Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.04.2012, Az.: 2 SsRs 294/11
Anforderungen an die Erfüllung der Schriftform eines Antrags auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde durch Absendung einer E-mail
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 03.04.2012
- Aktenzeichen
- 2 SsRs 294/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 17841
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2012:0403.2SSRS294.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 79 Abs. 3 OWiG
- § 110a Abs. 2 OWiG
- § 41a StPO
- § 341 StPO
- § 346 StPO
Fundstelle
- NZV 2012, 303
Amtlicher Leitsatz
Die Einlegung einer Rechtsbeschwerde oder eines Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde durch eine E-Mail ist auch während einer Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 110 a Abs.2 OWiG nicht formwirksam möglich, da die gesetzlich bestimmte Schriftform hierdurch nicht eingehalten wird.
Tenor:
Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Mit Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 21.09.2011 wurde gegen den Betroffenen wegen vorsätzlich begangenen Haltens eines Mobiltelefons während der Fahrt eine Geldbuße von 40,- € ausgesprochen. Darüber hinaus wurden ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Das Urteil wurde in Anwesenheit des Betroffenen verkündet. Mit einer am 28. September 2011 gegen 22.43 Uhr an das Amtsgericht Delmenhorst gesandten E-Mail, welche am Folgetag ausgedruckt wurde, legte der Betroffene Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil ein.
Mit Beschluss vom 05.10.2011 hat das Amtsgericht Delmenhorst diese Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. In seiner Begründung hat es ausgeführt, dass die Rechtsbeschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen an die erforderliche Schriftform genüge. In der in diesen Beschluss aufgenommenen Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass binnen einer Woche nach Zustellung beim Amtsgericht Delmenhorst wiederum schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt werden könne.
Die Zustellung erfolgte am 13.10.2011. Mit am 18. Oktober 2011 gegen 10.26 Uhr an das Amtsgericht Delmenhorst gesandter E-Mail wandte sich der Betroffene gegen den amtsgerichtlichen Beschluss und führte aus, dass er seiner Auffassung nach darüber hätte aufgeklärt werden müssen, dass eine Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht per E-Mail zulässig sei, zumal er auch den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf diesem Wege eingelegt habe.
Der Antrag ist als solcher auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts anzusehen. Er ist statthaft gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 Satz 1, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, jedoch zumindest unbegründet.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, welcher gem. §§ 80 Abs.3, 79 Abs.3 OWiG, 341 StPO ebenso wie die Einlegung einer Rechtsbeschwerde der Schriftform unterliegt, wenn er nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt wird, ist durch das Amtsgericht zu Recht als unzulässig verworfen worden.
Die Übersendung einer E-Mail erfüllte die gesetzlichen Formerfordernisse nicht. Gemäß § 110 a OWiG können Erklärungen, Anträge und Begründungen, welche nach den gesetzlichen Erfordernissen ausdrücklich schriftlich abzufassen oder zu unterzeichnen sind, als elektronisches Dokument eingereicht werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen und für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sind. Der Zeitpunkt, von welchem an elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden können, ist durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Die Nds. ERVVO-Justiz vom 21.10.2011 sieht bislang noch für kein Gericht in Verfahren in Ordnungswidrigkeiten den elektronischen Rechtsverkehr vor. Ob während der Übergangszeit auch eine Einlegung per E-Mail als der Schriftform genügend anzusehen ist, weil die Erwägungen des Beschlusses des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 05. April 2000 zum sogenannten Computerfax (GemS OGB 1/98) auch auf den E-Mail-Verkehr Anwendung finden, hat der Gesetzgeber allerdings nicht entschieden und ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen (vgl. Bundestagsdrucksache 15/4067 S. 44). Dies ist jedoch zu verneinen. E-Mails genügen den Schriftform nicht, da sie weder ein beim Absender erstelltes Originalschriftstück voraussetzen noch zwingend eine urkundliche Verkörperung am Empfangsort erfahren.
Lediglich das Vorliegen eines Originalschriftstücks hat der Gemeinsame Senat als entbehrlich erachtet. Dass die Einhaltung der Schriftform jedoch eine schriftliche Fixierung am Empfangsort voraussetzt, hat er nicht in Zweifel gezogen. Erklärungen, für welche eine Schriftform vorgesehen ist, können deshalb nur dann im Wege des E-Mail-Verkehrs eingereicht werden, wenn dies aufgrund entsprechender gesetzlicher Regelung zugelassen ist. Die Voraussetzungen, unter welchen dies erfolgen kann, sind in § 110 a OWiG exakt definiert. Sind sie nicht erfüllt, können derartige Erklärungen auch während einer Übergangszeit nicht per E-Mail eingereicht werden (vgl. für die inhaltlich übereinstimmende Vorschrift des §§ 41 a Abs. 2 StPO: OLG Koblenz NSTZ RR 2011, 211; OLG Oldenburg NJW 2009, 536; LG Heidelberg SVR 2009, 105; LG Zweibrücken VRS 119, 223; LG Magdeburg Beschluss vom 27.10.2008 AZ. 24 Qs 87/08, zitiert nach juris; Meyer-Goßner StPO 54.Aufl. § 41 a Rz. 9). Diese Erwägungen finden Bestätigung in der Entscheidung des BGH vom 04.12.2008 zur Wahrung der Schriftform durch E-Mails im zivilprozessualen Bereich (BGH WM 2009, 331[BGH 04.12.2008 - IX ZB 41/08]). Dort hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass sich aus dem Umstand, dass zur Regelung der Einlegung elektronischer Dokumente die Vorschrift des §§ 130 a ZPO geschaffen worden sei, gerade ergebe, dass die in § 130 ZPO vorausgesetzte Schriftform durch E-Mails nicht gewahrt werde. Insoweit stellt sich die Rechtslage als vergleichbar dar. Auch im strafprozessualen Bereich sowie im Ordnungswidrigkeitenrecht bedurfte es keiner speziellen Vorschriften, welche bestimmen, dass schriftlich einzureichende Erklärungen unter weiteren Voraussetzungen durch E-Mails abgegeben werden können, wenn die Schriftform durch solche ohnedies als eingehalten angesehen werden könnte.
Ob sich der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts darüber hinaus bereits als unzulässig erweist, weil auch er den Formerfordernissen nicht gerecht wird, kann angesichts seiner mangelnden Begründetheit dahinstehen. Bei dem Antrag gemäß § 346 Abs. 2 StPO handelt es sich um einen Rechtsbehelf eigener Art, der keinen besonderen Formerfordernissen unterliegt (vgl. BGH wistra 1989, 313; BGH NJW 1958, 509 [BGH 21.01.1958 - 1 StR 236/57] Meyer-Goßner StPO, 54. Aufl., § 346 Rz. 8; KK-Pikart 3.Aufl.
§ 346 Rz.16). Ob man insoweit mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung der Schriftform, wie sie auch in § 110 a OWiG vorausgesetzt wird, eine formgerechte Einlegung per E-Mail für zulässig erachtet, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.