Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.09.2024, Az.: 50 StVK 137/24

Antrag der Staatsanwaltschaft auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
11.09.2024
Aktenzeichen
50 StVK 137/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 24399
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In der Strafvollstreckungssache
betreffend
XXXXXX XXXXXXXX,
XXXXXXX XX XXXXXXXXXX XX XXXXXXXXXXX,
XXXXXXX XXX XXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXX XXXXXX XXX, XXXXX XXXXXXXXX,
XXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXX
hat das Landgericht - 2. kleine Strafvollstreckungskammer - Oldenburg durch den Richter am Landgericht XXXXX am 10.09.2024 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Verfahren nach § 454b Abs. 3 StPO wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Der Verurteilte verbüßt derzeit in der JVA Oldenburg eine Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Diebstahls in drei Fällen und Beleidigung aus dem Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 29.01.2024, Az. 26 Ds 452 Js 85153/23 (135/23). In dem Urteil heißt es unter Ziffer III. 4. u.a. wie folgt: "Deswegen war festzustellen, dass die Taten aufgrund von Betäubungsmittelabhängigkeit begangen wurden, § 17 Abs. 1 BZRG, § 35 BtMG." Der 2/3 Termin ist für den 14.10.2024 und der Endstrafentermin für den 14.02.2025 notiert.

Des Weiteren steht gegen den Verurteilten die Vollstreckung des Strafrestes aus einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen in einem minder schweren Fall aus dem Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 21.09.2022, Az. 6 Ds 220 Js 25759/22 (174/22) an. Dortiger 2/3 Termin war bereits am 24.07.2024. Endstrafentermin ist für den 17.04.2025 notiert. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf das Vollstreckungsblatt verwiesen.

Der Verurteilte hatte für beide Strafen die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG beantragt, wobei die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Zurückstellung mit Schreiben vom 27.06.2024 ablehnte und dem Verurteilten mitteilte, dass eine weitere nicht zurückstellungsfähige Freiheitsstrafe der Staatsanwaltschaft Aurich zu vollstrecken sei.

Mit Schreiben vom 27.06.2024 hat der Verurteilte die Staatsanwaltschaft Aurich sodann um die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge gebeten, um eine Vorabvollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 21.09.2022, Az. 6 Ds 220 Js 25759/22 (174/22) zu erreichen.

Mit Verfügung vom 25.07.2024 hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg den Antrag gestellt, dem Verurteilten Rechtsanwalt XXXX (XXXXXXXXX) im Zurückstellungsverfahren beizuordnen, weil dies geboten erscheine.

Mit Verfügung vom 08.08.2024 hat die Staatsanwaltschaft den zuvor genannten Antrag mit der Maßgabe geändert, dass die Beiordnung für das Verfahren nach § 454 b Abs. 3 StPO erfolgen solle und notwendig sei. Zur Begründung wurde auf den Auszug aus der BT-Drucksache Bl. 60f. VH Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 22.08.2024 hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg sodann auf Aufforderung der Strafvollstreckungskammer weitere Ausführungen zur vermeintlichen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage getätigt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen Bl. 64-65 VH Bezug genommen. Auf ein Schreiben der Strafvollstreckungskammer zur beantragten Beiordnung der Staatsanwaltschaft hat der Verurteilte nicht reagiert.

II.

Der zulässige Antrag auf Beiordnung ist unbegründet.

Es liegt vorliegend keine Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage vor, welche entsprechend § 140 Abs. 2 StPO die Beiordnung eines Verteidigers geboten erscheinen ließe. Soweit es im Strafvollstreckungsverfahren an ausdrücklichen Vorschriften zur Verteidigerbestellung wie in § 463 Abs. 3 S. 5 StPO fehlt, finden die §§ 140 Abs. 2, 141, 143 StPO nur in den Fällen entsprechende Anwendung, wenn wegen der Schwere des Vollstreckungsfalles, wegen Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage im Vollstreckungsverfahren oder wegen Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, die Mitwirkung eines Verteidigers ausnahmsweise geboten ist (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 7. Juli 2021 - 2 Ws 49/21 - in juris).

Daran ändert auch das Vorliegen eines Antrages auf Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nach § 454b Abs.3 StPO zunächst nichts. Auch insoweit bedarf es für eine Pflichtverteidigerbeiordnung der Annahme einer Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage, auch wenn es in der BT-Drucksache heißt, dass es regelmäßig geboten sein dürfte, dem Verurteilten einen Verteidiger zu bestellen. Denn auch insoweit muss der konkrete Einzelfall im Blick bleiben, der vorliegend gerade keine Schwierigkeiten bereithält. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verurteilte die sich ihm gegebenen wenigen Entscheidungsmöglichkeiten im Rahmen des Strafvollstreckungsverfahrens auch unter Berücksichtigung der geänderten Gegebenheiten bei einer Änderung der Vollstreckungsreihenfolge nicht selbst überschauen könnte. Insoweit darf von einem mündigen Verurteilten erwartet werden, dass er eigenständig die wenigen verschiedenen Varianten der weiteren Strafvollstreckung, die sich ihm im vorliegenden Fall bieten, sorgsam abwägen und zu einer wohl überlegten Entscheidung unter Berücksichtigung etwaiger Vor- und Nachteile kommen kann.

Zudem war zu berücksichtigen, dass aus dem Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 21.09.2022 nur noch etwas mehr als zwei Monate gegen den Verurteilten im Falle der Änderung der Vollstreckungsreihenfolge vorab zu vollstrecken sind und die für ihn hieraus resultierenden Nachteile verhältnismäßig gering sind. Unter Berücksichtigung, dass selbst in erstinstanzlichen Verfahren eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers erst bei einer Straferwartung von einem Jahr als geboten erachtet wird, dürfte diese Kontrollüberlegung auch im hiesigen Vollstreckungsverfahren Beachtung finden.

Letztlich geht aus der BT-Drucksache nicht hervor, dass immer im Verfahren nach § 454b Abs. 3 StPO eine Pflichtverteidigerbeiordnung erfolgen muss, was der Verweis auf § 140 StPO und die hiermit in Bezug genommen Voraussetzungen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bestätigt.