Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.02.2009, Az.: Ss 29/09

Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld als Grundlage für die Annahme eines für den Täter-Opfer-Ausgleich erforderlichen kommunikativen Prozesses trotz eines tatsächlich fehlenden Gesprächs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
25.02.2009
Aktenzeichen
Ss 29/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 13379
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2009:0225.SS29.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 06.11.2008 - AZ: 16 Ns 528/08

Fundstelle

  • StraFo 2009, 210-211

Verfahrensgegenstand

Gefährliche Körperverletzung

Amtlicher Leitsatz

Auch wenn der Täter und sein Opfer in einem Prozess nicht unmittelbar miteinander gesprochen haben, so kann dennoch von einem für den Täter-Opfer-Ausgleich erforderlichen kommunikativen Prozess ausgegangen werden, wenn der Täter den geforderten Schadensersatz- und Schmerzensgeldbetrag gezahlt, die Anwaltskosten des Opfers übernommen, eine Wiedergutmachungszahlung geleistet und sich beim Opfer schriftlich entschuldigt hat.

In dem Strafverfahren
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 25. Februar 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Suermann und
die Richter am Oberlandesgericht Finck und Hilke-Eggerking
gemäß § 349 Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 6.11.2008 - soweit es die Berufung des Angeklagten betrifft - im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Aurich zurückverwiesen. Diese hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.

Gründe

1

Das Amtsgericht Emden hat den Angeklagten mit Urteil vom 20.5.2008 wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Emden vom 13.2.2007 -6 Ls 121 Js 23454/05 (33/06) - in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Aurich vom 7.11.2007 - 12 Ns 517/07 - und Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

2

Die auf das Strafmaß beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Aurich mit Urteil vom 6.11.2008 verworfen. Die ebenfalls auf das Strafmaß beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht im selben Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Emden vom 13.2.2007 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Aurich vom 7.11.2007 - und Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und drei Monaten verurteilt wird.

3

Mit seiner hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Landgericht habe u.a. rechtsfehlerhaft das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a StGB verneint und habe deshalb von der Möglichkeit der Strafmilderung zu Unrecht keinen Gebrauch gemacht.

4

Die Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

5

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Revision des Angeklagten u.a. folgendes ausgeführt:

"Mit dem Revisionsführer ist davon auszugehen, dass bei den getroffenen Feststellungen auch der für § 46a Ziff. 1 StGB geforderte kommunikative Prozess zwischen Täter und Opfer als gegeben angenommen werden muss. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil dafür nicht zwingend der persönliche Kontakt zwischen Täter und Opfer erforderlich ist (LK, 12. Aufl. Rdnr. 36 zu § 46a StGB). Auch ist dies bis zum Zeitpunkt des Urteils möglich, selbst wenn der Schuldspruch schon in Rechtskraft erwachsen und der Angeklagte auf Zahlung in Anspruch genommen worden ist (LK, Rdnr. 52 a.a.O.).

Der Angeklagte hat an den Geschädigten laut Urteilsfeststellungen den von diesem verlangten Schadensersatz- und Schmerzensgeldbetrag, sowie die insoweit geforderten Anwaltskosten erstattet. Zusätzlich zahlte der Angeklagte eine Wiedergutmachung von 500,- EUR und entschuldigte sich schriftlich bei dem Zeugen H.....

Laut Urteilsfeststellungen hat der Zeuge H.... diese Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung bestätigt. Der Zeuge hat folglich die Zahlungen insgesamt angenommen. Dass er diese nicht als ausreichend angesehen oder dass der Zeuge die Entschuldigung nicht angenommen hat, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

Damit hat im Rahmen der Hauptverhandlung eine Kommunikation über diese Punkte stattgefunden, selbst wenn der Angeklagte und der Zeuge H.... nicht unmittelbar miteinander gesprochen haben."

6

Diesen Ausführungen tritt der Senat aufgrund eigener Prüfung bei.

7

Soweit das Landgericht davon ausgeht, die Voraussetzungen des § 46a Abs. 1 StGB lägen nicht vor, weil die Zahlungen sich nicht als Folge einer vom Angeklagten oder vom Geschädigten ausgehenden Ausgleichsbemühung, sondern als Folge der zivilrechtlichen Geltendmachung von Ansprüchen durch den Geschädigten darstellten, vertritt das Landgericht offensichtlich die Ansicht, dass nach zivilrechtlicher Geltendmachung von Ansprüchen seitens des Geschädigten die Anwendung des § 46a Abs. 1 StGB nicht mehr in Betracht komme. Diese Ansicht ist unzutreffend. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, steht der Anwendung des § 46a StGB nicht entgegen, dass der Angeklagte den finanziellen Ausgleich durch seinen Verteidiger und erst dann veranlasst hat, nachdem er von dem Geschädigten auf Zahlung in Anspruch genommen worden ist ( BGH StV 2000, 129).

8

Hätte das Landgericht das Vorliegen von § 46a Ziff. 1 StGB bejaht, kann nicht vollends ausgeschlossen werden, dass es von der Milderungsmöglichkeit gemäß § 49 StGB Gebrauch gemacht hätte und zu einer Strafrahmenverschiebung und einer dem Angeklagten günstigeren Strafe gekommen wäre.

9

Das angefochtene Urteil war somit wie geschehen im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache an das Landgericht Aurich zurück zu verweisen.

10

Eine Anwendung von § 354 Abs. 1a S. 2 StPO kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht (Meyer-Goßner, 51. Aufl., Rdnr. 29 zu § 354 StPO).