Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.02.2018, Az.: 1 K 279/17

Anwendung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Einkommensteuergesetz auf Zahlungen des Arbeitgebers; Begriff der außerordentlichen Einkünfte; Entschädigungen; Abfindungssumme

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.02.2018
Aktenzeichen
1 K 279/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73655
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit Zahlungen des Arbeitgebers der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) zu unterwerfen sind.

Die Klägerin ist verheiratet. Sie wurde im Streitjahr zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Beide Eheleute erzielten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Ehemann erhielt auch noch Einkommensersatzleistungen.

In der Anlage N zu ihrer Einkommensteuererklärung 2016 erklärte die Klägerin einen Bruttoarbeitslohn i.H.v. 202.632 €. Der Erklärung waren zwei Lohnsteuerbescheinigungen beigefügt. Eine betraf ein Arbeitsverhältnis bei der A, welches vom 1. Januar bis 31. Mai 2016 dauerte. Hierfür ist ein Bruttoarbeitslohn i.H.v. 164.715,33 € ausgewiesen. Die zweite Lohnsteuerbescheinigung betraf ein anderes Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juni 2016. Hier ist ein Bruttoarbeitslohn i.H.v. 37.916,66 € ausgewiesen. Unter dem Punkt "Entschädigungen" wies die Klägerin auf eine beigefügte Anlage hin. Dazu waren der Steuererklärung ein Aufhebungsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber A vom 8. März 2016 und ein Kündigungsschreiben der Klägerin vom 10. Mai 2016 beigefügt.

In dem Aufhebungsvertrag ist ausgeführt, dass das Anstellungsverhältnis der Vertragsparteien mit Ablauf des 31. Dezember 2016 endet.

In § 2 des Vertrages ist die Abrechnung geregelt:

"Das Arbeitsverhältnis wird zum Beendigungszeitpunkt ausschließlich wie folgt abgerechnet:

1. Bis zum Beendigungszeitpunkt zahlt das Unternehmen der Mitarbeiterin ein Bruttomonatsgehalt von EUR 4.691,28 pro Monat.

2. Ferner zahlt das Unternehmen der Mitarbeiterin mit der November-Gehaltsabrechnung ein 13. Monatsgehalt für das Jahr 2016 in Höhe von brutto EUR 4.691,28.

3. Zur Abgeltung etwaiger bis zum Beendigungszeitpunkt entstehende variable Vergütungsansprüche für das Jahr 2016 erhält die Mitarbeiterin gemäß Regelung im Sozialplan eine einmalige Kompensation in Höhe von brutto EUR 1.375,43, die mit der letzten Gehaltsabrechnung ausgezahlt wird."

Unter § 3 Ziffer 2 des Aufhebungsvertrages ist vereinbart:

"Die Mitarbeiterin wird im Übrigen mit Wirkung ab 01.05.2016 bis zum Beendigungszeitpunkt unter Anrechnung etwaiger noch offener Urlaubsansprüche und Freizeitguthaben von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt (nachfolgend "Freistellungstermin")."

Eine Abfindungszahlung ist in § 4 des Vertrages geregelt. Dort lautet es unter Ziffer 1:

"Die Mitarbeiterin erhält als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (...) eine Abfindung (...) in Höhe von brutto EUR 102.353,25.

§ 5 des Aufhebungsvertrages regelt eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

"Die Mitarbeiterin hat das Recht, das Anstellungsverhältnis vor dem Beendigungszeitpunkt durch einseitige schriftliche Erklärung gegenüber dem Unternehmen mit einer Vorankündigungsfrist von 7 Tagen vorzeitig zu beenden, frühestens jedoch zum Zeitpunkt des Wegfalls der Beschäftigung (01.05.2016). Die Abrechnung erfolgt zum Ende des Kalendermonats in dem die Beendigung fällt. In diesem Fall erhöht sich die Abfindung gem. § 4.1 um 100 % der von dem Unternehmen für die Zeit von der vorzeitigen Beendigung bis zum gem. § 1 vereinbarten Beendigungszeitpunkt eingesparten Bruttovergütung (ohne Sozialversicherung- oder steuerrechtliche Arbeitgeberanteile)."

Im Kündigungsschreiben vom 10. Mai 2016 an die A heißt es:

"(...) ich nehme Bezug auf den Aufhebungsvertrag vom 4.3.2016 §5 Vorzeitige Beendigung.

Hiermit kündige ich das Anstellungsverhältnis fristgerecht zum 31.5.2016. (...)"

Im Einkommensteuerbescheid vom 16. Mai 2017 unterwarf der Beklagte einen Betrag i.H.v. 102.353 € der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, da die Berechnung der Abfindung nicht korrekt erfolgt sei. Aus dem Aufhebungsvertrag gehe hervor, dass die Abfindungszahlung 102.353,25 € betrage. Aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum 31. Mai 2016 habe sich diese Summe aber um 100 % der bis zum Beendigungszeitpunkt eingesparten Bruttovergütung erhöht. Der Beendigungszeitpunkt sei auf den 31. Dezember 2016 festgelegt. Somit erhöhe sich die Abfindungssumme um 7 Monatsgehälter i.H.v. jeweils 4.691,28 € und das 13. Monatsgehalt i.H.v. ebenfalls 4.691,28 €. Insgesamt ergebe sich eine begünstigt zu besteuernde Abfindungssumme i.H.v. 139.883,49 €.

Zur Bestätigung legte die Klägerin im Einspruchsverfahren eine Bescheinigung der A vom 29. September 2017 vor, nach der die Lohnsteuerbescheinigung fehlerhaft sei und dort in Zeile 19 als "Steuerpflichtige Entschädigungen und Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre, die nicht ermäßigt besteuert wurden" ein Betrag i.H.v. 136.567,65 € hätte ausgewiesen werden müssen. Dies entspreche der im Aufhebungsvertrag geregelten gesamten Abfindungssumme.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte vertrat im Einspruchsbescheid die Auffassung, dass nur ein Betrag i.H.v. 102.353,25 € eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG darstelle.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Mit ihrer Kündigung zum 31. Mai 2016 habe sie von ihrem Recht aus dem Aufhebungsvertrag auf vorzeitige Beendigung des Anstellungsverhältnisses Gebrauch gemacht. Deswegen habe sie auch die weitere Abfindungszahlung i.H.v. 37.530,24 € erhalten. Diese Zahlung sei an die Stelle der wegfallenden Einnahmen aus dem Anstellungsverhältnis für die Monate Juni bis Dezember 2016 einschließlich des 13. Monatsgehalts getreten. Diese Zahlung des ehemaligen Arbeitgebers sei nicht in Erfüllung des ursprünglichen Arbeitsvertrages geleistet worden. Sie habe auch keinerlei Arbeits- oder Dienstleistungen ab dem 1. Juni 2016 mehr erbracht, für welche sie eine Vergütung erhalten hätte. Bezogen auf den Abfindungszeitraum ab 1. Juni 2016 habe sie keinerlei Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis "erdient".

Aufgrund der erhaltenen Abfindung sei der Klägerin in 2016 zusammengeballt insgesamt ein Bruttoarbeitslohn i.H.v. 202.632 € zugeflossen.

Das Vorziehen des rechtlichen Endes eines Anstellungsvertrages unter Umwandlung der ausstehenden Bezüge in eine Abfindung sei steuerlich unschädlich. Es käme allein auf den Zeitpunkt der zivil- bzw. arbeitsrechtlich wirksamen rechtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses an.

Soweit der Beklagte seine Argumentation auf § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG stützt, sei dies rechtsfehlerhaft, jedenfalls aber unerheblich.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 16. Mai 2017 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017 dahingehend zu ändern, dass die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG auf einen weiteren Betrag i.H.v. 37.530,24 €, somit insgesamt auf 139.383,49 €, zu erstrecken ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid.

Eine begünstigte Besteuerung im Sinne des § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG für die monatlich gezahlten Löhne ab 1. Juni 2016, das 13. Monatsgehalt (insgesamt 8 x 4.691,28 € = 37.530,24 €) und die Kompensationszahlung nach den Regelungen des Sozialplans (1.375,43 €) komme nicht in Betracht. Eine Abfindung, die zwecks Erfüllung der im Anstellungsvertrag vereinbarten Bezüge gezahlt werde, sei keine Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG.

Im vorliegenden Fall bestünde der Anspruch auf Auszahlung des monatlichen Bruttoentgelts aufgrund der vorher festgelegten und im Anstellungsvertrag niedergelegten Verpflichtung des Arbeitgebers auf Zahlung des Arbeitslohnes. Der Klägerin sei es im Aufhebungsvertrag freigestellt worden, ihre Tätigkeit vorzeitig zu beenden. Der Anspruch auf Zahlung der monatlichen Vergütung bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt am 31. Dezember 2016 habe zu jeder Zeit und unabhängig von der Entscheidung der Klägerin, vorzeitig zu kündigen, bestanden.

Dies bestätige sich auch in § 4 Ziffer 2 des Aufhebungsvertrages, wonach allein die nach § 4 Nr. 1 des Vertrages erhaltene Nettoabfindung i.H.v. 102.353,25 € gegebenenfalls zurückgezahlt werden müsse.

Bei den streitigen Beträgen handele es sich auch nicht um Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

Der Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 16. Mai 2017 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 26. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Bei den von der A gezahlten Vergütungen für die Monate Juni bis Dezember 2016, dem 13. Monatsgehalt sowie der nach § 2 Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages geleisteten Zahlung zur Abgeltung der bis zum 31. Dezember 2016 entgehenden variablen Vergütungsansprüche handelt es sich nicht um außerordentliche Einkünfte, die nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuern sind.

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem gem. § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG zu ermittelnden ermäßigten Steuersatz (sog. Fünftelregelung) zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG und nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht.

1. Der streitige Betrag sowie die sowie die nach § 2 Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages geleistete Zahlung zur Abgeltung der bis zum 31. Dezember 2016 entgehenden variablen Vergütungsansprüche stellen keine Entschädigungen gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dar.

a) § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sind grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Steuerpflichtige im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Mai 2003 XI R 12/00, BFHE 203, 38, BStBl II 2004, 449 [BFH 14.05.2003 - XI R 12/00]).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG voraus, dass der Steuerpflichtige bei Aufgabe seiner Rechte unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat. Der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben (BFH-Urteile vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9; vom 24. Oktober 1990 X R 161/88, BFHE 162, 329, BStBl II 1991, 337; vom 9. Juli 1992 XI R 5/91, BFHE 168, 338, BStBl II 1993, 27 und vom 6. März 2002 XI R 51/00, BFHE 198, 468, BStBl II 2002, 516). Der Ausfall der Einnahmen muss von dritter Seite veranlasst worden sein (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1990 X R 161/88, a.a.O.).

Der BFH schließt dieses Erfordernis daraus, dass dem Begriff der Entschädigung als auch der Voraussetzung, dass diese im Falle des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sein muss, zu entnehmen ist, dass der Steuerpflichtige einen Schaden erlitten haben muss bzw. erlitten hätte, wenn er die Ersatzleistung nicht erhalten hätte. Dem Wortsinn nach ist vorausgesetzt, dass Einnahmen entgangen sind oder entgehen werden, d.h. die ursprünglichen Einnahmen nicht mehr erzielbar sind und dafür ein Ausgleich gewährt wird. Eine Entschädigung, die i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst a EStG Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen darstellt, kann nur vorliegen, wenn der Ausfall der ursprünglichen Einnahmen von einem Dritten veranlasst wird. Der Steuerpflichtige muss von einem Außenstehenden an der Verwirklichung seines Gewinnstrebens durch Anwendung eines nicht unerheblichen, tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Drucks gehindert worden sein (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9).

Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses als Ersatz für entgehende Einnahmen gewährt werden, sind einheitlich zu beurteilen. Sie müssen, um tarifbegünstigt gemäß § 34 Abs. 1 EStG besteuert zu werden, grundsätzlich in einem Veranlagungszeitraum zufließen (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R 51/95, BFHE 180, 152, BStBl II 1996, 416). Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos (vgl. BFH-Urteile vom 16. März 1993 XI R 10/92, BFHE 170, 445, BStBl II 1993, 497 und vom 15. Oktober 2003 XI R 17/02, BFHE 203, 490, BStBl II 2004, 264). Werden in einer Abfindungsvereinbarung neben Entschädigungen für künftig entgehende Einnahmen auch Zahlungen einbezogen, die bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses zustanden, so sind diese, selbst wenn sie noch nicht fällig sein sollten, als nicht tarifermäßigte Einnahmen von den Entschädigungen zu trennen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 2003 XI R 17/02, BFHE 203, 490, BStBl II 2004, 264).

b) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den von der A gezahlten Vergütungen für die Monate Juni bis Dezember 2016, dem 13. Monatsgehalt sowie der nach § 2 Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages geleisteten Zahlung zur Abgeltung der bis zum 31. Dezember 2016 entgehenden variablen Vergütungsansprüche anders als bei der Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht um Abfindungen im Sinne von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.

Die entscheidende Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2016 statt zum 31. Dezember 2016 hat nicht die A, sondern die Klägerin gesetzt. Die Zahlung der Beträge erfolgte nicht aufgrund des zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Aufhebungsvertrages, sondern aufgrund der von der Klägerin einseitig ausgesprochenen Kündigung. Zwar war ihr diese Möglichkeit in § 5 des Aufhebungsvertrages eingeräumt worden. Insofern hat der Arbeitgeber an der Vereinbarung des Kündigungsrechts mitgewirkt und die Kündigung mittelbar verursacht. Die tatsächliche Ausübung des Kündigungsrechts oblag jedoch allein der Klägerin. Sie hat mit ihrer Kündigung die (weitere) Einschränkung des Arbeitsverhältnisses aus eigenem Antrieb unmittelbar herbeigeführt.

Die Klägerin hat bei Abgabe der Kündigungserklärung unter keinem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt. Der Aufhebungsvertrag legt nahe, dass die Kündigung ohne Druck durch den Arbeitgeber erfolgte. In der Abfindungsvereinbarung hatte sich der Arbeitgeber verpflichtet, seine Leistungen aus dem mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrag bis zum 31. Dezember 2016 in jedem Fall zu erbringen. Dabei war er ausweislich des Aufhebungsvertrages auch bereit, die mit den Lohnzahlungen einhergehenden Abgaben zu tragen. Ohne Kündigung hätte die Klägerin die hier streitigen Beträge daher in gleicher Höhe als Arbeitslohn erhalten, sodass ihr diese Einnahmen letztlich auch nicht entgangen wären. Hätte der Arbeitgeber ein besonderes Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2016 gehabt, hätte er mit der Klägerin von Anfang an einen anderen Aufhebungsvertrag abgeschlossen.

Ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Druck wird auch nicht durch den Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung belegt, sie habe sich aufgrund der persönlichen finanziellen Umstände veranlasst gesehen, möglichst zeitnah eine neue Tätigkeit aufzunehmen. Tatsächlich standen ihr auch nach Abschluss des Aufhebungsvertrages bis Jahresende unverändert die bisherigen Vergütungsansprüche und für den Verlust des Arbeitsplatzes danach zudem eine Abfindungszahlung zu. Diese im Aufhebungsvertrag vereinbarten Zahlungen sind höher, als die, welche Klägerin bei ungestörter Fortführung des Arbeitsverhältnisses für das Streitjahr und das Folgejahr erhalten hätte. Dass die Klägerin aus nachvollziehbaren Gründen darum bemüht war, möglichst zügig einen neuen Arbeitsplatz zu finden, ändert daran nichts.

Auch der Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 XI R 12/00, BFHE 203, 38, BStBl II 2004, 449 [BFH 14.05.2003 - XI R 12/00]) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Es trifft zwar zu, dass sich die in § 4 Ziffer 1 des Aufhebungsvertrages zunächst vereinbarte Abfindung i.H.v. 102.353,25 € durch die Kündigung der Klägerin aufgrund § 5 des Aufhebungsvertrages um den streitigen Betrag erhöhte und der Klägerin ein entsprechender Gesamtbetrag mit Ablauf des Monats Mai 2016 zufloss.

Allein die Zusammenfassung der Zahlungen zu einem Betrag rechtfertigt aber nicht die Annahme einer einheitlichen Entschädigungsleistung. Der Gesamtbetrag mag sich auch tatsächlich aus dem einen Aufhebungsvertrag ergeben. Auslöser für den Anfall der Gesamtleistung waren jedoch zwei unterschiedliche schadenstiftende Ereignisse. So ergibt sich der unbedingte Anspruch auf die Abfindungszahlung i.H.v. 102.353,25 € direkt aus dem zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Arbeitgeber geschlossenen Aufhebungsvertrag, während der Anspruch auf die streitigen Zahlungen nur aufschiebend bedingt vereinbart war und erst mit Eintritt der Bedingung - der Kündigung der Klägerin - wirksam geworden ist. Gelten Zahlungen unterschiedliche schadenstiftende Ereignisse ab, sind sie auch ungeachtet eines zusammengefassten Zuflusses getrennt zu betrachten.

2. Die Beträge stellen auch keine Entschädigungen gem. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG dar.

a) Nach § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG können Zahlungen, die für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche gewährt werden, steuerbegünstigte Entschädigungen sein. Eine Zwangslage wird - anders als bei § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG - nicht vorausgesetzt (BFH-Urteile vom 12. Juni 1996 XI R 43/94, BFHE 180, 433, BStBl II 1996, 516; vom 23. Januar 2001 XI R 7/00, BFHE 194, 411, BStBl II 2001, 541 und vom 6. März 2002 XI R 36/01, BFH/NV 2002, 1144). Eine Tätigkeit wird aufgegeben, wenn sie endgültig nicht mehr ausgeübt wird. Bei einem Arbeitnehmer - wie im Streitfall der Klägerin - setzt dies voraus, dass der Arbeitgeber (Vertragspartner) die Entschädigung deswegen "für" die Aufgabe oder Nichtausübung der Tätigkeit zahlt, weil er an diesen Unterlassungen ein erhebliches Interesse hat (vgl. BFH-Urteile vom 8.August 1986 VI R 28/84, BFHE 147, 370, 373, BStBl II 1987, 106 und vom 27. November 1991 X R 10/91, BFH/NV 1992, 455). Eine Abfindung für die Aufgabe einer Tätigkeit liegt dann vor, wenn es dem Arbeitgeber nicht nur auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ankommt (vgl. FG München, Urteil vom 4. September 2013 10 K 2411/10, DStRE 2014, 1180). Die Aufnahme einer Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber ist aber unschädlich (vgl. Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 36. Aufl. 2017, § 24 Rz 40).

b) Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, denn die Zahlung der streitigen Beträge und der nach § 2 Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages geleisteten Zahlung zur Abgeltung der bis zum 31. Dezember 2016 entgehenden variablen Vergütungsansprüche waren weder Gegenleistung für die Aufgabe bzw. Nichtausübung einer Tätigkeit durch die Klägerin noch für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung. Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Arbeitgeber wurde nach den Ausführungen der Klägerin deshalb beendet, weil aufgrund betrieblicher Umstrukturierungen Personal reduziert werden sollte. Damit lag das Interesse des ehemaligen Arbeitgebers für die Zahlungen nicht darin, dass die Klägerin ihre Tätigkeit in der Zukunft unterlässt, sondern allein im Personalabbau. Die Klägerin konnte problemlos ein neues Arbeitsverhältnis eingehen.

3. Zwischen den Beteiligten herrscht kein Streit darüber, dass die Anwendbarkeit von § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG nicht gegeben ist, da die streitigen Beträge keine Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten darstellen. Dies gilt auch für die nach § 2 Ziffer 3 des Aufhebungsvertrages geleistete Zahlung zur Abgeltung der bis zum 31. Dezember 2016 entgehenden variablen Vergütungsansprüche.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.