Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 23.12.2017, Az.: 10 W 24/17

Nachabfindungspflicht der Erträge aus einer eine alte Windkraftanlage ersetzenden Anlage

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
23.12.2017
Aktenzeichen
10 W 24/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 36703
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Leer - 30.06.2017 - AZ: 160 Lw 192/16

Amtlicher Leitsatz

Wird im Rahmen eines sog. Repowering eine alte Windkraftanlage durch zwei neue (größere) Anlagen ersetzt, sind zumindest die Erträge aus der zweiten Anlage nachabfindungspflichtig im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 b HöfeO.

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragsstellerinnen wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Leer vom 30.06.2017 geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet,

a. Auskunft darüber zu erteilen, welche landwirtschaftsfremden Verträge er zur Gewinnung von Windenergie auf Flächen des ihm übertragenen Hofes nach Übergabe des Hofes an ihn abgeschlossen hat.

b. insoweit sämtliche abgeschlossenen Verträge in Abschrift herauszugeben.

c. Auskunft darüber zu erteilen, welche Einnahmen ihm seit wann wegen der zu Ziff. 1 b. herzugebenden Verträge wegen der landwirtschaftsfremden Nutzung des Hofes zufließen, unter Vorlage der ihm hierzu gegebenenfalls vom Betreiber der auf dem Hofgrundstück befindlichen Windkraftanlangen erteilten Abrechnungen.

d. an die Antragstellerinnen 258,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.10.2016 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, bis zum 21.05.2017 jährlich fortlaufend Auskunft über die Erträge zu erteilen, die ihm aus Pacht- oder sonstigen Verträgen betreffend die Gewinnung von Windenergie auf Flächen des ihm übertragenen Hofes in diesem Zeitraum zufließen.

3. Im Übrigen wird der Beschluss des Landwirtschaftsgerichts aufgehoben. Das Verfahren wird wegen der ausstehenden Entscheidung über den Antrag zu 4. an das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Leer zurückverwiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen trägt der Antragsgegner.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wege eines Stufenantrags um Nachabfindungsansprüche gem. § 13 HöfeO.

Die Parteien sind Geschwister. Die Mutter der Parteien war Eigentümerin eines Hofes mit einer Größe von ca. 38 ha, mit Hofvermerk eingetragen im Grundbuch von ..., Blatt ... . Der Einheitswert des Hofes beträgt 38.193,- €. 1997 wurde u.a. auf Teilflächen des Hofes ein Windpark errichtet. Von den insgesamt 16 Anlagen mit je 60 kW Leistung befand sich ein Windrad auf einer zum Hof gehörenden Fläche. Der Rotordurchmesser der Anlagen lag bei jeweils 44 Metern, die Nabenhöhe bei 58 Metern. Mit Hofübergabevertrag vom 21.5.2007 übertrug die Mutter den Hof an den Antragsgegner, der am 4.1.2008 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde. Am 22.10.2013 wurde der alte Windpark vom Netz genommen, die Anlagen wurden abgebaut. Im Rahmen eines Repowering wurden insgesamt sieben neue, wesentlich leistungsstärkere Windkraftanlagen errichtet, zwei davon stehen an anderen Standorten der hofzugehörigen Fläche. Es handelt sich jeweils um 2,3 MW-Anlagen mit einem Rotordurchmesser von 82 m und einer Nabenhöhe von 108 m. Die Antragstellerinnen machen im Hinblick auf die daraus erwirtschafteten Gewinne Nachabfindungsansprüche gem. § 13 HöfeO geltend und verlangen zwecks Bezifferung dieser Ansprüche in der ersten Stufe zunächst Auskunft betreffend die zur Gewinnung von Windenergie abgeschlossenen Verträge sowie die hieraus erzielten Einnahmen.

Das Landwirtschaftsgericht hat sowohl die Auskunftsanträge als auch den Leistungsantrag zurückgewiesen. Zwar handele es sich bei dem Betrieb von Windenergieanlagen um eine landwirtschaftsfremde Nutzung, allerdings sei diese bereits lange vor Hofübergabe von der Erblasserin aufgenommen worden und werde von dem Antragsgegner nur fortgesetzt und im Wege des Repowering den geänderten Gegebenheiten angepasst. Dem stehe nicht entgegen, dass die neuen Windenergieanlagen nicht auf der identischen Fläche wie die seinerseits von der Erblasserin errichtete Windenergieanlage errichtet wurden und sich nunmehr zwei Anlagen auf der Fläche befinden.

Gegen den ihnen am 7.8.2017 zugestellten Beschluss wenden sich die Antragstellerinnen mit ihrer am 21.8.2017 beim Landwirtschaftsgericht eingegangenen Beschwerde. Sie sind der Auffassung, dass Erträge aus Windenergieanlagen nachabfindungspflichtig seien, wenn zeitlich nach der Hofübergabe ein Repowering bestehender Windenergieanlagen stattfinde.

Die Antragstellerinnen haben zunächst beantragt, im Wege der Stufenklage unter Abänderung des Beschlusses vom 30.6.2017

1. den Beklagten zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, welche landwirtschaftsfremden Verträge er zur Gewinnung von Windenergie auf Flächen des ihm übertragenen Hofes nach Übergabe des Hofes an ihn abgeschlossen hat,

2. den Beklagten zu verurteilen, insoweit sämtliche abgeschlossene Verträge in Abschrift herzugeben,

3. den Beklagten zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, welche Einnahmen ihm seit wann wegen der zu Ziff. 1 herzugebenden Verträge wegen der landwirtschaftsfremden Nutzung des Hofes zufließen, unter Vorlage der ihm hierzu gegebenenfalls vom Betreiber der auf dem Hofgrundstück befindlichen Windkraftanlagen erteilten Abrechnungen,

4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen eine Abfindung auf der Grundlage der erteilten Auskünfte zu zahlen,

5. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, bis zum 21.5.2027 jährlich fortlaufend Auskünfte über Erträge zu erteilen, die ihm aufgrund der von ihm vorzulegenden Pacht- oder sonstigen Verträge aufgrund der landwirtschaftsfremden Nutzung von Hofflächen in diesem Zeitraum zufließen,

6. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen nicht streitwerterhöhende vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 258,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit dieses Antrags zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nachdem der Senat im Termin darauf hingewiesen hat, dass die von den Antragstellerinnen in der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsansprüche bestehen, hat der Antragsgegner die Anträge zu den Ziffern 1.-3. sowie 5. und 6. anerkannt.

Die Antragstellerinnen beantragen nunmehr ergänzend,

das Verfahren hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 4. an das Landwirtschaftsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die gem. §§ 1 Abs. 1, 11 Abs. 1 h) HöfeVfO, 9 LwVG, 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

1. Der Antragsgegner ist gemäß den Anträgen zu Ziffer 1.-3. verpflichtet, den Antragstellerinnen Auskunft darüber zu erteilen, welche landwirtschaftsfremden Verträge er zur Gewinnung von Windenergie auf Flächen des ihm übertragenen Hofes nach Hofübergabe abgeschlossen hat, Abschriften sämtlicher insoweit abgeschlossener Verträge herauszugeben sowie Auskunft über die Höhe der aus dem Repowering erzielten Einnahmen unter Vorlage von Abrechnungen zu erteilen.

Gem. § 13 Abs. 10 HöfeO hat der Hoferbe den weichenden Erben über eine Veräußerung oder Verwertung unverzüglich Mitteilung zu machen sowie über alle für die Berechnung eines Nachabfindungsanspruchs erheblichen Umstände auf Verlangen Auskunft zu erteilen. Die Mitteilungspflicht umfasst alle Umstände, die für das Bestehen und die Höhe des Ergänzungsanspruchs von Bedeutung sein können. Sie erstreckt sich auf alle für die Nachabfindung relevanten Tatsachen und umfasst auch die "widmungsfremde" Nutzung im Sinne des Abs. 4 b). Für das Entstehen des Auskunftsanspruchs genügt es, dass ein Anspruch auf Abfindungsergänzung ernsthaft in Betracht kommt (Lüdtke-Handjery/von Jeinsen/Haarstrich, HöfeO, 11. Aufl. 2015, § 13 Rn 60).

Ein Anspruch der Antragstellerinnen auf Abfindungsergänzung kommt vorliegend ernsthaft in Betracht. Nach § 13 Abs. 4 b HöfeO sind die Regelungen über die Nachabfindungspflicht des § 13 Abs. 1 Satz 1 HöfeO entsprechend anwendbar, wenn der Hoferbe innerhalb der Nachabfindungsfrist von 20 Jahren nach der Hofübergabe den Hof oder Teile davon auf andere Weise als land- oder forstwirtschaftlich nutzt und dadurch erhebliche Gewinne erzielt.

Die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zur Gewinnung von Windenergie stellt eine landwirtschaftsfremde Nutzung dar. Gesetzgeberisches Ziel des § 13 HöfeO ist es, die weichenden Erben an Erträgen des Hoferben teilhaben zu lassen, die unter Einsatz hofzugehöriger Flächen erwirtschaftet werden und nicht auf reiner Landwirtschaft beruhen. Der zur Windenergienutzung notwendige Flächengebrauch kann nicht als landwirtschaftliche Nutzung angesehen werden, da die Energieerzeugung nicht mit Hilfe der Pflanzenproduktion erfolgt, die in Anspruch genommenen Flächen vielmehr lediglich als Produktionsstätte gebraucht werden. Mit der Errichtung von Windenergieanlagen ist der höferechtliche Zweck zudem für einen längeren Zeitraum entfallen (im Einzelnen vgl. Senat, Beschluss vom 5.8.2008, 10 W 2/08, OLGR Oldenburg 2008, 827 ff.; BGH, Beschluss vom 24.4.2009, BLw 21/08 -, BGHZ 180, 285 ff.).

Der Einordnung als landwirtschaftsfremde Nutzung steht nicht entgegen, dass hofzugehörige Flächen bereits vor der Hofübergabe an den Antragsgegner für die Gewinnung von Windenergie genutzt wurden. Der Zeitpunkt des Beginns der Windenergienutzung ist allein relevant für die Frage, ob daraus erzielte Erträge im Rahmen der im Zeitpunkt der Hofübergabe entstehenden Abfindungsansprüche zu berücksichtigen sind (§ 12 HöfeO) oder später Nachabfindungsansprüche auslösen (§ 13 HöfeO). Die im Zeitpunkt der Hofübergabe bereits existente Windenergieanlage löst keine Nachabfindungsansprüche gem. § 13 HöfeO aus. Solange die im Zeitpunkt der Hofübergabe bestehende landwirtschaftsfremde Nutzung nur fortgesetzt wird, sind daraus erzielte Gewinne demnach nicht gem. § 13 HöfeO nachabfindungspflichtig.

Vorliegend wurde aber die im Zeitpunkt der Hofübergabe bestehende Windenergienutzung nicht nur fortgesetzt, auch wurden nicht nur Erweiterungen einer bestehenden Anlage vorgenommen. Vielmehr wurde der alte Windpark im Oktober 2013 komplett demontiert und durch einen neuen, wesentlich leistungsstärkeren Windpark ersetzt. Auf den Flächen des Antragsgegners wurde das vorhandene Windrad, das eine Leistung von 60 kW, einen Rotordurchmesser von 44 Metern und eine Nabenhöhe von 58 Metern hatte, demontiert und an räumlich anderer Stelle durch zwei Windräder mit einer Leistung von jeweils 2,3 mW, einem Rotordurchmesser von 82 m und einer Nabenhöhe von 108 Metern ersetzt. Aufgrund der Verdoppelung der vorhandenen Anlage sowie der deutlich höheren Leistungskraft der beiden neuen Anlagen sind auch deutlich höhere Erträge zu erwarten. Da im Zeitpunkt der Hofübergabe nur ein Windrad existent war, unterfallen jedenfalls die Erträge aus dem nunmehr errichteten zweiten Windrad der Nachabfindungspflicht gem. § 13 HöfeO. Allenfalls im Hinblick auf das durch ein größeres Windrad ersetzte erste Windrad stellt sich die Frage, ob auch die daraus erzielten Erträge der Nachabfindungspflicht unterfallen. Bejahendenfalls wäre ggfs. zudem zu erwägen, die aus der alten Anlage erwirtschafteten Gewinne in Abzug zu bringen, eben weil mit der landwirtschaftsfremden Nutzung in Form eines Windrades bereits vor der Hofübergabe begonnen wurde. Ob hinsichtlich des ersetzten Windrades Nachabfindungsansprüche entstanden sind und wie diese der Höhe nach zu berechnen sind, kann vorliegend indes dahinstehen, da im Rahmen des hier geltend gemachten Auskunftsanspruchs - wie ausgeführt - allein zu prüfen ist, ob ein Nachabfindungsanspruch ernsthaft in Betracht kommt.

Schließlich steht einer Nachabfindungspflicht im Grundsatz auch nicht entgegen, dass Repoweringmaßnahmen im öffentlichen Interesse liegen. Zweck des Repowering ist es, die Effizienz der Windenergienutzung zu steigern, ohne dass der Flächenverbrauch durch die Zahl der Anlagen insgesamt steigt. Der Verwirklichung dieses Zwecks dient die in § 30 EEG normierte höhere Einspeisevergütung, womit wirtschaftliche Anreize gesetzt werden sollen. Die öffentlich-rechtliche Förderung des Repowering hat aber keine unmittelbaren Auswirkungen auf das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Hoferben und weichenden Erben und trifft insbesondere keine Wertung, ob die weichenden Erben an aus Repowering erzielten Gewinnen des Hoferben zu beteiligen sind.

2. Das Verfahren ist zur Entscheidung über den im Wege des Stufenantrags geltend gemachten Leistungsantrag zu Ziffer 4. an das Landwirtschaftsgericht zurückzuverweisen, §§ 1 Abs. 1 HöfeVfO, 9 LwVG, 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG analog. Eine Zurückverweisung betreffend die Höhe des sich nach Auskunftserteilung ergebenden Nachabfindungsanspruchs erscheint geboten, nachdem das Landwirtschaftsgericht den Antrag nur deshalb abgewiesen hat, weil es bereits einen Auskunftsanspruch aus Rechtsgründen für nicht gegeben erachtet hat. Der Antrag ist noch nicht zur Entscheidung reif, da das Verfahren erst nach Auskunftserteilung auf Antrag der Parteien in die zweite Stufe zu überführen sein wird; erst in dieser wird über den Leistungsantrag zu entscheiden sein.

3. Der Feststellungsantrag zu 5. ist begründet. Die Antragstellerinnen haben bis zum Ablauf von 20 Jahren nach Hofübergabe zur Vorbereitung eines Nachabfindungsanspruchs einen Anspruch auf Auskunft der aus der neuen Windenergieanlage erzielten Erlöse. Auf die Ausführungen unter 1. wird Bezug genommen.

4. Der Anspruch auf Erstattung der im Hinblick auf das Auskunftsverlangen entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren folgt aus Verzug. Der Antragsgegner schuldet hierauf Zinsen ab Rechtshängigkeit, § 291 BGB.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 34, 44, 45 LwVG in Verbindung mit § 84 FamFG. Eine Kostenentscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung ausnahmsweise zu treffen, wenn die Kostenfrage vom Rechtsmittelgericht bereits abschließend geklärt werden kann, das weitere Verfahren also auf die Ermessensentscheidung keinen Einfluss haben kann (vgl. Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 83 Rn 4 m.w.N.). Vorliegend war eine Kostenentscheidung zu treffen, da im Beschwerdeverfahren über die erste Stufe des Stufenantrags abschließend entschieden worden ist.