Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.01.2018, Az.: 14 K 5/17

Streit über die Haftung für die Besteuerung von Einkünften ausländischer Künstlerensembles aus inländischen künstlerischen Darbietungen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.01.2018
Aktenzeichen
14 K 5/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73698
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • IStR 2022, 695-698

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids, mit dem der Beklagte die Klägerin für "Künstlerabzugsteuer" nach § 50a EStG auf der sog. 2. Stufe in Anspruch genommen hat.

Die Klägerin ist eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in X. Sie betrieb im Streitzeitraum 1994 eine Konzertdirektion und war selbst nicht künstlerisch tätig. Ihre Tätigkeit bestand u.a. darin, für im Inland durchgeführte kulturelle Veranstaltungen Künstler zur Verfügung zu stellen. Hierzu verpflichtete sie inländische und ausländische Künstler bzw. Künstlergruppen, die bei den von ihr organisierten Aufführungen mitwirken. Die Klägerin schloss für jede Veranstaltung zum einen mit dem inländischen Veranstalter, oft städtische Kulturvereine, einen Werkvertrag, in dem die Vergütung vereinbart war, die die Klägerin vom Veranstalter erhielt (sog. 1. Stufe), sowie einen weiteren Vertrag mit den Künstlerensembles, in dem u.a. das Honorar vereinbart war, das die Künstler erhielten (sog. 2. Stufe). Für die Realisierung der Projekte bediente sie sich ferner verschiedener Dienstleistungserbringer.

Im Streitjahr 1994 fanden nach Mitteilungen der veranstaltenden Städte verschiedene Veranstaltungen der Klägerin mit folgenden von den Städten hierfür geleisteten Zahlungen statt:

In A.....xxxx16.065,00
.....xxxx13.169,00
.....xxxx16.660,00
In B.....xxxxxx12.410,00
.....xxxxx12.495,00
......xxxxx12.240,00
.....xxxxxxx16.915,00
......xxxxxx16.470,00
......xxxxxx15,960,00
......xxxxxxx10.710,00
.....xxxxxxx9.350,00
.....xxxxxxx15.215,00
.....xxxxxxxx18.127,00
.....xxxxxxx15.300,00
.....xxxxxxxx15.300,00
In C...xxxxxxx15.100,00
xxxxxx14.400,00
In D......xxxxxxxxx23.800,00
.....xxxxxxx15.470,00
......xxxxxxxx18.020,00
......xxxxxxx20.400,00

Da die Klägerin keine Steueranmeldungen gem. § 73e EStDV abgegeben hatte, nahm der Beklagte sie auf der sogenannten 2. Stufe gem. § 73g EStDV mit Haftungsbescheid vom xxxxxx in Anspruch. Die Vergütungen wurden zunächst für das 1. und 4. Quartal in Höhe von jeweils 150.000,00 €, für das 2. Quartal in Höhe von 70.000,00 € und für das 3. Quartal in Höhe von 25.000,00 € geschätzt. Die Steuer wurde mit 15 % der Bemessungsgrundlage zuzüglich Solidaritätszuschlag (5,5%) ermittelt. Die Haftungssumme betrug danach insgesamt 59.250 €.

Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie war unter Berufung auf Bestimmungen des DBA mit Österreich der Auffassung, dass von ihr als Konzertdirektion grundsätzlich kein Steuerabzug für Zahlungen an ausländische Künstler vorzunehmen sei. Außerdem sei der Haftungsbescheid nicht hinreichend bestimmt.

Das Einspruchsverfahren ruhte einvernehmlich für längere Zeit wegen entsprechender vor dem Bundesfinanzhof (BFH) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängiger Verfahren. Nachdem der Beklagte das Einspruchsverfahren wiederaufgenommen hatte, kam die Klägerin dessen Aufforderungen, die an Künstlerensembles bzw. Künstler vertragsmäßig tatsächlich geleisteten Zahlungen und damit in Zusammenhang stehende Kosten nachzuweisen, nicht nach. Freistellungsbescheinigungen legte die Klägerin ebenfalls nicht vor. Da Verträge mit den Ensembles nicht vorgelegt wurden, legte der Beklagte als Bemessungsgrundlage des Haftungsbetrages nunmehr die von den Veranstaltern an die Klägerin gezahlten Vergütungen zugrunde. Der Beklagte nahm die Haftung für das 3. Quartal zurück und reduzierte die Haftung für das 1. Quartal auf 15.919,35 DM, für das 2. Quartal auf 10.372,50 DM und für das 4. Quartal auf 20.084,55 DM. Die Klägerin sei im Rahmen der Ermessensausübung in Anspruch zu nehmen, da es sich bei den Steuerpflichtigen um verschiedene Ausländer gehandelt habe. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, ein Steuerabzug komme nicht in Betracht. Der Haftungsbescheid sei zu unbestimmt, da der Beklagte nicht mitgeteilt habe, welche Veranstaltungen einer Steuerabzugspflicht unterlägen. Steuerpflichtige Vergütungen seien von ihr an Künstler nicht geleistet worden. Ferner habe der Beklagte die Nettobesteuerungspflicht nach dem Gemeinschaftsrecht nicht beachtet. In dem Rechtsstreit betreffend Veranstaltungen 1989 - 1992 gegen das Bundeszentralamt für Steuern (FG Köln Az.:2 K 7427/01 habe sie die Bestätigung erhalten, dass sie Anspruch auf Erteilung von Freistellungsbescheinigungen aufgrund des DBA Österreich 1954 habe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der BFH mittlerweile bezüglich des sog. "treaty overriding" das BVerfG angesprochen habe. Aufgrund der EuGH-Entscheidung Meilicke (Az.: C 262/09) werde für die Umsetzung zu berücksichtigen sein, dass die Regelung des § 175 Abs. 2 AO nicht den Anforderungen des gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes entspreche.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Haftungsbescheid vom xxxxxx in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xxxxxx aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe Zahlungen an ausländische Körperschaften für Darbietungen im Inland geleistet, die gemäß § 50a EStG in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 2d EStG 1994 dem Steuerabzug unterlägen. Die Regelungen seien europarechtskonform. Gemäß § 50d Abs. 1 EStG 1994 sei unerheblich, inwieweit das Besteuerungsrecht nach dem DBA mit Österreich eingeschränkt sei. Da die Klägerin die Zahlungen an die ausländischen Künstler nicht angegeben habe, seien sie in Höhe der Zahlungen der Veranstalter an die Klägerin geschätzt worden. Ein pauschaler Abschlag für nicht nachgewiesene Kosten komme nicht in Betracht. Soweit sich die Klägerin auf Freistellungsbescheinigungen berufe, beträfen diese lediglich das Steuerabzugsverfahren auf der 1. Stufe. Diese führten aber nicht zu einer Freistellung auf der hier vorliegenden 2. Stufe. Freistellungsbescheinigungen für die 2. Stufe habe die Klägerin nicht vorgelegt.

Mit Beschluss vom xxxx ordnete das Gericht auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zu Abschluss des von der Klägerin beim Bundeszentralamt für Steuern geführten Freistellungs- und Erstattungsverfahrens sowie bis zum Abschluss der beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren I B 91/13, I B 71/13, I B 143/12, I R 73/12 und den beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren 1 BvR 876/13 und 1 BvR 891/13 an. Nachdem die Klägerin auf die gerichtliche Nachfrage über den Stand des beim Bundeszentralamt für Steuern geführten Freistellungs- und Erstattungsverfahren Verfahrens keine Auskunft erteilt hatte und die in dem Beschluss vom 27. Juni 2013 14 K 10133/10 genannten Verfahren beim Bundesfinanzhof und beim Bundesverfassungsgericht - mit Ausnahme des nicht dokumentierten Verfahrens I B 71/13 - abgeschlossen waren, nahm das Gericht das Verfahren mit Beschluss vom 16 Januar 2017 wieder auf.

Der Aufforderung des Gerichts, das Ergebnis über die bei dem Bundesamt für Steuern gestellten Freistellungs- und Erstattungsanträge mitzuteilen, ist die Klägerin nicht nachgekommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

1. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, da die Klägerin zum Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen wurde.

a) Gemäß § 91 Abs.1 Sätze 1 FGO sind grundsätzlich "die Beteiligten" zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden, bei einer juristischen Person somit deren gesetzlichen Vertreter.

Die Klägerin hat zwar gerügt, nicht ordnungsgemäß zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden zu sein, weil die Ladung zum Termin nicht an die Klägerin, sondern in einem an die QQQQ-GmbH und den mit dem der Klägerin personenidentischen Geschäftsführer adressierten Brief zusammen mit der Ladung zu zwei weiteren Terminen der QQQQ-GmbH am selben Tag zur selben Uhrzeit erfolgte.

(1) Demgegenüber geht der Senat gleichwohl von einer ordnungsgemäßen Ladung aus. Die Ladung wurde unter der Anschrift der Klägerin zugestellt, die mit der Anschrift der QQQQ-GmbH identisch ist, und führte die Klägerin unter Angabe ihres Namens und des Aktenzeichens des gerichtlichen Rechtsstreits als geladene Prozesspartei auf, sodass der Geschäftsführer der Klägerin die Ladung der Klägerin zum Termin mittels Zustellung erhielt. Der Geschäftsführer der Klägerin hat die Ladung auch mittels Einschreiben gegen Rückschein, in dem das Aktenzeichen des vorliegenden gerichtlichen Rechtsstreits ebenfalls aufgeführt war, bestätigt.

Die Zustellung soll gegenüber dem Adressaten gewährleisten, dass er Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverfolgung darauf einrichten kann. Insoweit dienen die Vorschriften über die Zustellung der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11. Juli 1984 1 BvR 1269/83, BVerfGE 67, 208, 211; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 6. April 1992 II ZR 242/91, BGHZ 118, 45 m.w.N.). Diese verfassungsrechtliche Gewährleistung ist bei der Auslegung und Anwendung von Zustellungsvorschriften wegen der einschneidenden prozessualen Rechtsfolgen zu beachten (vgl. Stapperfend in Gräber/Stapperfend, FGO, § 53 Rz. 1; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 60. Aufl., Übersicht § 166 Rz. 1). Sie ist im vorliegenden Verfahren auch eingehalten, da der Geschäftsführer der Klägerin die Ladung zwar nicht in der Adressierung, aber unter Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens zugestellt bekam und im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesend war.

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zeichnet sich die Regelung der FGO über die förmliche Zustellung allerdings durch Formstrenge aus, weil anders der vom Gesetz verfolgte Zweck, eine rasche und mühelose Feststellung darüber zu ermöglichen, ob eine Zustellung wirksam ist, nicht verwirklicht werden kann (BFH-Urteil vom 16. März 2000 III R 19/99, BFHE 191, 486, BStBl II 2000, 520). Selbst wenn jedoch keine ordnungsgemäße Ladung vorliegen sollte, weil die Klägerin nur in der Ladung, nicht aber im Adressfeld als Adressatin genannt ist, ist der Senat nicht an einer Entscheidung gehindert.

(a) Der Senat sieht eine mögliche fehlerhafte Ladung als nach § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 189 ZPO geheilt an. § 189 ZPO bestimmt, dass wenn sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt oder das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, es in dem Zeitpunkt als zugestellt gilt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats gegeben.

(b) Der BFH geht im Fall einer fehlerhaften Adressierung zwar grundsätzlich von einer fehlerhaften Ladung aus, die nicht nach diesen Vorschriften heilbar ist und führt hierzu aus, dass diese Regelung nur Fehler in der Übermittlung des Dokuments betreffe, das zugestellt werden soll, nicht dagegen inhaltliche Mängel des zuzustellenden Schriftstücks; sie sei daher nicht anwendbar, wenn derjenige, an den sich die Ladung richtet, unzutreffend bezeichnet ist (vgl. BFH-Urteile vom 9. April 1991 IX R 57/90, BFH/NV 1992, 51; vom 17. März 1970 II 65/63, BFHE 99, 96, BStBl II 1970, 598).

(c) Die vom BFH entschiedenen Fälle betreffen allerdings ausnahmslos Sachverhalte, in denen die Partei aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Ladung nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, sodass in allen entschiedenen Fällen der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden war. Dass beim Ausbleiben der Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung und der darauf beruhenden Versagung rechtlichen Gehörs keine ordnungsgemäße Ladung aufgrund einer fehlerhaften Adressierung gegeben ist, wird auch vom Senat nicht in Frage gestellt, da in diesen Fällen der verfassungsrechtlich vorgegebene Sinn und Zweck der Ladung nicht erreicht wurde.

(d) Ein Fall der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Klägerin hat zwar die fehlerhafte Ladung ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung gerügt und auch zu erkennen gegeben, dass sie nicht verhandeln wolle. Sie hat die Ladung jedoch erhalten und letztlich am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen, sodass sie Gelegenheit zum rechtlichen Gehör hatte. Für diesen Fall hat das OLG Frankfurt (Urteil vom 27. November 1991 (23 U 15/91, OLGR 1992, 179) entschieden, dass Ladungsmängel dann keine Rolle mehr spielen, wenn ihr Zweck erreicht und der Beteiligte im Termin erschienen ist. Dem schließt sich der Senat für den besonders gelagerten vorliegenden Fall an.

(e) Allerdings weist das OLG Frankfurt darauf hin, dass eine unmittelbare Anwendung des § 187 ZPO nicht angenommen werden könne, weil die an einen falschen Adressaten gegangene Ladung nicht in den Besitz des Prozessbevollmächtigten gelangt war und eine Heilung von Zustellungsmängeln nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht angenommen werden soll, wenn das maßgebliche Schriftstück nicht tatsächlich in die Hände des richtigen Empfängers gelangt ist, sondern jener nur aufgrund eines Anrufs bei Gericht eine Mitteilung darüber erhielt. Gleichwohl ging das OLG Frankfurt von keinem Verfahrensfehler aufgrund einer ordnungsgemäßen Ladung aus, da es diese Grundsätze nur auf Schriftstücke, insbesondere Entscheidungen, für anwendbar hielt, bei denen es auf die genaue Kenntnis des Inhalts ankommt und Schäden oder Rechtsnachteile aus einer ungenauen Übermittlung entstehen könnten. Die Anwendung dieser Grundsätze auch auf die schlichte Ladung zum Termin lehnte das OLG Frankfurt als übertriebene "Förmelei" mit der Begründung ab, dass in diesen Fällen selbst das Gesetz nicht von entsprechenden Anforderungen ausgehe. Auch dem stimmt der Senat zu. Eine Differenz zu der Rechtsprechung des BFH besteht damit nicht, da die insofern zu Fragen der Zustellung ergangenen Entscheidungen des BFH immer die Zustellung von Steuerbescheiden betrafen, bei denen es wie vom OLG Frankfurt gefordert auf die genaue Kenntnis des Inhalts ankommt und Schäden oder Rechtsnachteile aus einer ungenauen Übermittlung entstehen könnten. Eine Entscheidung des BFH, wonach die von ihm aufgestellten Grundsätze Entscheidungen betrafen, in denen nicht Steuerbescheide betroffen waren und auch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt war, weil die Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesend war, es also ausschließlich um die Mitteilung der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung ging, liegt, soweit ersichtlich, nicht vor.

b) Da der Senat die Ladung damit als ordnungsgemäß, zumindest eine mögliche fehlerhafte Ladung als geheilt ansieht, konnte der Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung entscheiden.

2. Die Klage ist begründet, soweit der Beklagte die Veranstaltung des xxxxxx am xxxxx 1994 in A mit einer Vergütung von 10.710,00 € in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

a) Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Wegen der Abhängigkeit (Akzessorietät) der Haftung von der ihr zugrundeliegenden Steuerschuld kann ein Haftungsanspruch nur entstehen, wenn und soweit die Steuerschuld entstanden ist und materiellrechtlich zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids bzw. der Einspruchsentscheidung noch besteht (vgl. Nacke, Die Haftung für Steuerschulden, 3. Aufl. Rz. 710, 712).

b) Die Klägerin haftet gem. §§ 191 Abs. 1 AO, 31 Abs. 1 KStG i.V.m. §§ 73e, 73g Abs. 1 EStDV in der für das Streitjahr 1994 geltenden Fassung für Steuer auf beschränkt steuerpflichtige Einkünfte ausländischer Künstlerensembles aus inländischen künstlerischen Darbietungen gem. §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2d, 50a Abs. 4 Nr. 1 EStG 1994.

aa) Gemäß § 50a Abs. 4 S.1 EStG 1994 wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben. Dem Steuerabzug unterliegen u.a. Einkünfte aus inländischen künstlerischen Darbietungen (§ 50a Abs. 4 Nr. 1 EStG 1994) einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen und unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe d EStG 1994). Dem Steuerabzug unterliegt der volle Betrag der Einnahmen einschließlich der Beträge im Sinne des § 3 Nr. 13 und 16 EStG 1994. Abzüge, z. B. für Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und Steuern, sind nicht zulässig (§ 50a Abs. 4 S. 5 EStG 1994). Der Steuerabzug beträgt in diesen Fällen 15 Prozent (§ 50a Abs. 4 S. 3 EStG 1994). Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt (§ 50a Abs. 5 S. 1 EStG 1994). In diesem Zeitpunkt hat der Schuldner der Vergütung (Vergütungsschuldner) den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen (§ 50a Abs. 5 S. 2 EStG 1994) und die innerhalb eines Kalendervierteljahrs einbehaltene Steuer jeweils bis zum 10. des dem Kalendervierteljahr folgenden Monats an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen (§ 50a Abs. 5 S. 2 EStG 1994). Der Vergütungsschuldner haftet für die Einbehaltung und Abführung der Steuer (§ 50a Abs. 5 S. 5 EStG 1994). Gem. § 50a Abs. 7 EStG 1994 kann das Finanzamt die Steuer von beschränkt steuerpflichtigen Einkünften, soweit diese nicht bereits dem Steuerabzug unterliegen, im Wege des Steuerabzugs erheben, wenn dies zur Sicherstellung des Steueranspruchs zweckmäßig ist.

bb) Die nationale Regelung des § 50a Abs. 4 S.1 EStG 1994 ist in Anwendbarkeit und Auslegung der zwischenzeitlich ergangenen nationalen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des EuGH europarechtskonform (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 - C-290/04 - FKP Scorpio Konzertproduktionen, BStBl II 2007, 352). Danach bleiben das Steuerabzugsverfahren sowie ein sich ggf. anschließendes Haftungsverfahren gegenüber dem Vergütungsschuldner zumindest bis zur Geltung der Richtlinie 2002/94/EG der Kommission vom 9. Dezember 2002 zur Festlegung ausführlicher Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie 76/308/EWG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen - EG-Beitreibungsrichtlinie - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG Nr. L 337, 41) i.V.m. dem Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie (EG - Beitreibungsgesetz) i.d.F. vom 3. Mai 2003 (BGBl I 2003, 654) und damit auch für den streitgegenständlichen Besteuerungszeitraum aus Sicht des EG-Rechts unbeanstandet. Der EuGH hat das Abzugsprinzip - als "angemessene Weise (...), (um) die Effizienz dieser Erhebung zu gewährleisten" ausdrücklich als "verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaates" angesehen und als solches nicht in Frage gestellt.

cc) Der Vergütungsschuldner (hier: die Klägerin) war zur Vermeidung eines eigenen gem. § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1994 bestehenden Haftungsrisikos zur Vornahme der Steueranmeldung sowie zum Einbehalt und zur Abführung der Steuerabzugsbeträge nicht nur bereits dann berechtigt, wenn die sachliche Steuerpflicht der Vergütungen jedenfalls in Betracht kam, wenn also aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Vergütungsschuldners von der ernstlichen Möglichkeit einer beschränkten Steuerpflicht des Vergütungsgläubigers (hier: der Künstlerensembles) ausgegangen werden konnte. Der Vergütungsschuldner ist hierzu vielmehr auch verpflichtet. Ist die beschränkte Steuerpflicht zweifelhaft, ist der Vergütungsgläubiger gehalten, seine Einwendungen gegen ihr Vorliegen und gegen die Höhe der Steuer im Rahmen eines eigenständigen Freistellungs- oder Erstattungsverfahrens geltend zu machen (BFH-Entscheidungen vom 13. August 1997 I B 30/97, BStBl II 1997, 700, und vom 7. November 2007 I R 19/04, BStBl II 2008, 228; Loschelder in Schmidt, EStG, 35. Aufl. 2016, § 50a Rz. 40; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 1995 I B 183/94, BStBl II 1995, 781, vom 26. Juli 1995 I B 182/94, BFH/NV 1996, 318, und vom 8. April 2009 I B 78/08, zitiert nach juris).

c) Damit bestand grundsätzlich neben einer Berechtigung die Verpflichtung der Klägerin als Vergütungsschuldnerin gem. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1994 zur Vornahme der Steueranmeldung und zum Einbehalt und zur Abführung der Steuerabzugsbeträge auf die an die Künstlerensembles als Vergütungsgläubiger gezahlten Vergütungen für die vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung aufgeführten Veranstaltungen. Denn aus ihrer Sicht war von einer beschränkten Steuerpflicht der xxxxx auszugehen.

aa) Beschränkt steuerpflichtig sind Körperschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, mit ihren inländischen Einkünften (§§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.V.m. § 49 EStG 1994). Die jeweiligen Vergütungsgläubiger verfügten nach Aktenlage weder über Sitz noch über eine Geschäftsleitung oder Zweigniederlassung im Inland.

bb) Voraussetzung für den Steuerabzug ist das Vorliegen von Einkünften i. S. des § 50a Abs. 4 EStG 1994). Das bedeutet, dass die vom Vergütungsschuldner an die beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, hier die xxxxx, geleisteten Zahlungen dem dort angeführten Einkünftekatalog unterfallen müssen. Der Tatbestand des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1994 erfasst Einkünfte, die durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen und unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen; die Regelung entspricht insoweit derjenigen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG 1994. Dass die Künstler mit den in der Einspruchsentscheidung aufgeführten Veranstaltungen künstlerische Darbietungen im Inland erbrachten, ist ebenfalls unstreitig. Die Steuerpflicht der ausländischen Künstler ergibt sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 EStG 1994.

cc) Soweit die Klägerin behauptet, die Künstlerensembles bzw. Künstler erzielten keine Einkünfte im Sinne der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2d, 50a Abs. 4 Nr. 1 EStG 2006, da sie ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig seien, folgt der Senat dem nur hinsichtlich der Veranstaltung des xxxxx am 25. April 1994 in xxxxxx.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung sind Zahlungen nicht der Einkunftserzielung zuzuordnen, wenn sie im Zusammenhang mit Leistungen stehen, die sich als steuerlich unbeachtliche "Liebhaberei" darstellen (BFH-Urteil vom 7. November 2001 I R 14/01, BStBl II 2002, 861). Eine solche liegt vor, wenn die betreffenden Leistungen nicht von dem Streben nach Gewinnerzielung getragen sind, sondern aus persönlichen Motiven erfolgen (BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97, BStBl II 1998, 663). Eine Zahlung, die auf einer solchen Leistung beruht, unterliegt deshalb bei dem Empfänger nicht der Einkommensteuer und löst für den Zahlenden keine Einbehaltungs- und Abführungspflicht i.S. des § 50a Abs. 4 EStG aus (BFH in BStBl II 2002, 861).

(2) Eine Zuordnung der vorliegenden Einkünfte zu den einzelnen Einkunftsarten gemäß § 49 Abs. 1 EStG 1994 erfolgt grundsätzlich unter Berücksichtigung der im In- und Ausland gegebenen Tatbestandsmerkmale. Ob eine bestimmte Leistung der steuerrechtlich relevanten Einkunftserzielung oder dem Bereich der Liebhaberei zuzuordnen ist, muss daher bei beschränkt Steuerpflichtigen nach denselben Kriterien beurteilt werden wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen (BFH in BStBl II 2002, 861 [BFH 07.11.2001 - I R 14/01]). Bei der Frage nach der Gewinnerzielungsabsicht ist somit auf die zu beurteilende Tätigkeit der Zahlungsempfänger in ihrer Gesamtheit abzustellen.

(3) Bei Tätigkeiten, die typischerweise in Gewinnerzielungsabsicht erbracht werden, ist davon auszugehen, dass eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Der BFH macht für Sachverhalte eine Einschränkung, in denen die Art des Betriebs bzw. seine Bewirtschaftung von vornherein gegen eine Gewinnerzielungsabsicht sprechen, weil das Unternehmen nach der Lebenserfahrung typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, persönlichen Neigungen der Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 202 [BFH 25.06.1996 - VIII R 28/94]). Danach könnten z.B. Verluste der Anlaufzeit nur dann steuerrechtlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststehe, dass der Betrieb, so wie ihn der Steuerpflichtige betrieben habe, von vornherein nicht in der Lage gewesen sei, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dargestellt habe.

(a) Nach der in dem Rechtsstreit des Niedersächsischen Finanzgerichts xxxxx und in dem Rechtsstreit xxxxx durch Schriftsatz vom xxxxxx übersandten gerichtsbekannten Bescheinigung des Kulturministeriums xxxxx handelt es sich bei dem "xxxxx um eine staatliche subventionierte Einrichtung als Unterabteilung der regionalen Philharmonie, welche aus dem Budget der Region xxxxxx finanziert wird und i.H.v. 70 % der jährlichen Ausgaben gefördert wird. In einer Bescheinigung des Regierungspräsidiums xxxxxx wird das Ensemble ebenfalls als "staatlich" bezeichnet. Der Senat geht daher davon aus, dass das xxxxxx nicht mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom xxxxxxxx).

(b) Vor diesem Hintergrund war die Vergütung in Höhe von 10.710 DM von der Bemessungsrundlage für den Steuerabzug auszunehmen, so dass die Steuer um 1.606,50 DM (10.710,00 x 15 %) und der Haftungsbetrag auf 44.769,90 DM (46.376,40 ./. 1.606,50) zu mindern war.

bb. Hinsichtlich der weiteren Veranstaltungen hat der Senat keine Anhaltspunkte für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht der Ensembles. Die Einkünfte erfüllen daher die Tatbestände der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2d, 50a Abs. 4 Nr. 1 EStG 1994, so dass die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin durch den Beklagten rechtmäßig ist.

(a) Mit dem Anbieten künstlerischer Leistungen gegen Entgelt übten die Ensembles eine selbständige nachhaltige Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr aus. Bei den für die Leistungen gezahlten Vergütungen handelt es sich um einheitliche Vergütungen an die Ensembles, die durch deren künstlerische Darbietungen im Inland erzielt wurden.

(b) Für die Berechtigung und Verpflichtung gem. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1994 zum Steuerabzug kommt es nicht darauf an, ob sich aus dem DBA mit Österreich eine Befreiung der Einkünfte ergibt. Denn gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 1994 sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer ungeachtet des Abkommens anzuwenden. Von der Steueranmeldung, dem Einbehalt und der Steuerabführung hätte die Klägerin nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG1994 nur dann absehen dürfen, wenn sie über eine Freistellungsbescheinigung verfügt hätte. Diese liegt jedoch nicht vor.

(c) Unerheblich ist, ob die Klägerin mit Gewinnerzielungsabsicht tätig war, da diese nicht Voraussetzung für die Haftung ist. Haftender ist gem. § 50a Abs. 5 S. 5 EStG 1994 der "Schuldner der Vergütungen".

(d) Die Bemessungsgrundlage der Haftung ist durch den Abzug von Kosten nicht zu mindern.

aa) Der Beklagte war zur Schätzung der Bemessungsgrundlage berechtigt, da die Klägerin trotz Aufforderung keine Angaben über die Höhe der Zahlungen an die Künstlerensembles gemacht hat.

bb) Eine Minderung der Bemessungsgrundlage kommt nicht in Betracht. Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass die nationale Regelung des § 50a Abs. 4 S.1 EStG 1994 aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung insbesondere auch den europarechtlichen Regelungen angepasst wurde und nach der Entscheidung des EuGH vom 12.6.2003 (C-234/01 - Arnoud Gerritse -, Slg 2003, I-5933, BStBl II 2003, 859 [BFH 09.07.2003 - IX B 34/03]§ 50a Abs. 4 S.1 EStG 1994 insoweit nicht mit Art. 59 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) (jetzt Art. 56 AEUV) und Art. 60 EWG-Vertrag (jetzt Art. 57 AEUV) vereinbar ist, wie i.d.R. bei Gebietsfremden die Bruttoeinkünfte ohne Abzug der Betriebsausgaben besteuert werden, während bei Gebietsansässigen die Nettoeinkünfte nach Abzug der Betriebsausgaben besteuert werden. Folge dieser Rechtsprechung ist insbesondere, dass die Erwerbsaufwendungen bei der Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen eines in einem EU-Staat ansässigen Steuerausländers grundsätzlich bereits beim Steuerabzug zu berücksichtigen sind (Schnitger, FR 2003,745 [746]; Schroen, NWB F. 3, 12565 [12566]). Hat also der beschränkt Steuerpflichtige Ausgaben, die unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, so sind diese Ausgaben regelmäßig bereits im Rahmen des Abzugs- sowie des Haftungsverfahrens zu berücksichtigen, vorausgesetzt, sie wurden dem Vergütungsschuldner mitgeteilt. Weitere nur mittelbar mit jener Tätigkeit zusammenhängende Betriebsausgaben sind hingegen "gegebenenfalls in einem anschließenden Erstattungsverfahren" zu berücksichtigen (BFH v. 24.4.2007 I R 39/04).

cc) Da die Klägerin Ausgaben, die unmittelbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, nicht nachgewiesen hat, sind Kosten von der Bemessungsgrundlage für die Haftung nicht in Abzug zu bringen. Ein unmittelbarer Zusammenhang liegt vor, wenn eine untrennbare Verbindung zwischen der Aufwendung und der Tätigkeit zur Erzielung dieser Einkünfte besteht. Die Ausgaben müssen durch die Tätigkeit verursacht werden und damit für deren Ausübung erforderlich sein. Das ist der Fall, wenn die Verpflichtung zur Zahlung dieser Aufwendungen notwendige Voraussetzung dafür war, dass der Steuerpflichtige die in Deutschland zu versteuernden Einkünfte erzielen konnte (vgl. EuGH-Urteil vom 31. März 2011 C-450/09 - Schröder -, IStR 2011, 301 Rz 45; BFH-Urteil v. 27. Juli 2010 I R 32/10, BStBl II 2014, 513 [BFH 27.07.2011 - I R 32/10]). Zwar könnten derartige Aufwendungen u.U. entstanden sein. Eine Schätzung der Aufwendungen kommt indes insoweit nicht in Betracht (BFH v. 5. Mai 2010 I R 104/08 und I R 105/08).

dd) Bei der Bemessungsgrundlage ist auf die von der Klägerin an die Ensembles gezahlten Beträge abzustellen, da die Klägerin damit ihre jeweiligen Verträge erfüllt hat. Es handelt sich um einheitliche Leistungen, die die Klägerin mit den Ensembles und nicht mit den einzelnen Künstlern vertraglich vereinbart hatte. Diese und nicht die vom Ensemble an ihre Künstler geleisteten Zahlungen unterliegen der Besteuerung und damit der Haftung.

f) Der Steuerabzug entspricht dem Sinn und Zweck des Steuerabzugsverfahrens, in dem aus Vereinfachungsgründen nicht abschließend über die Steuerpflicht des beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigers entschieden wird (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1999 I R 35/98, BFH/NV 2001, 881). Vor diesem Hintergrund hat auch der BFH mit Beschluss vom 1.Dezember 1993 (I R 48/93, BFH/NV 1994, 549 zum Streitjahr 1991) und das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 24. April 2013 (15 K 1802/09 E, EFG 2013, 1132 zu den Streitjahren 1998, 1999) entschieden, dass die Befreiung der Einkünfte von der Besteuerung und die Erstattung der abgeführten Beträge nur im Erstattungsverfahrens nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG erreicht werden kann, wenn eine Freistellungsbescheinigung nicht (rechtzeitig) vorliegt.

g) Hinweise auf Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Das Finanzamt hat vielmehr schlüssige Ermessenserwägungen vorgenommen. Insoweit handelt es sich um ein sachgerechtes Auswahlkriterium.

h) Der Senat teilt schließlich auch unter Berücksichtigung der im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen nicht die von der Klägerin geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 50a EStG 1994 mit dem Europarecht. Europarechtlichen Bedenken wird durch die o.g. europarechtskonforme Auslegung hinreichend Rechnung getragen.

i) Festsetzungsverjährung liegt nicht vor. Da die Klägerin keine Steueranmeldungen abgegeben hatte, war die Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt. Die Frist begann mit Ablauf des Jahres 1995 und endete mit Ablauf des Jahres 1999 (vgl. BFH-Urteil vom 29.01.2003 I R 10/02, BFHE 202, 1).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Anteil des Obsiegens der Klägerin beträgt 3,46 % und damit unter 5 %, sodass der Klägerin die Kosten insgesamt aufzuerlegen waren.