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Abschnitt 1 AV-RA - I. Ausführung der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland

Bibliographie

Titel
Ausführung der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland sowie Anwaltsgerichtsbarkeit (AV-Rechtsanwaltschaft)
Redaktionelle Abkürzung
AV-RA,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
31040

1.
Mitwirkung der Rechtsanwaltskammern an Angelegenheiten des Anwaltsnotariats

(1) 1Ist die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt zugleich zur Notarin oder zum Notar bestellt, stellen insbesondere

  1. a)

    die Einleitung eines Verfahrens zur Rücknahme oder zum Widerruf der Zulassung (§ 14 BRAO),

  2. b)

    die Entscheidung über die Rücknahme oder den Widerruf (§ 14 BRAO),

  3. c)

    die Anordnung der sofortigen Vollziehung von Rücknahme und Widerruf (§ 14 BRAO),

  4. d)

    die im gerichtlichen Verfahren über die Rücknahme und den Widerruf ergehenden Entscheidungen,

  5. e)

    der Tod einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts,

  6. f)

    das Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 13 BRAO),

  7. g)

    Erkenntnisse über Unregelmäßigkeiten bei der Zahlung der Haftpflichtversicherungsbeiträge

regelmäßig für die Präsidentin oder den Präsidenten des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Notarin oder der Notar den Amtssitz hat, eine für notarielle Verwaltungs- und Aufsichtsangelegenheiten relevante und deswegen von den Rechtsanwaltskammern nach Maßgabe des § 64a Abs. 2 BNotO zu übermittelnde Information dar. 2Da den Gerichten, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern sowie den Staatsanwaltschaften bei Absendung der Mitteilungen nach der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) und der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) nicht immer bekannt ist, ob die von den Mitteilungen betroffenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zugleich zur Notarin oder zum Notar bestellt sind, teilen die Rechtsanwaltskammern der Präsidentin oder dem Präsidenten des OLG auf dieser Grundlage auch sonstige Erkenntnisse mit, die im Hinblick auf §§ 50, 54 BNotO von wesentlicher Bedeutung sein können.

(2) Die Rechtsanwaltskammern teilen der Präsidentin oder dem Präsidenten des für den Amtssitz der Anwaltsnotarin oder des Anwaltsnotars zuständigen OLG und des zuständigen LG auf Anfrage nach Maßgabe des § 64a Abs. 2 BNotO Erkenntnisse mit, die der Befähigung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts für eine Notariatsvertretung oder Notariatsverwaltung entgegenstehen können (§ 39 Abs. 3 Satz 1, § 56 Abs. 1 BNotO).

(3) Vor der Tilgung von Eintragungen nach § 205a BRAO werden die Rechtsanwaltskammern jeweils Stellungnahmen der Präsidentin oder des Präsidenten des für den Amtssitz der Anwaltsnotarin oder des Anwaltsnotars zuständigen OLG und des zuständigen LG einholen, ob ein schwebendes Verfahren der Tilgung entgegensteht (§ 205a Abs. 3 BRAO).

2.
Anwaltsgerichtliches Verfahren

2.1
Allgemeine Unterrichtungspflichten der Generalstaatsanwaltschaft im anwaltsgerichtlichen Verfahren

1Über anwaltsgerichtliche Verfahren gegen

  1. a)

    Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (§§ 119 ff. BRAO, § 9 EuRAG),

  2. b)

    niedergelassene europäische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (§ 6 EuRAG in Verbindung mit §§ 119 ff. BRAO),

  3. c)

    dienstleistende europäische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (§§ 33, 34 EuRAG in Verbindung mit §§ 119 ff. BRAO),

  4. d)

    Anwältinnen und Anwälte aus anderen Staaten, die Mitglied der Rechtsanwaltskammer sind (§ 206, § 207 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 119 ff. BRAO),

  5. e)

    Rechtbeistände, die Mitglied der Rechtsanwaltskammer sind (§ 209 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit §§ 119 ff. BRAO) und

  6. f)

    Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die nicht Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte oder Angehörige eines in §§ 206, 209 BRAO genannten Berufes sind (§ 115c Satz 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Satz 3 BRAO),

unterrichtet die Generalstaatsanwaltschaft die zuständige Rechtsanwaltskammer (§§ 60, 206, 209 Abs. 1 Satz 1 BRAO; § 2 Abs. 1, § 32 Abs. 4 EuRAG). 2Die Unterrichtung erfolgt durch Übersendung

  1. a)

    der Anschuldigungsschrift (§ 121 BRAO),

  2. b)

    des Antrags auf Anordnung eines vorläufigen Berufs- oder Vertretungsverbotes oder eines für das Bundesgebiet oder den Geltungsbereich der Bundesrechtsanwaltsordnung auszusprechenden vorläufigen Vertretungsverbotes oder entsprechender Maßnahmen, auch soweit die Verbote gegenständlich beschränkt werden sollen (§§ 150, 161a Abs. 1, § 207 Abs. 2, § 209 Abs. 1 Satz 3, § 115c BRAO; § 6 Abs. 1 und 3, § 34 Nr. 1 EuRAG),

  3. c)

    des Beschlusses des Anwaltsgerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 131 BRAO) oder über die Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens (§ 122 Abs. 3 BRAO),

  4. d)

    einer beglaubigten Abschrift des Beschlusses über die Anordnung der vorläufigen Berufs- oder Vertretungsverbote oder eines für das Bundesgebiet oder den Geltungsbereich der Bundesrechtsanwaltsordnung ausgesprochenen vorläufigen Vertretungsverbotes oder über entsprechende Maßnahmen sowie hierzu ergehender weiterer Entscheidungen (§ 160, § 161a Abs. 2, § 207 Abs. 2, § 209 Abs. 1 Satz 3, § 115c BRAO; § 6 Abs. 1 und 3, § 34 Nr. 1 EuRAG),

  5. e)

    einer beglaubigten Abschrift der die Instanz oder das Verfahren abschließenden Entscheidung.

3Bei Mitteilung einer mit Rechtsmitteln anfechtbaren Entscheidung ist zugleich anzugeben, ob sie rechtskräftig oder mit dem zulässigen Rechtsmittel angefochten ist.

2.2
Zusätzliche Unterrichtungspflichten der Generalstaatsanwaltschaft bei Angehörigen besonderer Berufsgruppen

(1) Mitteilungen nach Nummer 2.1 Satz 2 Buchstabe d) und Satz 3, die dienstleistende europäische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte betreffen, sind nach § 34 Nr. 3 EuRAG auch an alle Rechtsanwaltskammern zu richten.

(2) 1Ist die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt zugleich zur Notarin oder zum Notar bestellt, so sind die Mitteilungen nach Nummer 2.1 jeweils auch an die Präsidentin oder den Präsidenten des OLG und des LG, in deren Bezirken die Notarin oder der Notar den Amtssitz hat, sowie an die Notarkammer zu richten (§ 160 Abs. 1 Satz 2 BRAO, § 64a Abs. 2 BNotO). 2Die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts und die Präsidentin oder der Präsident des LG sind bereits von der Einleitung berufsrechtlicher Ermittlungsverfahren zu unterrichten (§ 64a Abs. 2 BNotO).

(3) Ist die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt zugleich als Wirtschaftsprüferin oder Wirtschaftsprüfer, Steuerberaterin oder Steuerberater, Steuerbevollmächtigte oder Steuerbevollmächtigter, vereidigte Buchprüferin oder vereidigter Buchprüfer bestellt, so sind die Mitteilungen nach Nummer 2.1 auch zu richten:

  1. a)

    bei Wirtschaftsprüferinnen oder Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüferinnen oder Buchprüfern an die Wirtschaftsprüferkammer (§ 36 Abs. 2 BRAO, §§ 61a, 15 ff., 130 Abs. 1 WPO),

  2. b)

    bei Steuerberaterinnen oder Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten an die Steuerberaterkammer Niedersachsen (§ 10 Abs. 2 StBerG).

(4) Sind die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die niedergelassenen europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte oder die Angehörigen eines der in §§ 206, 209 BRAO genannten Berufe zugleich Gesellschafterinnen oder Gesellschafter, Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer, Handlungsbevollmächtigte zum gesamten Geschäftsbetrieb, Prokuristinnen oder Prokuristen einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung und gehören sie einer anderen Rechtsanwaltskammer als die Rechtsanwaltsgesellschaft an, sind auch der für die Rechtsanwaltsgesellschaft zuständigen Rechtsanwaltskammer (§ 60 BRAO) zu übersenden:

  1. a)

    die Mitteilungen nach Nummer 2.1 Satz 2 Buchstabe b),

  2. b)

    die Mitteilungen nach Nummer 2.1 Satz 2 Buchstabe d), Satz 3,

  3. c)

    die Mitteilungen nach Nummer 2.1 Satz 2 Buchstabe e), Satz 3, sofern durch die Entscheidung auf ein Berufs- oder Vertretungsverbot oder eine entsprechende Maßnahme (§ 114 Abs. 1 Nr. 4, §§ 150, 161a, 209 Abs. 1 Satz 3 BRAO), auf ein Vertretungsverbot für das Bundesgebiet oder den Geltungsbereich der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 6 Abs. 3 Satz 1 EuRAG, § 207 Abs. 2 Satz 2 BRAO), auf Ausschließung aus der Rechtanwaltschaft oder eine entsprechende Maßnahme (§ 114 Abs. 1 Nr. 5, § 209 Abs. 1 Satz 3 BRAO) oder auf das Verbot, in Deutschland fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 EuRAG, § 207 Abs. 2 Satz 3 BRAO), erkannt worden ist.

2.3
Zusätzliche Unterrichtungspflichten der Generalstaatsanwaltschaft bei Ausschließung aus der Anwaltschaft und bei Berufs- und Vertretungsverboten sowie bei entsprechenden Maßnahmen

1Im Falle der Verhängung

  1. a)

    eines vorläufigen Berufs- oder Vertretungsverbotes,

  2. b)

    eines gegenständlich beschränkten vorläufigen Vertretungsverbotes oder

  3. c)

    eines für das Bundesgebiet ausgesprochenen vorläufigen Vertretungsverbotes

übersendet die Generalstaatsanwaltschaft der Direktorin oder Präsidentin oder dem Direktor oder Präsidenten des für den Wohnsitz zuständigen AG und, wenn die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt zugleich Notarin oder Notar ist, auch der Notarkammer eine beglaubigte Abschrift der Beschlussformel (§§ 150, § 161a Abs. 2 BRAO, § 6 Abs. 3 EuRAG). 2Treten die Verbote außer Kraft oder werden sie aufgehoben oder abgeändert, gilt Satz 1 entsprechend (§ 160 Abs. 3 BRAO).

2.4
Beantragung eines Berufs- oder Vertretungsverbotes durch die Generalstaatsanwaltschaft im anwaltsgerichtlichen Verfahren

1In allen anwaltsgerichtlichen Verfahren prüft die Generalstaatsanwaltschaft, ob die Verhängung eines Berufs- oder Vertretungsverbotes zu beantragen ist. 2Die Generalstaatsanwaltschaft hat einen solchen Antrag in der Regel zu stellen, wenn sie die Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft oder eine entsprechende Maßnahme (§ 114 Abs. 1 Nr. 5, § 209 Abs. 1 Satz 3 BRAO), das Verbot, in Deutschland fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen (§ 207 Abs. 2 Satz 3 BRAO, § 6 Abs. 3 Satz 2 EuRAG), oder das Verbot, in Deutschland Dienstleistungen zu erbringen (§ 34 Nr. 2 EuRAG), beantragt oder wenn durch noch nicht rechtskräftiges Urteil auf eine solche Maßnahme erkannt worden ist.

3.
Gnadensachen

(1) 1Gesuche um Gnadenerweise in Anwaltsgerichtssachen legt die Generalstaatsanwaltschaft dem Justizministerium mit einem Bericht vor. 2Der Rechtsanwaltskammer und der Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden des Senats des Anwaltsgerichtshofs oder der Kammer des Anwaltsgerichts, zu deren Entscheidung ein Gnadenerweis erbeten wird, ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. 3Sämtliche Umstände, die für die Gnadenentscheidung Bedeutung haben, sind in dem Bericht eingehend zu würdigen; dies gilt insbesondere für die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen.

(2) 1Die Gnadenvorgänge sind in einem besonderen Heft zusammenzufassen. 2Dem Bericht sind die anwaltsgerichtlichen Akten und die von der Rechtsanwaltskammer angeforderten Personalakten beizufügen.

4.
Mitteilungen an das Bundeszentralregister

(1) Die Mitteilungen an das Bundeszentralregister über Entscheidungen zur Versagung, zur Rücknahme und zum Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach §§ 7, 14 Abs. 1 bis 3 BRAO, §§ 11, 13 EuRAG sowie zur Versagung der Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer oder zur Rücknahme oder zum Widerruf der Aufnahme nach §§ 206, 207 Abs. 2 Satz 1, § 209 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 BRAO, §§ 3 Abs. 1, 4 EuRAG, die auf Unzuverlässigkeit, Ungeeignetheit oder Unwürdigkeit im Sinne von § 10 Abs. 2 BZRG beruhen, obliegen gemäß § 20 BZRG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundeszentralregistergesetzes (BZRGVwV) vom 16.12.2008 (BAnz. Nr. 194 S. 4612) den Rechtsanwaltskammern.

(2) Die Mitteilungen über Entscheidungen nach § 114 Abs. 1 Nr. 4 und 5, §§ 150, 161a, 207 Abs. 2 Satz 2, § 209 Abs. 1 Satz 3 BRAO, § 6 Abs. 1 und 3, § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EuRAG in Verbindung mit § 10 Abs. 2 BZRG obliegen gemäß § 20 BZRG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 der BZRGVwV dem Gericht der Anwaltsgerichtsbarkeit, das zuerst über die mitzuteilende Maßnahme entschieden hat.

(3) 1Nach § 3 der BZRGVwV sollen die Mitteilungen binnen eines Monats nach Eintritt der Vollziehbarkeit, Unanfechtbarkeit oder Rechtskraft übermittelt werden. 2Werden vollziehbare Entscheidungen abgeändert oder aufgehoben, wird dies unverzüglich mitgeteilt. 3Bei Entscheidungen, die nach Eintritt der Rechtskraft mitzuteilen waren, wird der Inhalt mitgeteilt, den sie durch die letzte gerichtliche Entscheidung erhalten haben.

5.
Behandlung von Beschwerden über Angehörige der Anwaltschaft oder über Rechtsanwaltsgesellschaften mit beschränkter Haftung durch die Justizbehörden

1Bei den Justizbehörden eingehende Beschwerden über Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, über Angehörige der in §§ 206, 209 BRAO genannten Berufe, über europäische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und über nichtanwaltliche Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung werden der zuständigen Rechtsanwaltskammer (§ 60 Abs. 1, § 206 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BRAO, § 2 Abs. 1, § 32 Abs. 4 EuRAG) zugeleitet. 2Sind der Beschwerde hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat oder eine anwaltsgerichtlich zu ahndende Pflichtverletzung zu entnehmen, ist sie über die zuständige Generalstaatsanwaltschaft der Rechtsanwaltskammer zuzuleiten.