Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 29.04.2004, Az.: 1 U 121/03

Einstweilige Verfügung gegen Telekommunkationsunternehmen ; Konkurrentenklage gegen Kundenwerbung des Mitbewerbers ; Vorliegen einer unlauteren Werbeaussage ; Materielle Überprüfbarkeit der versprochenen Leistung; Androhung eines Ordnungsgeldes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.04.2004
Aktenzeichen
1 U 121/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 30927
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2004:0429.1U121.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 20.11.2003

Fundstelle

  • MMR 2004, 547-549 (Volltext mit red. LS)

Prozessführer

Deutsche Telekom AG, K.R.,D.,B.

Rechtsanwälte Dr. D.,O.,F.

Prozessgegner

EWE Tel GmbH, W.L.,T.,O.

P.,A.,D.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat
durch
die Richter ..., ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 20.4.2004
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das am 20.11.2003 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer (3. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Oldenburg teilweise geändert.

Ziffer 1.) b) der einstweiligen Verfügung der 15. Zivilkammer (3. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Oldenburg vom 16.7.2003 wird aufgehoben, und insoweit wird der entsprechende Verfügungsantrag der Verfügungsklägerin zurückgewiesen.

Ziffer 1.) a) der genannten einstweiligen Verfügung wird aufrechterhalten. Zur Klarstellung wird die aufrechterhaltene einstweilige Verfügung insgesamt wie folgt gefasst:

  1. 1.

    Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

    wörtlich oder sinngemäß, insbesondere wenn dies wie aus der nachfolgend abgelichteten Anzeige geschieht, mit der Aussage zu werben und/oder werben zu lassen:

    "T-DSL gibt es überall in der Region ",

    soweit es tatsächlich in der Region, wo die Werbung verbreitet wird, nicht der Fall ist.

  2. 2.

    Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das in Ziffer 1) ausgesprochene Verbot wird der Verfügungsbeklagten Ordnungsgeld von bis EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern der Verfügungsbeklagten, angedroht.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens einschließlich des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Die Verfügungsklägerin (Klägerin) hat im Wege einstweiliger Verfügung die Verfügungsbeklagte (Beklagte) auf Unterlassung einer aus Sicht der Klägerin wettbewerbswidrigen Werbung in Anspruch genommen.

2

Am 10.6.2003 warb die Beklagte in der Nordwest-Zeitung mit der aus dem vorstehenden Urteilstenor ersichtlichen Anzeige, in der es unter anderem heißt

"T-DSL gibt es überall in der Region.

Und das Modem für 0,- EUR....(dies in Fett- und Großdruck, sodann folgt in kleinerem Druck Folgendes:)

Gleich ob Sie in Osnabrück oder in Leer wohnen, wir schließen Sie bei T-DSL oder T-DSL via Satellit an. Damit können Sie ohne lange Wartezeiten online shoppen, aktuelle Nachrichten abrufen, die neueste Software downloaden oder Musikclips und Videos in beeindruckender Qualität genießen. Gleich anmelden und in spätestens zwei Wochen mit Highspeed online sein. Wer sonst kann Ihnen das bieten?".

3

Die Klägerin hält diese Werbung für irreführend, weil "T-DSL" in der gesamten Region nicht flächendeckend von der Beklagten angeboten werde, teilweise bestehe nur die Möglichkeit des Zugangs zu DSL via Satellit, worüber der Leser der Anzeige getäuscht werde, und weil die Beklagte mit dem zitierten letzten Satz der Werbung für sich eine Alleinstellung in Anspruch nehme, die ihr insbesondere auch wegen des Konkurrenzangebots eines terrestrischen DSL-Zugangs seitens der Klägerin in der hiesigen Region nicht zukomme.

4

Das Landgericht hat nach Widerspruch und mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 20.11.2003 eine zuvor erlassene Beschlussverfügung vom 16.7.2003 mit der Maßgabe bestätigt, dass der Beklagten aufgegeben wird, (es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs - dieser Klammereinschub fehlt im Urteil, ist aber offensichtlich gemeint -),

5

a)

wörtlich oder sinngemäß mit der Aussage zu werben und/oder werben zu lassen:"T-DSL gibt es überall in der Region", soweit es tatsächlich in der Region nicht der Fall ist, und/oder

6

b)

in Bezug auf das Produkt T-DSL wörtlich oder sinngemäß zu behaupten: "Wer sonst kann Ihnen das bieten?",insbesondere wenn dies wie aus der dem Urteilstenor in Ablichtung beigefügten Anzeige geschieht.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des vom Landgericht zugrunde gelegten Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und wegen der Einzelheiten der Begründung dieser Entscheidung wird auf das Urteil des Landgerichts vom 20.11.2003 Bezug genommen.

8

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt sie im Wesentlichen vor:

9

Der Tenor des landgerichtlichen Urteils sei nicht hinreichend bestimmt; durch die Formulierung "wörtlich oder sinngemäß" in den beiden tenorierten Verboten bleibe unklar, ob und wann eine Aussage anderen Wortlauts dem Sinn der als Zitat in den beiden Verboten enthaltenen Formulierungen entspreche. Aus der Formulierung "insbesondere" ergebe sich außerdem, dass gegen sie, die Beklagte, ein abstraktes Verbot verhängt worden sei; dieses sei jedoch zu weit gefasst, es lasse sich nämlich eine Vielzahl von Fällen bilden, in denen die verbotenen Aussagen selbst bei der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht unzulässig sein könnten, etwa, wenn die Aussagen im Fließtext mit weiteren Zusätzen/Erläuterungen versehen würden und sich aus einem vorhandenen Blickfang bereits ergebe, dass die Formulierungen als solche nicht fehl gedeutet werden könnten.

10

Weiterhin habe das Landgericht rechtsfehlerhaft die beiden Aussagen, die es verboten habe, aus dem Sinnzusammenhang gerissen und das heutige Verbraucherverständnis nicht hinreichend berücksichtigt. Bei Auslegung der Aussage "T-DSL gibt es überall in der Region" hätte das Landgericht in die Betrachtung einbeziehen müssen, dass sie, die Beklagte, unter der Produktfamilie "T-DSL" sämtliche DSL-Anschlüsse führe, also auch DSL via Satellit. Dem Verbraucher gehe es bei einem DSL-Anschluss um die gegenüber einem "normalen" Internetzugang deutlich höhere Übertragungsrate; diese werde über die DSL-Technologie realisiert, die auch bei einem DSL-Zugang via Satellit zum Einsatz gelange. Da sie in der Region flächendeckend einen DSL-Anschluss auf terrestrischem Weg oder jedenfalls via Satellit anbiete, sei die genannte Werbeaussage inhaltlich richtig. Soweit das Landgericht auf Seite 7 des angefochtenen Urteils angenommen habe, die uneingeschränkte Benutzbarkeit über den satellitengestützten DSL-Zugang sei hier nicht maßgebend, weil der Verbraucher aufgrund der Werbung einen Zugang zur T-DSL-Technologie erwarten würde, der dem Verbraucher unbeschränkt und ohne weitere Voraussetzung an jedem Ort gewährt werde, sei dies tatsächlich unzutreffend und rechtlich unhaltbar. Auch wenn bei einem Zugang über Satellit, der in der Anzeige konkret mit beworben worden sei, weitere Voraussetzungen geschaffen werden müssten, liege darin gleichwohl eine in der Region erhältliche T-DSL-Technologie; die Werbung mit der Verfügbarkeit der genannten Technologie gebe dem Verbraucher noch keine Veranlassung, anzunehmen, diese (Sonder-) Technologie ohne weitere Voraussetzungen der von ihm genutzten Hard- und Software nutzen zu können. Auch bei einem terrestrischen T-DSL-Zugang müssten ggf. weitere technische Zugangsvoraussetzung geschaffen werden.

11

Auch die Annahme des Landgerichts, dass der verständige Verbraucher den Fußnotentext zum Anmerkungsstern in der Anzeige nicht wahrnehmen werde, sei unzutreffend; der Verbraucher sei seit vielen Jahren daran gewöhnt, dass ihm bestimmte Informationen über einen Anmerkungsstern im Fußnotentext gegeben würden.

12

Auf den in der Begründung des Landgerichts herangezogenen Gesichtspunkt, dass der Verbraucher selbst unter Umständen weitere Voraussetzung schaffen müsse bzw. er erwarte, dass die technischen Voraussetzungen für den DSL-Zugang von ihr, der Beklagten, geschaffen würden, habe die Klägerin den geltend gemachten Wettbewerbsverstoß und ihren Unterlassungsanspruch nicht gestützt. Ein Gericht gehe aber unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPOüber den Antrag des Klägers hinaus, wenn es eine angeordnete Unterlassung nach § 3 UWG auf einen Irreführungsaspekt stütze, der vom Kläger selbst nicht geltend gemacht worden sei.

13

Bei Annahme der Wettbewerbswidrigkeit der Werbeformulierung "Wer sonst kann Ihnen das bieten?" habe das Landgericht ebenfalls den Kontext und den Gesamtinhalt dieses Textteils nicht bzw. unzureichend berücksichtigt. Diese Formulierung beziehe sich ausdrücklichen auf den vorausgegangenen Text, in dem es heiße "...wir schließen Sie bei T-DSL oder T-DSL via Satellit an". Die Klägerin habe nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass es einen anderen Anbieter gebe, der sowohl einen terrestrischen DSL-Anschluss biete als auch einen DSL-Anschluss via Satellit. Die von ihr in Anspruch genommene Alleinstellung bestehe danach.

14

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 20. 11. 2003, Az.: 15 O 2304/03, abzuändern, den Beschluss - einstweilige Verfügung - vom 16.7.2003 aufzuheben und den auf seinen Erlass gerichteten Antrag der Klägerin zurückzuweisen.

15

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und führt ergänzend aus:

17

Es treffe nicht zu, dass die Beklagte als alleiniger Anbieter flächendeckend in der Region terrestrisches DSL oder DSL via Satellit anbiete. Die Fa. s. biete ebenso wie die Beklagte einen flächendeckend verfügbaren satellitengestützten DSL-Internet-Zugang an und außerdem nunmehr (als "Reseller" der Beklagten) auch leitungsgebundenes DSL.

18

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet.

19

Sie führt zur Aufhebung der Anordnung unter Ziffer 1b) der einstweiligen Verfügung, während sie mit ihrem Angriff gegen die Anordnung unter 1a) der einstweiligen Verfügung letztlich keinen Erfolg hat.

20

1.

Zu Recht hat das Landgericht die beantragte einstweilige Verfügung zur Sicherung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Unterlassung der Werbeaussage "T-DSL gibt es überall in der Region" erlassen.

21

Der entsprechende Unterlassungsantrag der Klägerin ist zulässig.

22

Auch hinsichtlich der Bestimmtheit des Antrags und des entsprechenden Beschluss- und Urteilstenors ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken.

23

Zwar ist - auch im einstweiligen Verfügungsverfahrung - ein bestimmter Antrag erforderlich, um den Gegenstand und den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts festzulegen, die Tragweite des begehrten Verbots sowie die Grenzen der Verbotsanordnung zu erkennen und einen vollstreckungsfähigen Inhalt der begehrten Anordnung zu gewährleisten. Die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, darf jedenfalls nicht in wesentlichem Umfang dem Vollstreckungsgericht im Vollstreckungsverfahren überlassen werden (vgl. BGH GRUR 1992, 561, 562 [BGH 09.04.1992 - I ZR 171/90]; BGH WRP 2000, 517, 519; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Vor § 13, Rdnr.279). Es ist andererseits aber auch anerkannt, dass bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag und dementsprechend auch im Urteilstenor im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen gestattet sind, sofern durch eine solche Umschreibung das Charakteristische (der "Kern") der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (vgl. BGH WRP1999, 421, 423). Wenn der durch unzulässigen Wettbewerb Verletzte nicht immer wieder in neue Prozesse getrieben und ihm die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes nicht verweigert werden soll, kann auf eine über den konkreten Verletzungsfall hinausgehende Umschreibung der Unterlassungsverpflichtung des Beklagten durch Verwendung abstrakter, relativ unbestimmter Begriffe nicht ganz verzichtet werden. Letztlich kann es nur darum gehen, welches Maß an Unbestimmtheit unter Berücksichtigung des Bestimmtheitserfordernisses im Einzelfall noch hinnehmbar (so zutreffend Köhler/Piper, a.a.O.) und für die Beteiligten - insbesondere für den Beklagten bzw. Vollstreckungsschuldner - zumutbar ist. Die Grenze zur Unbestimmtheit wird überschritten bei Streit der Parteien über die Bedeutung der für die Umschreibung der Unterlassungsverpflichtung verwendeten Begriffe (vgl. BGH GRUR 1992, 561, 562) [BGH 09.04.1992 - I ZR 171/90] und bei Fehlen objektiver Kriterien zur Abgrenzung zulässigen und unzulässigen Verhaltens des Schuldners (vgl. Köhler/Piper, Vor § 13 UWG, Rdnr. 283). Diese Grenzen sind hier jedoch eingehalten worden.

24

Die verbotene Werbeaussage wird unter a) des Antrags und Tenors abstrakt beschrieben und zur beispielhaften Konkretisierung wird auf die in Ablichtung beigefügte Werbeanzeige vom 10.6.2003 Bezug genommen. Welches Produkt der Beklagten gemeint ist, wird mit "T-DSL", auf das sich das Verbot der Werbeaussage bezieht, eindeutig beschrieben, wie noch weiter auszuführen sein wird.

25

Dass die "Regionen", in denen die Werbung verboten ist, nicht konkret aufgelistet sind, sondern die Eingrenzung durch den "soweit"-Satz vorgenommen wird, hält sich im Rahmen der angesprochenen zulässigen abstrakt gefassten Umschreibung des Verbots. Da sich der Ausbauzustand des terrestrischen DSL-Netzes der Beklagten ständig ändert, wäre eine konkrete Auflistung der Gebiete, auf die sich das Verbot erstrecken soll, allenfalls eine "Momentaufnahme" und für ein in die Zukunft gerichtetes Verbot praktisch ungeeignet. Da die Beklagte selbst genau weiß (bzw. die für die Beklagten handelnden Personen zumindest wissen können), in welchen Gebieten die Beklagte "T-DSL" über Kabel und wo sie nur "T-DSL via Satellit" den Kunden anbietet, kann für die Beklagte keine relevante Ungewissheit über die Reichweite des Werbeverbots auftreten.

26

Mit der von der Beklagten beanstandeten Formulierung "wörtlich oder sinngemäß" sollen lediglich alle im Kern gleichen zukünftigen Wettbewerbsverstöße erfasst werden (vgl. zur Kerntheorie der h.M. Köhler/Piper, Vor § 13 UWG, Rdnr. 23). Eine solche Umschreibung "wörtlich oder sinngemäß" ist in der wettbewerbsrechtlichen Praxis seit langem üblich und jedenfalls regelmäßig zulässig, wie auch vom BGH bereits entschieden worden ist (vgl. BGH GRUR 1977, 114, 115; zustimmend Köhler/Piper, Vor § 13, Rdnr. 281).

27

Soweit die Beklagte schließlich geltend macht, die verbotene Aussage, die sich auf jeden werblichen Kontext beziehe, sei zu weit gefasst und umfasse in ihrer Umschreibung auch zulässige Werbemaßnahmen, was jeweils vom Zusammenhang der Werbung abhängen soll, so betrifft dies nicht die notwendige Bestimmtheit des Klageantrags (und des Urteilstenors), sondern die Begründetheit.

28

Ein zu weit gefasster, auch wettbewerbsrechtlich zulässige Maßnahmen umfassender Klageantrag ist teilweise oder evtl. auch ganz als unbegründet abzuweisen (vgl. BGH WRP 1999, 421, 424).

29

Hinsichtlich der Werbung "T-DSL" gibt es überall in der Region " (Beschluss- und Urteilstenor unter 1. a)) ist der Verfügungsantrag, jedenfalls mit der durch den "soweit-Satz" vorgenommenen näheren Konkretisierung und räumlichen Eingrenzung, begründet und die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung berechtigt.

30

Ein entsprechender Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 3 UWG.

31

Eine Werbeangabe ist irreführend im Sinne von § 3 UWG und damit wettbewerbswidrig, wenn sie den von ihr angesprochenen Verkehrskreisen, dem hier angesprochenen durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbraucher, einen unrichtigen Eindruck vermittelt; dabei ist es erforderlich, aber andererseits auch ausreichend, dass die Angaben zur Täuschung des Verkehrs und zur Beeinflussung seiner Entschließung geeignet sind. Die Gefahr einer Täuschung des Werbeadressaten reicht danach bereits aus (vgl. zusammenfassen Köhler/Piper, § 3 UWG, Rdnr. 106, m.w.N.).

32

Im vorliegenden Fall kommt entscheidende Bedeutung der Frage zu, was ein verständiger Verbraucher als Werbeadressat hier unter "T-DSL" verstehen durfte und verstehen musste.

33

Darunter fällt - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht jede DSL-Technik, die eine gegenüber einem "normalen" Internetzugang deutlich erhöhte Übertragungsrate ermöglicht (BB Seite 8). Wie durch den Buchstaben "T", der gleichzeitig das Firmenlogo der Beklagten bildet, deutlich gemacht und hier auch zweifelsfrei aus dem Zusammenhang der Werbeanzeige erkennbar wird, ging es um ein bestimmtes, konkretes Produkt der Beklagten, das diese auf dem Telekommunikationsmarkt anbietet. Bei "T-DSL" handelt es sich um den von der Beklagten angebotenen terrestrischen, über Breitbandkabel Gewähr leisteten (A)DSL-Zugang.

34

Der von der Beklagten angebotene satellitengestützte DSL-Zugang heißt "T-DSL via Satellit". Für beide Produkte hat die Beklagte jeweils gesonderte Leistungsbeschreibungen und Preislisten (vgl. Anlage Ast 3 und 4 der Antragsschrift); bei beiden Produkten werden - wie auch die Beklagte nicht bestritten hat - unterschiedliche Übermittlungstechniken (Breitbandkabel einerseits, Datenübermittlung via Satellit andererseits) eingesetzt. Es sind auch unterschiedliche Hardwarevoraussetzungen für die Nutzung der beiden unterschiedlichen DSL-Zugänge erforderlich. Nach der plausiblen sowie glaubhaften Darstellung der Klägerin gibt es bei ihnen in Teilbereichen auch unterschiedliche Qualitätsmerkmale.

35

Schließlich unterscheidet auch die Beklagte selbst in der hier streitigen Werbeanzeige vom 10.6.2003 - wenn auch nicht in der fett gedruckten, in Großschrift hervorgehobenen Werbeaussage ("T-DSL gibt es überall in der Region"), sondern in dem unter den Abbildungen folgenden Text - zwischen ihren Produkten "T-DSL" und "T-DSL via Satellit".

36

Unter den genannten beiden Bezeichnungen sind die Produkte der Beklagten im Markt eingeführt, von der Beklagten beworben worden und - davon ist nach der Lebenserfahrung auszugehen - auch bei den Verbrauchern bekannt. Danach konnte und musste der Leser der Anzeige vom 10.6.2003 nach den eigenen, auf dem Markt eingeführten Produktbezeichnungen der Beklagten unter "T-DSL" den terrestrischen, über Breitbandkabel Gewähr leisteten DSL-Zugang verstehen. Der Eindruck des Verbrauchers, dass "T-DSL" und "T-DSL via Satellit" unterschiedliche Produkte sind, musste sich nach dem Text in der Werbeanzeige links unter den Abbildungen noch weiter verstärken, in dem beide Produkte der Beklagten nebeneinander genannt werden. Schließlich kommt noch hinzu, dass dem angesprochenen Verbraucher - was der Senat selbst beurteilen kann, da zu den angesprochenen Verkehrskreisen auch die Senatsmitglieder gehören - DSL als terrestrischer Internetanschluss geläufig, die "Satellitenversion" jedoch wenig bekannt ist und danach der Verbraucher unter DSL bzw. T-DSL - ohne weiteren Hinweis - wie selbstverständlich den terrestrischen Anschluss versteht.

37

Da "T-DSL" in dem genannten, so allein zu verstehenden Sinn aber unstreitig in der Region nicht flächendeckend angeboten wird, war die beanstandete, in den Blickfang gestellte Werbeaussage der Beklagten objektiv unrichtig und irreführend. Jedenfalls bestand die mehr als nahe liegende Gefahr einer Täuschung der Leser der Werbeanzeige über die Verfügbarkeit des Produkts "T-DSL". Wenn die Beklagte in der beanstandeten Werbeaussage "T-DSL" schreibt, musste der Verbraucher davon ausgehen, dass sie (allein) das so von ihr bezeichnete Produkt meinte. Und dieses Produkt konnte die Beklagte - wie unstreitig ist - zum Zeitpunkt der Anzeigenwerbung nicht überall in der beworbenen Region anbieten.

38

Eine hinreichende, eine (mögliche) Irreführung des Lesers ausschließende Aufklärung bietet auch nicht der "Sternchentext". Dieser bezieht sich entsprechend dem durch den Stern hergestellten Bezug und nach dem Sinnzusammenhang erkennbar nur auf das angebotene Modem und den dafür beworbenen "Preis" von 0 EUR und gerade nicht auf die hier beanstandete Werbeaussage. Der Verbraucher, der (aus welchen Gründen auch immer) an dem Modem kein Interesse hatte, hatte danach von vornherein keine Veranlassung, sich mit dem "Sternchentext" näher zu befassen. Hinzu kommt, dass das Lesen dieses Textes - wie anhand des vorgelegten Original der Anzeige (Anlage ASt 5 der Antragsschrift - Bd. I Bl. 72a d.A.) festzustellen ist - wegen des sehr kleinen Drucks mit nicht unerheblicher Mühe verbunden ist und die optische Gestaltung des "Sternchentextes" geeignet war, den Adressaten der Werbeanzeige vom Lesen dieses Textes abzuhalten oder ein Überlesen des "Kleingedruckten" zu provozieren. Selbst derjenige Leser, der sich dazu durchgerungen hatte, den kryptischen Text zu lesen, und weiterhin aus der Angabe "T-DSL ist in vielen Anschlussbereichen verfügbar" einen Umkehrschluss zog, blieb ratlos zurück, weil die in den Vordergrund gestellte, im Blickfang stehende Werbung ("T-DSL gibt es überall in der Region") genau das Gegenteil besagte. Auch dann bestand die Gefahr, dass bei dem Versuch, diesen Widerspruch aufzulösen, bei dem hier allein gelassenen Leser der Anzeige Fehlvorstellungen entstanden. Eine konkrete Gefahr der Täuschung, der Hervorrufung von Fehlvorstellungen beim Werbeadressaten, reicht jedoch, wie oben dargestellt, für eine Irreführung im Sinne des § 3 UWG aus.

39

Eine Irreführung nach § 3 UWG ist danach durch die von der Klägerin beanstandete Werbung auch unter Berücksichtigung des Kontextes der gesamten Anzeige unzweifelhaft gegeben.

40

Der danach vorliegende Wettbewerbsverstoß begründet die Vermutung der Gefahr einer zukünftigen Wiederholung des Verstoßes. Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist danach begründet.

41

Der für eine entsprechende einstweilige Verfügung erforderliche Verfügungsgrund wird nach § 25 UWG ebenfalls vermutet.

42

Soweit die Beklagte im Verhandlungstermin (und sodann in dem nachgereichten Schriftsatz vom 21.4.2004) dringlichkeitsschädliche Umstände aufzuzeigen versucht hat, vermag der Senat dem nicht folgen. Die Auffassung der Beklagten, dass die einstweilige Verfügung durch die verunglückte, missverständliche Fassung des Urteilstenors seitens des Landgerichts bereits aufgehoben worden sei und der Umstand, dass die Klägerin gegen diese Aufhebung der einstweiligen Verfügung nichts unternommen habe, die Dringlichkeit einer einstweiligen Regelung habe entfallen lassen, ist bereits im grundlegenden Ansatz verfehlt. Wie jeder Urteilstenor ist auch der Tenor eines Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren der Auslegung zugänglich. Dabei sind die Entscheidungsgründe maßgebend heranzuziehen. Nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt sich jedoch nicht der geringste Anhalt für einen Zweifel daran, dass das Landgericht die einstweilige Verfügung mit der Anordnung der Unterlassungsverpflichtung der Beklagten bestätigt und lediglich eine Klarstellung hinsichtlich der örtlichen Reichweite des Verbots vorgenommen hat, wie das Landgericht auf Seite 9 der Entscheidungsgründe klar und unmissverständlich schreibt.

43

Auch dem weiteren Einwand der Beklagten, die Unterlassungsanordnung sei zu weit gefasst und erfasse, je nach dem Kontext der jeweiligen Werbeanzeige, etwa bei entsprechenden Zusätzen und Erläuterungen in der Anzeige, auch eine zulässige, nach den Gesamtumständen nicht irreführende Werbung der Beklagten, kann nicht gefolgt werden. Die Werbung "T-DSL gibt es überall in der Region", wenn es "T-DSL" der Beklagten als terrestrisches DSL in der Region nicht flächendeckend gibt, ist immer irreführend. Es besteht allenfalls die Möglichkeit, dass sich aus dem Kontext einer Werbeanzeige und eindeutigen Erläuterungen und Zusätzen für den Adressaten unzweideutig ergibt, dass T-DSL nicht flächendeckend angeboten wird, dann liegt jedoch keine Werbeaussage mehr vor, die von der hier für berechtigt gehaltenen Unterlassungsanordnung erfasst wird.

44

2.

Hinsichtlich der weiteren Werbeaussage "Wer sonst kann Ihnen das bieten?" ist ein Unterlassungsanspruch der Klägerin nach §§ 1, 3 UWG nicht begründet und die einstweilige Verfügung mithin nicht berechtigt.

45

Insoweit ist zumindest unter Berücksichtigung des dem Leser erkennbaren, von ihm ohne weiteres zu erfassenden Kontextes der Werbeaussage weder eine Irreführung im Sinne des § 3 UWG noch eine nach § 1 UWG unlautere Alleinstellungswerbung festzustellen.

46

Es kann dabei offen bleiben, ob - wie die Klägerin geltend macht - in der genannten rhetorischen Frage überhaupt eine Alleinstellungswerbung zu sehen ist. Es könnte einiges dafür sprechen, in der genannten rhetorischen Frage lediglich eine vom Werbeadressaten nicht ernst genommene, übertriebene Hervorhebung des eigenen Leistungsangebots zu sehen. Dass er für den Kunden das insgesamt beste Angebot hat, versucht jeder Unternehmer in der Werbung dem Kunden darzustellen. Dass Konkurrenzangebote hinsichtlich des DSL-Zugangs nicht vorhanden sind, lässt sich aus dem betreffenden Werbetext jedenfalls nicht entnehmen und davon wird auch der verständige Verbraucher hier nicht ausgehen.

47

Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob der beanstandete Text eine Werbung für eine Alleinstellung der Klägerin enthält und so vom interessierten Leser verstanden wird.

48

Jedenfalls kam der Beklagten eine nach dem Text allenfalls mögliche, vom verständigen Verbraucher und Leser in Betracht zu ziehende Alleinstellung tatsächlich zu. Dies gilt jedenfalls für den hier relevanten Zeitpunkt der Veröffentlichung der Werbeanzeige.

49

Der beanstandete, hier maßgebende Anzeigentext muss dabei - worauf die Beklagte in der Berufungsbegründung zutreffend hinweist - in seinem Gesamtzusammenhang gelesen und verstanden werden. Der beanstandete Satz bildet den letzten Satz in dem Text links unter den beiden Abbildungen und muss in dem auch für den Leser aus optischen Gründen und in inhaltlicher Hinsicht offensichtlichen Gesamtzusammenhang dieses Textes und in Verbindung mit den vorausgegangenen Sätzen dieses Textes gesehen werden.

50

Darin wird ausgeführt, dass die Beklagte jeden Kunden in der beworbenen Region, ganz gleich, wo er wohnt, ob in Osnabrück oder in Leer, an T-DSL oder T-DSL via Satellit anschließen kann und der Kunde damit die in der Anzeige weiter beschriebenen Vorteile eines schnellen DSL-Internetanschlusses erhalten kann. Hier verweist die Beklagte also ausdrücklich auch auf die Möglichkeit eines satellitengestützten Anschlusses. Wenn aber die Klägerin und auch kein anderer Anbieter außer der Beklagten flächendeckend einen DSL-Anschluss in der Form eines terrestrischen oder zumindest eines satellitengestützten Anschlusses anbietet, wie die Beklagte geltend macht, ist die dargestellte rhetorische Frage nicht unberechtigt und damit auch eine darin liegende (konkludente) Alleinstellungswerbung der Beklagten berechtigt. Dabei zeichnet sich das damalige und heutige Angebot der Beklagten unstreitig dadurch aus, dass die Beklagte in der hiesigen Region, auf die sich die Werbung bezieht, zumindest ganz überwiegend einen terrestrischen DSL-Anschluss mit allen Vorteilen auch gegenüber einem Satelliten-Anschluss anbieten kann und in den wenigen Gebieten, die durch entsprechende Verkabelung noch nicht für eine terrestrischen Anschluss erschlossen sind, sie dem Kunden jedenfalls einen DSL-Anschluss via Satellit bieten kann.

51

Dass es im Zeitpunkt der beanstandeten Werbeanzeige einen Anbieter von DSL-Zugängen gab, der ein entsprechendes umfassendes flächendeckendes Angebot in dem dargestellten Sinne bieten konnte wie die Beklagte, hat die Klägerin nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht.

52

Dass es in der hiesigen Region Anbieter gab und gibt, die nur über Satellit flächendeckend DSL anbieten können, kann nicht als ein zum beworbenen Leistungspaket der Beklagten gleichwertiges Angebot gewertet werden, da - wie die Klägerin selbst geltend gemacht und eingehend dargestellt hat - der satellitengestützte Internetzugang erhebliche Unterschiede und auch gewisse, nicht zu vernachlässigende Nachteile und Leistungseinschränkungen im Vergleich zum terrestrischen DSL-Anschluss aufweist. Ein Anbieter von allein satellitengestützten Internetzugängen bietet danach nicht ein vergleichbares Produktsortiment wie die Beklagte an, die im ganz überwiegenden Teil der Region auch einen terrestrischen DSL-Anschluss mit den von der Klägerin selbst dargelegten Vorteilen bieten kann.

53

Soweit die Klägerin nunmehr unmittelbar vor dem Verhandlungstermin in der Berufungsinstanz erstmals darauf verweist, dass die Firma s. in der hiesigen Region neben einem satellitengestützten DSL nunmehr auch terrestrische DSL-Anschlüsse anbietet, ist dieses Vorbringen - auch wenn es nicht bereits als verspätet zurückzuweisen ist - jedenfalls unerheblich.

54

Für die hier entscheidende Frage einer Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Werbung, die eine Wiederholungsgefahr begründet und einen Unterlassungsanspruch rechtfertigt, kommt es auf die damaligen Verhältnisse im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zeitungsanzeige im Juni 2003 an. Im damaligen Zeitpunkt gab es jedoch das Angebot eines terrestrischen DSL-Anschlusses seitens der Firma s. noch nicht. Wie die Beklagte durch Auszug aus dem Internetauftritt und die Pressemeldung der Firma s. vom 31.3.2004 glaubhaft dargelegt hat und was letztlich im Verhandlungstermin von der Klägerin auch nicht mehr bestritten worden ist, ist die Firma s. mit einem entsprechenden Angebot erst seit dem 1.April 2004 auf dem hiesigen Markt und greift dabei zudem - ob als Vermittlerin oder als "Reseller" mag dahinstehen - auf den terrestrischen DSL-Anschluss (T-DSL) der Beklagten zurück.

55

Ein mit der beworbenen Leistung der Beklagten vergleichbares Angebot der Firma s. lag danach zumindest im Zeitpunkt der Veröffentlichung der hier streitigen Zeitungsanzeige im Juni 2003 nicht vor.

56

Soweit in der beanstandeten, oben genannten rhetorischen Frage die Inanspruchnahme einer Alleinstellung seitens der Beklagten liegt, traf eine entsprechende Alleinstellung zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls zu. Dieser Teil der Werbeanzeige war dann nicht wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG und hatte auch keinen irreführenden Inhalt im Sinne des § 3 UWG. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ist danach nicht berechtigt und mithin die darauf bezogene einstweilige Verfügung aufzuheben.

57

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 5, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

58

Im Hinblick auf das beiderseitige Obsiegen und Unterliegen der Parteien erscheint eine Kostenaufhebung nach § 92 Abs. 1 ZPO angemessen.

59

Auf die von der Beklagten in der Berufungsbegründung angesprochene, unter angeblicher Verletzung gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorgenommene Urteilskorrektur des Landgerichts hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit kommt es nicht mehr an, da der Senat - nach mündlicher Verhandlung und Gewährung rechtlichen Gehörs - nicht nur eine eigene Sachentscheidung getroffen, sondern nunmehr ebenfalls über die vorläufige Vollstreckbarkeit entschieden und dabei die Anordnung des Landgerichts über die vorläufige Vollstreckbarkeit ersetzt hat .

60

Der nachgereichte, nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 21.4.2004 hat dem Senat vorgelegten und, da er keine wesentlichen über die Erörterungen im Verhandlungstermin hinausgehenden Gesichtspunkte enthält, keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben.