich vorsieht.
Gründe
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (hiesiges Aktenzeichen: 5 A 2072/19) gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2019 verfügte Untersagung des von ihm angezeigten Feuerwerks begehrt, hat Erfolg. Der Antrag ist zulässig und begründet. Die aufschiebende Wirkung war nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherzustellen.
Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage wiederherstellen, wenn bzw. soweit dies zur Wahrung schutzwürdiger Interessen des Antragstellers geboten ist. Insoweit erfolgt eine Entscheidung über den Eilantrag aufgrund einer Interessenabwägung, die sich im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs orientiert. Davon ausgehend war die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers antragsgemäß wiederherzustellen, da sich die hier streitgegenständliche Regelung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2019 bei überschlägiger Prüfung voraussichtlich als rechtswidrig erweist.
Der Antragsteller beabsichtigt, am 19. Juli 2019 im Rahmen einer Hochzeit gegen 22:50 Uhr beim Landgasthof R. ein Feuerwerk abzubrennen. Die Abbrennstelle liegt ca. 120 m östlich des Gasthofs. Die unmittelbare Umgebung dieser Stelle besteht aus Ackerland. In ca. 140 m Entfernung westlich der Abbrennstelle befindet sich ein Waldstück. Abgebrannt werden sollen pyrotechnische Gegenstände der Kategorien 2 und 4. Da der Antragsteller über eine Erlaubnis nach § 7 SprengG und den Befähigungsschein nach § 20 SprengG verfügt, bedarf er keiner Genehmigung für das Abbrennen des Feuerwerks. Vielmehr reicht nach § 23 Abs. 3 Satz 1 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) eine Anzeige bei der zuständigen Behörde aus. Dieser Verpflichtung ist der Antragsteller nachgekommen. Weitere Vorgaben waren nicht einzuhalten. Da keine Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit des Antragstellers vorliegen und nichts dafürspricht, dass er die in § 23 Abs. 8 1. SprengV i.V.m. Anlage 6 geregelten Schutzabstände nicht einhalten wird, hat er das Recht, das Feuerwerk durchzuführen. Bei dieser Rechtslage benötigt die Antragsgegnerin für die im Bescheid vom 16. Juli 2019 verfügte Untersagung eine Ermächtigungsgrundlage. Sie stützt sich auf § 11 NPOG. Nach dieser Regelung kann die zuständige Verwaltungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Ungeachtet der Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, meint das Gericht, dass § 11 NPOG keine Anwendung finden kann. Dem steht § 3 Abs. 1 Satz 2 NPOG entgegen. Danach gehen Vorschriften des Bundes- oder Landesrechts, in denen die Gefahrenabwehr oder die anderen Aufgaben besonders geregelt werden, dem NPOG vor.
Das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen und die davon ausgehenden möglichen Gefahren werden abschließend im SprengG und der aufgrund des Sprengstoffgesetzes erlassenen 1. SprengV geregelt. Mit der Überführung des Sprengstoffrechts in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG) im Jahre 2006 ist der Bund gemäß Art. 71 GG allein zur Regelung dieser Materie zuständig geworden. Der Kompetenztitel des Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG umfasst sämtliche Fragen des Umgangs mit explosionsfähigen und gefährlichen Stoffen, wozu insbesondere auch der Ge- bzw. Verbrauch von Sprengstoffen gehört (vgl. Maunz/Dürig/Uhle, 84. EL August 2018, GG Art. 73, Rn. 276 sowie Hess. VGH, Urteil vom 13. Mai 2016 - 8 C 1136/15.N -, juris Rn. 31).
Der umfassende Charakter der dem Bund verfassungsrechtlich übertragenen Regelungskompetenz für die Materie des Sprengstoffrechts kommt einfachgesetzlich in der Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG und den auf dieser Grundlage erlassenen §§ 23 Abs. 1 und 24 1. SprengV zum Ausdruck. § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG ermächtigt das Bundesministerium des Innern u.a. dazu, durch Rechtsverordnung zum Schutze vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen Dritter zu bestimmen, dass explosionsgefährliche Stoffe nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen verwendet werden dürfen. Dabei kann auch bestimmt werden, dass pyrotechnische Gegenstände nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten verwendet werden dürfen und dass die zuständige Behörde Ausnahmen hiervon zulassen bzw. zusätzliche Beschränkungen anordnen kann. Durch § 23 Abs. 1 1. SprengV, wonach das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kindern- und Altenheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen verboten ist, hat der (Bundes-)Verordnungsgeber erkennbar auch Brandschutzbelangen Rechnung getragen.
Durch diese bundesrechtlichen Vorschriften ist der Umgang mit Feuerwerk hinsichtlich der damit einhergehenden Explosions- und Brandgefahren als feuerwerksspezifische Gefahren abschließend und mit Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber geregelt.
Selbst wenn man - entgegen der hier vertretenen Ansicht - Landesrecht grundsätzlich für anwendbar halten wollte, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. § 11 NPOG fordert das Vorliegen einer Gefahr. Nach § 2 Nr. 1 NPOG ist eine Gefahr eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Dabei stützt sich die Antragsgegnerin auf § 1 der Verordnung des Landkreises O. zur Verhütung von Waldbränden im Landkreis O. vom 28. Juni 2019. Danach ist es (unter anderem) verboten, in Wäldern, Mooren und Heidegebieten oder in gefährlicher Nähe davon Feuer anzuzünden, zu rauchen und mit feuergefährlichen Gegenständen umzugehen. Ob die genannten Voraussetzungen vorliegen, ob also insbesondere ein Abstand von 140 m zwischen dem Abbrennplatz und dem nächst gelegenen Waldstück als „gefährliche Nähe“ im Sinne der Verordnung anzusehen ist, kann offenbleiben (in dieser Hinsicht ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es wohl ausreichen dürfte, wenn beim Verwenden von pyrotechnischen Gegenständen der Schutzabstand nach Anlage 6 der 1. Spreng V eingehalten wird).
Denn die Verordnung begegnet ihrerseits erheblichen Rechtmäßigkeitsbedenken. Sie beruht auf § 35 Abs. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG). Danach kann die Waldbehörde in Zeiten besonderer Brandgefahr und in besonders brandgefährdeten Gebieten durch Verordnung den Zutritt zu Wald, Moor und Heide verbieten oder beschränken, Verbote nach § 35 Abs. 1 NWaldLG über den Zeitraum vom 1. März bis 31. Oktober hinaus ausdehnen oder andere oder weitergehende Bestimmungen über den Umgang mit Feuer und feuergefährlichen Gegenständen in Wald, Moor und Heide sowie in gefährlicher Nähe davon treffen. Damit knüpft die Verordnungsermächtigung an § 35 Abs. 1 Satz 1 NWaldLG an. Danach ist es in Wald, Moor und Heide sowie in gefährlicher Nähe davon verboten, in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Oktober Feuer anzuzünden oder zu rauchen. Da der Wald in örtlicher Hinsicht und der Sommer in zeitlicher Hinsicht bereits von dieser Regelung erfasst sind, erstreckt sich die Verordnungsermächtigung in zeitlicher Hinsicht nur auf Zeiten, in denen eine besondere Brandgefahr, also eine Brandgefahr, die über die im Sommer ohnehin vorhandene Brandgefahr hinausgeht, besteht, und sie kann sich in örtlicher Hinsicht auch nur auf Gebiete erstrecken, in denen eine Brandgefahr besteht, die über die allgemein im Wald vorhandene Brandgefahr hinausgeht. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann das Gericht nicht erkennen. Weder aus der Verordnung selbst noch sonst ist ersichtlich, dass sämtliche Wälder im Landkreis O. besonders brandgefährdete Gebiete sind und dass zudem ganzjährig von einer Zeit besonderer Brandgefahr gesprochen werden kann.
Mit seinen pauschalen Verboten geht § 1 der Verordnung weit über die Verordnungsermächtigung des § 35 Abs. 4 NWaldLG hinaus. Da also die Voraussetzungen für den Erlass der genannten Verordnung nicht vorliegen bzw. nicht nachgewiesen sind, kann § 1 der Verordnung auch nicht weiter herangezogen werden.
Auch spricht in Anbetracht einer Waldbrandgefahrenstufe 3 nichts dafür, dass das Waldgebiet, das sich in unmittelbarer Nähe des hier betroffenen Abbrennplatzes befindet, ein besonders brandgefährdetes Gebiet ist oder dort im Moment eine besondere Brandgefahr besteht.
Das Gericht kann schließlich nicht erkennen, dass außerhalb der genannten Verordnung andere Rechtsgrundlagen das im Bescheid vom 16. Juli 2019 ausgesprochene Verbot tragen könnten. § 35 Abs. 1 Satz 1 NWaldLG kommt nicht in Betracht, da der Antragsteller nicht vorhat, im Wald oder in gefährlicher Nähe davon ein Feuer anzuzünden. Auch § 23 Abs. 1 1. SprengV steht dem Abbrennen des Feuerwerks nicht entgegen. Denn diese Regelung verbietet das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände lediglich in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen.