Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.01.2007, Az.: 1 Ws 1/07
"Verletzter" im Sinne des § 172 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) bei Straftaten nach dem Tierschutzgesetz (TierSchG); Im Wege eines Klagerzwingungsverfahrens zu verfolgende Straftaten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.01.2007
- Aktenzeichen
- 1 Ws 1/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 10058
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:0110.1WS1.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 172 Abs. 1 StPO
- § 1 TierSchG
- § 17 TierSchG
- § 303 StGB
Fundstellen
- NJW 2007, 3737 (amtl. Leitsatz)
- NStZ 2007, 483 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- ZAP EN-Nr. 245/2007
- ZAP EN-Nr. 263/2007
- ZAP 2007, 387
Verfahrensgegenstand
Vorwurf der Sachbeschädigung pp.,
Amtlicher Leitsatz
Der Halter eines Tieres ist hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz nicht Verletzter im Sinne von § 172 Abs. 1 StPO.
In dem Ermittlungsverfahren
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung eines Rechtsanwalts
und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung
über den Bescheid des Generalstaatsanwalts in C.
vom 28. November 2006
nach dessen Anhörung
durch
die Richterin am Oberlandesgericht #######,
den Richter am Oberlandesgericht #######
und den Richter am Oberlandesgericht #######
am 10. Januar 2007
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts sowie der Antrag auf gerichtliche Entscheidung werden als unzulässig verworfen.
Gründe
1.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 1 StPO ist die Verletzung des Hundes der Antragstellerin während eines Einsatzes durch einen Polizeibeamten.
2.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, soweit die Antragstellerin das Vorliegen einer Sachbeschädigung behauptet. Zwar ist die Antragstellerin als Eigentümerin des Hundes insoweit zwar Verletzte; bei dem Delikt der Sachbeschädigung handelt es sich jedoch um ein Privatklagedelikt nach § 374 Abs. 1 Nr. 6 StPO, welches im Wege eines Klagerzwingungsverfahrens nach § 172 StPO nicht verfolgt werden kann (vgl. nur Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 49. Aufl., § 172 Rn. 2) .
3.
Soweit die Antragstellerin ein Vergehen nach Maßgabe von § 17 Tierschutzgesetz behauptet, ist sie hingegen nicht Verletzte im Sinne von § 172 Abs. 1 StPO. Zwar ist der Begriff des Verletzten im Sinne von § 172 Abs. 1 StPO grundsätzlich weit zu fassen. Anknüpfungspunkt für die Verletztenstellung ist indessen zunächst das von der betroffenen Strafvorschrift geschützte Rechtsgut. Hiernach ist jemand durch eine Tat nur dann verletzt, wenn die übertretene Norm zumindest auch die Rechte dieser Person schützen will (BGHSt 18, 238; LR-Graalmann-Scheerer, StPO, 25. Aufl., § 172 Rn. 52 ff; KK-Schmid, Strafprozessordnung, 5. Aufl., § 172 Rn. 19). Schwerpunkt der Regelungen des Tierschutzgesetzes ist das lebende Tier. Dieses soll vor Beeinträchtigungen durch den Menschen geschützt werden. Das Tierschutzgesetz ist daher Ausdruck eines auf den Schutz des Tieres gerichteten, ethischen Tierschutzes (vgl. Erbs/Kohlhaas-Metzger, Strafrechtliche Nebengesetze, 146. ErgLfg., Vorbemerkung vor § 1 Tierschutzgesetz, Rn. 1 ff.). Menschliche Interessen (sog. anthropozentrischer Tierschutz) werden durch die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes hingegen nicht geschützt. Dass die Antragstellerin Halterin des verletzten Tieres ist, ändert hieran nichts. Denn insoweit werden die Rechte des Halters durch die - dem Verfahren nach § 172 Abs. 1 StPO indessen nicht zugängliche - Vorschrift des § 303 StGB geschützt.
4.
Hiernach kann auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts keinen Erfolg haben.
5.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).