Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.09.2008, Az.: 3 U 3/08
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.09.2008
- Aktenzeichen
- 3 U 3/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 42955
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2008:0917.3U3.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - 22.04.2008 - AZ: 5 O 1216/07
- nachfolgend
- BGH - 25.06.2009 - AZ: V ZR 55/09
In dem Rechtsstreit
...
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Richter am
Oberlandesgericht..., ...und ...auf die mündliche Verhandlung vom 27.8.2008
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.4.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leisten.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 80 000 € für veräußertes Wohnungseigentum in Anspruch.
Gegenstand des am 26.8.2006 zwischen den Parteien zur Urkundenrolle Nr. ...des Jahrgangs 2006 des Notars Dr. R.... in O.... geschlossenen Kaufvertrags war ein Anteil von 531/1000 Miteigentum verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung in einer aus 2 Einheiten (Unter- und Oberwohnung) bestehenden Wohnungseigentumsanlage in O.... Der Kläger wurde durch seinen Betreuer vertreten. Bei dem veräußerten Sondereigentum handelt es sich um die Unterwohnung. Das von den Beklagten bewohnte Grundstück grenzt an das Grundstück der Wohnungseigentumsanlage an. Die nicht dem Kläger gehörende Oberwohnung der Anlage gehört einem Bruder des Beklagten zu 2).
Der Kaufvertrag enthält u.a. folgende Bestimmungen:
§ 2 Abs. 1 (Bl. 6): Der Kaufpreis beträgt 80 000 € und ist zahlbar binnen 10 Tagen nach Mitteilung des Notars über die Vorlage sämtlicher Genehmigungen....
§ 3 Abs. 1 (Bl. 7): Der nutzbare Antritt und die Übergabe erfolgen mit der Zahlung des Kaufpreises auf das Konto des Verkäufers, nicht aber vor Fälligkeit.
§ 4 (Bl. 8):Die Übertragung des Grundbesitzes erfolgt in dem Zustand, in welchem er sich jetzt befindet.
Auf dem Grundstück der Wohnungseigentumsanlage wurden nach Abschluss des Kaufvertrags Veränderungen vorgenommen: Die Terrasse wurde vergrößert, aufgeschobener Mutterboden wurde planiert und Rasen wurde angelegt.
Am 23.4.2007 (Bl. 11) teilte der Notar den Beklagten mit, dass die erforderlichen Genehmigungen vorliegen und damit der Kaufpreis fällig sei.
Am gleichen Tag machten die Beklagten geltend, dass Veränderungen am Grundstück vorgenommen worden sind.
Am 7.5.2007 (Bl. 108): teilte der Betreuer des Klägers den Beklagten mit, dass der "Aufforderung, das Verkaufsobjekt wieder in einen vorherigen Zustand zu versetzen, nicht nachgekommen werden" könne.
Am 11.5.2007 machten die Beklagten dem Kläger gegenüber geltend, dass ("wie bereits mitgeteilt") 150 Kubikmeter Mutterboden von dem Grundstück entfernt worden seien, die Terrasse vergrößert, vor dem Haus gepflastert und eine Hecke entfernt worden sei und forderten den Kläger auf, das Objekt in den Zustand zu versetzen, in dem es verkauft wurde (Bl. 15). Hierfür setzten sie eine Frist bis zum 22.5.2007. Gleichwohl wurde das Grundstück nicht in den Zustand versetzt, in dem es sich zur Zeit des Vertragsschlusses befunden hat. Am 4.9.2007 (Bl. 109): erklärten die Beklagten den Rücktritt vom Vertrag.
Der Kläger hat geltend gemacht, das Grundstück habe durch die Veränderungen eher eine Wertverbesserung erfahren. Im Schriftsatz vom 27.2.2008 (Bl. 58, 59) hat er ausgeführt, dass "möglicherweise" der Eigentümer der Oberwohnung, der Bruder des Beklagte zu 2) die Veränderungen auf dem Grundstück veranlasst habe. Er - der Kläger - sei der Auffassung, dass die Beklagten dem hätten entgegenwirken können.
In einem nachgereichten Schriftsatz vom 16.4.2008 (Bl. 86, 87) hat der Kläger ausgeführt, er bestreite, dass "die Maßnahmen durch den Miteigentümer nicht mit den direkt nebenan wohnenden Familienangehörigen besprochen wurden" (Beweis: Zeugnis des Hermann B...).
Die Beklagten haben geltend gemacht, dass sie daran interessiert gewesen seien, die Außenanlagen mitzugestalten. Die vorgenommenen Veränderungen, insbesondere die Vergrößerung der Terrasse, setze die Aussichten für eine Vermietung der Unterwohnung herab.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 80 000 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5. Mai 2007 zu zahlen.
Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung. Sie sind nach wie vor der Auffassung, dass die nachträglichen Veränderungen am Grundstück den Rücktritt vom Kaufvertrag rechtfertigten.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Dass sich die Beklagte auf nachträgliche Veränderungen am Grundstück berufen, sei treuwidrig.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Berufung ist begründet.
Die Beklagten sind wirksam vom Vertrag zurückgetreten und damit nicht verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen.
Da das Kaufobjekt noch nicht übergeben wurde, ist nicht Gewährleistungsrecht anwendbar, sondern das Recht der allgem. Leistungsstörungen, (vgl. Palandt/Weidenkaff, § 434 BGB, Rn 8a; 437 BGB, Rn 49). Zwar wäre der Anspruch der Beklagten auf Übereignung gemäß Kaufvertrag erst mit Zahlung des Kaufpreises fällig geworden. Gemäß § 323 Abs. 4 BGB kann der Gläubiger aber schon dann zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Das ist hier der Fall: Die Außenanlagen des Grundstücks sind nach Vertragsschluss dadurch umgestaltet worden, dass der Mutterboden planiert, Rasen angesät und die Terrasse vergrößert worden ist, obwohl gemäß § 4 des Kaufvertrags die Übereignung in dem zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden Zustand geschuldet war. Der Kläger (bzw. sein Betreuer) hat schon am 7.5.2007 mitgeteilt, dass das Grundstück nicht wieder in den bei Abschluss des Kaufvertrags vorhandenen zustand versetzt wird. Damit wurde die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache endgültig verweigert. Vor diesem Hintergrund hätte es der Fristsetzung vom 11.5.2007 gar nicht mehr bedurft.
Die Beklagten waren an der Ausübung des Rücktrittsrechts auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gehindert. Der Kläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz lediglich geltend gemacht, dass die Beklagten seiner Auffassung nach einer Veränderung der Außenanlagen hätten widersprechen können. Das mag sein; eine rechtliche Möglichkeit, den Eigentümer der Oberwohnung an einer Umgestaltung des Grundstücks zu hindern, hatten die Beklagten jedoch nicht. Allein aus dem Umstand, dass der Eigentümer der Oberwohnung ein Verwandter ist, ergibt sich weder die Pflicht noch eine rechtliche Möglichkeit der Beklagten, die Umgestaltung zu verhindern.
Dem Beweisantritt im Schriftsatz vom 16.4.2008 musste nicht nachgegangen werden. Der Kläger hat mit seinem in die Form des Bestreitens einer nicht stattgefundenen Besprechung gekleideten Vorbringen lediglich behauptet, dass die Veränderungen am Grundstück mit den Beklagten besprochen worden seien. Treuwidrig könnte die Geltendmachung von Veränderungen durch die Beklagte aber nur sein, wenn sie ihnen zugestimmt hätten. Dass dies behauptet werden soll, lässt sich dem Beweisantritt des Klägers schon nach seinem objektiven Erklärungsgehalt nicht entnehmen; Besprechungen können auch ohne Konsens enden.
Dass die Beklagte ihre Zustimmung erteilt hätten, ergibt sich auch nicht daraus, dass die Gestaltung der benachbarten Grundstücke an ihrer gemeinsamen Grenze aufeinander abgestimmt sein mag, wie der Kläger behauptet. Denn die einvernehmliche Gestaltung einer Grundstücksgrenze durch beide Nachbarn lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass auch Veränderungen auf beiden Grundstücken in ihren nicht in der Nähe der gemeinsamen Grenze gelegenen Bereichen ebenfalls die Zustimmung beider Nachbarn gefunden haben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.