Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 23.10.1989, Az.: 2 B 70/89
Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung; Anspruch eines Kriminalhauptwachtmeisters im Polizeivollzugsdienst auf Zulassung zur Teilnahme an einem Laufbahnlehrgang II/K für den Aufstieg in den gehobenen Dienst ; Anforderungen an die Zulassung zum gehobenen Polizeidienst
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 23.10.1989
- Aktenzeichen
- 2 B 70/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 20174
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:1989:1023.2B70.89.0A
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 1 NBG
- § 17 Abs. 1 PolNLVO
- § 113 Abs. 4 S. 1 VwGO
- § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO
Verfahrensgegenstand
Zulassung zum Laufbahnlehrgang
Das Verwaltungsgericht Hannover - 2. Kammer Hannover - hat
am 23. Oktober 1989
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der 1963 geborene Antragsteller steht als Kriminalhauptwachtmeister im Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen. Er begehrt, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig zur Teilnahme an einem im Oktober 1989 beginnenden Laufbahnlehrgang II/K für den Aufstieg in den gehobenen Dienst zuzulassen.
Der Zulassung von Beamten des mittleren Polizeivollzugsdienstes zur Teilnahme an dem im Oktober 1989 beginnenden Aufstiegslehrgang liegt ein Auswahlverfahren zugrunde, das der Antragsgegner durch Runderlaß vom 30.9.1985 (Az.: 22.3/03111) geregelt hat. Nach den Bestimmungen dieses Erlasses, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 7 bis 10 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, gliedert sich das Eignungsauswahlverfahren in eine Rangzahlermittlung (Vorauswahl), eine psychologische Eignungsuntersuchung durch die Deutsche Gesellschaft für Personalwesen e.V. sowie ein Auswahlgespräch vor einer Auswahlkommission (Auswahlentscheidung). Dabei wird die Rangzahlermittlung, in die das Ergebnis des Grundausbildungslehrganges, die Benotung der Laufbahnprüfung I, der Durchschnitt der letzten drei Beurteilungen, das Ergebnis eines Eignungsberichts sowie die durch den Tag der Anstellung repräsentierte Erfahrung der Bewerber jeweils in Gestalt einer Wertzahl Eingang findet, für insgesamt drei Ausschreibungen berücksichtigt, so daß das Eignungsauswahlverfahren für den einzelnen Bewerber bei jährlichen Ausschreibungen bis zu insgesamt drei Jahren dauern kann. Dementsprechend hat der Antragsgegner die im Oktober 1989 zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze aufgrund von Rangzahlermittlungen vergeben, die sich an Ausschreibungen vom 5.6.1986, 27.4.1987 sowie 10.5.1988 angeschlossen haben.
Der Antragsteller bewarb sich seit 1986 für den Aufstieg in den gehobenen Dienst. In den Vorauswahlen der Jahre 1986 und 1987 blieb der Antragsteller im wesentlichen deshalb erfolglos, weil seine geringe dienstliche Erfahrung mit überdurchschnittlich hohen Wertzahlen in die Rangzahlermittlung Eingang fand. Bei der Vorauswahl des Jahres 1988 erhielt der Antragsteller die Rangzahl 9. Die psychologische Eignungsuntersuchung durch die Deutsche Gesellschaft für Personalwesen e.V. führte nicht zu einer Herabstufung des Antragstellers, der für den gehobenen Polizeivollzugsdienst ohne Einschränkungen empfohlen wurde und hierfür im Eignungsauswahlverfahren die Wertzahl 0 erhielt.
Am 1.2.1989 beschloß die "Auswahlkommission Kriminalpolizei", bei ihrem Vorschlag für die Vergabe der 16 für Beamte der Kriminalpolizei zur Verfügung stehenden Aufstiegsplätze alle Bewerberinnen und Bewerber mit einer Rangzahl zwischen 8 und 11 zum Vorstellungsgespräch zu laden. Eine Bewerberin und ein Bewerber mit der Rangzahl 7 sollten ohne weiteres empfohlen werden. Die Gespräche fanden am 21., 23. und 24.2.1989 mit insgesamt 32 Bewerbern statt. Anschließend gaben die stimmberechtigten Kommissionsmitglieder getrennte Vorschläge für die Zulassung zur Aufstiegsausbildung ab. In ihrer abschließenden Beratung am 2.3.1989 empfahl die Auswahlkommission, die 16 Aufstiegsplätze zunächst an die Beamtin und den Beamten mit einer Rangzahl von 7 und im übrigen an 14 weitere Beamtinnen und Beamte mit Rangzahlen zwischen 8 und 11 zu vergeben, die von mindestens 4 stimmberechtigten Kommissionsmitgliedern vorgeschlagen worden waren. Nicht berücksichtigt werden sollten danach Beamtinnen und Beamte mit Rangzahlen zwischen 9 und 11, die höchstens 3 Stimmen der Kommissionsmitglieder auf sich vereinigen können. Zu ihnen gehörte auch der Antragsteller, der von keinem der Kommissionsmitglieder vorgeschlagen worden war.
Mit Bescheid vom 26.4.1989 lehnte der Antragsgegner die Bewerbung des Antragstellers um Zulassung zur Aufstiegsausbildung ab. Den Widerspruch vom 23.5.1989 wies er mit Widerspruchsbescheid, vom 14.6.1989, der am 19.6.1989 zugestellt wurde, zurück. Am 19.7.1989 hat der Antragsteller Klage zur Hauptsache erhoben, die bei der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen 2 A 155/89 anhängt. Am 11.9.1989 hat er um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er macht geltend, es bedürfe einer einstweiligen Anordnung der Kammer, um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.
Könne er an dem im Oktober 1989 beginnenden Lehrgang nicht teilnehmen, so nütze ihm ein späteres Obsiegen im Hauptsacheverfahren nichts. "Seine" Einführungszeit werde dann seit Oktober 1989 begonnen haben und nicht nachgeholt werden können. Zwar werde der Antragsgegner im Frühjahr 1990 weitere Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Bei deren Vergabe konkurriere er aber mit einem anderen Personenkreis. Das Ergebnis lasse sich nicht vorhersehen. Aufgrund der ihm zuerkannten Rangziffer 9 habe er auch einen Anspruch auf Zulassung. Es sei offenkundig fehlerhaft, daß ihm der Antragsgegner allein aufgrund des Auswahlgesprächs vor der Kommission eine Reihe von Bewerbern mit der Rangzahl 11 vorgezogen habe. Soweit sich die Zulassung zum Aufstieg gemäß § 8 Abs. 1 NBG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu richten habe, seien diese Kriterien bereits durch den ersten Abschnitt des Auswahlverfahrens konsumiert. Das jeweils 45-minütige Auswahlgespräch, an dem fünf Bewerber teilgenommen hätten, könne zu keiner von der Rangzahlermittlung abweichenden Beurteilung führen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihn begrenzt bis zu einer klageabweisenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren 2 A 155/89 vorläufig zum Laufbahnlehrgang II/K zuzulassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er stellt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ebenso wie das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs in Frage.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Er ist auf den Erlaß einer Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gerichtet, mit der das Ergebnis des zum Aktenzeichen 2 A 155/89 anhängigen Klageverfahrens teilweise vorweggenommen werden soll. Das Begehren des Antragstellers geht ausdrücklich dahin, zur Aufstiegsausbildung in Gestalt des im Oktober 1989 beginnenden Laufbahnlehrgangs II/K zugelassen zu werden. Es ist somit auf den vorläufigen Erlaß eines Verwaltungsakts i.S. von § 17 Abs. 1 PolNLVO gerichtet, dessen endgültiger Erlaß gemäß § 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO zugleich auch Ziel der zum Aktenzeichen 2 A 155/89 erhobenen Klage ist. Das Ergebnis jenes Hauptsacheverfahrens durch die beantragte einstweilige Anordnung vorwegzunehmen, kann im vorliegenden Fall auch nicht dadurch vermieden werden, daß der Antragsgegner lediglich dazu verpflichtet wird, den Antragsteller vorläufig ohne eine die Zulassung beinhaltende Regelung am Lehrgangsunterricht teilnehmen zu lassen. Eine solche, auf die rein faktische Teilnahme beschränkte Anordnung verbietet sich aufgrund der rechtlichen Stellung des Antragstellers, der als Landesbeamter gemäß § 62 NBG verpflichtet ist, das ihm übertragene Amt eines Kriminalhauptwachtmeisters wahrzunehmen, solange er nicht zur Aufstiegsausbildung zugelassen und zu deren Durchführung freigestellt wird.
Kann danach dem Begehren des Antragstellers nur dadurch entsprochen werden, daß der Antragsgegner bereits im Anordnungsverfahren dazu verpflichtet wird, den Antragsteller durch begünstigenden Verwaltungsakt zur Aufstiegsausbildung zuzulassen, so kann der Antrag keinen Erfolg haben, weil die Voraussetzungen für eine die Hauptsache vorwegnehmende Regelungsanordnung nicht gegeben sind. Für den Erlaß jeder Regelungsanordnung ist erforderlich, daß der Antragsteller darlegt und glaubhaft macht, daß ein regelungsfähiges Rechtsverhältnis besteht (Anordnungsanspruch), und daß ohne die begehrte einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile der in § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO genannten Art drohen (Anordnungsgrund). Wird mit der begehrten einstweiligen Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen, so ist ihr Erlaß nur unter gesteigerten Anforderungen an den Anordnungsanspruch sowie den Anordnungsgrund zulässig. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs ist insoweit die Prognose erforderlich, daß er sich im Verfahren zur Hauptsache aller Voraussicht nach als begründet erweisen wird (Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl. 1986, Rdnr. 245 f.). Ein hinreichender Regelungsgrund liegt nur dann vor, wenn dem Antragsteller für den Fall, daß er auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens verwiesen bleibt, schlechthin unzumutbare und mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbare Nachteile drohen (vgl. Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 247 f.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Der Antragsteller hat schon nicht glaubhaft gemacht, daß das Verfahren zur Hauptsache, dessen Vorwegnahme er begehrt, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu seinen Gunsten ausgehen muß. Soweit der Antragsgegner bei der Auswahl der Bewerber für den Aufstieg in den gehobenen Dienst gemäß § 8 Abs. 1 NBG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzugehen hat, kommt ihm ein Beurteilungsspielraum zu, dessen Inanspruchnahme vom Gericht nur darauf hin überprüft werden kann, ob ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe verkannt, sachfremde Erwägungen angestellt oder Verfahrensvorschriften nicht beachtet worden sind. Derartige Fehler sind dem bisherigen Vorbringen des Antragstellers nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Insbesondere erscheint nicht die Erwartung gerechtfertigt, daß der Antragsteller in einem Verfahren zur Hauptsache Erfolg haben muß, weil sich der Antragsgegner bei seiner abschließenden Entscheidung über die Zulassung zur Aufstiegsausbildung an den vorrangig auf kurzen persönlichen Gesprächen beruhenden Empfehlungen der Auswahlkommission orientiert hat. Es bedeutet nicht ohne weiteres eine Verkennung der Begriffe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung oder eine Verletzung allgemeingültiger Wertmaßstäbe, daß die Auswahlkommission auch solche Bewerber zum persönlichen Gespräch geladen und letztlich gegenüber dem Antragsteller bevorzugt hat, die gegenüber diesem eine um bis zu 2 Punkte schlechtere Rangzahl aufgewiesen haben. Aus den vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgängen läßt sich erkennen, daß eine Differenz der Rangzahl von 2 Punkten einen nur geringfügigen Leistungsunterschied kennzeichnet. Sie hat generell dadurch zustande kommen können, daß vor zwei Bewerbern der eine - bei im übrigen identischen Leistungen - in einem von fünf Auswahlkriterien (Grundausbildungslehrgang, Laufbahnprüfung I, Beurteilungsschnitt, Eignungsbericht und Erfahrung) oder bei der psychologischen Eignungsuntersuchung eine gegenüber dem Optimum um eine Stufe schlechtere Bewertung erhalten hat. Eine solch geringe Leistungsdifferenz aufgrund des Auswahlgesprächs vor der Kommission kompensiert zu haben, erscheint auch deshalb möglich, weil sich die Auswahlentscheidung des Dienstherrn unter den Bewerbern für einen Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn nicht allein an deren Leistungen in der bisherigen Laufbahn orientieren darf, sondern eine prognostische Bewertung ihrer Bewährung unter den künftigen Anforderungen voraussetzt (Kümmel, NBG, § 30 Anm. 3.2 u.H.a. OVG Lüneburg, Urt. v. 18.8.1986 - 2 A 122/85 -, DöD 1987, 290). Dieser Verpflichtung wird der Dienstherr weder durch die kumulative Berücksichtigung vergangener Leistungsbewertungen noch durch einen im Ansatz psychologischen Eignungstest genügen können. Vielmehr wird es erforderlich sein, daß sich der Dienstherr auf der Grundlage der genannten Kriterien in einem weiteren Schritt des Auswahlverfahrens ein Bild davon verschafft, von welchem der Bewerber er in der nächsthöheren Laufbahn die größere fachliche Leistung zu erwarten hat, so daß er der geeignetere für die Zulassung zur Aufstiegsausbildung ist. Im Geltungsbereich der (allgemeinen) Niedersächsischen Laufbahnverordnung bietet hierfür die gemäß § 19 Abs. 1 NLVO ausdrücklich vorgesehene Stellungnahme der Auswahlkommission Gelegenheit. Auch wenn die besondere Niedersächsische Laufbahnverordnung für Polizeivollzugsbeamte in ihrem § 17 keine ausdrückliche Bestimmung über die Einschaltung einer Auswahlkommission enthält, so ist doch ihre Einschaltung vom Beurteilungsspielraum des Dienstherrn gedeckt.
Von alledem abgesehen scheitert das Anordnungsbegehren aber auch deshalb, weil es an einem hinreichenden Anordnungsgrund fehlt. Allerdings ist der Erlaß einer die Hauptsache vorwegnehmenden Regelungsanordnung grundsätzlich auch dann gerechtfertigt, wenn bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache der Rechtsverlust durch Zeitablauf droht und dies für den Antragsteller schlechthin unzumutbar ist (Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 249 m.w.N..). Soweit der Antragsteller geltend macht, "sein" Aufstiegslehrgang beginne im Oktober 1989 und sei für den Fall eines späteren Obsiegens im Hauptsacheverfahren unwiederholbar, vermag ihm aber die Kammer im Ergebnis nicht zu folgen. Es ist bereits zweifelhaft, ob § 17 PolNLVD ein subjektiv-öffentliches Recht zur Teilnahme an einem bestimmten Aufstiegslehrgang begründen kann oder sich nicht vielmehr in einer Regelung der Voraussetzungen für eine allgemeine Zulassung zum Aufstieg erschöpft. Diese Frage kann dahinstehen. Die begehrte einstweilige Anordnung kann jedenfalls deshalb nicht erlassen werden, weil es dem Antragsteller zugemutet werden kann, den geltend gemachten Anspruch auf Zulassung zur Aufstiegsausbildung ohne bestimmten zeitlichen Bezug zu verfolgen und abzuwarten, ob seine Bewerbung, wie vom Antragsgegner in Aussicht gestellt, bereits im Frühjahr nächsten Jahres erfolgreich sein wird.
Der Antrag bleibt nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO ohne Erfolg.