Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.06.1988, Az.: L 6 U 252/87
Durchsetzung eines übergegangenen Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung; Gewährung einer Verletztenrente als Dauerrente; Versagung des Versicherungsschutzes durch einen Haftpflichtversicherer; Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall; Rückgriffsanspruch gegen einen Fahrzeughalter; Leistungsfreiheit eines Haftpflichtversicherers
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 09.06.1988
- Aktenzeichen
- L 6 U 252/87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 20588
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:1988:0609.L6U252.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - S 7 U 101/86
Rechtsgrundlagen
- § 548 Abs. 1 RVO
- § 1542 RVO
- § 823 BGB
- § 76 Abs. 2 S. 3 SGB IV
- § 116 SGB X
- § 51 Abs. 1 SGG
Fundstellen
- NJW 1989, 1759-1760 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1989, 1704-1708 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. Hans-Jürgen Ahrens)
Der 5. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle hat
ohne mündliche Verhandlung am 9. Juni 1988
durch
den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht D...
den Richter am Landessozialgericht Dr. W...
den Richter am Landessozialgericht Dr. U...
sowie die ehrenamtlichen Richter H... und R...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 15. Oktober 1987 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten, ihm den gem § 1542 der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF (seit dem 1. Juli 1983: § 116 Sozialgesetzbuch - SGB - 10) auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch des bei einem Verkehrsunfall Verletzten gem § 76 Abs 2 Satz 3 SGB 4 wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse zu erlassen. Unter den Beteiligten ist streitig, ob für die Klage der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist.
Der Versicherte H ... - G ... S ... - St - hat am 24. Februar 1983 einen von der Beklagten als Arbeitsunfall iS des§ 548 Abs 1 RVO anerkannten Verkehrsunfall erlitten, den der Kläger mit dem von ihm gelenkten Personenkraftwagen - Pkw - verschuldet hat. Der Haftpflichtversicherer des Klägers hat diesem gegenüber den Versicherungsschutz versagt, weil er zur Zeit des Unfalls nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war. Die Beklagte hat die Kosten der ärztlichen Behandlung des St getragen; sie gewährt ihm seit Februar 1984 eine Verletztenrente als Dauerrente in Höhe von 30 vH der Vollrente. Die Beklagte hat gegen den Kläger wegen, des auf sie gem § 1542 RVO aF übergegangenen Schadensersatzanspruchs des St in Höhe eines Teilbetrages ihrer Aufwendungen von 11.231,03 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab 8. November 1984 den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts - AG - Hannover vom 9. Januar 1985 erwirkt. Vollstreckungsversuche waren bisher erfolglos. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1985 hat die Beklagte den Kläger aufgefordert, ihr einen weiteren Teilbetrag der Aufwendungen für St in Höhe von 9.890,78 DM zu ersetzen.
Bei dem Verkehrsunfall am 24. Februar 1983 ist außer St eine weitere Person verletzt worden, deren Behandlungskosten die Allgemeine Ortskrankenkasse - AOK - W ... ... getragen hat. Letztere nimmt den Kläger aus übergegangenem Recht (§ 1542 RVO aF) mit einem Betrag von rund 25.000,-- DM in Regreß. Den Antrag des Klägers, die Regreßforderung gem § 76 Abs 2 Satz 3 SGB 4 zu erlassen, hat die AOK abgelehnt, weil die sofortige Einziehung ihrer Forderung nicht mit einer erheblichen Härte für den Kläger verbunden sei. Das Sozialgericht - SG - Oldenburg hat diesen Bescheid mit Urteil vom 6. Mai 1987 mit der Begründung aufgehoben, über den Erlaß einer Zivilrecht1ichen Forderung könne nicht durch Verwaltungsakt entschieden werden. Über die dagegen zum Aktenzeichen - Az - L 4 Kr 44/87 eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 16. Januar 1986 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm den auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch des St zu erlassen, weil die Einziehung der Forderung für ihn eine besondere Härte iS des § 76 Abs 2 Nr 3 SGB 4 bedeute. Er sei wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, die auch durch die Regreßforderung der AOK W ... bedingt sei, nicht in der Lage, Ersatz zu leisten. Er beziehe Arbeitslosenhilfe in Höhe von rund 199, - DM wöchentlich. Wegen seines fortgeschrittenen Lebensalters habe er keine Aussicht, in seinem Beruf als Monteur einen Dauerarbeitsplatz zu erlangen. Es müsse auch berücksichtigt werden, daß er nur deshalb von der Beklagten und der AOK W ... in Regreß genommen werde, weil der Haftpflichtversicherer den Versicherungsschutz versagt habe. Sein - des Klägers - Verschulden, das die Versagung des Versicherungsschutzes zur Folge habe, sei gering: Am Tage des Verkehrsunfalls sei er von der Straßenverkehrsbehörde benachrichtigt worden, daß ihm - nach erfolgter Entziehung der Fahrerlaubnis - eine neue Fahrerlaubnis erteilt werden würde.
Die Beklagte lehnte es mit Schreiben vom 22. Januar 1986 ab, die Regreßforderung zu erlassen: Die nach § 76 Abs 2 Nr 3 SGB 4 erforderliche "besondere Härte" liege nicht vor. Sie, die Beklagte sehe aber wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vorläufig - bis zum 31. Januar 1988 - von der Durchsetzung ihres Zahlungsanspruchs ab. Gegen dieses "Schreiben" legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 1986 als unzulässig zurückwies, weil das Schreiben vom 22. Januar 1986 keinen Verwaltungsakt darstelle; bei dem von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch handele es sich um einen solchen zivilrechtlicher Natur.
Das SG Oldenburg hat die Klage mit Urteil vom 25. Oktober 1987 abgewiesen, weil der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben sei.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 3. November 1987 zugestellte Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat der Kläger am 11. November 1987 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, daß die Beklagte über den von ihm erhobenen Anspruch auf Erlaß der Regreßforderung durch Verwaltungsakt zu entscheiden habe, und er beruft sich auf das in (BGHZ 88, 296 = NJW 1984, 240) veröffentliche Urteil des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 5. Oktober 1983. Mit diesem Urteil - so trägt der Kläger vor - sei die frühere Rechtsprechung, nach der der Rückgriffsanspruch eines Sozial-Versicherungsträgers - SVTr - gegen einen Kraftfahrzeughalter, dessen Haftpflichtversicherer wegen der Verletzung einer Obliegenheitspflicht vor Eintritt des Schadensfalles leistungsfrei sei, auf einen Betrag bis zu 5.000, -- DM beschränkt sei, aufgegeben worden. Nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe dieses Urteils sei hierfür maßgebend gewesen, daß nunmehr § 76 Abs 2 SGB 4 den SVTr verpflichte, den Regreß der Höhe nach durch Verwaltungsakt zu beschränken. Ein solcher - ablehnender -Verwaltungsakt könne nur von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit überprüft werden. Im übrigen - so meint der Kläger - bedeute es für ihn wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse eine besondere Härte, wenn die Beklagte auf der Einziehung der Regreßforderung bestehe. Diese besondere Härte sei auch nicht dadurch entfallen, daß ihm inzwischen von der Landesversicherungsanstalt - LVA - H ... vom 2. April 1987 an eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, ab 1. Juli 1987 in Höhe von 1.310,63 DM monatlich, gewährt werde.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des SG Oldenburg vom 15. Oktober 1987 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 1986 sowie den Widerspruchsbescheid vom 21. März 1986 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, daß für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erlaß der von der Beklagten gegen ihn erhobenen Regreßforderung der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben ist.
Nach § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ua in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Eine solche Streitigkeit liegt hier nicht vor. Die Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Rechtsweges folgt nicht schon daraus, daß die Beklagte über den Widerspruch des Klägers gegen das den Erlaß der Regreßforderung ablehnende Schreiben vom 22. Januar 1986 förmlich durch einen Widerspruchsbescheid entschieden hat. Denn die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit iS der vorgenannten Vorschrift vorliegt, hängt nicht von der gewählten Form der Ablehnung, sondern von dem Streitgegenstand ab (BSG 12, 208), der nach der Begründung des Widerspruchsbescheides bürgerlich-rechtlicher Natur ist.
Diese Auffassung trifft zu. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der der Senat folgt, ist die Frage, ob eine Streitigkeit Öffentlich- oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, nicht danach zu bewerten, welche Rechtsnorm der Kläger als Anspruchsgrundlage bezeichnet (Bundessozialgericht - BSG - vom 14. Januar 1987 - 8 RK 17/86 -). Die Abgrenzung ist vielmehr von der Sache her zu treffen, Ausgangspunkt muß deshalb die Frage sein, welcher Art das Klagebegehren nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist, ob also der Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil oder des Sozialversicherungsrechts geprägt wird, regelmäßig also, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen (Gemeinsamer Senat der Obersten Bundesgerichte - GmSOBG - vom 10. April 1986 in "Die Berufsgenossenschaft" 1987, 93 und vom 29. Oktober 1987 in "Versicherungsrecht" 1988, 473; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: März 1987, S 187 1 II).
Der hier zu beurteilende Sachverhalt, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleitet, ist nicht entscheidend durch einen Rechtssatz des öffentlichen Rechtes geprägt. Bei der Regreßforderung, derentwegen die Beklagte den Kläger in Anspruch nimmt, handelt es sich um einen auf sie gem § 1542 RVO aF übergegangenen Schadensersatzanspruch des St aus unerlaubter Handlung (§ 823 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -), also um einen Anspruch gegen einen Gleichgeordneten, dessen Durchsetzung den Regelungen des materiellen- und formellen Zivilrechts unterliegt. Dazu gehört auch der vom Kläger begehrte Erlaß der Forderung (§397 BGB). Daß Inhaber des hier streitigen Anspruchs nunmehr eine Körperschaft des öffentlichen Rechts - die Beklagte - ist, ist unerheblich. Der Wechsel des Gläubigers läßt die rechtliche Qualifikation des bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzanspruchs unberührt. Für Ansprüche dieser Art ist - was keinen Zweifeln unterliegt - der Rechtsweg zu den Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit gegeben (§ 13 Gerichtsverfassungsgesetz. - GVG -; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: August 1987 Bd I 1 S 187 r III und 1987 t).
§ 76 SGB 4, auf den sich der Kläger beruft, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Nach Abs 1 dieser Vorschrift sind Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, und nach Abs 2 darf der Versicherungsträger Ansprüche nur stunden (Nr 1), niederschlagen (Nr 2) oder erlassen (Nr 3), wenn die dort näher beschriebenen Voraussetzungen vorliegen. Ein Erlaß (Nr 3 Satz 1) kommt nur in Betracht, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Anspruchsgegner eine besondere Härte bedeuten würde. Es kann schon zweifelhaft sein, ob diese Vorschrift - sie ist im Abschnitt "Haushalts- und Rechnungswesen" des SGB 4 (3. Titel) normiert - anspruchsbegründende Wirkung (zumindest auf Ausübung eines fehlerfreien Ermessens) in den Fällen hat, in denen der vom SVTr verfolgte Anspruch zß auf Entrichtung von Beiträgen oder auf Erstattung von Leistungen aus dem öffentlichen Recht herzuleiten ist (bejahend: BSG vom 23. Februar 1988 - 12 RK 50/86 : Erhebung von Stundungszinsen auf geschuldete Sozialversicherungsbeiträge gem § 76 Abs 2 Nr 2 Satz 2 SGB 4; Wannagat, SGB 4, Stand: August 1987, Rdn 7 zu § 76; Hauck/Haines, SGB 4 Bd I, Stand: März 1988, Rdn 4 zu § 76; verneinend: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: Februar 1987, Teil 1/2 Anm 2 zu § 76 SGB.4). Weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien ist indessen zu entnehmen, daߧ 76 Abs 2 SGB 4 unter den dort genannten Voraussetzungen einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Beschränkung (Stundung, Niederschlagung oder Erlaß) auch, eines bürgerlich-rechtlichen Anspruchs begründet. Die genannte Vorschrift entspricht §§ 19 Abs 1 und 31 Abs 2 Haushaltsgrundsätzegesetz - HGrG - sowie § 34 Abs 1 und § 59 Abs l Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung - BHO - (beide vom 19. August 1969) und zeigt - wie diese - lediglich die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Beschränkung von Ansprüchen auf. Soweit ersichtlich, wird zu den zuletzt genannten Vorschriften nicht die Auffassung vertreten, daß der Schuldner einer im bürgerlichen Recht begründeten Leistung ein subjektives öffentliches Recht darauf hat, daß die Behörde über die Stundung, die Niederschlagung oder den Erlaß ihrer Forderung durch einen verwaltungsgerichtlich nachprüfbaren Verwaltungsakt entscheidet. Die vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu § 59 BHO sehen im Gegenteil ausdrücklich vor, daß die Stundung oder der Erlaß von Ansprüchen, die privatrechtlich begründet sind, vertraglich zu vereinbaren sind (zitiert bei Jahn, SGB 4, Stand: Januar 1988, Rdn 7 zu § 76). Nichts anderes kann für SVTr als Gläubiger einer bürgerlich-rechtlichen Forderung gelten. Die Annahme, daßüber das Begehren des Schuldners einer solchen Forderung durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist, setzte voraus, daß sich das Gleichordnungsverhältnis zwischen dem SVTr und dem Schuldner, zB bei einem Mietvertrag, einem Kaufvertrag oder einem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, bei dem Begehren auf Stundung, Niederschlagung oder Erlaß in ein öffentlich-rechtliches Verhältnis der über- und Unterordnung umwandelt und nun-mehr anderen - öffentlich-rechtlichen- Regelungen unterworfen ist. Für diese Annahme geben das HGrG und die BHO nichts her, und es ist auch nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber des SGB 4 1n der gleichlautenden Regelung des § 76 Abs 2 SGB 4 für den weiten Bereich, in dem SVTr ihre Aufgaben mit Mitteln und in Form des Privatrechts erfüllen, eine Änderung hergebrachter Grundsätze herbeiführen wollte. Ist die Forderung des SVTr - wie hier - schuldrechtlicher - und damit bürgerlich-rechtlicher Art, dann bedarf es für die Stundung und den Erlaß einer vertraglichen Vereinbarung (Wannagat aaO Rdn 22; Jahn aaO). Deshalb bleibt auch im vorliegenden Fail das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Rechtsverhältnis für die Abwicklung des Regreßanspruchs bürgerlich-rechtlich geprägt. Der Regreßanspruch der Beklagten und deren Befugnis zur Einziehung der Forderung stehen ganz im Vordergrund der Streitigkeit. Zur Entscheidung über die Begrenzung dieses Anspruchs sind die Zivilgerichte als sachnächste Gerichte berufen (§ 13 GVG).
Auf das in BGHZ 88, 296 <= NOV 1984, 240) veröffentlichte Urteil des BGH kann sich der Kläger nicht berufen. Mit diesem Urteil hat der BGH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der der Rückgriffsanspruch eines SVTr gegen einen Fahrzeughalter, dessen Haftpflichtversicherer wegen einer Obliegenheitsverletzung vor Eintritt des Versicherungsfalles 1n vollem Umgang leistungsfrei wird, entsprechend der Geschäftsplanmäßigen Erklärung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer von 1975 auf 5.000,- DM begrenzt worden war (BGHZ 80, 332). Der BGH hat seine neue Auffassung mit den Gesetzesmaterialien zu § 116 SGB 10 begründet - diese Vorschrift hat den § 1542 RVO ab 1. Juli 1983 ersetzt -, denen er entnommen hat, daß sich die Möglichkeit der Begrenzung des Regresses nunmehr aus § 76 Abs 2 SGB 4 ergibt. Die dieses Urteil tragenden Gründe erstrecken sich indessen allenfalls hierauf, nicht aber auf den in den Entscheidungsgründen weiter enthaltenen Hinweis, daß eine etwaige Stundung oder ein vollständiger oder teilweiser Erlaß der Regreßforderung einen Verwaltungsakt voraussetzt, dessen Rechtmäßigkeit nicht von den ordentlichen Gerichten überprüft werden könne. Da der BGH nach dem veröffentlichten Tatbestand des Urteils über den im Streitfall eingeschlagenen Rechtsweg nicht zu entscheiden brauchte, handelt es sich insoweit lediglich um eine Meinungsäußerung ohne bindende Aussagekraft. Das folgt auch aus dem in NJW 1988, 1267 [BGH 13.01.1988 - IVa ZR 152/86] veröffentlichten neuen Urteil des BGH vom 13. »Januar 1988, in dem zwar ausgeführt ist, daß die SVTr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs 2 SGB 4 verpflichtet sind, den Regreß entsprechend zu beschränken, die Frage des Rechtsweges für eine Entscheidung hierüber aber nicht erwähnt ist.
Im übrigen vermochte der Senat der zuletzt erwähnten Auffassung des BGH nicht zu folgen, weil sie auf einer Interpretation der Gesetzesmaterialien zu § 116 SGB 10 beruht, für die sich dort kein Anhalt findet. Danach ist bei den parlamentarischen Beratungen dieser Vorschrift lediglich zum Ausdruck gekommen, daß SVTr "von der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches zur Vermeidung unbilliger Härte nur nach den Grundsätzen des § 76 Abs 2 SGB 4 absehen dürfen". An keiner Stelle dieser Materialien findet sich der Hinweis, daß die Entscheidung hierüber durch einen Verwaltungsakt zu treffen 1st, der von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu überprüfen wäre. Allerdings wird 1n der Literatur im Zusammenhang mit der Beschränkung des Rückgriffsanspruchs von SVTr gegen Kraftfahrzeughalter in den oa Fällen (Leistungsfreiheit der Haftpflichtversicherer wegen Verletzung einer Obliegenheitspflicht) die Auffassung vertreten, daß der SVTr im Einzelfall nicht nur das Recht (§76 Abs 2: "darf"), sondern "im Hinblick auf die soziale Komponente dieser Vorschrift" sogar die Pflicht hat, den Anspruch zu erlassen (Gitter 1n "Die Berufsgenossenschaft" 1982, 190; Hoegen in Lindemaier-Möhring - LM - Nr 126 zu §1542 RVO; Schröter in Gesamtkommentar - GK - SGB Bd 4 § 76 SGB 4 Anm 3). Diese ohne nähere Begründung vertretene Meinung mißt der haushaltsrechtlichen Vorschrift des 5 76 SGB 4.eine Bedeutung zu, die sie - bezogen auf eine bürgerlich-rechtliche Forderung - nicht hat und die sie auch nicht haben kann. SVTr sind in ihrer Entscheidung über die Stundung, die Niederschlagung oder den Erlaß einer bürgerlich-rechtlichen Forderung nur intern den Regelungen des § 76 Abs 2 SGB 4 unterworfen (Wannagat aaO; Jahn aaO); ihre Entschließung unterliegt allenfalls der Überprüfung durch Aufsichtsbehörden (vgl "Wege zur Sozialversicherung" 1984, 92). Wenn der Schuldner (Kraftfahrzeughalter) eines bürgerlich-rechtlichen Rückgriffsanspruchs eines SVTr ein subjektives öffentliches Recht auf Stundung, Niederschlagung oder Erlaß der Forderung haben soll - wie Gitter meint -, dann müßte dies für andere Schuldner, deren Verpflichtung gegenüber diesen Trägern sich ebenfalls aus einer bürgerlich-rechtlichen Norm (Vertrag - zB Mietvertrag - Kaufvertrag oder unerlaubter Handlung) ergibt, 1n gleicher Weise gelten. Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber - wie oben dargelegt - weder für die Behörden, für die das HGrG und die BHO gelten, noch für SVTr in § 76 Abs 2 SGB 4 gezogen. Ebensowenig wie ein SVTr einen bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch durch Verwaltungsakt durchsetzen kann (BSG vom 14. Januar 1987 - 8 RK 17/86 - und GmSOBG vom 23. Februar 1988 in "Versicherungsrecht" 1988, 499), hat dessen Schuldner einer im bürgerlichen Recht begründeten Geldleistung ein subjektives Öffentliches Recht darauf, daß die Forderung bei Vorliegen der in § 76 Abs 2 SGB 4 genannten Voraussetzungen gestundet, niedergeschlagen oder erlassen wird. Die bürgerlich-rechtlichen Beziehungen bleiben auch für die Einziehung der Forderung bestehen. Dafür, daß auch insoweit allein der Rechtsweg zu den Zivilgerichten offensteht, spricht der das Verfahrensrecht beherrschende Grundsatz der Prozeßökonomie, der eine unzweckmäßige Rechtszersplitterung verhindern soll. Wendet der von einem SVTr in Anspruch genommene Schuldner einer Regreßforderung im Zivilprozeß ein, er könne wegen seiner schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht leisten, würde es keine sachgerechte Rechtswegeabgrenzung darstellen, wenn alleine hierüber von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit entschieden würde. Nach Auffassung des Senats besteht kein Grund, der die Zivilgerichte daran hindert, in einem Rechtsstreit über die Höhe des Regreßanspruchs zu prüfen und entscheiden, ob der SVTr verpflichtet ist, von einem Regreß - möglicherweise aufgrund des § 242 BGB aus Billigkeitsgründen, die sich an der Regelung des § 76 Abs 2 SGB 4 orientieren könnten - ganz oder teilweise abzusehen (Oberlandesgericht - OLG - Frankfurt aM, Urteil vom 19. Februar 1985 - 14 U 236/83 - in "Zeitschrift für Schadensrecht" 1985, 170).
Das Begehren des Klägers hat keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung zum Gegenstand. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht gegeben. Einen Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (S 52 Abs 3 SGG) hat der Kläger nicht gestellt.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§160 Abs 2 Nr 1 SGG).