Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 12.05.2020, Az.: 5 B 95/20
Abschiebungsanordnung; behördliche Aussetzung der Vollziehung; behördliche Aussetzung der Vollziehung; Corona; Covid-19 Virus; rechtsmissbräuchlich; Rechtsschutzbedürfnis; Rechtsschutzbedürfnis; Rechtsschutzinteresse; Rechtsschutzinteresse; Vorbehalt des Widerrufs; Vorbehalt des Widerrufs; Vorbehalt des Widerrufs; Willkür- oder Missbrauchsschwelle
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 12.05.2020
- Aktenzeichen
- 5 B 95/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71998
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs 1 Nr 1a AsylVfG 1992
- § 34a Abs 1 S 1 AsylVfG 1992
- § 55 Abs 3 AsylVfG 1992
- § 61 Abs 1 AsylVfG 1992
- § 85 AufenthG
- Art 27 Abs 4 EUV 604/2013
- § 80 Abs 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Nach behördlicher Aussetzung der Vollziehung einer im sog. Dublin-Verfahren ergangenen Abschiebungsanordnung fehlt einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch dann das Rechtsschutzinteresse, wenn die Aussetzung der Vollziehung unter dem Vorbehalt des Widerrufs erfolgt ist.
Die behördliche Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung unter dem Vorbehalt des Widerrufs aufgrund der aktuellen Lage der Covid-19 Pandemie bei Verfahren, die die Überstellung nach der sog. Dublin-III-Verordnung zum Gegenstand haben, ist weder rechtsmissbräuchlich noch willkürlich (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 – 1 C 16/18 –, BVerwGE 164, 165-179).
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers, die gemäß § 75 Abs. 1 AsylG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage (…) gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. März 2020 erklärte Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO anzuordnen, über den gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Einzelrichterin entscheidet, ist unzulässig.
Ein Rechtsschutzinteresse daran, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen gerichtlichen Ausspruch über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der im streitgegenständlichen Bescheid unter Ziffer 3 ausgesprochenen Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG zu erhalten, vermag das Gericht nicht zu erkennen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte bereits vor Antragstellung am 27. März 2020 mit Schreiben vom 18. März 2020 – unter Berufung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Januar 2019 – 1 C 16/18 (abrufbar unter juris) – mitgeteilt, dass bei allen Verfahren, die die Überstellung nach der sog. Dublin-III-VO zum Gegenstand haben, die Vollziehung der Abschiebungsanordnung gem. § 80 Abs. 4 VwGO i. V. m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO unter dem Vorbehalt des Widerrufs ausgesetzt werde, weil der Vollzug der Abschiebungsanordnung aufgrund der aktuellen Lage bezüglich des Covid-19 Virus vorübergehend nicht möglich sei. Alle Asylbewerber, die sich in einem entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren befänden, würden danach vom Bundesamt informiert, ebenso wie die zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte. Entsprechend der Ankündigungen ist gegenüber dem Antragsteller am 14. April 2020 eine solche Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung unter dem Vorbehalt des Widerrufs erklärt worden.
Dem Antragsteller fehlt daher das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende gerichtliche Anordnung. Gegenstand seines Rechtsschutzbegehrens bildet die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides. Diese allein verfahrensgegenständliche Beschwer ist mit der Entscheidung der Antragsgegnerin, die sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 4 VwGO zeitweise unter Vorbehalt des Widerrufs auszusetzen, jedenfalls derzeit entfallen. Dem Antragsteller droht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keine Vollstreckung.
Regelmäßig fehlt einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das Rechtschutzbedürfnis, nachdem die Behörde von sich aus den Sofortvollzug nach § 80 Abs. 4 VwGO ausgesetzt hat, da dann dem Begehren des Antragstellers bereits vollständig nachgekommen und der Sache nach eine normativ verbindliche Lage geschaffen wird, die dem Schutz durch die aufschiebende Wirkung entspricht (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, 37. EL Juli 2019, VwGO, § 80, Rn. 277; Gersdorf in BeckOK, VwGO, 53. Ed. 1. Oktober 2019, § 80, Rn. 118 jeweils m.w.N.). Auch wenn anzunehmen wäre, dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gölte, wenn das Bundesamt die Aussetzung des Sofortvollzugs nicht mit der gleichen zeitlichen Wirkung wie das Gericht ausspräche, sondern sich die Option offenhielte, die Sofortvollzugsaussetzung zu einem späteren Zeitpunkt zu widerrufen (vgl. hierzu VG Ansbach, Beschluss vom 13. November 2019 – AN 17 S 19.50869 –, Rn. 19 - 21, juris), ist ein anerkennenswertes Interesse daran, eine gerichtliche Überprüfung der hier erledigten konkreten behördlichen Maßnahme zu erlangen, nicht erkennbar. Auch durch die zeitweilige Aussetzung der Vollziehung ist sein Rechtsschutzbedürfnis daran, eine gerichtliche Sachentscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu erlangen, entfallen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 29. Dezember 2005 – 11 CS 05.826 –, Rn. 15, juris m.w.N.). Das folgt bereits daraus, dass gegenwärtig kein sofort vollziehbarer Verwaltungsakt vorliegt, in Ansehung dessen ggf. die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden könnte.
Hierbei werden die Bedenken des Antragstellers nicht verkannt, dass eine stattgebende gerichtliche Sachentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, die während einer unter dem Vorbehalt des Widerrufs bewilligten Aussetzung der Vollziehung ergehen würde, für ihn deshalb von Vorteil wäre, weil ohne einen solchen Beschluss die sofortige Vollziehbarkeit wegen Widerrufs der Aussetzung der Vollziehung erneut aufleben könnte. Allerdings wäre das Gericht dann angehalten, Sachentscheidungen zu treffen, die sich in Fällen, in denen es nicht zu einer Reaktivierung des Sofortvollzugs kommt, als fruchtlos erweisen; das Institut des Rechtsschutzbedürfnisses dient indes insbesondere dazu, eine überflüssige Inanspruchnahme der Gerichte zu verhindern (vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 29. Dezember 2005 – 11 CS 05.826 –, Rn. 16 - 18, juris). Vorsorglich während der Aussetzung der Vollziehung ergehende Entscheidungen vermeiden nicht zwangsläufig eine mehrmalige Befassung der Gerichte mit derselben Angelegenheit, da wahrscheinlich sowohl in diesem Fall als auch regelmäßig in den anhängigen Dublin-Verfahren eine Korrektur aufgrund im Laufe des Hauptsacheverfahrens eintretender neuer Umstände vorzunehmen sein wird. Darüber hinaus geht die Annahme des Antragstellers fehl, nur mit einer gerichtlichen Aussetzung sei sichergestellt, dass die Aussetzung der Vollziehung bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Kammer im Hauptsacheverfahren gewährleistet werde. Selbst wenn das Gericht derzeit aufgrund eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses dem Eilantrag stattgegeben hätte, wäre es nicht auszuschließen, dass dies ggf. mit Befristung der aufschiebenden Wirkung erfolgt wäre (vgl. hierzu Schenke in Kopp/Schenke, VwGO; 22. Aufl., § 80, Rn. 169) oder einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung getragen und der stattgebende Beschluss von Amts wegen nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO geändert worden wäre.
Dies verstößt auch nicht gegen das Gebot zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und beeinträchtigt nicht den Anspruch des Antragstellers auf Durchführung eines fairen Verfahrens. Sollte es zu einem Wiederaufleben des Sofortvollzugs kommen, so steht es dem Betroffenen unbenommen, erneut um Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes nachzusuchen; er wird mithin nicht rechtsschutzlos gestellt. Die Kammer geht davon aus, dass in dieser Konstellation ein nicht fristgebundener Antrag nach § 123 VwGO in Betracht kommt. Daher spricht die Fristgebundenheit des hier gestellten Antrags (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) ebenso wenig gegen die Annahme eines entfallenen Rechtsschutzbedürfnisses (so aber VG Ansbach, Beschluss vom 13. November 2019 – AN 17 S 19.50869 –, Rn. 19 - 21, juris). Nach einem Widerruf der Aussetzung der Vollziehung durch die Antragsgegnerin wird die Kammer nach Stellung eines entsprechenden Antrags unverzüglich Eilrechtschutz gewähren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, S. 59f.).
Die Einwendungen des Antragstellers, nur mit einer gerichtlichen Aussetzung sei erstens gewährleistet, dass die Aufenthaltsgestattung rückwirkend wieder auflebe – im Gegensatz zur ex nunc Wirkung der behördlichen Aussetzung –, was wiederum mit einer Anrechnungsfähigkeit der Verfahrenszeit im Sinne von §§ 55 Abs. 3, 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AsylG einhergehe, und zweitens garantiert, dass ihm ein Rechtsanspruch auf eine Beschäftigungserlaubnis gem. § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AsylG zustehe, führen nicht zu einer anderen Einschätzung des Gerichts.
Selbst wenn der Fall tatsächlich eintreten sollte, dass der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung durch den Antragsteller von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet i. S. v. § 55 Abs. 3 AsylG abhängig ist, könnte seinem Begehren nach § 85 AufenthG Rechnung getragen werden. Hiernach können Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben. Die hier gerügte fehlende Anrechnungsfähigkeit seiner Aufenthaltszeit betrifft den Zeitraum ab Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung gemäß § 34a AsylG (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AsylG), die mit Bescheid vom 18. März 2020 angeordnet und am 24. März 2020 bekanntgegeben worden ist, bis hin zur ihm gegenüber erklärten Aussetzung der Vollziehung am 14. April 2020. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt von 3 Wochen dürfte gem. § 85 AufenthG demnach Berücksichtigung finden. Darüber hinaus kommt dem Interesse des Antragstellers an einer Aufenthaltsgestattung und Anrechnungsfähigkeit der Verfahrenszeit von drei Wochen kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Ein konkretes Begehren hat er ebenso wenig glaubhaft gemacht hat. Da die Aufenthaltszeiten ab Ergehen eines stattgebenden Beschlusses nur im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem ein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes bestätigt worden ist, anrechenbar sind, erschließt sich im Übrigen nicht, inwiefern für den hiesigen Fall der Anwendungsbereich eröffnet sein soll – zumal die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht verhindert hätte, dass der Asylantrag weiterhin wirksam, wenngleich nicht bestandskräftig (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG), als unzulässig abgelehnt wäre (vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 5 D 2410/11 –, Rn. 4, juris mit Verweis auf BVerwG, Urteile vom 29. März 2007 - 5 C 8.06 –, BVerwGE 128, 254 = NVwZ 2007, 1088, und vom 19. Oktober 2011 – 5 C 28.10 –, DVBl. 2012, 106).
Selbst wenn man annähme, dass die Ausübung einer Beschäftigungserlaubnis dem Antragsteller nicht erlaubt wäre, wenn die Überstellung aufgrund einer behördlichen Aussetzung untersagt ist, so lägen dennoch nicht die Voraussetzungen für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor (vgl. insbesondere § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylG). Hierzu hat der Antragsteller nichts weiter vorgetragen. Er hat auch nicht glaubhaft gemacht, ob er diesbezüglich überhaupt einen Antrag gestellt oder ein Interesse daran hat. Einem pauschalen Interesse an einer Beschäftigung kann keine erhebliche Gewichtung zugesprochen werden.
Ferner bleibt festzuhalten, dass im Regelfall faktisch kein Unterschied zwischen einer durch die Behörde erfolgten Aussetzung der Vollziehung auf Grundlage von § 80 Abs. 4 VwGO und der durch das Gericht getroffenen Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO besteht – in beiden Fällen ist der Betroffene gleichermaßen gegenüber dem sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts durch die Behörde geschützt, in beiden Konstellationen besteht eine vorläufige Wirksamkeitshemmung des Verwaltungsakts, sodass der Rechtsschutzsuchende im Ergebnis mit ex nunc Wirkung so gestellt wird, als führte sein Rechtsbehelf zum Eintritt der aufschiebenden Wirkung (VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 30. Januar 2019 – A 4 K 9894/17 –, Rn. 32, juris; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, 37. EL Juli 2019, VwGO, § 80, Rn. 317; Hoppe in Eyermann, 15. Aufl. 2019, VwGO, § 80, Rn. 63; Gersdorf in BeckOK, VwGO, 53. Ed. 1. Oktober 2019, § 80, Rn. 130).
Anhaltspunkte dafür, dass die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung rechtsmissbräuchlich wäre, sind schließlich nicht ersichtlich.
Die Mitgliedstaaten können nach Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO vorsehen, dass die zuständigen Behörden beschließen können, von Amts wegen tätig zu werden, um die Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung auszusetzen. Diese unionsrechtlich vorgesehene Möglichkeit wird im nationalen Recht durch § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO eröffnet (so BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 – 1 C 16/18 –, BVerwGE 164, 165-179, Rn. 19). Hiernach kann die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Regelungen des Asylgesetzes schließen eine behördliche Aussetzung nach § 80 Abs. 4 VwGO nicht aus. Unionsrecht setzt aber dem nach nationalem Recht eröffneten weiten Handlungsspielraum durch unionsrechtliche Vorgaben (vgl. insbesondere Art. 27 und 28 Dublin-III-VO) gewisse Grenzen, da die behördliche Aussetzungsentscheidung den Antragsteller mittelbar belastet, weil sie die Überstellungsfrist unterbricht und so dazu führen kann, dass ein vom Antragsteller möglicherweise erstrebter Zuständigkeitsübergang nicht erfolgt; zu berücksichtigen sind auch die Belange des zuständigen Mitgliedstaats. Die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes erlaubt eine behördliche Aussetzung aus sachlich vertretbaren Erwägungen, die nicht rechtlich zwingend sein müssen und ohne dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen, wenn diese den Beschleunigungsgedanken und die Interessen des zuständigen Mitgliedstaats nicht willkürlich verkennen und auch sonst nicht missbräuchlich sind. Diese Willkür- oder Missbrauchsschwelle wird jedenfalls dann überschritten sein, wenn bei klarer Rechtslage und offenkundig eröffneter Überstellungsmöglichkeit die behördliche Aussetzungsentscheidung allein dazu dient, die Überstellungsfrist zu unterbrechen, weil sie aufgrund behördlicher Versäumnisse ansonsten nicht (mehr) gewahrt werden könnte (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 – 1 C 16/18 –, BVerwGE 164, 165-179, Rn.23, 25, 27 zu den Voraussetzungen für eine behördliche Aussetzungsentscheidung in Dublin-Verfahren; (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 – 1 C 15/18 –, BVerwGE 164, 179-203, Rn. 49).
Nach diesen Maßgaben vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass im Falle des Antragstellers die Willkür- oder Missbrauchsschwelle überschritten wäre.
Dem kann der Antragsteller zunächst nicht erfolgreich (sinngemäß) entgegenhalten, dass eine vorübergehende behördliche Aussetzung aufgrund des Wortlautes des Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO – bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung – nicht unionsrechtskonform sei. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 8. Januar 2019 – 1 C 16/18 –, BVerwGE 164, 165-179, Rn. 20) ausgeführt, die in Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit der behördlichen Aussetzung erweitere lediglich die Fallgruppen, in denen einem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO zukomme (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 – 1 C 16/18 –, BVerwGE 164, 165-179, Rn. 20) Insbesondere kann nach der Rechtsprechung Bundesverwaltungsgerichts die Vollziehung der Abschiebungsanordnung vorläufig bzw. vorübergehend durch das Bundesamt ausgesetzt werden (BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2019 – 1 C 16/18 –, BVerwGE 164, 165-179, Rn. 23 mit Verweis auf BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 - Asylmagazin 2014, 341) – entsprechend dem bundesgesetzlich vorgesehenen Gleichklang zwischen § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO und § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, wonach die Gerichte ebenfalls eine Überstellung zeitlich befristet aussetzen können.
Darüber hinaus sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Insbesondere stellen die durch die Covid-19 Pandemie hervorgerufene außerordentliche und extremen Lage und die dadurch ergriffenen Maßnahmen einen sachlich tragfähigen willkürfreien und nicht missbräuchlichen Anlass dar, welchen keiner der Beteiligten beeinflussen konnte. Zudem sind derzeit offenkundig keine Überstellungsmöglichkeiten eröffnet. Insofern stellte es sich als gerechtfertigt dar, dass die Antragsgegnerin im Rahmen einer Abwägung ihrem Aussetzungsinteresse ein überwiegendes Gewicht gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem Interesse des Antragstellers, eine Unterbrechung der Überstellungsfrist zu verhindern, eingeräumt hat. Auch der Vorbehalt des Widerrufs stellt sich als objektiv nachvollziehbar dar. Angesichts der europaweit massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der nicht vorhersehbaren weiteren Entwicklungen zeichnet sich des Weiteren ab, dass eine Überstellung jedenfalls nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von wenigen Wochen oder gar Monaten wird erfolgen können. Veränderte Umstände können freilich zu einer Neubeurteilung berechtigen. Die Belange des zuständigen Mitgliedstaats werden ebenfalls ausreichend berücksichtigt; insofern dient die behördliche Aussetzungsanordnung vielmehr der Klarstellung und Rechtssicherheit im Verhältnis zu dem zuständigen Mitgliedstaat. Dem Interesse des Antragstellers an einer zeitnahen Klärung der internationalen Zuständigkeit für die Sachentscheidung über seinen Asylantrag kommt dagegen kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Mit der behördlichen Aussetzungsanordnung hat die Antragsgegnerin (vorläufig) seinem hier verfolgten Rechtsschutzbegehren, vor der endgültigen Klärung der internationalen Zuständigkeit nicht aus dem Bundesgebiet abgeschoben zu werden, entsprochen. Das mögliche Ziel, damit auch einen Zuständigkeitsübergang zu erwirken, wäre weder nach nationalem noch nach Unionsrecht schutzwürdig.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen, weil die mit dem Antrag auf Gewährung von vorläufigen Rechtsschutz beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den Gründen dieses Beschlusses keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.