Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.07.1999, Az.: 1 RE-Miet 1/99
Mietnebenkosten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 08.07.1999
- Aktenzeichen
- 1 RE-Miet 1/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 18224
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1999:0708.1RE.MIET1.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG ... - AZ: 5 S 110/98
- AG ... - AZ: 23 C 73/98
Fundstellen
- IPuR 2000, 31
- MDR 2000, 146-147 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 2000, 85-87 (Volltext mit amtl. LS) "Rückforderbarkeit der Vorauszahlungen"
- NWB 1999, 3377-3378
- NZM 1999, 751-753
- RdW 2000, 159-160
- WuM 1999, 511-513 (Volltext mit amtl. LS)
- ZMR 1999, 694-696
Verfahrensgegenstand
Mietnebenkosten
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die Vorlage der 5. Zivilkammer des Landgerichts ...
durch
den Präsidenten des Oberlandesgerichts ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 8. Juli 1999 beschlossen:
Tenor:
Unterläßt es der Vermieter von Wohnraum bei inzwischen beendetem Mietverhältnis, über die in vergangenen Zeiträumen angefallenen Mietnebenkosten eine ordnungsgemäße Abrechnung zu erteilen, und holt er die Abrechnung auch nicht während des vom Mieter angestrengten Prozesses auf Rückzahlung der Nebenkostenvorauszahlungen nach, so kann der Mieter die für die nicht abgerechneten Zeiträume geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen zurückverlangen, soweit sie nicht durch unstreitig entstandene Nebenkosten verbraucht sind. Der Mieter ist gehalten, anhand gegebener Anhaltspunkte die Mindesthöhe der tatsächlich entstandenen Nebenkosten zu schätzen und annäherungsweise vorzutragen.
Kann er dies mangels jeglicher Anhaltspunkte nicht, ist er berechtigt, die Vorauszahlungen insgesamt zurückzufordern.
Gründe
I.
Die Klägerin mietete mit Vertrag vom 23.10.1992 vom Beklagten eine Wohnung. Der Mietvertrag enthält die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung monatlicher Abschlagszahlungen auf die Nebenkosten für Müll, Abwasser, Schornsteinfeger, Gas, Wasser, Heizung und Warmwasser ohne Angabe der Höhe sowie die Verpflichtung des Vermieters, die. Nebenkosten mit dem Mieter abzurechnen, ohne daß ein Zeitpunkt hierfür angegeben ist. Die Klägerin hat von Oktober 1993 - April 1997 monatliche Nebenkostenvorauszahlungen von 250,00 DM an den Beklagten geleistet. Seit 01. Mai 1997 ist das Mietverhältnis beendet. Bis dahin hatte der Beklagte der Klägerin lediglich für den Zeitraum vom 01.10.1993-30.09.1994 eine Abrechnung über die Mietnebenkosten erteilt. Während des Prozesses erteilte der Beklagte Abrechnungen auch für die Zeiträume Oktober 1994 bis September 1995 und Oktober 1995 bis September 1996. Eine Abrechnung für den Zeitraum vom 01.10.1996 bis zum 31.05.1997 fehlt bislang
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung der von ihr entrichteten Nebenkostenvorauszahlungen in voller Höhe. Sie hat die Auffassung vertreten, die für 1993/1994 erteilte Abrechnung sei unzureichend: die während des Prozesses erteilten Abrechnungen seien ebenfalls nicht ordnungsgemäß jedenfalls aber verspätet. Die Klägerin hält sich für berechtigt, die Vorauszahlungen mangels ordnungsgemäßer Abrechnung insgesamt zurückzuverlangen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Rechtsgrund für die Nebenkostenvorauszahlungen sei nicht im Nachhinein entfallen: die Nebenkostenforderungen des Beklagten seien weder verjährt noch verwirkt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter.
Das Landgericht hat die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt zur Einholung eines Rechtsentscheides über folgende Rechtsfrage: "Hat der Mieter, wenn der Vermieter es unterläßt über die im Laufe eines Jahres angefallenen Mietnebenkosten eine ordnungsgemäße Abrechnung zu erteilen auch dann keinen Anspruch auf Rückzahlung der in dem betreffenden Zeitraum vertragsgemäß geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen, wenn das Mietverhältnis bereits beendet ist?" Das Landgericht hält die Abrechnungen für die Zeiträume 1994/1995 und 1995/1996 für formal ordnungsgemäß, nicht jedoch die Abrechnung für 1993/1994 und meint daß die Klägerin für 1993/94 und 1996/97 die geleisteten Vorauszahlungen zurückverlangen könne. Anders als in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall (Rechtsentscheid vom 26.06.1998 WuM 1998, 476 ff.) sei das Mietverhältnis beendet: damit fehle der Klägerin das Druckmittel wegen der fehlenden Abrechnungen die künftigen Nebenkostenvorauszahlungen noch zurückzuhalten. Eine Verurteilung des Beklagten zur Abrechnung sei möglicherweise im Wege der Zwangsvollstreckung tatsächlich nicht durchsetzbar: dann trüge der Mieter das Risiko einer etwaigen Überzahlung. Dies stehe im Widerspruch zu der den Vermieter treffenden Nachweispflicht. Diese dürfe der Vermieter nicht dadurch umgehen können, daß er sich mit den vertraglich geleisteten Vorauszahlungen begnüge und eine Abrechnung schuldig bleibe.
II.
Die Vorlage ist gem. § 541 Abs. 1 S. 1 ZPO zulässig. Der Senat beantwortet sie - ohne Veränderung ihres rechtlichen Kerns - wie aus dem Leitsatz ersichtlich.
1.
Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt. Auf die zutreffenden Ausführungen des OLG Hamm im Rechtsentscheid vom 26.06.1998 (WuM 1998, 476 ff. = MDR 1998, 1158 f [OLG Hamm 26.06.1998 - 30 ReMiet 1/98]) wird verwiesen.
Die Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Landgerichts über die Berufung auch erheblich. Das Landgericht hat allerdings nicht geprüft, ob der Mietvertrag zwischen den Parteien gesonderte Regelungen enthält. Es ist aber ersichtlich davon ausgegangen, daß dies nicht der Fall ist. Aus den zwischenzeitlich von den Parteien eingereichten Mietverträgen ergibt sich in der Tat keine vertragliche Regelung der Frage. Außerdem ist zwischen den Parteien unstreitig, daß monatliche Nebenkostenvorauszahlungen von 250,00 DM vereinbart sind; von daher gibt auch die fehlende Angabe der Vorauszahlungshöhe im Mietvertrag keinen Anlaß zur weiteren Nachprüfung.
Ein Rechtsentscheid ist über die Vorlagefrage soweit ersichtlich nicht ergangen. Der zitierte Rechtsentscheid des OLG Hamm betrifft nur die Rechtsfolgen fehlender Nebenkostenabrechnungen bei fortbestehenden Mietverhältnis; die Frage, wie bei bereits beendetem Mietverhältnis zu entscheiden ist, ist ausdrücklich offengelassen worden.
2.
Der Senat ist mit dem OLG Hamm a.a.O. der Auffassung, daß nur eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB einen Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der geleisteten Nebenkostenvorauszahlungen bei fehlender Abrechnung zu begründen vermag. Ob die Vertragsauslegung dazu führt, daß der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Vorauszahlungen entfällt und demgemäß ein Bereichungsanspruch besteht, oder ob sich im Wege der Auslegung dem Mietvertrag ein unmittelbarer Rückzahlungsanspruch entnehmen läßt, kann dabei dahingestellt bleiben.
a)
Andere Anspruchsgrundlagen scheiden jedenfalls aus; insoweit wird auf die Ausführungen im Rechtsentscheid des OLG Hamm verwiesen. Der Senat vermag auch nicht der Ansicht von Schmid (Rückzahlung von Betriebskostenvorauszahlungen bei fehlender Abrechnung. WuM 1997, 158 f) zu folgen der einen aufschiebend bedingten Rückzahlungsanspruch annimmt der nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB zum Tragen kommen soll, wenn der Vermieter nicht abrechnet und dadurch den Bedingungseintritt treuwidrig verhindert. Es ist zwar richtig, daß die Vorauszahlung auf eine der Höhe nach nicht feststehende Forderung stets die Möglichkeit der Rückzahlung in sich birgt. Daraus ergibt sich aber noch kein - bedingter - Rückzahlungsanspruch des Vorauszahlenden, sondern nur die Möglichkeit eines solchen Rückzahlungsanspruchs, nämlich für den Fall, daß die Vorauszahlungen höher sind als die tatsächliche Schuld. Ein solcher potentieller Anspruch kann nicht dadurch daß die Abrechnung unterbleibt, zu einem realen Anspruch werden.
b)
Die ergänzende Vertragsauslegung setzt zunächst voraus daß der Mietvertrag eine Regelungslücke enthält. Eine solche Lücke kann angenommen werden, wenn die Ergänzung des Vertrages unerläßlich ist, um die Gefährdung des Vertragszweckes zu vermeiden: der Vertragszweck wäre gefährdet wenn einem Vertragsteil ohne die Ergänzung ein ungebührlicher, unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
Diese Voraussetzung liegt nach Auffassung des Senats vor. Bei beendetem Mietvertrag ist der Mieter gegen die Folgen fehlender Nebenkostenabrechnungen jedenfalls insoweit nicht hinreichend geschützt als ihm wegen geringerer tatsächlicher Kosten ein Rückzahlungsanspruch zustehen könnte. Der Mieter könnte selbst die Abrechnung vornehmen und sodann Auskehrung eines etwaigen Überschusses verlangen Meist werden ihm hierfür aber die erforderlichen Informationen, Unterlagen und Kenntnisse fehlen. Der Mieter kann stattdessen gegen den Vermieter auf Erteilung der Abrechnung klagen ggf. im Wege der Stufenklage in Verbindung mit der zunächst noch unbezifferten Rückzahlungsklage. Jedoch kann die nach § 888 ZPO vorzunehmende Vollstreckung eines erstrittenen Urteils das den Vermieter zur Abrechnung verpflichtet, zeitraubend und mühsam sein oder auch gänzlich erfolglos. Gerade in den Fällen vermieteten Wohnungseigentums ist dem Eigentümer nicht selten eine ordnungsgemäße Abrechnung kaum möglich, wenn er nämlich selbst von der Hausverwaltung keine Abrechnung erhält die den Anforderungen an die Abrechnung von Mietnebenkosten genügt.
Eine solche Situation ist für den Mieter hinnehmbar, solange er bei fortbestehendem Mietverhältnis wegen der ausstehenden Nebenkostenabrechnungen von seinem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB Gebrauch machen und die fälligen Nebenkostenvorauszahlungen einbehalten kann. Insofern besteht, wie das OLG Hamm zutreffend entschieden hat, bei Fortdauer des Mietverhältnisses kein für den Mieter unzumutbarer Nachteil, der eine ergänzende Vertragsauslegung notwendig machen würde.
Fehlt indessen das Druckmittel des Zurückbehaltungsrechts, so bleibt für den Mieter, wenn er nicht ausnahmsweise selbst die Abrechnung erstellen kann, nur der umständliche und im Ergebnis möglicherweise erfolglose Weg der Klage auf Abrechnung. Dies benachteiligt den Mieter nach Auffassung des Senats entgegen den Geboten von Treu und Glauben derart, daß anzunehmen ist, Mieter und Vermieter hätten, wenn sie dieses Problem bei Eingehen des Mietverhältnisses erkannt hätten, es nicht ungeregelt gelassen. Eine Vertragslücke kann damit festgestellt werden.
c)
In den Mietvertrag, der keine gesonderte Regelung der Folgen fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Nebenkostenabrechnungen enthält ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Regelung aufzunehmen wie sie die Mietvertragsparteien unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben getroffen hätten, wenn sie an den ungeregelten Punkt gedacht hätten. Dabei muß in erster Linie auf die berechtigten Interessen der. Vertragsparteien abgestellt werden. Wie schon ausgeführt, wäre es mit den Geboten von Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn der Vermieter trotz fehlender Nebenkostenabrechnungen ohne jegliche Konsequenz die geleisteten Vorauszahlungen behalten könnte, solange der Mieter nicht die Abrechnungen erzwingt oder sie selbst vornimmt, um etwaige Überzahlungen zurückverlangen zu können. Das vorlegende Landgericht will dem Mieter in Anlehnung an Schmid a.a.O. das Recht geben, die geleisteten Vorauszahlungen insgesamt zurückzuverlangen, ohne daß der Vermieter seine Ansprüche auf Bezahlung der tatsächlich angefallenen Nebenkosten verliert wenn er Später doch noch abrechnet. Nach Auffassung des Senats sind jedoch differenzierte Lösungen notwendig; die vom Landgericht für richtig gehaltene Vertragsauslegung kommt nur als ultima ratio in Betracht.
(1)
Grundsätzlich erscheint es nicht sinnvoll, dem Mieter das Recht einzuräumen die geleisteten Vorauszahlungen voll zurückzufordern und die endgültige Klärung der tatsächlich entstandenen Nebenkosten in der Schwebe zu lassen. Aus Sicht beider Mietvertragsparteien ist es interessengerecht, für den Regelfall die endgültige Klärung aller gegenseitigen die Nebenkosten betreffenden Ansprüche in einem einzigen Verfahren anzustreben: dies entspricht auch dem Gebot der Prozeßökonomie. Das bedeutet, daß der Mieter im Regelfall nicht auf - vorläufige - Rückzahlung der von ihm geleisteten Vorauszahlungen klagen kann, sondern nur auf Rückzahlung des Überschusses, der nach Abzug der für die entstandenen Nebenkosten verbrauchten Vorauszahlungen verbleibt. Nun ist allerdings nicht der Mieter, sondern der Vermieter für die Höhe der tatsächlich entstandenen Nebenkosten darlegungs- und beweispflichtig. Gäbe es keine Vorauszahlungen, müßte der Vermieter wollte er vom Mieter die vertraglich vereinbarte Erstattung von Mietnebenkosten beanspruchen deren Entstehen und Höhe darlegen und beweisen. An dieser Beweislastverteilung ändert sich nichts durch die vom Mieter vertragsgemäß geleisteten Vorauszahlungen, weil damit ein irgendwie geartetes Anerkenntnis nicht verbunden ist (RG DR 1943, 1068; BGH MDR 1988, 1040 f: Geldmacher, Unterlassene Nebenkostenabrechnung - Risiko für den Vermieter, DWW 1995, 105, 106); dies gilt sowohl für vertragliche als auch für bereicherungsrechtliche Rückzahlungsansprüche.
Damit kann es aber nicht sein Bewenden haben. Ungeachtet der Darlegungslast des Vermieters sind tatsächlich entstandene Nebenkosten in jedem Falle insoweit zu berücksichtigen, als sie unstreitig sind (LG Koblenz WuM 1995, 98 [LG Koblenz 23.04.1993 - 14 S 265/92]; vgl. auch Schmid a.a.O. unter IV d) Der Mieter der die Wohnung während der Mietzeit tatsächlich genutzt hat, hat in jedem Falle das Entstehen von Nebenkosten verursacht, z. B. Kosten der Heizung oder der Warmwasserzubereitung. Es wäre mit seiner Pflicht zum wahrheitsgemäßen Prozeßvortrag (§ 138 Abs. 1 ZPO) nicht vereinbar wenn er trotz offensichtlich entstandener Nebenkosten befugt wäre, jegliches Vorbringen dazu zu unterlassen. Dem Mieter ist vielmehr zuzumuten, anhand der gegebenen Anhaltspunkte seinen Mindestverbrauch zu ermitteln oder zu schätzen und dies im Rückforderungsprozeß auch vorzutragen. Derartige Anhaltspunkte können aus vorhandenen Abrechnungen entnommen werden, mögen sie formal auch nicht ordnungsgemäß sein (vgl. LG Köln WuM 1989, 28 [LG Köln 17.12.1987 - 6 S 154/87]); auch Nebenkostenabrechnungen anderer Abrechnungsperioden oder Abrechnungen anderer Mieter mit vergleichbaren Wohnverhältnissen können die Grundlage für eine Schätzung geben. Schließlich mag es für den Mieter auch nicht unzumutbar sein, beim Vermieter vorhandene Belege einzusehen und danach einen Mindestverbrauch vorzutragen. Ergibt sich dann ein Überschuß der geleisteten Vorauszahlungen, kann der Mieter dessen Rückzahlung beanspruchen. Dem Vermieter bleibt es in all diesen Fällen vorbehalten, selbst die geschuldeten Nebenkostenabrechnungen zu erteilen und diese dem Rückforderungsanspruch des Mieters entgegenzuhalten: dies wird er auch tun müssen wenn er höhere Nebenkosten als den vom Mieter vorgetragenen - ggf. geschätzten - Mindestbetrag berücksichtigt wissen will.
Für die vorstehende Vertragsauslegung spricht, daß damit nicht nur die Frage der Nebenkostenabrechnungen zwischen Mieter und Vermieter endgültig geklärt wird, sondern daß das Ergebnis in der Regel der Verwirklichung der materiellen Rechtslage eher gerecht wird als eine Lösung, die dem Mieter die Rückforderung der vollen Nebenkostenvorauszahlungen erlaubt. Wie schon ausgeführt, kann die Erstellung der Nebenkostenabrechnungen für den Vermieter schwierig öder gar unmöglich sein, so daß er davon absieht, dem Mieter später noch Nebenkostenabrechnungen zu erteilen. In diesem Falle bliebe der Mieter im Besitz der mit Erfolg zurückgeforderten Vorauszahlungen, obwohl tatsächlich Nebenkosten angefallen sind. In der Regel werden im übrigen die tatsächlichen Nebenkosten nicht wesentlich niedriger sein als die Vorauszahlungen. Denn nach § 4 Abs. 1 S. 1 MHG dürfen Vorauszahlungen für Betriebskosten nur in angemessener Höhe vereinbart werden; bei späterer Betriebskostenermäßigung muß der Vermieter die Vorauszahlungen herabsetzen (§ 4 Als. 4 MHG). Dem Mieter statt des im Regelfall allenfalls geringen Überschusses der Vorauszahlungen über die tatsächlichen Kosten die Rückforderung der gesamten Vorauszahlungen zuzubilligen, ist zum Schutz der berechtigten Interessen des Mieters nicht erforderlich und wäre ein Verstoß gegen das Übermaßverbot.
(2)
Es wird jedoch auch Fälle geben, in denen der Mieter nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür hat welche Höhe die von ihm zu erstattenden, tatsächlich entstandenen Nebenkosten seiner Wohnung haben. Dies kann der Fall sein, wenn es vergleichbare Wohnungen im Gesamtobjekt nicht gibt und der Mieter nur kurze Zeit in den Mieträumen gewohnt hat, er also keine Abrechnungen für frühere Mietzeiträume erhalten hat. In solchen Fällen erfordert es der Schutz des Mieters nach Auffassung des Senats, ihm den vom Landgericht angenommenen Rückzahlungsanspruch zuzubilligen (ähnlich Staudinger-Emmerich, BGB, 13. Bearbeitung 1994, §§ 535, 536 Rdnr. 141, der dem Mieter in Ausnahmefallen nach Treu und Glauben das Rückforderungsrecht zubilligen will).
Erhält der Mieter mangels eines bestimmbaren oder schätzbaren unstreitigen Mindestbetrages der tatsächlichen Nebenkosten seine Vorauszahlungen in voller Höhe zurück, so bleibt es dem Vermieter allerdings unbenommen später noch abzurechnen und die tatsächlich entstandenen
Nebenkosten erstattet zu verlangen. Je nach Zeitablauf bis dahin kann allerdings der Verwirkungseinwand in Betracht kommen. In solchen Fällen sind, wenn sich Mieter und Vermieter nicht einigen können, möglicherweise zwei Prozesse notwendig, um die Frage der Nebenkosten abschließend zu klären; dies ist nach Lage der Dinge aber unvermeidlich.